Romane/Serien · Fantastisches

Von:    bröselmaschine      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. Februar 2001
Bei Webstories eingestellt: 6. Februar 2001
Anzahl gesehen: 3659
Seiten: 11

So kann es nicht weitergehen, dachte Jonas, der Heidelbeerköter zu sich und begann, sein altes, graues Haar zu frisieren, mit seinem selbstgebastelten Kamm, den er in langen Winternächten aus der kalten, glasklaren Morgenluft geschnitzt hatte. Es war ein schöner Kamm. Und Jonas hatte recht. So konnte es wirklich nicht weitergehn. Sein Dasein war ihm eine Spur zu langweilig geworden. Naja, immerhin lebte er ja auch in der Stratosphäre, da spielt sich´s halt nicht so besonders ab. Besonders jetzt nicht. Jetzt. Gerade im Moment halt. Seit seiner letzten Buchbesprechung vor acht Jahren hatte sich in Jonas´ Leben eigentlich so gut wie nichts abgespielt. Und das ist keine Übertreibung. Garnichts. Nicht einmal eine Spur von auch nur irgendetwas. Einfach garnichts. Deshalb beschloss Jonas nun an seiner Existenz etwas zu verändern. Er begann damit, sich eine neue Frisur zuzulegen und kämmte sich nun sein dicht vorhandenes Körperhaar gegen den Strich nach Ostern. Ostern war die Lieblingsjahreszeit von Jonas. Da konnte man immer... Ja was hat ihm nur an Ostern soviel Spass gemacht? Er wusste es nicht mehr so genau.











Naja, dann wusste Jonas halt nicht mehr, was ihm an Ostern soviel Spass gemacht hat. Man kann sich schliesslich in Jonas´ Alter nicht an jede Kleinigkeit erinnern. Es ist ja schliesslich auch egal. Warum sollte man sich stundenlang ueber Sachen Gedanken machen, die im Grunde belanglos sind. Oder? Das haette ja gar keinen Sinn. Meine ich. Und das meinte Jonas offensichtlich auch, denn nur wenige Monate spaeter sah man ihn schon vergnuegt auf seinem Einrad durch die Gegend fahren. Das Einrad hatte er sich uebrigens auch selbst gemacht, in langen kalten Winternaechten. Wie ueblich. Das Einrad bestand aus Fensterscharnieren, die er in muehevoller Kleinarbeit zu einem Einradteig knetete, zu einem Einrad rollte und dann mit Klarlack ueberzog, um zu verhindern, dass es schmilzt. So kurvte er nun froehlich und vergnuegt quer durch seine rosarote und kunterbunte Stratosphaerenwelt und wunderte sich, warum ihm eigentlich noch nie aufgefallen war, dass er weit und breit der einzige Heidelbeerkoeter war; nicht nur das, er war sogar das einzige, was es dort ueberhaut gab, ausser kalten Winternaechten. Die mochte er aber eh sehr gern. Die kalten Winternaechte. Da hatte er viel Zeit, Sachen zu tun. Welche auch immer. So beschloss Jonas der Heidelbeerkoeter einfach so aus heiterem Himmel umzuziehen.
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Und das tat er auch. Er begann bei sich selbst und entledigte sich seines mittlerweile laecherlich gewordenen Plastikgiesskannenanzuges. Frueher war das sehr modern, doch wie wir wissen aendert sich die Mode gelegentlich. Deshalb erfand Jonas in Windeseile einen Schneider, der ihm einen besonders modischen Linolbodenhut aus Unkraut schneiderte. Sehr sehr modisch.





Ausgestattet mit seinem neuen Hut, dachte sich Jonas, duerfte es wohl kein Problem sein ein bisschen unter die Leute zu kommen. Er stieg also wieder auf sein Einrad und begann richtung Boden runterzuradeln. Gott sei Dank war das fuer Jonas kein grosses Problem, da er ja bestens im Training war von dem vielen Zeug, das er machte an den langen kalten Winterabenden, von denen es schliesslich genug gab, dort wo er bis jetzt gelebt hatte. Doch das sollte nun endlich alles anders werden. Auf diesem unserem Boden angekommen musste Jonas schmerzlich feststellen, dass es einfacher ist, mit einem Einrad in der Stratosphaere zu landen, als auf der harten aber ehrlichen Erde. Ueber diesen kleinen Vorfall jedoch nicht weiter betruebt versuchte er erst mal sich zu orientieren und herauszufinden, in welchem Land er sich eigentlich befand und welche Sprache man hier eigentlich sprach, was sich als nicht so einfach erwies, da er sich offensichtlich irgendwie verfahren hatte, und nicht auf der Erde, sondern auf einer sehr, ich meine wirklich sehr sehr grossen Astralsemmel in mitten der Dromedarweltallwiese gelandet war. Bloedes Pech sozusagen. Nun, da es auf dieser Astralsemmel keine Moeglichkeit gab, seine verbrauchten Energiereserven in Form von Haekelnadeln wieder aufzubessern, befand Jonas, dass es besser waere, sich mit der Situation abzufinden und das beste draus zu machen. Gedacht, getan. Er machte das beste draus. Das allerbeste. Was besseres haette nicht einmal Roger Moore oder der Papst draus machen koennen. Jaja. So machte er das. Einige Minuten spaeter traf Jonas endlich das erste andere Wesen in dieser Geschichte. Zeit is wurn. Ganz unverhofft spriesste vor Jonas Fuessen ein mittelgrosses Stiegengelaender aus dem Boden, baute sich vor ihm auf und sprach mit eindrucksvoll unauffaelliger Stimme: Hallo, Jonas! Willst du mein Freund sein? Jonas war ganz verdutzt und wusste im ersten Moment garnicht, was er sagen sollte. Als jedoch noch 6 weitere Momente vergangen waren, fand er sich selber wieder und antwortete: Na, eigentlich net. Aber wenn du unbedingt willst, koennte ich ja deine Schwester sein.
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Das war nicht unbedingt das, was das Gelaender sich erwartet hatte, doch es willigte erst mal ein.



Das Gelaender dachte, es sei gut, sich erst mal mit Jonas, dem Heidelbeerkoeter bekannt zu machen, um Missverstaendnissen vorzubeugen, und einander besser kennen zu lernen, also sprach es ihn an: „Na, Jonas! Wie ist es so, die Schwester von einem so netten Burschen wie mir zu sein?“ Jonas antwortete: „Naja, weiss nicht. Eigentlich eh ganz normal. Ist nicht viel anders geworden seit dem letzten Mal.“ „Was!? Du warst schon mal meine Schwester?“ frug das Gelaender entruestet. „Nein, nein. Das natuerlich nicht. Aber, ich meine.. es ist halt nicht viel anders als beim letzten Mal.“ „Ach so“ atmete das Gelaender auf. „Das wusste ich nicht. Sag´ mal, eins ist schon komisch. Wir sind Geschwister und du weißt nichtmal, wie ich heisse...“ „Hoer´ doch endlich mit diesem Smalltalk auf!“ unterbrach Jonas das Gelaender. „Du bist auch deshalb kein anderer, weil du anders heisst. Und ausserdem, wer sagt denn, dass du anders heisst?“ Damit hatte Jonas eine tief verborgen geglaubte Stelle des Gelaenders entdeckt. „Woher weißt du..?“ stammelte das Gelaender. „Du musst nicht alles wissen, Anders.“ versuchte Jonas zu beruhigen. Im weiteren Verlauf ihres Gespraechs fanden Jonas und Anders noch viele viele Gemeinsamkeiten in ihren Leben, von denen sie vorher (vielleicht aufgrund ihres gegenseitigen nicht Kennens) noch nicht einmal zu traeumen gewagt haetten. Zum Beispiel haette sich weder Jonas noch Anders vorstellen koennen, dass sie siamesische Zwillinge waren und eigentlich seit Anbeginn ihrer Tage gemeinsam gelebt hatten. Es erschien beiden relativ unerklaerlich, doch die Tatsachen sprachen fuer sich. Zutiefst ins Gespraech vertieft merkten die beiden durch die Praerie der Dromedarweltallwiese spazierenden garnicht, wie es um sie herum immer dunkler wurde. Langsam aber sicher zog sich ein gespenstischer blauschwarz staubiger Schleier durch die unschnitzbare Abendluft und ploetzlich, fast unverhofft und schrecklich... war es Abend geworden.



Das kann doch nicht wahr sein, dachten Jonas und Anders fast synchron. Ploetzlich war es einfach so Abend geworden. Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. Kann man auch damit rechnen, dass es einfach so Abend wird? Wohl nicht.
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Gluecklicherweise waren die beiden an Schicksalsschlaege gewoehnt und konnten mit dieser voellig anderen Situation ganz gut umgehen. Jonas wurde zwar um 16 Prozent zitroniger, aber das machte Anders nips aus. Anders war ja schliesslich ein tolerantes Gelaender. Sowas sollte es oefter geben. So tolerante Gelaender. Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht wandte sich Anders zu Jonas und sagte: „Uebrigens... es ist schon fast halb zweiundsechzig.“ „Jaja, eh“ antwortete Jonas. „Zeit fuers Picknick, gell?“ Jonas begann traege aber bestimmt, seinen Rucksack, den er schon seit Tagen mitschleppte, auszupacken, wobei ihn Anders interessiert beobachtete. Er war ganz erstaunt, wieviele Dinge Jonas fertiggebracht hatte, in seinem Rucksack unterzubringen. Mit peinlicher Pedanz klatschte Jonas nun ein Picknick auf den harten Boden der Astralsemmel, bei dem sogar Kleopatra vor Neid erblasst waere. Es war bestimmt das abgefahrenste Picknick, das diese Welt jemals gesehen hatte. Danke Jonas. Du weißt halt, wie man ein geiles Picknick macht. Es gab wirklich alles vom Rauchfangkehrer bis zur Memoryspielerlobby, vom rosa T-Shirt bis zum Flugentenunterricht; kurz Jonas hatte einfach an alles gedacht.



Als Jonas und Anders beim Auspacken des durch jahrelanges Nichtbenuetzen wie steinern zugepickten Marmeladeglases schmerzlich klar wurde, dass Picknicks eigentlich ueberhaupt keinen Spass machen und nur dazu fuehren, dass man sich ueber Trivialitaeten wie, wer die letzte Nudelsuppe bekommt, streitet, brachen sie das Picknick ab und versuchten, sich die Zeit irgendwie anders zu vertreiben. Nach vielen erfolglosen Versuchen Selbiges zustande zu bringen, mussten die beiden einsehen, das diese Astralsemmel einfach nicht der richtige Ort fuer einen Heidelbeerkoeter und seinen siamesischen Gelaenderzwilling war. Sich an das unsterbliche gefluegelte Wort „warum denn in die Ferne schweifen...“ erinnernd bestiegen unsere zwei Freunde also den Zug, den Jonas auch in seinem Rucksack mitgebracht hatte, und fuhren damit nach Mistelbach. Da es ihnen aber dort schon am Bahnhof langweilig wurde, stiegen sie wieder ein und reisten weiter nach Krakauschatten in der Steiermark. Aah. Herrlich!! Das war genau das richtige fuer die beiden. Gute Luft, kitschig gruene Waelder, mehr Kuehe als Menschen und dann diese niedliche Landbevoelkerung... Da es Anders doch in Mistelbach besser gefallen hatte, entschied er, sich Jonas operativ entfernen zu lassen, was kein Problem war, da sie nur an ihren Zehennaegeln zusammengewachsen waren.
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Die Operation verlief positiv und von nun an waren sie beide wieder Herr ihrer Schicksale.



Jonas erstand auf einem Flohmarkt ein mittelgrosses 25kg-Stueck Land und nahm sich vor, darauf Ostwind anzubauen und vom Ertrag ein Leben als Playboy zu fuehren. Da wir bereits wissen, dass Jonas keine Zeit verliert, machte er sich sofort an die Arbeit und kultivierte Ostwind in hoechster Vollendung, welcher vor Allem bei den Windmuehlenbetreibern, von denen es in Krakauschatten und der weiteren Umgebung keinen einzigen gab, reissenden Absatz fand. Eines Tages, als er ueber sein 25kg Land spazierte, fiel ihm eine Unregelmaessigkeit des Bodens auf. Neugierig schritt er naeher um erkennen zu koennen, worum es sich wohl handle. Als er nahe genug war, um es zu erkennen, lief ihm ein kalter Schauder ueber den Ruecken. Eines der Nachbarskinder hatte ihm einen Eisberg von kapitaler Groesse in den Hemdkragen gesteckt. Doch auch dieser Umstand konnte Jonas´ Blick nicht davon abwenden, was er am Boden seines 25kg Landes gefunden hatte.



Jonas hatte mitten in seinem 25kg Land eine Holztuer entdeckt. Keine gewoehnliche Holztuere sondern eine uralt anmutende, riesengrosse Eichenholztuere aus einer mindestens 23 000 Jahre alten Trauerweidenpappelbirke. An der Vorderseite der Tuer war ein schmiedeeisener Plastikring angebracht, in den Gelaechter eingraviert war. Jonas, seines Zeichens selbst zweifacher Weltmeister im Gelaechtergravieren bewunderte zu aller erst die Liebe zum Detail, mit der die Gravur durchgefuehrt worden war worauf er feststellen musste, dass die Gravur besser war als alles, was er in seinem Leben jemals gravieren wuerde. Dieser Gedanke machte Jonas zuerst stutzig, dann nachdenklich und kurz darauf wieder stutzig. Dabei blieb es dann aber. Stutzig. Wie konnte er zweifache Weltmeister im Gelaechtergravieren sein, wenn es auf seinem eigenen Grund und Boden offenbar jemanden gab, der es noch viel besser beherrschte? Dieser Gedanke liess Jonas, den Heidelbeerkoeter nicht mehr los und er beschloss, der Herkunft der seltsamen Gravur auf den Grund zu gehen. Er fasste sich ein Herz, entfernte den Eisberg, den ihm das Nachbarkind in den Kragen gesteckt hatte aus demselben (worauf nun auch endlich das Schaudern aufhoerte) und klopfte mit dem schweren schmiedeeisenen Plastikring gegen die Tuere. Einmal, zweimal, dreimal.
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„Das wird wohl reichen“, dachte er bei sich und er bemerkte, dass er, wohl aus Nervositaet, ein heiter huepfriges Lied auf seinen Lippen kleben hatte, was auf ihn ungeheuer entspannend wirkte. Ploetzlich hoerte er ein Geraeusch, es klang, als ob jemand eine verschlossene Tuere oeffnen wuerde. Wer haette das gedacht? Bestimmt eh jeder, oder? Die Tuere oeffnete sich und ein mit rosa Spruehlack gefaerbter Lemming grinste durch den Spalt, den die leicht geoeffnete Tuer freigab. Er nahm seine nach oben spitz zulaufende Zipfelmuetze ab und faltete sie zu einer Hand, welche er Jonas zur Begruessung hinstreckte.



Etwas verunsichert aber interessiert streckte Jonas dem durch Spruehlack rosa geroteten Lemming auch seine Hand entgegen, welcher sie sofort ergriff und Jonas mit einem herzlichen „ Bitte die Schuhe ausziehen!“ hereinbat. Jonas, nix feig, trat sogleich ein und sah sich erstmal ein wenig um, um seine Orientierung wieder zu finden, die er schon in fruehester Kindheit bei einem Autounfall verloren hatte. Selbiges gelang ihm auch sehr schnell und ihm kam in den Sinn, dass ihn eigentlich sehr interessieren wuerde, was hier eigentlich gespielt wuerde und wieso offensichtlich ein rosaroter Lemming in seinem 25kg Land wohnte. Also frug er den Lemming genau diese Fragen. Dieser antwortete prompt: „Naja, eigentlich ist es so, dass wir eine Kolonie von Blattlaeusen sind und uns als Lemminge verkleidet haben.... nein, wir sind eine Untergrundbewegung gegen den sinnlosen Selbstmord an tausenden Lemmingen, die sich jedes Jahr...“ wieder stockte der Lemming, „na jetzt mal ehrlich, ich hab keine Ahnung, warum wir hier sind...oder sagen wir einfach, was geht dich das an, oder, du musst nicht alles wissen.“ Jonas war etwas verdutzt, weil er ploetzlich bemerkt hatte, dass er nur ein Bein hatte, und sich nun fragen musste, wie er das mit dem Einrad fahren immer bewerkstelligen hatte koennen. Mit anderen Worten, er hatte dem Lemming nicht wirklich seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu Teil werden lassen koennen. Also fragte er noch einmal: „Wieso lebt ihr eigentlich hier in meinem Landstueck?“ und der Lemming antwortete „Wir sind ein Britney Spears Fanclub und schaemen uns unserer Existenz, deshalb leben wir hier unter der Erde.“ „Erde?“, fragte Jonas ueberrascht. „Mein Land besteht zu 100% aus Wasser, oder glaubst du, man kann in Erde Ostwinde anbauen?“ Ueber diese Tatsache sehr verwundert erkundigte sich der Lemming: „Lemminge koennen unter Wasser aber nicht leben, oder?“ „Doch, die rosarote Art schon, wenn ich nicht irre.
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“ „Na, dann erkundig ich mich mal, und wenn es nicht sein soll, dann saufen wir halt alle ab. Ist ja eh besser fuer die Welt. Uns braucht ja eh keine Sau..“ begann der Lemming zu schluchzen. Jonas versuchte den Lemming damit zu troesten, dass es halt auf dieser Welt Kreaturen gibt, deren Aufgabe es ist, zu ertrinken, und dass die Lemminge einfach dazugehoeren. Das verstand der Lemming auch, obgleich er trotzdem vorher einen sachverstaendigen Biologen zur Lebensfaehigkeit von rosaroten Lemmingen unter Wasser befragen wollte.



Just in dem Moment, als der Lemming Jonas von seinem Vorhaben erzaehlt hatte, einen Biologen zur Lebensfaehigkeit von Lemmingen unter Wasser befragen zu wollen, fiel diesem ein, dass sein Land nicht nur zu 100% aus Wasser bestand, sondern auch zur anderen Haelfte aus Mineralwasser, und dagegen sind alle Arten von Lemmingen immun. Der Lemming freute sich sehr, als ihm Jonas das erzaehlte. Kein Wunder, ging es doch um das Leben aller 16 Mitglieder des Britney Spears Fanclubs. Zum Dank dafuer, dass sie nun doch nicht alle ertrinken mussten, lud der Lemming Jonas zu einem Fest ein, das er sich einbildete, aufgrund des Umstandes seines Weiterlebens geben zu muessen. Da Jonas (durch seine Ostwindfarm ohnehin reich und verpflichtungsfrei geworden) nichts Besseres vor hatte, willigte er ein; auch mit dem Hintergrundgedanken, vielleicht noch etwas mehr ueber die doch immer noch irgendwie seltsame Sachlage zu erfahren. Der Lemming nahm Jonas bei der Hand und begann mit wahnsinniger Geschwindigkeit zu laufen. Dass Jonas nur ein Bein hatte, musste er irgendwie vergessen haben und Jonas stolperte ihm nach bis er voellig erschoepft vor einer weiteren Tuer anhielt. Diese Tuer sah genau gleich aus, wie die, durch die Jonas ueberhaupt erst hier hingelangt war, ausser, dass kein Gelaechter eingraviert war, sondern Legobausteine. „Das ist unser Hochgeschwindigkeitslift“ sagte der Lemming stolz und deutete auf den Boden vor der Tuer. „Ist er nicht eher hinter dieser Tuer?“ fragte Jonas mit einem Hauch von Verwirrtheit in seiner Stimme. „Nein“, sprach der Lemming und deutete weiter stur auf den Boden vor der Tuer. Beide standen da und nichts geschah. Der Lemming stand einfach nur da und deutete auf den Boden.
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Er antwortete auch nicht mehr auf Jonas´ Fragen. Schoen langsam wurde Jonas langweilig.



Da Jonas sich nicht erinnern konnte, welchen Weg der nun scheinbar erstarrte Lemming mit ihm genau gegangen war, wusste er nicht recht, was er machen sollte und deshalb wartete er einfach weiter. Das war auch gut so, denn schon nach 2 Tagen kam ein weiterer Lemming des Weges. Dieser hatte Lockenwickler im rosa Spruehlackfell und er roch nach gebrannten Mandeln oder nach Benzin, das konnte Jonas nicht so genau feststellen, zumal er sich ja immer noch in dem 100% Wasser-50% Mineralwassergemisch befand. Der Lemming stellte sich Jonas als Arbasi, die Wolkenministerin und Vorsitzende des Britney Spears Fanclubs vor und fragte Jonas sogleich, was es mit seiner Anwesenheit auf sich habe, woraufhin sich Jonas erklaerte und seinen Unmut bezueglich dieser Sache mit dem Turbolift kund tat. Arbasi begann lauthals zu lachen und klopfte Jonas vor lauter lachen so fest auf die Schulter, dass Jonas die linke Hand abfiel. „Na sehr super“, noergelte Jonas, lachte aber dann aber doch mit, als ihm auffiel, dass er mit einem Bein und einem Arm viel symmetrischer war als vorher. Als sich Arbasi und Jonas nach einiger Zeit wieder eingekriegt hatten, wollte Jonas nun aber wirklich wissen, was es mit diesem Lift auf sich hatte, und warum der andere Lemming ploetzlich auf den Boden vor der Tuer zeigend erstarrt war. Und Arbasi begann zu erklaeren: „Folgendes: der Turbolift ist eigentlich gar kein Lift, sondern ein Veranstaltungsraum. Wir nennen ihn nur Turbolift, weil das fuer uns leichter zu merken ist, als Veranstaltungsraum. Lemminge koennen sich nicht gut Woerter merken, die mit einem V beginnen. Schon gar nicht mit einem grossen V. Aber auch kleine v´s sind problematisch. Ich bin eine Ausnahme, weil ich Wolkenministerin bin. Der Raum hat aber einen sehr schwierigen Charakter, darum muss mindestens einer von denen, die Einlass begehren wenigstens vier Tage regungslos davor stehen und als Zeichen der Wertschaetzung auf den Boden zeigen. Dann laesst einen der Turbolift hinein und man kann drin veranstalten, oder wie wir es nennen phenylalaninsynthetisieren, soviel man will. Da das hier, wie du weißt ein Fanclub ist, phenylalaninsynthetisieren wir oefters mal eine Veranstaltung, oder Josefine, wie wir zu sagen pflegen; du weißt, das V-Problem. Verstehst du?“ fragte Arbasi. Jonas kratzte sich mit seiner verbliebenen Hand am linken Ohr und sagte: „Naja, eigentlich ganz plausibel.
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Und findet heute noch so eine Ver... natuerlich Josefine statt? Ich wuerde mir das ganz gerne ansehen.“ „Heute nicht mehr, aber wir koennen ja sowieso erst wieder in 2 Tagen hinein.“









„Na gut, wenn wir also erst in 2 Tagen wieder in den Turbolift hineinkoennen“, meinte Jonas, „was machen wir bis dort hin? Ich will nicht noch 2 Tage hier unter Wasser warten, zumal ich schon seit 2 Tagen hier bin und schoen langsam hungrig werde.“ Das liess sich Arbasi natuerlich nicht zweimal sagen und bot Jonas an, mit in die Fanclubeigene Schenke zu kommen, auf dass er sich frisch machen und Arbasi ihn zum Essen einladen koenne. Er willigte ein und folgte Arbasi weiter, in immer tiefere Tiefen. Nach einem zermuerbenden Fussmarsch von 12 Minuten erreichten sie nun endlich die Schenke. Es war ein eigenartig ausssehendes Gebilde. Es sah zwar irgendwie aus wie ein Lokal, aber nicht wie eines aus diesem Universum. Nicht nur, dass die Waende aus Vorhaengen zu bestehen schienen, auch die Fenster waren nicht aus Glas sondern aus Buergerkrieg. Ich meine aus dem Buergerkrieg. Gemacht waren sie aus Eisenblumen. Sah zwar sehr suess aus, duerfte aber beim Durchschauen gewisse Probleme verursachen. Wie auch immer, das Gebaeude war irrsinnig hoch. Mindestens drei mal so hoch, wie jedes andere Gebaeude, das Jonas je zuvor gesehen hatte, was nicht viel heissen mochte, weil Jonas damals bei dem Autounfall, bei dem er seine Orientierung verloren hatte auch eine schwere Halswirbelsaeulenverletzung davongetragen hatte, die es ihm unmoeglich machte, nach oben zu sehen. Aber es war echt hoch, das steht fest. Als Jonas und Arbasi eintraten, wurden sie mit Beifall und Jubelrufen empfangen. Jonas, als solcher an derartige Empfaenge gewoehnt, kuemmerte sich nicht weiter um die tobende Menge, setzte sich mit Arbasi an einen Tisch und bestellte fuer sich zwei mal das Pazifismusmenue, das sehr sehr lecker anmutete. Er war naemlich ganz schoen hungrig. Da Jonas schliesslich auch ueberzeugter Pazifist war, hatte er ueberhaupt kein Problem damit, dieses Menue zu bestellen. Andere oder Anders vielleicht. Aber nicht Jonas. Er doch nicht. Niemals. Um sich die Wartezeit ein bisschen zu vertreiben, begann Arbasi ueber belanglose Dinge, wie Ostwindduenger, den Welthunger und Hundemord zu reden und Jonas hoerte aufmerksam zu.
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Als jedoch nach einigen Stunden das Menue noch immer nicht da war, wurde Jonas grantig und schnauzte den Kellner an, wo sein verdammtes Essen bleibe. Dass er das nicht haette tun sollen, fiel ihm sofort am schadenfrohen Grinsen der anderen Gaeste auf. Der Kellner frug ihn, ob er nicht die Beschreibung den Pazifistemenues gelesen hatte, worauf Jonas erwiderte, dass er garnicht lesen koenne, sondern rein instinktiv bestellt haette und ausserdem immer so etwas in die Richtung bestellte. Der Kellner erklaerte, dass nur jener das Pazifistenmenue zu Gesicht bekommt, der einen Tag lang friedlich darauf warten wuerde. Pech also fuer unseren armen, geplagten Jonas dachte er im ersten Moment, da er aber zwei Menues bestellt hatte, hatte er gluecklicherweise noch eine zweite Chance.



Als am naechsten Morgen nun endlich Jonas´ Pazifistenmenue auf dem starken Oberarm des kleinwuechsigen Lemmingkellners dahergewackelt kam war Jonas uebergluecklich und nahm das ganze Menue, bestehend aus einem Glas Slimfast oder Kaninchenpisse (das war unter gegebenen Umstaenden nicht zu eruieren), in einem Zug und kippte es sich genuesslich in den Koerper. Nicht nur, dass er nun satt und gluecklich war, nein, endlich waren auch die 4 Tage Wartezeit vergangen, die sich durch den schwierigen Charakter des Turbolifts ergeben hatten. Arbasi und Jonas machten sich also in Begleitung der anderen 14 Britney Spears Fans wieder auf den Weg zurueck zum Turbolift alias Veranstaltungsraum. Dort angekommen stand noch immer der erste Lemming und deutete stur auf den Boden. Nach einigen Minuten stieg ploetzlich Rauch aus dem Schloss der Tuer des Turbolifts auf und ein Geraeusch, so aehnlich wie das Surren einer wachsenden Pflanze war zu hoeren. Dann oeffnete sich die Tuer und gab den Turbolift frei. Der erstarrte Lemming begann, sich wieder zu bewegen und fluchte erst mal aus tiefstem Herzen. Er faselte irgendetwas von Bandscheiben, der Notwendigkeit dieses Rituals und Rostloesern... Aber keiner hoerte ihm zu, weil alle anderen Fans in der Turbolift stuermten, um sich gute Sitzplaetze zu sichern. Als nun jeder einen Platz an dem riesigen runden, in muehevoller Kleinarbeit furnierten Plastikgartentisch gefunden hatte, stand Arbasi auf und hustete zwei mal deratig laut in ihre hohle Hand, dass der Boden erzitterte und sich in Windeseile rasende Stille im Raum breitmachte. Arbasi atmete tief ein, sehr tief. Als wuerde sie in den naechsten Minuten aufs Atmen verzichten wollen.
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Sie erhob ihre Stimme und zerschnitt die beissende Ruhe mit den Worten: „Na, was nun? Hmm?“ Ihre Worte schienen noch minutenlang im Raum zu stehen, wie ein leuchtendes Vorbild fuer alle, die nicht wissen, wie man redet ohne etwas zu sagen. Da diese wunderbare Stimmung im Raum wirklich ausnahmslos jedem zuteil wurde, ausser Jonas, zerbrach er sie mit den Worten: „Was, was nun, Arbasi?“ Arbasi war den Traenen nahe und sagte: „Jonas, Jonas, mein Jonas.“










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Kommentare zur Story:

  Logik muss nicht sein... das weiß die lesende Welt spätestens seit Terry Pratchett.
Fünf Punkte, Eins, setzen.  
Gwenhwyfar  -  06.06.02 12:27

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  Ich habe Tränen gelacht.... *kicher*  
Maegumi  -  07.01.02 16:57

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  Schlicht geschrieben, schräge aber intelligente Idee-Kunst eben!!  
Pascal  -  08.12.01 14:23

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  Echt, einfach voi cool  
Chrisi  -  17.11.01 13:34

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  Echt, einfach voi cool  
Chrisi  -  17.11.01 13:34

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  muHa lüüüüüüüüüüüP isch dos :)  
loonie  -  09.11.01 13:39

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  Ich finds genial !!! *gg* ich liebe diesen humor!! *meeeeehrlesenmag*!! mach bloß weiter so, hörst du? *bröselbannerhochhalt* *cheerleadertanzeinstudier* *michalsgroupieanbiet*  
eternelle  -  18.07.01 16:54

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  Das verstehe wer will, ich verstehe es nicht  
Lea  -  24.06.01 22:11

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  Macht nigs, trotzdem danx fürs lesen :o)  
bröselmaschine  -  04.06.01 19:45

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  Das verstehe, wer will. Für mich ist das nichts.  
Gudrun  -  21.05.01 19:46

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  :0) hui da is wer stolz  
lox  -  21.03.01 13:42

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  nonsens MUSS nicht immer nonsens sein. aber meistens ISSES so: Beispiel s.o.  
bojan  -  21.03.01 13:06

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  total verwirrend, irrwitzig und deshalb klass! :-)  
kersti  -  09.02.01 11:03

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Kommentar von "SCvLzH" zu "Am Meer"

... melancholisch aber schön ...

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Kommentar von "rosmarin" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

Hahaha, darauf muss man erstmal kommen. Köstlich. Habt alle ein schönes Osterfest. Gruß von

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Beitrag von "Tlonk" im Thread "Winterrubrik"

auch von mir. Bleibt gesund und munter und wer es nicht ist, werdet es. Macht diesen schönen Feiertag zu etwas Besonderem. Ihr habt es in der Hand. Euer Tlonk

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