Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele

Von:    Jingizu      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 30. März 2012
Bei Webstories eingestellt: 30. März 2012
Anzahl gesehen: 2318
Seiten: 10

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Dreiundsechzigstes Kapitel: Versprechungen



Ahrok gähnte ausgiebig, als er völlig erschlagen an den einzigen Kirschbaum auf dem großen Anwesen lehnte. Sein neues Schwert lag neben ihm im zertrampelten Gras und wenn es dort noch etwas länger verweilte, dann würde es wohl auf ewig einen Abdruck im Rasen hinterlassen. Ahrok hatte seine täglichen Übungen heute kaum begonnen, da war ihm auch schon wieder sämtliche Lust an ihnen vergangen.

Die ganzen letzten Tage war er schon so ungewöhnlich schnell müde und antriebslos geworden, hatte an keiner Tätigkeit mehr Freude gefunden, aber er hatte ebenfalls auch keine Muße, etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen, sondern fügte sich einfach in die um sich greifende Lethargie.

Die kalte Winterluft drang zu ihm durch, nun da er sich nicht mehr bewegte und er haderte mit der für einen Krieger sehr unvernünftigen Entscheidung, jetzt schon wieder zurück auf sein Zimmer zu gehen. Dabei hatte er sich an diesem Morgen gerade einmal vor einer Stunde in den langsam immer grüner werdenden Garten gestellt, um dort zwischen frischen Knospen und verhaltenem Vogelgezwitscher mit dem Abschlachter zu trainieren. Natürlich jeweils nur ein paar Schwünge. Diese Waffe verlangte ihm Unglaubliches ab. Konzentrierte er sich nicht bei jeder Bewegung, so glitt sie ihm entweder aus der Hand oder renkte ihm im Schlimmsten Falle sogar Handgelenk oder Schulter aus.

Das Schlimmste in diesen Tagen war jedoch sein Mangel an Fortschritten. Trotz all seiner Übungsstunden konnte er sich mittlerweile der Gedanken nicht mehr erwehren, dass hier etwas im Argen lag. Er war in all seinen Manövern noch immer viel zu langsam, seine Schläge vorhersehbar, seine Bewegungen durch das enorme Gewicht eingeschränkt. Manchmal wünschte er sich eine kleinere, leichtere und handlichere Waffe zurück. Schließlich hatten die ihm bisher immer gute Dienste geleistet.

Doch dann sah er wieder diesen Troll mit seiner gewaltigen Keule vor sich.

Gewaltig.

Gigantisch.

Ein Sinnbild von Tod und Zerstörung. Genau so wollte er sein, genau so würde er auch sein. Es musste jedoch noch eine Menge Wasser die Ilv entlang fließen, bevor er sich mit dieser Waffe jemandem stellen konnte und der Zeitpunkt ihrer Abreise rückte mit jedem Tag immer näher.
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Anstatt jedoch auf diesen Ziel hinzuarbeiten, saß er heute nur unter dem blühenden Baum und schlug seicht mit dem Hinterkopf gegen die Rinde. Seine Muskeln waren seit Tagen steif und müde und neigten dazu, sich zu verkrampfen.

Zum Glück war er heute allein hier draußen und niemand beobachtete tadelnd seinen Müßiggang.

Nur allzu oft scharwenzelten Diener während seines Trainings um ihn herum. Die Einen wollten ihm etwas Wasser zur Erfrischung bringen, andere reichten ihm Handtücher, einige hatten sich sogar einmal erdreistet, ihn einkleiden zu wollen. Sicher war es nur eine Frage der Zeit, bis ihm jemand anbot, das Schwerttraining für ihn zu übernehmen.

Diener, Mädge, Pagen, Boten - überall wohin er blickte huschten sie umher oder warteten heimtückisch in den Schatten, um ihn mit einem hinterhältigen „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ einen Schrecken einzujagen.

Nur eines war noch schlimmer als die sich ewig verbeugende Dienerschaft. Und das waren die Tage, an denen andere Edelleute auf dem Anwesen des Grafen auftauchten. Manche waren Geschäftsleute, andere politische Freunde oder Rivalen und der Rest gute Bekannte, die auf eine Tasse Tee und ein Schwätzchen vorbeischauten – und Onkel Herbert hatte viele Bekannte.

Den Meisten konnte er zwar aus dem Weg gehen, da es der Graf ohnehin vermied, ihn seinen Gästen vorzustellen. Wenn ein Treffen jedoch unumgänglich war, dann hieß es für ihn nur nicken, brav lächeln und ja nicht den Mund aufmachen.

Die lange Liste von Anweisungen und Verboten, die der Graf für ihn ersonnen hatte, war seine Geißel in seinem gräflichen Gefängnis. Ahrok ertrug es kaum noch, dass man ihm täglich vorhielt, was er doch jedes Mal wieder alles falsch machte. Am liebsten hätte er diese ganzen Regeln und Verbote hier hinter sich gelassen und wäre wie der Zwerg einfach weitergezogen, wenn da nicht noch Ariane gewesen wäre.

Er erhob sich und schlenderte lustlos den Gartenweg entlang. Ariane… Noch vor einiger Zeit hatte sie ihm immer dabei zugesehen, wenn er hier draußen sein Schwert geschwungen hatte, doch die letzten Tage nicht mehr.

Ein paar Momente starrte er an den Himmel. Eine einsame Wolke kroch dort oben entlang.

Er hatte die Grübeleien satt, doch konnte er sich nicht von ihnen losreißen.
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Vielleicht sollte er sich einfach nur einmal mit der jungen Komtess aussprechen.

Ohne großen Enthusiasmus ging er den Gartenweg wieder zurück und griff nach dem Abschlachter.



Ariane stand am Fenster und blickte hinaus in den Garten. Wie jeden Morgen lief Ahrok dort draußen in der Kälte herum und schwang sein dummes, neues Schwert. Seit ihr Onkel ihm dieses gigantische Zeugnis männlicher Dummheit gekauft hatte, hatte er es keinen Augenblick mehr aus den Augen gelassen.

Gleich am ersten Tag hatte er sich die Hand verstaucht, weil er mit dem Gewicht des Schwertes nicht umgehen konnte, aber das hatte ihn natürlich nicht davon abgehalten, gleich am nächsten Tag mit bandagierten Handgelenken wieder den Garten zu verwüsten.

Die Linden und besonders die frisch aufgeblühten Zaubernusssträucher litten fürchterlich unter dem Enthusiasmus ihres zukünftigen Verlobten. Ihr Onkel ließ ihn gewähren, auch wenn es ihrem Gärtner das Herz brach, dass Ahrok den perfekt gestutzten Rasen zertrampelte und wie eine wilde Bestie durch die ordentlich angepflanzten Bäume und Sträucher pflügte.

Inzwischen war in Ariane der Verdacht aufgekeimt, dass der blöde Zwerg sie gar nicht belogen hatte. Ahroks sämtliche Energie konzentrierte sich allein auf das Schwerttraining oder die allabendlichen Besprechungen zu dieser dummen Reise. In den wenigen Momenten, die sie mit ihm allein war, vermisste Ariane dann genau dieses Feuer. Sie tauschten zwar kleine Zärtlichkeiten aus, aber wirkliche Leidenschaft war da nicht mehr.

Es war alles um so viel schöner gewesen, als er noch krank und bewegungsunfähig das Bett hatte hüten müssen. Vielleicht hatte sie sich ja nur in die fixe Idee verrannt, dass dieser Bursche ihre große Liebe war. Vielleicht war es doch nur Dankbarkeit dafür, dass er ihr Leben gerettet hatte und nicht die wirklich innige Zuneigung, von den in Balladen die Rede war.

Wenn Ahrok anders empfand, dann machte er keine Anstalten, das auch zu zeigen. Würde er nur halb so viel Zeit mit ihr verbringen wie mit seinem Schwert, dann wäre sie doch schon zufrieden und müsste sich nicht ständig solche Gedanken machen.

Dann geschah etwas in ihrem Garten, dass die morgendliche Ruhe noch weiter störte.
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Hinter der zerzausten Krone der Winterkirsche tauchte eine kleine, untersetzte Person auf, deren Anblick Arianes Mundwinkel noch tiefer hinabzog.

Ahrok warf das Schwert beiseite und stürmte auf den Kleinen zu.

Entrüstet sah sie auf die beiden Männer hinunter, die sich dort im Garten in den Armen lagen. Was war nur mit ihr los? Jetzt war sie nicht nur eifersüchtig auf ein Stück Metall, sondern auch noch auf einen hässlichen Zwerg.

Es brach ihr das Herz, Ahrok da unten lachen und tanzen zu sehen, während er wohl keinen Gedanken an sie verschwendete. Sie wandte sich ab und vergrub den Kopf in den Kissen auf ihrem Bett.



„Du bist wieder zurück!“, schrie er den Zwerg an, der sich gerade aus der Umarmung herauswand.

„Ja, bin ich“, schmunzelte Ragnar. „Aber nun lass mich endlich los.“

„Hast du mein neues Schwert gesehen?!“

„Ja.“

„Hast du gesehen, wie groß das ist?“

„Auch das. Ist wirklich nicht zu übersehen das Teil.“

„Nicht wahr? Ist das nicht der Hammer?!“, rief Ahrok begeistert. „So eins hab ich mir gewünscht, seit wir auf den Troll getroffen sind. Wo warst du die ganze Zeit?“

„Ich hatte Dinge zu erledigen. Musste ´n paar Besuche machen und Gefallen einfordern.“

Ahrok trat einen Schritt zurück.

„Und warum hast du mich nicht mitgenommen?“

„Weil du jetzt bald eine Verlobte hast, um die du dich kümmern sollst.“

„Ach was, ich muss mich nicht um sie kümmern. Sie kommt auch ganz gut allein zurecht. Komm, ich zeig dir den Abschlachter mal aus der Nähe.“

„Dafür haben wir auch später noch Zeit. Sag mir lieber, warum du nicht bei Ariane bist. Hält der alte Herbert sie von dir fern? So war das nämlich nicht abgemacht.“

„Nein. Herbert ist in Ordnung. Ich muss trainieren. Deswegen bin ich hier.“

Ahrok grinste die ganze Zeit breit über das ganze Gesicht.

Ragnar blickte sich um. Sie waren ganz allein hier in dem verheerten Garten, den er etwas ordentlicher in Erinnerung hatte. Niemand sah ihnen zu. Keine Diener, keine Schaulustigen, er konnte nicht einmal Ariane oder den Grafen hinter einem der Fenster ausmachen.
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Ahrok war der einzige Mensch hier draußen und es schien niemanden zu interessieren, was der Junge so trieb.

„Und wie lange übst du so am Tag.“

„Sechs oder sieben oder acht Stunden. Kommt drauf an.“

„Sechs Stunden? Du trainierst sechs Stunden jeden Tag?“

„Ja, so in etwa.“

„Dann ist dein Training ziemliche Scheiße.“

„Was?“ Ahrok fühlte sich mit einem Mal zutiefst gekränkt. „Wieso sagst du jetzt so was?“

„Wenn du jeden Tag sechs Stunden lang trainieren kannst, dann trainierst schlecht. Ab sofort gibt es nur noch eine Stunde Krafttraining alle zwei Tage. An den Tagen dazwischen kannst du meinetwegen an deiner Technik und Ausdauer feilen, aber nicht mehr als an vier Stunden über den Tag verteilt.“

„Was macht dich denn jetzt plötzlich zum Experten?“

Ragnar breitete die Arme aus und präsentierte mit einem herablassenden Blick seinen muskulösen Oberkörper.

„Das hier und etwa dreißig Jahre Erfahrung. Ich hab schon Steine gestemmt, da hatte dein Vater noch nicht mal Haare am Sack.“

„Warum hast du nicht schon früher was gesagt? Wir kennen uns schließlich schon ein halbes Jahr.“

„Wir haben gearbeitet und hatten auch sonst keine Zeit für solche Gespräche, außerdem tu ich es doch jetzt. Also nimm dir heute den Tag frei und kümmer dich um Ariane. Die läuft dir sonst noch davon, bevor die Reise losgeht und dann stehen wir dumm da.“

„Ach, Quatsch, die wird schon nicht…“

„Geh einfach. Ich nehm mir derweil Herbert vor. Da gibt es noch so einiges zu besprechen. Also los jetzt. Ich hab dir nicht eine Verlobung an Land gezogen, nur damit du die gleich wieder in die Scheiße reitest.“



Es klopfte, aber Ariane war nicht in der Stimmung, mit auch nur irgendjemandem zu reden, deshalb antwortete sie einfach nicht.

Ihre Zimmertür öffnete sich dennoch einen Spalt, also konnte es sich hierbei nur um die einzige Person handeln, die immer noch nicht verstanden hatte, dass man nicht in fremde Zimmer platzte, ohne vorher hereingebeten zu werden.

„Darf ich reinkommen?“

„Warum? Ist dir etwa dein Schwert kaputt gegangen?“

Die Worte klangen viel unfreundlicher, als sie es ursprünglich beabsichtigt hatte, aber nun da sie heraus waren, bereute sie sie dennoch nicht.
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Ohne dass sie eine Antwort erhielt, schloss sich die Tür wieder.

Dieser blöde Kerl! Wie schaffte er es nur, dass sie sich jetzt auch noch schuldigt fühlte?

„Ahrok warte. Ich habe es nicht so gemeint. Natürlich darfst du eintreten.“

Die Tür öffnete sich erneut und er betrat zögerlich das Zimmer, kam jedoch nicht näher als bis zur Kommode. Sie sah ihm an, dass er wusste, dass etwas nicht stimmte, aber sie konnte auch genau erkennen, dass er keine Ahnung hatte, was es war.

Die Komtess setzte sich in eine aufrechte Position und verschränkte die Hände über den Knien.

„Nun? Ich warte.“

Die Herausforderung in ihrer Stimme konnte sicher nicht einmal er überhören.

„Guten Morgen?“

Er stand noch immer nahe der Tür und fuhr sich unsicher durch das vom Schweiß verklebte Haar.

„Auch dir einen guten Morgen. Sprich. Was führt dich hierher?“

„Na ja, Ragnar hat gesagt, ich soll mal nach dir sehen und da…“

„Der Zwerg hat dich hergeschickt?“ Seine Worte verschlugen ihr fast die Sprache. Nicht nur, dass er ihr keine Entschuldigung für sein schäbiges Verhalten anbot, er gab auch noch offen zu, nur auf Geheiß dieses gemeinen Winzlings zu handeln. „Das glaub ich jetzt nicht, Ahrok. Was will der Zwerg denn von mir?“

„Ähm… gar nichts. Er hat nur gesagt, dass ich nach dir sehen soll.“

„Hat er das?“ Arianes gerechter Zorn stockte etwas, bevor er dann jedoch noch stärker wieder aufflammte. Selbst der ständig nörgelnde Zwerg wäre also ein aufmerksamerer Verlobter als Ahrok. Obwohl es in dieser Situation nur angemessen wäre, ihn aus dem Zimmer zu jagen, gab sie ihm durch ein tiefes Luftholen noch die Gelegenheit, sich zu rechtfertigen.

„Ja… das heißt, natürlich wollte ich ohnehin zu dir kommen“, fügte er rasch hinzu, als er ihre Augen sah.

„Ach? Wolltest du mir deinen kleinen Höflichkeitsbesuch abstatten, bevor oder nachdem du den ganzen Tag mit deinem Spielzeug verplempert hast?“

„Das ist kein Spielzeug, es ist ein Schwert…“

„Ich weiß!!! Dass es ein Schwert ist.
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Darum geht es ja auch gar nicht. Es geht mir darum, dass du Tag für Tag nur noch in unserem Garten herumturnst und mich gar nicht mehr beachtest. Warum tust du mir das an?“

„Ich muss eben besser werden… schneller, stärker.“

„Wieso das denn jetzt?“

„Weil…“, mehr kam dann nicht über seine Lippen.

„Ahrok, ich fass es nicht, dass ich es dir sagen muss, aber du lebst jetzt in der Stadt und nicht mehr im Wald. Wir leben in einem zivilisierten Land. Helden, die durch das Land streifen und mit dem Schwert Probleme lösen, die gibt es nicht mehr. So etwas gibt es nur in Geschichten. Denn wir haben Stadtwächter, die uns vor bösen Menschen beschützen. Das was dir damals mit den drei Männern zugestoßen ist, das ist vorbei. So etwas kann dir hier nie passieren.“

„Was weißt du schon? Du hast ja keine Ahnung. Du weißt nicht, wie es ist, nicht die Kraft zu haben, sich anderen zu erwehren. Ihnen ausgeliefert zu sein. Man liegt nur blutend im Dreck, zusammengerollt wie ein verängstigter Igel. Dein Herz schlägt dir bis zum Hals, dein Blut dröhnt in deinen Ohren. Mit Händen und Armen versuchst du dann, so gut es geht Kopf und Hals zu schützen, während du zu den Göttern betet, dass sie einem aus dieser schrecklichen Lage befreien mögen… aber da ist kein Gott, der dich erhört. Kein Lichtblitz vom Himmel, der dich rettet. Man muss stark sein, um sich den Sieg zu nehmen. Stark, schnell, rücksichtslos. Ich hab das damals nicht gewusst. Ich hab an die verdammten Märchengeschichten von den strahlenden Rittern und der guten Welt geglaubt. Alles Schwachsinn.“ Ahrok schniefte und seine Stimme wurde wieder etwas leiser. „Der Starke diktiert die Regeln der Welt, der Schwache muss sich ihnen beugen. Ich werd nicht mehr schwach sein. Nie wieder.“

Ariane wusste keine passende Antwort darauf. Ihre ursprünglichen Vorwürfe hatte sie ganz vergessen.

„Wenn du das nicht verstehen kannst… dann ist das auch in Ordnung. Ich…“ Er atmete einmal tief durch, um sich zu beruhigen. „Denn was auch immer kommen mag - ich werde stark sein. Stark genug für uns beide und sogar noch für deinen Onkel mit. Ich lasse nicht zu, dass sich uns etwas in den Weg stellt. Auf dieser dämlichen Reise mit all den Grafen und Fürsten und Königen oder was da sonst so alles herumläuft werd ich der Beste sein.
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Herbert hat sich klar ausgedrückt. Er hat mir erklärt, wie wichtig das für euch ist und deshalb werde ich ganz sicher nicht versagen.“

Ihn so ehrlich und unbeholfen zu sehen, entfachte in ihr wieder diese verloren geglaubte, starke Zuneigung zu diesem einfältigen Kerl.

„Auf der dämlichen Reise?“

„Ja… diese dämliche Reise. Lauter Leute um mich rum, die ich nicht leiden kann und die mich nicht leiden können für… keine Ahnung wie lange. Wenn´s nach Onkel Herbert geht, dann soll ich während der ganzen Zeit auch noch meinen Mund halten und darf höchstens mal ´Ja, Herr Graf´ und ´Bitteschön, Herr Graf´ sagen. Ich bin bloß froh, dass Ragnar dabei ist, sonst würde ich durchdrehen.“

„Komm her. Setz dich zu mir. Lass uns ein bisschen reden. Das haben wir schon eine Weile nicht mehr gemacht.“

Sie rutschte ein kleines Stück, um Platz für ihn auf dem Bett zumachen.

„Uhhh, Ahrok… du brauchst dringend ein Bad“, stellte sie fest, als er sich zu ihr setzte.

„Das sind nur meine Trainingssachen, die so stinken. Ich trag sie seit ´ner Woche.“

„Warum ziehst du nicht deine alten Kleider an, wenn du draußen herumtobst?“ Ariane schmunzelte versöhnlich. „Muss es denn wirklich ein Hemd aus Tussahseide sein?“

„Ich kann es auch ausziehen, wenn dir das lieber ist.“

Kaum dass er die ersten Knöpfe geöffnet hatte, schoss ihr das Blut in die Ohren.

„Hör auf, Ahrok. Das kannst du nicht tun“, lachte sie verlegen auf. Ihr Herz schlug auf einmal doppelt so schnell wie noch vor einem Augenblick.

Das Hemd glitt von seinen Schultern. Die Haut darunter war ein einziges, großes Schlachtfeld. Ein ganzes Dutzend Narben und Striemen erzählten von Ahroks Abenteuern. Es war etwas ganz anderes, diese breite Brust unter einem Hemd zu vermuten, als sie tatsächlich auf Armlänge vor sich zu sehen. Der innige Wunsch, sie zu berühren, ihre Höhen und Tiefen zu erkunden, nahm vollends von ihr Besitz.

„Ich sehe, die Hose ist auch dreckig. Soll ich sie auch ausziehen?“

So viel Keckheit war fast zu viel für sie.
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„Um Himmels willen, nein!“

Als er den Gürtel fortwarf rief ihr Anstand, dass sie sofort wegsehen sollte, aber etwas anderes war in diesem Moment stärker.



„Wie schön, dich wiederzusehen, Ragnar.“

Der Graf reichte ihm die Hand.

„Gleichfalls, Herbert. Ich sehe, du hast alles im Griff?“

„Ja. Warum sollte ich auch nicht?“ Er setzte sich wieder in seinen Lehnstuhl und bot Ragnar den Platz ihm gegenüber an. „Lassen wir jedoch diese Vertraulichkeiten mit den Vornamen.“

„Herbert, wenn man so gesoffen hat wie wir, dann gibt es keinen falschen Anstand mehr zwischen zwei Männern. Ich kenn dich von deiner dunkelsten Seite. Wenn du dich erinnerst, dann war ich es, der dich davon angehalten hat, dem Wirt auf den Tresen zu pissen, weil er uns kein Bier mehr ausschenken wollte.“

„Nein, an einen solchen Zwischenfall erinnere ich mich überhaupt nicht. Deshalb gab es ihn auch nicht.“

„Wenn du das sagst.“ Ragnar baumelte mit seinen Beinen. Es war einer der vielen Vorteile, ein Zwerg zu sein. Man konnte fast immer und überall mit den Beinen baumeln.

„Also, was willst du hier? Ich dachte, du bist in einem Gasthaus eingekehrt und wartest darauf, dass ich dich rufen lasse.“

„Tja, falsch gedacht, Herbert. Wir haben eine Abmachung. Eine öffentliche Verlobung, gegen meinen Anteil am Schatz. Ich bin nur hier, um meine Investition zu begutachten.“

Der Graf zog die Augenbrauen zusammen.

„Vertraust du etwa meinem Wort nicht?“

„Ach, Herbert… nimm´s mir nicht übel, aber du bist ein Mensch und noch dazu einer, der seine Nichte an einen gewalttätigen Burschen verschachert, nur um ein Stück weit in der Gunst des Königs aufzusteigen. So sonderlich hoch stehst du nicht auf der Liste der Leute, denen ich blindlings vertraue.“

„Wie kannst du es wagen…?“

„Scheiß auf die Formalitäten, Herbert. Ich bin hier, um nach dem Kleinen zu sehen. Das bedeutet, du richtest am besten auch noch ein Zimmer für mich in dem Haus hier ein, denn ich werde nicht gehen, bis wir zu unserer Reise aufbrechen.“

„Du könntest auch einfach nett fragen. Menschen sind viel umgänglicher, wenn man sie nett bittet, anstatt dass man ihnen Beleidigungen an den Kopf wirft.
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Vielleicht solltest du dir das einmal über uns merken.“

„Ja… also Beleidigungen liegen mir eher als das höfische Arschkriechen, also wird es wohl nicht dazu kommen, dass ich dich nett bitten werde. Das hier ist ein Geschäftsabkommen, mein lieber Graf. Mein Anteil gegen…“

„Gegen eine offizielle Verlobung. Ich habe es weder vergessen noch vorhin überhört.“

„Sehr schön. Verträge, die im Vollrausch geschlossen werden, sind nämlich bindend unter uns Zwergen.“

„Lass dir von einer Magd ein Zimmer zuweisen.“

„Vielen Dank, Herbert, wir sehen uns nachher und besprechen dann einige Details der Reise. Du hast mir bislang viel zu wenig erzählt.“



Er saß auf ihrem Schoß, war überwältigend groß und ungezähmt. Sein männlicher Duft umrahmte sie, raubte ihr dir Sinne. Ihre Gesichter, so nah, berührten sich fast. Durch seine Lippen, so verführerisch leicht geöffnet, hauchte er ihr heiße Versprechen auf die Haut. Zögerlich wanderten ihre Finger seine nackten Schenkel hinauf zu den Hüften. Ihr Herz schlug so laut, dass sie befürchtete, man würde es im ganzen Haus hören.

Ein vorsichtiger Kuss, dann noch einer. Ihre Lippen wollten nicht mehr von den seinen lassen. Seine Hände strichen ihr über die Wangen, den Hals, den Rücken. Jede Stelle ihres Körpers erbebte unter diesen kleinen Schauern durch seine Berührungen und die Welt um sie herum verschwand.

Er drängte sich auf sie, drückte sie nieder auf das Bett. Finger wanderten ihre Schulter hinab und schoben die Träger ihres Kleides fort. Keine Worte, nur leises, lustvolles Keuchen erfüllte den Raum. Sie taumelte blind in diese neue Gefühlswelt hinein. Ohne Bedenken ließ sie sich fallen, schloss die Augen und genoss die Intensität der Berührungen, die Hitze seiner Küsse und das sanfte Streicheln der Seide, die Stück für Stück von ihrem Körper rutschte.
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Kommentare zur Story:

  Tja, er ist zwar rein sprachlich ein wenig ungeschickt und sehr naiv, aber küssen scheint er zu können. :=)  
   Petra  -  05.04.12 14:38

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Der Anfang ist humorvoll wie immer und geradezu typisch das Verhalten deiner Helden. Der Schluss ist hocherotisch. Kurz: Dieses Kapitel ist dir sehr gelungen.  
   Jochen  -  04.04.12 17:02

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Da habe ich ja noch eine Menge Kapitel vor mir, die ich so nach und nach genießen kann.  
   Jochen  -  04.04.12 12:43

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ehrlich gesagt tu ich mich schwer mit den romantischen/erotischen Begegnungen. Ich finde es recht kompliziert die Spannung zu erzeugen ohne dabei ins Lächerliche abzudriften.  
   Jingizu  -  02.04.12 21:02

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Au weiha, Ahrok ist wirklich sehr unbeholfen im Umgang mit Ariane. Dann jedoch wunderbar ehrlich in Bezug auf seine Ängste, was dem Mädel natürlich wieder gefällt. Noch mehr mag ihr jedoch das Anschließende gefallen. Hoffentlich platzt nicht wieder irgendwer dazwischen.

Nur welches Süppchen kochen denn da der Herr Graf und der werte Zwerg?

Wie immer gespannt, auf das, was da noch kommen mag.  
   Tis-Anariel  -  30.03.12 20:58

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  au je, ahrok verhält sich wirklich tölpelhaft: der zwerg hat mich geschickt... das törnt ariane nicht sehr an. aber dann ist er so einfach und schlicht in seinen ängsten, dass mit ariane alles wieder gut ist und in einer innigen erotischen begegnung endet... schön!  
   Ingrid Alias I  -  30.03.12 16:53

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Kommentar von "Sabine Müller" zu "Die Lebenswippe"

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Kommentar von "rosmarin" zu "Die Belfast Mission - Kapitel 02"

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