Aktuelles und Alltägliches · Experimentelles · Sommer/Urlaub/Reise

Von:    Waltraud Keppel      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 25. Oktober 2002
Bei Webstories eingestellt: 25. Oktober 2002
Anzahl gesehen: 2693
Seiten: 5

Das Telefon klingelt. Eine Stimme fordert mich sanft und

doch bestimmt auf, meine Sinne etwas Besonderes erleben

zu lassen.

„Kommst Du zum Kaffee, wir sind schon alle

wach?“

Oh Gott, wie spät ist es eigentlich? Bin ich etwa noch

mal eingeschlafen?? Es scheint so. Früh um 6 hab ich schon die

kleinen zarten Katzenpfoten auf meiner Nasenspitze gespürt.

Die Berührung bedeutete soviel wie:

Ich hab Hunger. Aufwachen, mir knurrt der Magen!!

Als meinerseits keine Reaktion kam, spürte ich sie noch einmal

auf meiner rechten Wange. Jetzt wird’s Zeit, sonst wird sie

rapiad. Ich stand also auf, ging zu dem großen blauen,

mit Trockenfutter gefüllten Kunststoffbehälter und schüttete

den Keramiknapf bis zum Rand voll. Lucy dankte es mir mit

leisem Grollen. Dummerweise hab ich mich noch einmal auf

die Couch gelegt und wollte nur noch 5 Min. meine Augen

schließen, da klingelte auch schon das Telefon.

9.00 Uhr.

Nach dem Duschen gings in den Tag. Eigentlich sollte es ein

Tag zum abschalten werden. Über Flohmärkte laufen. Hier

und da was anschauen, den Preis drücken, etwas feilschen

und schließlich auch etwas kaufen, was man eigentlich gar nicht

braucht. Na, ja einfach so, um sich was zu gönnen. Einfach

in den Tag hinein ohne irgendwelche Termine abzuarbeiten.



Als ich das Haus verließ, war es kurz vor zehn. Meine Freundin

Martina wartete bereits auf mich. Der Kaffeeduft stieg mir schon

beim Betreten der Wohnung in die Nase. Rami und Fips, zwei

freundliche Vierbeiner, begrüßten mich wie immer mit liebevollem

Schwanzgewedel und freundschaftlichen Knurr-Lauten, welche

soviel bedeuten wie: Schön dich zu sehen, hast lange nichts

von dir hören lassen.

Ich beugte mich zu ihnen, begrüßte sie mit ein paar, eigens für

sie kreirten Murmeltönen, die soviel bedeuten wie: Danke für

den Empfang, ich freu mich auch auf euch.



Irgendwie kam alles anders als geplant.
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Der Flohmarktplatz war leer. Ist heute nicht Donnerstag? Doch,

aber heute ist auch Feiertag, vielleicht ist deshalb niemand

hier. Nach kurzer Unterredung mit Martina war klar, dass wir

nicht vergebens nach Frankfurt gefahren sind. Dort drüben in

dem Hochhaus, sagte sie, wohnen Fips Geschwister. Dort können

wir, wenn ich Lust hätte, noch einen Kaffee kriegen und etwas

mit den Hunden spielen. Mir wurde übel und mir schoss das Blut

in den Kopf. Fips ist eine Kampfhündin und ich kenne sie von

klein auf. Ob ihre Geschwister wohl genauso gut erzogen sind

wie sie? Man weiß es ja nicht. Die Menschen machen viel

falsch. Vor allem bei der Erziehung von Hunden.

Du brauchst keine Angst zu haben, höre ich die Stimme meiner

Freundin. Das sind nur Dad, Mom und 4 Geschwister. Ich hätte

keinen Tropfen Blut gegeben. "Sind das genauso geballte Muskel-

pakete wie Fips?", hör ich mich fragen "Kampfhunde? Man hört

soviel schlechtes über diese Hunde. Stehen die nicht auch

auf dieser Liste? Eigentlich liebe ich Tiere aber ich glaube

diese Brocken muss ich mir nicht antun. Am besten gar nicht

erst drüber nachdenken!!! Alle Tiere, vor allem Hunde spüren

wenn man Angst hat."

Ich fror und der Gedanke an einen heißen

Kaffee war schon verlockend. "Eigentlich finde ich es doch

keine so gute Idee", hörte ich mich sagen. Kaum ausgesprochen

höre ich meine Gegenüber am Handy sagen: "Wo wir sind? Im Hof

—ja – Kaffee-- super—bis gleich."

Sie spürt meine Skepsis, schaut mich an, nimmt mein Gesicht

in ihre Hand und sagt:

„Glaub mir, sie sind alle so lieb wie Fips.“

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich geh mit oder ich

erfahre es nie!!

„Ich hoffe du hast recht.“ Wir fuhren mit dem Aufzug ins Pent-

house. War ich doch bis dato noch nie in einem Penthouse ge-

wesen und stellte es mir vor, wie man es im Fernsehen präsentiert

bekommt.

Wir stiegen aus und als ich merkte es gibt kein zurück

mehr, lief ich wie auf Watte den Flur entlang zur Wohnungs-

eingangstür.
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Wir betraten die Wohnung. Martina ging voraus

und ich versuchte so unscheinbar wie möglich in ihrem Wind-

schatten zu laufen. Vielleicht merken sie ja gar nicht, dass

ich dabei bin.

Mein erster Blick fiel auf einen mit Wasser

gefüllten -Mega-Napf- der in einem -Mega-Wohnungsflur- stand.

Mein Wohn- und Esszimmer war zusammen mit meiner Küche nicht

so groß wie dieser Wohnungsflur.

Mir klopften die Adern am Hals.Kein Hund in Sicht. Puh, dachte ich vielleicht ist ja Dave gerade mit ihnen draußen. Dave und Michi begrüßten uns und baten uns ins Wohnzimmer. 5 Kinder wie Orgelpfeifen saßen

gemütlich am Fernseher und schauten Feiertagsprogramm.

Schließlich war heute keine Schule und was gab’s da schöneres

als vor der Kiste auszuspannen. Immer noch kein Hund in Sicht.

Wo sind denn die Bubis???

„Die sind auf dem Balkon! Moment ich ruf sie!“, hörte ich

Michi sagen. "Nicht nötig, meinte ich--- aber da sah ich schon

den ersten. Eine Masse von Hund. Jetzt nur nicht piensen.

Immer recht freundlich. Er freute sich , kam auf uns zugerannt,

wedelte mit seiner Rute und war mir gegenüber nicht so skeptisch

wie ich ihm gegenüber. Er beschnupperte mich kurz und ich

versuchte recht unbeteiligt: “Hallo mein Großer“ zu sagen.

Ich ließ meine Hände gelangweilt nach unten hängen, damit er

daran riechen und bei Bedarf auch lecken konnte.

Hoffentlich fällt er nicht plötzlich über mich her. Gell! Jetzt sind wir

Freunde, denke ich und hoffe er kann Gedanken lesen.

Schon sind die anderen im Anmarsch. Sie springen mit geballter

Kraft auf uns zu und ich hoffe, dass das hochspringen nur eine

Begrüßung sein soll!!

Automatisch schau ich jedem auf die Rute. Die muss sich bewegen,

dann ist alles gut. Wieder wird meine unbegründete Angst

zunichte gemacht. Einer nach dem anderen nehmen mich an wie

ich bin.

Wir setzen uns an den Tisch zum Kaffee trinken.
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Einer

der Rüden hat bemerkt, dass ich mich etwas zurückhaltend benehme.

Er stellt mich auf die Probe. Er versucht mich kurzerhand zu

necken indem er an meinen Fingern knabbert. Es ist nicht

dieses Liebesbeweis-Knabbern sondern eher ein –Beweis-mir-

daß-du-keine-Angst-hast-Knabbern.

Mach du nur, denk ich. Ich lass mich nicht herausfordern.

Gelangweilt verlässt mich mein Herausforderer. Was er wohl

denkt??? Na, jedenfalls gehen alle offen mit mir um und zeigen

mir, dass sie nicht beabsichtigen mich zum Frühstück zu ver-

schlingen. So Superwohl fühl ich mich trotzdem nicht, aber

schon wohler.



Eine Kreatur mit Fell zeigt mir gerade, dass man keine Vor-

urteile braucht. Als ob er sagen wollte wir haben keine Angst

vor dir- obwohl du ein Mensch bist. Also, warum hast Du Angst

vor uns?? Der Rüde kommt auf mich zu, stemmt seine beiden

Vorderpfoten auf meine Schultern und leckt mir übers Gesicht.

Gibt es einen ehrlicheren Freundschaftsbeweis.

„Lass uns gehen“, höre ich mich sagen.

„Wollt ihr die Ratten noch sehen? Sie haben Junge!“.

Mir läuft es eiskalt über den Rücken.

“Immer langsam“, hör ich mich sagen. Für heute war’s genug.

Wir verließen die 160 qm große Wohnung und ich war froh den

Schritt getan zu haben. Ich lebe noch. Meine Freundin drückte

mich und sagte mir, dass sie stolz auf mich sei. Irgendwie bin

ich halt nur eine eigensinnige Wohnungskatze gewohnt, die hin

und wieder den Ton angeben darf. Sie ist eine Eigenbrötlerin,

genau wie ich. Wir beschlossen uns auf den Heimweg zu machen.

Als wir an einem kleinen Ort vorbeifuhren entdeckten wir auf

einer Anhöhe eine Menge Menschen. Ein Flohmarkt!

Wir liefen Reihe für Reihe ab und verweilten hier und dort ein

paar Minuten.



Wenn wir nach Hause kommen bringen wir Rami und Fips noch an

den See zu Bernd. Er ist ihre bessere Hälfte und genauso

tierlieb wie sie. Die Hunde brauchen noch ihren Auslauf und

bei der Gelegenheit können wir auch noch etwas mit ihnen

herumtollen.
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Das tut ihnen gut. Rami wird dann heute nacht

bei Bernd am See bleiben und Fips wird mit uns heimfahren.

Sie zieht es vor auf einer warmen Couch zu schlafen, während

Rami eher der Abenteurer ist, der gerne im Freien schläft.



Bernd war nicht begeistert als er uns sah, da wir die absolute

Stille durchbrachen. Im Abstand von ca. 100 m zogen die Rehe

an uns vorbei und wunderbare Schmetterlinge trugen ihre bunten

Kleider spazieren. Kann man mehr erleben als ich es an diesem

einen Tag tat??? Die Hund spielten um uns herum und bestaunten

die Rehe, die immer noch in einem sicheren Abstand an uns

vorüberzogen.

Als wir den Rückweg antraten war es noch hell.

Ich möchte Flake noch versorgen. Da sie mich hin und wieder

mit ihrem eigenwilligen Kopf und ihrem Gefauche einschüchtert

nehme ich gerne noch die Hilfe der erfahrenen Martina in

Anspruch. Flake ist eine Halbwilde und es hat viel Geduld

gebraucht ihr zu zeigen, dass sie mir vertrauen kann. In den

letzten Wochen begann unsere Freundschaft, die dennoch auf

Respekt basiert, zu wachsen. Sie lässt sich mittlerweile sogar

Zecken aus ihrem Fell entfernen und mit viel Gefühl gelang

es, ihr einige Medikamente zu verabreichen. Zwischendurch

gab es dennoch Fluchtattacken, die ich mir nicht erklären konnte.

Kamen sie doch wie von der Tarantel gestochen. Wochen vergingen

bis ich herausfand, dass sie taub ist. Daher auch die Flucht,

wenn sie niemanden heranschleichen hörte und plötzlich jemand

neben ihr stand.

Als wir ankamen saß sie bereits vor meiner Haustür und wartete

auf mich. Die Betonung liegt auf –MICH-. Womit sie nicht

rechnete war Fips. Sie war sichtlich überfordert als sie uns

alle kommen sah. Sie kennt Hunde nicht und reagiert erst

mal mit Drohgebärde. Aha, kommt mir das nicht irgendwie be-

kannt vor? Mit aufgeplustertem Fell versucht sie Eindruck zu

schinden, was Fips völlig überrascht.
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„Keine Angst, Flake“, sagte ich. „Fips ist eine liebe, sie

macht dir nichts“.

Ich zeigte ihr mit einer Handbewegung einen Weg über eine Leiter

auf einen Mauervorsprung und redete ihr gut zu . Obwohl sie

mich nicht hören konnte, folgte sie instinktiv meinen Anweisungen.

Welch ein Vertrauen! Sie hat mir vertraut, genauso wie ich

meiner Freundin vertraut habe. Eigentlich müsste jeder etwas

dazugelernt haben. Es war ein wirklich eindrucksvoller Tag.

Ich möchte ihn nicht missen.
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Kommentare zur Story:

  Hallo Walli,
wir kennen uns aus "früheren Tagen" und beim Lesen der Geschichte ging mir wieder so einiges durch den Kopf. Du hattest mir schon damals Geschichten geschrieben und ich finde es schade, daß Du nicht mehr von Dir veröffentlichst. Du hast noch sehr gute andere Geschichten/Gedichte auf Lager. veröffentliche sie.  
Jürgen aus Kraichtal  -  24.03.05 17:28

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Liebe Tante Walli, Deine Geschichte vermittlet wirklich sehr viel. Wie immer bei Dir. Das bewundere ich immer so an Dir. Deine Geschichten und Gedanken haben immer einen tieferen Sinn, den ich je älter ich werde immer wieder anders definieren kann. Du bist spitze. Mach weiter so. Deine Nichte Jaqueline  
Jaqueline  -  12.07.04 17:07

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Eine interessante Geschichte. wer genau und aufmerksam liest, dem wird die Weisheit der Story nicht entgehen.
Walli du solltest noch an Deinem Schreibstil arbeiten. Vielleicht schaust du mal auf Literaturseiten nach, da gibt es sehr nützliche Tips  
Kyrhia Schindler  -  29.10.02 16:01

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