Ein Besuch in Podersdorf (Unser italienischer Sommer Teil 27)   337

Romantisches · Romane/Serien

Von:    Wolfgang scrittore      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 4. September 2012
Bei Webstories eingestellt: 4. September 2012
Anzahl gesehen: 4691
Seiten: 12

Das Leben geht weiter





Die Tage über Pfingsten verbrachten wir bei Laura und meinem Vater. Sie waren ganz begeistert von Lena und verwöhnten sie nach Kräften.

Wir saßen gemeinsam auf der Terrasse und sahen die Sonne langsam hinter den Hügeln der Montagnola versinken. In der Ferne sausten die Autos auf der Schnellstraße vorbei und lieferten ein schwaches Hintergrundgeräusch.

Unsere Gläser klirrten leise beim anstoßen. Der Wein vom letzten Jahr entfaltete sein ganzes Bouquet, das fruchtige Beerenaroma mit der typischen Veilchennote junger Weine. Unserer sollte mindestens ebenso gut werden. Mein Vater hatte uns einen größeren Vorrat abgekauft und in seinen Keller gelegt.

Während Eva mit Laura auf der Terrasse plauderte, zeigte mein Vater mir seinen Weinkeller. Er hatte schon eine erlesene Sammlung zusammengetragen. Darunter viele edle Gewächse aus den Weinbergen des Conte.

Lauras Schwangerschaft war auch deutlich fortgeschritten. Sie freute sich mit meinem Vater sichtlich auf ihr Baby. Ich würde mit knapp dreißig noch ein Schwesterchen oder Brüderchen bekommen, schöne Überraschung.







Die Wochen seit Ostern waren arbeitsintensiv gewesen. Mit Giancarlo und seinen Cousins hatte ich in unseren Weinfeldern reichlich zu tun. Die Reben entwickelten sich prächtig. Auch das Wetter trug seinen Teil dazu bei und brachte sehr warme, sonnige und trockene Tage, dazu etliche Liter an nächtlichem Regen, kurz gesagt, Wunschwetter.

Der Wein in den Fässern und Tanks reifte vor sich hin. Wir waren sehr optimistisch, das sich da ein Spitzenjahrgang entwickelte.



Lena wuchs heran, unsere Kleine war ein sehr pflegeleichtes Mädchen. Sie schlief jetzt schon oft durch, was uns natürlich auch gut tat.

Wir veranstalteten regelmäßig Zwergentreffen, wechselweise bei Mario und Benedetta, bei Paola und Bruno oder hier bei uns. Tabea und Tommaso konnten mittlerweile laufen und grabschten nach allem, was sie erreichen konnten.

Aber wir waren vorbereitet. Alles war kindergesichert.

Guido und Lena lagen nebeneinander in ihren Körbchen und schlummerten, während Tabea und Tommaso verstecken spielten.

„Tabea, Tommaso, nicht so laut, die Babys schlafen doch noch.
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“ Benedetta rief ihre Zwillinge zur Ordnung.

Tabea hatte vor ein paar Wochen angefangen die ersten Worte zu sprechen, momentan sagte sie noch zu allen Frauen Mama. Tommaso war da etwas mundfauler und brachte noch nichts verständliches zustande. Doch Tabea und er verstanden sich blind. Es hörte sich beinahe an, als hätten sie eine eigene Babysprache entwickelt.

Wir mussten lachen, wie angeregt sie sich „unterhielten“.

Beide schauten abrupt zu uns herüber, - was gibt’s denn da zu lachen -, schienen sie sich zu fragen. Als Tabea und Tommaso uns lachen sahen, kamen sie herbei und ließen sich von Benedetta und Mario auf den Schoß nehmen.

Benedetta und Paola schauten sich kurz an und stimmten dann „Volevo un gatto nero“, das Lied von der schwarzen Katze, an. Tabea war begeistert und stupste ihren Bruder an, dann krähten die Zwillinge lauthals mit.

Anschließend sang Paola die ersten Zeilen von „La ninna nanno del chicco di caffè”, das Wiegenlied der Kaffeebohne.

Tabea schaute mich vorwurfsvoll an, warum singst du nicht mit, schien sie zu denken. Aber ich war nicht textsicher, für die Kleine bewegte ich jetzt wenigstens die Lippen zur Musik.

Lena stimmte mit ein, aber es klang eher wie „ich habe so einen Hunger“.

Eva erbarmte sich und holte Lena aus ihrem Körbchen. Sie warf mir einen Blick zu und ich schnappte mir das kleine Fräulein. Unser Mäuschen hatte eine gute Verdauung.

„Du hast deinen Peter gut im Griff“, spöttelte Paola und stieß ihren Bruno an. „Nimm dir ein Beispiel mein Lieber.“

Ich säuberte Lenchen und puderte ihre zarte Haut, dann bekam sie eine neue Windel verpasst. Sie lächelte mich an und gab aufgeregte Kommentare.

Eva war mittlerweile hereingekommen, übernahm den sauberen Liebling und legte sich Lena an die Brust. Paola erschien mit Guido, der mittlerweile auch wach geworden war und protestierend auch Nahrung verlangte. Paola setzte sich neben Eva und fütterte den Kleinen mit der Flasche. Es war ein schönes Bild, die beiden stolzen Mamas mit den Babys zu beobachten.

„Für dich gibt’s nichts Peterl, schau nicht so.“

Ich verdrückte mich wieder nach draußen, verfolgt vom Gekicher.

Tabea zerrte an meiner Hose, sie wollte hoch gehoben werden.
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Ich hob die Kleine hoch über meinen Kopf und ließ sie kreisen. Tabea genoss das mit juchzen.

Dann spielten wir Karussell. Die Kleine kreischte vor vergnügen.

Tommaso schaute uns mit großen Augen zu, dann verzog sich seine Miene und er fing an still zu weinen.

„Oh, oh Papa Mario, jetzt bist du dran.” Bruno grinste und stieß Mario an.

Mario schnappte sich seinen Sohn und jetzt waren wir beide aktiv. Bruno fotografierte eifrig und Benedetta klatschte in die Hände. Die Zwillinge waren selig und juchzten um die Wette.

Strega und Leone waren vor dem Trubel geflüchtet. Den Katzen war der Lärm suspekt

„Così lei due bricconi, il tempo di dormire, so ihr beiden Schlingel, Zeit zum schlafen.”

Tabea und Tommaso fühlten sich nicht betroffen.

„Ehi tu dovresti!” Benedetta wurde energisch. „Se si vuole avere a mangiare qualcosa, ora è definitiva. Wenn ihr noch etwas essen wollt, ist jetzt Schluss.”



Die Zwillinge protestierten energisch, ergaben sich dann aber in ihr Schicksal. Wir bekamen jeder noch einen schmatzenden Gutenachtkuss von ihnen, dann trotteten sie hinter Benedetta her ins Haus.

„Du hast gut lachen“, meinte Mario zu mir, „wir machen das jeden Tag durch. Warte nur ab bis Lena laufen kann, bis eure Kleine die Welt entdeckt.“



„Wir haben uns schweren Herzens von der Vecchia Fattoria getrennt, damit die Zwillinge von Anfang an in der Heimat aufwachsen. Und jetzt haben sie sogar gleich zwei Spielkameraden, Lena und Guido.“

„Wann fahrt ihr eigentlich nach Österreich? Soll ich Gianfranco mit unterstützen, oder kommt ihr zurecht?“



„Danke fürs Angebot, aber Gianfranco hat schon seine Cousins aktiviert. Wir fahren am Wochenende. Vielleicht übernachten wir noch in Villach, mal sehen, wie Lena das durchsteht.“



„Gianfrancos Cousins, na dann kann ja nichts schief gehen. Das sind zähe alte Burschen, die anpacken können. Grüß Josefa, Karl und die Kinder von uns.“



Wir wollten eine Woche nach Podersdorf fahren, Karl wurde Vierzig und wir waren eingeladen. Ich freute mich schon aufs Wiedersehen.

Lena liebte das Autofahren.
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Die Geräusche und die Bewegung schienen ihr zu gefallen. In Bologna bekam unser Mäuschen frische Windeln und wurde gestillt. Dann übernahm Eva das Steuer und ich setzte mich hinten neben unsere Kleine. Ich spielte ein wenig mit ihr Nasenstupsen, was sie über alles liebte, dann ließ ich Lena an meinem Zeigefinger nuckeln, bis sie einschlief. Eva amüsierte sich köstlich.

Wir kamen trotz einiger Pausen gut vorwärts. Alle eineinhalb Stunden fuhren wir auf einen Parkplatz. Ich nahm Lena mit ihrem Körbchen heraus und wir vertraten uns die Beine.

Am frühen Nachmittag erreichten wir die Grenze bei Arnoldstein. Die Kontrolle verlief zügig. Ich rief unser altes Hotel in Villach an und buchte ein Zimmer für die Nacht.

Kurz vor Villach wurde Lena unruhig. Eva beruhigte unseren Schatz wieder, bis wir das Ziel erreichten. Nachdem ich die Koffer aufs Zimmer gebracht hatte, kümmerte sich Eva um die Kleine, putzte sie und windelte sie neu, dann durfte sie nach Herzenslust saugen.

Wir ließen uns etwas zu essen und Wein aufs Zimmer bringen. Dann schliefen wir recht früh ein.



Überraschung am frühen Morgen, aus dem Körbchen ertönte kein mörderisches Geschrei, Unser Liebling lag da, spielte mit seinen Fingern und plapperte vor sich hin. Als ich ins Körbchen schaute, glitt ein Strahlen über Lenas Gesicht. Jetzt fing sie an zu zappeln, sie wollte herausgenommen werden. Ich nahm Lena vorsichtig hoch und wiegte sie im Arm, dann legte ich Lena Eva auf den Bauch und schlüpfte auch unter die Decke. Evas Nase war interessant, gleich mal untersuchen, dachte Lenchen sich und griff mit ihren kleinen Fingerchen zu. Eva protestierte, dann schlug sie die Augen auf, und sah wer sich mit ihrer Nase beschäftigte.

„He, du kleiner Frechdachs, das ist meine Nase. Hat dein Papa dich wieder zum Unsinn machen angestiftet?“

Eva griff unter die Decke und zwickte mich an empfindlicher Stelle. Dann durfte ich mir ein dickes Busserl abholen.

„Du darfst schon mal duschen Peterl, ich versorge unseren Liebling und dann mache ich mich landfein.“

Nach dem Frühstück fuhren wir los. Bald erreichten wir die A2, die wir bis Wiener Neustadt zügig nutzten. An der Raststätte Loipersdorf bei Fürstenfeld machten wir Mittagspause und versorgten Lena.
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Nach einer Stunde übernahm Eva das Steuer und ich bewachte Lenas Schlaf. Über Mattersburg und Eisenstadt erreichten wir Purbach am See. Von hier aus kündigten wir uns bei Josefa und Karl an und gegen sechs Uhr fuhren wir auf den am Ortsrand gelegenen Hof. Auf der rechten Seite stand das Gasthaus und links die Weinstube, dazwischen der schattige Weingarten mit Tischen und Bänken. Miriam und Jona hatten uns erspäht und kamen uns jetzt entgegen gerannt. Es kam, wie es kommen musste. Miriam stolperte und schlug der Länge nach hin. Nach einer kurzen Schrecksekunde, setzte sie sich auf, hielt ihr blutiges Knie und jammerte. Die Tränen liefen wie Sturzbäche die Wangen herunter.

Ich stieg aus und lief zur Kleinen hinüber. Dann schaute ich mir das Malheur an. Es war nur eine blutige Schramme. Miriam war wohl mehr erschrocken. Das es weh tat kannte ich aus meiner Kindheit. Mehr als einmal hatte ich mir damals die Knie aufgeschlagen.

„Komm Miriam, ich stütze dich und bring dich hinein. Die Mama macht dir das Knie wieder sauber und klebt ein großes Pflaster drauf.“

Josefa kam schon und nahm mir Miriam ab.

„Miriam ist ein rechter Unglücksrabe. Sie ist immer so ungestüm unser kleines Fräulein. Letzte Woche hat sie sich schon einmal das Knie aufgeschlagen.“

Miriam zeigte mir unter Tränen stolz die kleine Narbe am anderen Knie.

Ich streichelte ihr über die Wangen. „So jetzt muss ich mich erst einmal um meine Familie und ums Gepäck kümmern.“

Eva schaute mich grinsend an „mein Held“ und gab mir ein Busserl.

Eva holte das Körbchen mit Lena heraus, während ich mich um die Koffer kümmerte. Dann gingen wir zum Haus. Jona schleppte sich mit einer Reisetasche ab.

Drinnen fanden wir endlich Zeit uns zu begrüßen. Miriam lächelte schon wieder.

Josefa führte uns in unser Zimmer in der ersten Etage.

„Ich habe euch für Lena die Wiege herein gestellt.“ Das Zimmer war gemütlich im ländlichen Bauernstil eingerichtet. Das Bad schloss sich gleich an.

„Das war meine Wiege“, erklärte Miriam stolz, „da darf jetzt Lena drin schlafen.“

Miriam hatte sich auf unser Bett gesetzt und schaute uns zu, wie wir unsere Sachen verstauten.
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„Komm kleines Fräulein, du darfst in der Küche helfen. Onkel Peter und Tante Eva wollen sich noch frisch machen. Da können sie dich nicht brauchen.“

Nachdem wir Lena versorgt und uns geduscht hatten, liefen wir hinunter in die Gaststube und begrüßten Karl. Er hatte alle Hände voll zu tun. Der Gastraum war dicht gefüllt. Josefa und Miriam halfen in der Küche, während Jona sich als Hilfskellner betätigte. Die beiden jungen Frauen, die sonst bedienten, hatten sich etwas verspätet, trafen ab schon kurze Zeit später ein.



Am nächsten Morgen strahlte die Sonne vom Himmel.

„Was hältst du davon Peterl mit den Kindern eine Runde Tretboot zu fahren? Ich kümmere mich derweil um Lena und räume unser Gepäck ein. Außerdem brauche ich auch ein wenig Zeit für Josefa.“

Eva drückte mir ein dickes Busserl auf.

„Ja Tretboot fahren, jaaaaa.“ Miriam und Jona waren begeistert.

„Ihr könnt die Räder nehmen. Jona zeigt dir, wo Karls Rad steht. Aber zieh dir noch eine andere Hose an. Warte ich suche sie gleich heraus. Du kannst ja eine Badehose mitnehmen, falls ihr Schiffbruch erleidet.“ Eva grinste bis über beide Ohren.

Ich zog die Badehose gleich unter die Shorts. Vor dem Haus warteten die Kinder schon ungeduldig.

„Wo bleibst du denn, Onkel Peter?“



„Und hört auf Onkel Peter!“ Josefas Stimme klang energisch.

Wir radelten die Straße hinunter zum See und bogen auf die Uferpromenade ein.

Hier in Podersdorf war die einzige Stelle am See, wo der Schilfgürtel ein paar hundert Meter unterbrochen war und man freien Zugang zum See hatte. Am Rande des an anderer Stelle teilweise bis zu mehreren Kilometern breiten Schilfsaumes zog sich der Steg endlos lang in den See. Den Vermieter der Tretboote, den alten Batic, erkannte ich gleich wieder. Er hatte immer eine alte Pfeife im Munde auf der er herumkaute. Batic gehörte zur kroatischen Minderheit im Burgenland.

„Ihr könnt eure Sachen bei mir lassen, ich schließe sie ein.“ Schnell hatten wir uns unserer Straßenkleidung entledigt und kletterten ins Tretboot.

Jona hockte sich nach vorne an die Pedale. Miriam ließ mir den Vortritt.

„Ich bin nämlich noch zu klein, ich komme nicht an die Pedale.
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Ihr müsst jetzt genau dahin fahren, wo ich will. Ich bin der Kapitän.“ Miriam schnatterte in einer Tour.

Jona grinste. „Wenn sie uns zu viel ärgert, schmeißen wir sie über Bord. Dann kann sie zu Fuß zurücklaufen.“

„Der See ist nämlich ganz flach. Willst du mal sehen, Onkel Peter?“, krähte Miriam.

Sie hüpfte über Bord und verschwand. Spielte uns die Kleine einen Streich? Ich sprang ebenfalls über Bord und stand bis zur Brust im Wasser.

Da strampelte Miriam sich wieder hoch. Sie hustete und spuckte Wasser.

„Ganz schön tief“ kicherte sie, als sie wieder durchatmen konnte.

„Hast du keine Angst gehabt Miriam?“

„Nein, ich war nur erschrocken, weil es so tief war. Ich hab doch keine Angst, ich bin ein Pirat.“

Jona hüpfte jetzt auch über Bord, aber mehr als bis zur Hüfte reichte ihm das Wasser nicht. Wir spritzten uns gegenseitig nass. „He Onkel Peter, das Tretboot treibt ab.“ Ich drehte mich um und watete in Richtung des Bootes, das schon gut zehn, fünfzehn Meter entfernt auf den leichten Wellen schaukelte. Mit ein paar Schwimmzügen erreichte ich unser Boot. Jona zog sich an Bord, während Miriam sich an meiner Badehose festkrallte und sie um ein Haar herunterzerrte. So ganz furchtlos war die kleine Piratin wohl doch nicht. Ich hob Miriam hoch, dann kletterte sie in Windeseile nach vorne und hockte sich dort hin. Dann versuchte ich mich hochzuziehen. Das Boot kam in eine bedenkliche Schräglage.

„Onkel Peter wir gehen unter, du bist zu schwer.“

Mit einiger Kraftanstrengung gelangte auch ich an Bord.

„Eigentlich müssten wir Miriam auf einer einsamen Insel aussetzen. Ein Kapitän, der sein Schiff verliert..... Hab ich jedenfalls gelesen.“

Miriam schaute ihren Bruder entsetzt an. Dann glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. „Auf dem See gibt’s gar keine Inseln, ätsch.“

„Doch, bei Fertö gibt’s ein paar große Schilfinseln.“ Konterte Jona, „das haben wir in Heimatkunde gelernt.“

Ich schüttelte den Kopf „Das schaffen wir aber bis zum Mittagessen nicht.“

„Ich habe Hunger“ krähte Miriam „Wir müssen umkehren, sonst schimpft die Mama.
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Der alte Batic nahm das Tretboot in Empfang und wir zogen uns um. Die nassen Badesachen wickelte ich in ein Handtuch und verstaute es auf dem Gepäckträger. Dann radelten wir wieder heim. Miriam schien schon etwas müde zu sein. Ich hielt mich neben ihr, während Jona emsig voraus radelte.

„Ich hab doch ein wenig Angst gehabt“, meinte Miriam plötzlich. „Das werden wir aber keinem verraten“, versprach ich ihr. Sie strahlte mich an.



„Miriam, was hast du wieder angestellt?“, wollte Josefa von der Kleinen wissen. Jona hatte alles brühwarm erzählt.

„Es ist doch nichts passiert, du hast ein tapferes Mädchen.“ Ich strich Miriam über den Kopf.



„So zieh dich um mein liebes Peterl. Es gibt gleich Mittagessen. Für die beiden Piraten gibt es Fischstäbchen und Pommes. Seid ihr einverstanden?“

Ich duschte ausgiebig, dann streifte ich mir ein blaues Shirt über und schlüpfte in meine weißen Bermudas.

Josefa hatte im Nebenzimmer einen Tisch für uns reserviert. Es waren schon alle versammelt. Ich setzte mich neben Eva und lauschte Miriams Erzählung. Sie schmückte die Geschichte dramatisch aus.„Als ich untergegangen bin, hat mich ein Krake am Fuß gepackt, ich konnte gerade noch auftauchen. Hier, seht mal“, Miriam streifte ihre Sandale ab, zog die Socke aus und zeigte stolz ihren Fuß.“ „Wir essen, gnädiges Fräulein, nimm sofort deinen Fuß vom Tisch und zieh dir die Socke an.“ Wir kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Jona schüttelte skeptisch den Kopf. „Doch genauso war es“, behauptete Miriam und fuchtelte mit der Gabel herum.

„He kleines Fräulein, pass ja auf. Ich möchte nirgends Ketchupflecken sehen.“

Eva hatte Lena bereits gefüttert und frisch gewindelt. Jetzt schlummerte unser Spatz in seinem Körbchen neben unserem Tisch.

Antonia, die Bedienung, servierte ein leckeres Fischgericht, dazu tranken wir einen leichten Grauburgunder. Jona und Miriam kämpften sich durch ihre Portionen. Der Ausflug zum See hatte Hunger gemacht.



„Morgen macht ihr Männer mit den Kindern eine Radtour durch die Puszta bis zur ungarischen Grenze und zurück. Ich fahr mit Eva und Lena nach Wien zur Tante.
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Wir treffen uns dann abends wieder.“



Pünktlich um acht Uhr waren wir mit dem Frühstück fertig und standen gestiefelt und gespornt neben unseren Rädern. Wir winkten unseren Frauen hinterher, die gerade vom Hof fuhren.

Josefa hatte uns reichlich mit Getränken und Proviant eingedeckt, so das wir nicht verhungern mussten.

Wir radelten die Seestraße an der Katharinenkirche vorbei bis zur Seepromenade und wandten uns dann Richtung Süden. Auf der Campingstraße ließen wir bald Podersdorf hinter uns, fuhren durch die „Wüste“ und erreichten nach wenigen Kilometern die „Hölle“. So hießen ein paar zu Illmitz gehörige Gehöfte, darunter ein bekannter Weinbauernhof, der mit dem Slogan „Wein aus der Hölle“ warb und eine Reihe exzellenter Weine produzierte. Gleich nebenan lag der „Obere Stinkersee“ eine nur wenige Zentimeter tiefe weitflächige Salzlacke und ein Vogelparadies. Wir wurden sofort von der Puszta in den Bann gezogen. Wir radelten am „Unteren Stinkersee“ vorbei, wenig später bogen wir an der momentan ausgetrockneten Zicklacke ab und erreichten nach ein paar Minuten Illmitz.

„Fünfzehn Kilometer sind wir gefahren“, verkündete Miriam stolz.

„Das ist doch ein Klacks“, entgegnete Jona etwas altklug.

„Aber Miriam ist doch kleiner als du und hat nicht so viel Kraft Jona.“

„Ich habe viel Kraft, ich kann dich umschmeißen Onkel Peter.“ Miriam rannte auf mich los, doch ich schnappte mir den Frechdachs und wirbelte sie herum.

„Schluss Kinder“ Karl sprach ein Machtwort.

„Ja, noch einmal!“ Miriam krähte unbeeindruckt von den Worten ihres Vaters los.

„Miriam, Jona setzt euch jetzt hin, trinkt euren Saft und gebt Ruhe.“

Miriam zog eine Schnute und grummelte vor sich hin. Dabei schaute sie uns aber von unten herauf an. Wie ernst ist die Drohung ihres Vaters gemeint, dachte sie sich wohl dabei. Als Miriam bemerkte, dass wir uns mit Mühe das Lachen verbissen, prustete sie los.



„Wann fahren wir endlich wieder los?“, wollte Miriam wissen.

„Wenn du deinen Saft endlich ausgetrunken hast, mein Schatz.“ Karl schüttelte den Kopf.

Miriam setzte ihr Glas mit Schwung ab, wischte sich den Mund und sauste zu ihrem Fahrrad.
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„Wo bleibt ihr denn?“

„Miriam hier im Ort fährst du langsam und schaust dich um, hier fahren auch Autos.“

„Ja, ja, weiß ich doch.“ Miriam kletterte in ihren Sattel, klingelte kräftig drauf los und wartete ungeduldig auf uns.

„Oh, ihr seid vielleicht langsam.“ Miriam maulte.

„He, hört mal. Was haltet ihr davon, wenn wir zum See fahren und baden?“ Karl schaute uns an.

„Ja, ja, ja!“, riefen die beiden.

„Wird das nicht zu viel für die Kinder?“ Ich schaute Karl fragend an.

„Da habe ich noch eine Überraschung. Wir fahren wenn wir keine Lust mehr zum baden haben mit der Fähre nach Mörbisch, dann ein paar Kilometer mit dem Rad bis Rust und mit der nächsten Fähre nach Podersdorf. Lasst uns doch eine Seefahrt machen.“

Jetzt war das Begeisterungsgeschrei groß.

Miriam und Jona strampelten, so schnell sie konnten, als wir aus Illmitz heraus waren und auf die Seegasse einbogen. Karl und ich fuhren gemütlich hinterher, behielten die Kinder aber im Auge.

„Ich habe Badesachen eingepackt. Hast du deine Badehose auch dabei?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Macht nichts, du kannst dir am Shop beim Bademeister eine ausleihen.“

Das spielen im Wasser mit den Kindern machte Spaß. Die Sonne tat auch ihr Bestes.

„Hört mal, in einer halben Stunde geht die Fähre. Kommt aus dem Wasser und trocknet euch ab.“

Pünktlich standen wir am Steg und bestiegen die Fähre, die leicht zwischen den Schilfinseln hinüber nach Mörbisch glitt. Die Wasseroberfläche lag glatt da, nur ein leichter Wind ging. Miriam kletterte an der Reling herum. Die Kleine war voller Energie. Ich stand neben ihr und behielt sie im Auge.

Jona kam mit drei Eisbechern heran und gab uns beiden ein leckeres Eis zum schlecken.

„Wo ist mein Papa?“ Miriam schaute ihren Bruder groß an.

„Der passt auf die Räder auf. Wir sollen kommen, wenn wir mit dem Eis fertig sind. Und du sollst nicht trödeln.“

„Das hat mein Papa gar nicht gesagt, du schwindelst ja.“

Jona grinste nur.

„Du schwindelst Jona! Ich bin Papas Prinzessin.“ Jona grinste mich verschwörerisch an.

„Du bist keine Prinzessin, du bist ein verzauberter Frosch, der wie ein kleines Mädchen ausschaut.
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„Du bist ja so gemein.“

„Kommt Kinder, nehmt eure Räder, wir legen gleich an.“

Wir schoben unsere Räder vorsichtig über den Steg an Land.

„So wir fahren jetzt nach Mörbisch hinein und dann auf die Landstraße nach Rust. Jona, Miriam ihr fahrt bitte vorsichtig. Habt ihr das gehört?“

Jona nickte, Miriam zögerte kurz und schaute uns verschmitzt an.

„Miriam, hast du das auch verstanden?“

„Quak, quaaaak, quaak.“ Miriam nickte, dann wollte sie sich ausschütten vor lachen.

„Jona hat doch gesagt, ich bin ein verzauberter Frosch.“

Karl schüttelte den Kopf, dann mussten wir alle lachen.

„Manchmal glaube ich es auch.“



Wir radelten an den endlosen Weinfeldern entlang und erreichten nach kurzer Zeit Rust. Am Hafen schauten wir uns die Segelboote an. Die Fähre fuhr erst in einer Stunde.

Karl verteilte die restlichen Semmeln und gab den Kindern je eine halbe Banane. Die Sonnenstrahlen glitzerten auf den kleinen Wellenkämmen. Es war etwas windiger geworden.

Karl und ich tranken jeder ein Puntigamer. Das süffige Bier zischte förmlich in unseren Kehlen. Wir hielten unsere Gesichter in die Sonne, während Miriam und Jona friedlich miteinander auf dem nahegelegenen Spielplatz spielten. Ab und an hörte man von Miriam ein lautes „quak, quaaak“. Damit hatte Jona ihr einen Floh ins Ohr gesetzt. In der warmen Sonne konnte ich meinen Gedanken nachhängen, bis mich Karl plötzlich anstupste und auf den See hinaus zeigte.

Die Fähre lief ein, wir verstauten unsere Räder und suchten uns einen Platz am Oberdeck. Plötzlich fing Miriam an zu singen, dabei strahlte sie übers ganze Gesicht.





.....doch sind die Frösche wieder wach

Dann hört man lauten Krach

Dann quaken sie ihr Lieblingslied

und alle quaken mit

Quak, quak, quak, quak .....

Doch sind die Frösche wieder wach

Dann hört man lauten Krach

Dann quaken sie ihr Lieblingslied

und alle quaken mit

Quak, quak, quak, quak .....
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„Miriam, geht es nicht ein wenig leiser?“ Karl ermahnte die Kleine. Unsere Nachbarn, ein älteres Paar, lachten.

„Wo hast du denn das schöne Lied gelernt?“

„Na, die Bärbel hat uns das vorgesungen. Ich geh doch in den Kindergarten. Soll ich noch mal singen?“

„Wenn du noch mal singst, werfe ich dich über Bord“, drohte Jona ihr.

„Das darfst du nicht. Mein Papa passt auf mich auf. Und der Onkel Peter passt auch auf mich auf.“

Schutzsuchend kletterte sie vorsichtshalber auf meinen Schoß. Karl stand an der Reling und fotografierte uns.

Miriam summte ganz leise ihr Froschlied.



Antonia empfing uns an der Tür zur Gaststube, als wir unsere Räder abgestellt hatten. Ich hatte mich schon gewundert, dass Josefas Wagen nicht vor der Garage stand.

„Frau Josefa hat angerufen, dass sie über Nacht bei der Tante bleiben. Sie sind morgen zum Mittagessen wieder zurück. Ich habe schon Abendessen vorbereitet in der Kaminstube.“

„Danke Antonia. Also, Jona, Miriam geht hoch, wascht euch und zieht euch um. In einer halben Stunde seid ihr wieder hier.“

Ich ging mit den Kindern nach oben und duschte ausgiebig, dann suchte ich mir ein Shirt und Bermudas heraus. Auf der Treppe begegnete mir Karl.

„Ich schau mal nach den Kindern, mache mich frisch und komm dann wieder herunter. Ganz schön anstrengend die kleinen Rangen, oder?“

Ich grinste und nickte.



Jona und Miriam saßen am Tisch und löffelten schon ihre Suppe.

„Ich habe den Kindern das Essen schon gegeben. Sie sollen ja bald ins Bett.“

„Ich bin aber noch gar nicht müde.“ Miriam protestierte mit vollem Löffel.

Antonia hatte sich um die Kleinen gekümmert, jetzt schimpfte sie mit Miriam.

„Schau nur du kleines Ferkel, was du wieder angestellt hast.“

„Oink, oink Miriam ist ein Ferkelchen“, Jona kicherte und verschluckte sich dabei bald.

„Benehmt euch ihr Räuberbande. Der Papa kommt gleich, ich warte so lange mit dem Essen.“

Ich probierte den Wein, einen St. Laurent von Karls Nachbarn aus Podersdorf, den Antonia auf den Tisch gestellt hatte. Der Wein leuchtete in einem dunklen Karminrot. Ein würziger Duft nach Brombeeren und Waldbeeren stieg mir in die Nase.
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Er hatte eine sehr feine Note, weiches Tannin und eine feine, mineralische Struktur mit mildem Abgang.



Antonia kümmerte sich um Miriam und Jona und brachte die Kleinen ins Bett.

Dann servierte sie unser Essen, eine besondere Spezialität des Hauses.



Bratl vom Apetloner Weidelamm



Zutaten

800 g Lammfleisch (Schulter, Rücken, Keule)

2 mittelgroße Zwiebel

4 Zehen Knoblauch, blättrig geschnitten

1 TL Tomatenmark

0,1 l Rotwein

0,5 l Lammfond oder Rindsuppe

1 ganze Karotte

1 gelbe Rübe

1 Sellerieknolle

1 Paprika, rot

Rosmarin

Salbei

Thymian

Dazu 6-8 Kartoffeln



Zubereitung

Das Lammfleisch in Würfel schneiden, das Gemüse und die Kartoffeln putzen und in Stifte schneiden, Zwiebel und Knoblauch putzen und nudelig schneiden. Das Lammfleisch mit Salz und Pfeffer würzen und in einer Bratpfanne anbraten. Das Fleisch aus der Pfanne nehmen, im Bratensatz Zwiebel und Knoblauch dunkel anrösten, Tomatenmark dazugeben und kurz mitrösten. Mit Rotwein ablöschen, etwas reduzieren und mit Lammfond (Rindsuppe) aufgießen.

Das Fleisch dazugeben und zugedeckt etwa eine 1 Stunde im Rohr schmoren lassen.





Das Essen war fein zubereitet und schmeckte hervorragend, dazu teilten wir uns den St. Laurent.

Später setzte ich mich mit Karl zusammen in die Weinstube und studierte die auf der Anrichte liegenden Prospekte vom Landmaschinenhändler. Karl hatte sich einen neuen Entrapper bestellt. Ich war neugierig, denn wir würden über kurz oder lang auch eine neue Maschine benötigen. Die letzten Gäste in der Weinstube hatten gezahlt und Karl schloss die Tür hinter ihnen ab.

Dann holte Karl eine Karaffe Wein aus dem Keller.

„Hier unseren Blaufränkisch solltest du mal probieren.“ Er schenkte uns ein.

Ein rubinroter gehaltvoller Rotwein, herb-würzig mit mittlerer Tanninnote und einem frischen rassigen an Brombeeren erinnernden Geschmack funkelte in unseren Gläsern. Karl hatte den Wein in Eichenfässern ausgebaut und schwor auf das Verfahren.
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Ich hatte schon den Fasskeller bewundert in dem die großen 225 l Fässer lagen. Nächste Woche sollte der Wein auf Flaschen gezogen werden.
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Kommentare zur Story:

  Ist mir irgendwie entgangen, dass du hier noch ein Kapitel veröffentlicht hast. Hab`s gleich herunter geschlungen. Ja Tretboot fahren, das möchte ich jetzt am liebsten auch. Die Kinder sind süß. Ich liebe deine Familiengeschichte.  
   doska  -  01.10.12 15:20

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  Und wieder köstliche Rezepte und natürlich - was das Wichtigste ist - eine schöne Fortsetzung. Lebensecht und amüsant läuft dein kleiner Roman weiter. Man lebt förmlich mit deinen Helden des Alltags mit. Besonders die Erlebnisse mit den Kindern haben mir gefallen.  
   Jochen  -  06.09.12 20:10

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Eva und Peter machen einen Besuch in Podersdorf. Karl, Josefas Mann wird 40. Das gibt natürlich auch ein Wiedersehen mit der quirligen Miriam und ihrem Bruder Jona.
Lena liebt das autofahren  
   Wolfgang scrittore  -  05.09.12 12:08

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Interessante Kommentare

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