Poetisches · Trauriges

Von:    Mandala      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 4. Oktober 2006
Bei Webstories eingestellt: 4. Oktober 2006
Anzahl gesehen: 3989
Seiten: < 1

Hallo, Ich bin eine Narbe.

Geboren wurde ich aus einer Wunde.

Meine Mutter ist die Haut

und mein Vater war eine Klinge.

Als ich geboren wurde tat es meiner Mutter sehr weh.

Sie hat vor Schmerz geblutet,

aber mein Vater hat ihr Mut gemacht.

Er hat gesagt, dass wenn die Wunde verheilt ist,

wenn das Blut aufhört zu fließen,

dass dann etwas entsteht,

was sie beide lieben werden.

Ich - die Narbe.

Doch heute ist alles anders.

Meine Mutter liebt mich zwar noch,

lässt mich nicht los.

Aber sie verbietet meinem Vater mich zu sehen.

Auch ich habe schon Angst vor ihm,

weil ich weiß, er tut mir nicht gut.

Ich bin meinem Vater dankbar,

dass er mich auf die Welt gebracht hat.

Aber heute möchte ich ihn nicht mehr sehen.

Meine Mutter sagte mir kurz nach meiner Geburt,

dass ich eine Wunschnarbe bin.

So, wie alle meine Geschwister.

Ich habe viele Geschwister,

und alle sehen anders aus.

Ich habe dicke und große Schwestern.

Aber auch dünne und zierliche.

So wie meine Brüder.

Wir sehen alle verschieden aus.

Aber unsere Mutter liebt uns.

Sie steht zu uns und ist stolz uns geboren zu haben.

Väter haben wir nicht alle den selben.

Eine Schwester ist von einer Scherbe.

Ein Bruder von einer Zigarette.

Andere Geschwister von mir wurden von einem Messer gezeugt.

Aber es gibt für uns nur eine Mutter - die Haut.

Du fragst Dich, warum wir nicht alle den selben Vater haben?!

Nachdem unsere Mutter die erste Narbe bekam

hat sie sich von dem Vater getrennt,

weil sie gemerkt hat

er tut ihr nicht gut.

Aber immer wieder wollte sie neu gebären

und so suchte sie sich neue Väter für ihre Narben.

Immer wieder hasste sie den Vater nach der Geburt und verließ ihn.

Und heute möchte sie keine Narben mehr.

Sie liebt jeden einzelnen von uns,

aber für noch weitere Narben hat sie keine Liebe

und keine Kraft mehr.
Seite 1 von 2       


Und ich bin stolz auf meine Mutter.

Jeden Tag schenkt sie uns Liebe und Verständnis.

Manchmal bekommen wir Besuch von einer anderen Haut.

Diese liebkost uns dann

und Mutter freut sich,

dass die andere Haut sie nicht abstößt...

...wegen uns - ihren Kindern - die Narben.
Seite 2 von 2       
Punktestand der Geschichte:   154
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Kommentare zur Story:

  Ich finde diese Geschichte sehr ergreifend und du
hast wunderbar sie "perspektive" der Narbe
aufgefasst :) Mach weiter so!  
   Marina Jägle  -  08.10.12 13:30

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  Das schöne an diesen Kindern ist. Das man weiß warum sie auf die Welt gekommen sind. Welche Situation diesen Kinderwunsch ausgelöst hat.
Es tut gut sich seine Kinder an zu sehen.Sie erzählen der Welt eine Geschichte und vielleicht findet man einen der diese Geschichten hören und lieben will  
anonym  -  03.07.08 21:26

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  iich fiind diese geschichte einfach supper weil diese geschichte auch meine vergangenheit beschreibt ich finds verdammt gut wie du das geschildert hast wow perfeckt ...  
anonym  -  13.06.08 21:58

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Super! Eins A, und das mir, der sich für so unsensibel hält. Eine wunderbare, nicht zu unterschätzende Arbeit. Armhaare gingen hoch!
Mach bloß weiter so.
Gruß
Stephan  
Stephan F Punkt  -  03.06.07 07:34

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  Sehr gut geschrieben. Gefällt mir auch. Du schreibst oft über wichtige, traurige, ergreifende Dinge. MFG Boris  
Boris Kanuta  -  07.05.07 14:54

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  sowas geiles hab ic echt noch nie gelesen!!!
ich finde das total cool!!!  
vanessa  -  13.03.07 18:38

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  Da stimme ich Hans Dampf in Gassen zu! Gruß Boris  
Boris  -  02.02.07 11:27

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  Echt ein super Text, mal was ganz anderes.

Gruß Hans Dampf  
Hans Dampf in Gassen  -  02.02.07 11:26

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  Oo sry^^ jaja mein pc zeigt mir nur an was er will  
Unbekannt  -  27.01.07 21:02

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  ich finde, gerade die naive art zeigt, wie leicht dieses thema übergangen/verschwiegen wird. und dass die "mutter" stolz auf ihre "kinder" ist, ist für mich auch nachvollziehbar. immerhin hat sie sie selbst "gezeugt", bis sie eingesehen hat, dass es falsch ist. gerade diesen aspekt finde ich sehr wichtig, diene geschichte ist dadurch sehr ermutigend!  
darkangel  -  27.01.07 21:01

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  ich finde das "verharmlosende" gerade gut, weil gerade dieses naive zeigt, dass so ein thema leicht übersehen/verschwiegen wird... ich finde auch logisch dass die "mutter" stolz auf ihre "kinder" ist, immerhin hat sie sie selbst "gezeugt", bevor sie gemerkt hat, dass es nicht der richtige weg ist... und gerade diesen aspekt finde ich sehr mutig, die geschichte wird dadurch ermutigend!  
darkangel  -  27.01.07 20:59

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  Da schliesse ich mich den Anderen an. Es geht um ein heftiges Thema. Schade, dass viele kein Verständnis dafür haben  
Kleine Meerjungfrau  -  13.01.07 13:02

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  Sehr privat, sehr gefühlvoll, aber für Außenstehende nicht unbedingt leicht zu verdauen. Auf jeden Fall gut geschrieben und die Idee perfekt umgesetzt!  
Middel  -  10.10.06 13:10

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  Hallo Regina,

leider ist SVV mittlerweile fast schon "alltäglich" geworden. Warum also dieses Thema immer noch unter den Tisch kehren?
Und was die Narben für jemanden, der sich selbst verletzt, bedeuten, kann sicherlich jeder für sich am besten wissen. Für mich war das Schneiden eine Befreiung. Es war nicht der beste Weg, aber der einzige den ich zum damaligen Zeitpunkt gesehen habe.
Probleme gibt es im hetigen Leben, aber nur mit Menschen die nicht verstehen (wollen) und mittlerweile habe ich gelernt solche Meinungen links liegen zu lassen.

*M*  
Mandala  -  10.10.06 12:57

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  Ich weiß nicht ob verharmlosend das richtige Wort war.
Die Narben als Kinder zu bezeichnen, die geliebt werden, gewünscht waren...Es macht aus Einer schlimmen Sache eine Familiengeschichte, ein Drama zwar, doch das sind ja die meisten Familiengeschichten. Irgendwie macht es die Sache so zu etwas Alltäglichem. Und auch wenn es das sogar ist, lese ich nicht gerne so darüber.
Nur, wie gesagt, der Text ist wirklich beeindruckend.

Zu deinem Kommentar, Mandala: DIe Narben haben geholfen, eine schwere Situation zu ertragen/überleben? Seh ich anders. Sie haben nichts besser gemacht sondern nur noch komplizierter. Zwei Sekunden Erleichterung bringen tage-, wochen- und sogar jahrelange Probleme mit sich. Spätestens eben wenn die andere Haut die Mutter abstößt, wegen der Narben.  
Regina  -  10.10.06 12:42

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  Hallo,

der text ist wirklich beeindruckend. Die idee gefällt mir und die darstellung finde ich sehr gelungen. Hab mir den text gleich zweimal durchgelesen, weil er mir so gut gefällt.
Bin schon richtig neugierig auf deine anderen texte.

lg Holger

lg Holger  
Homo Faber  -  10.10.06 11:27

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  Hallo Regina,

ich denke nicht das es verharmlosend geschrieben ist - im Gegenteil. Wenn du meine anderen Gedichte liesst wirst du auch sehen, dass ich das Thema sicher nicht verharmlosen möchte, sondern darüber aufklären.
Warum die Mutter ihre Narben nicht hasst? Weil sie ein Teil von ihr sind, und weil die Zeugung dieser Kinder ihr in schweren Situationen geholfen hat zu überleben und zu ertragen.

*M*  
Mandala  -  06.10.06 13:51

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  Gekonnt geschrieben.Tolle Prosalyrik. Du kannst stolz auf dieses lyrische Kind sein. Schreiben kann von vielen einschneidenden Dingen des Lebens befreien. Wie wär`s mit noch mehr Kindern dieser Art?  
doska  -  05.10.06 16:55

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  Aber Regina, was ist an diesem Text denn
verharmlosend? Gerade durch die zurückhaltende
Ausdrucksweise und die Art, wie Mandala das Thema
anspricht, wird das darin enthaltene Grauen doch erst
richtig beklemmend... Es verhält sich ein wenig wie im
Film: Auch wenn auf den ersten Blick noch nichts
Bedrohliches zu sehen ist, bekommt man eine
Gänsehaut, denn die Musik im Hintergrund und die
merkwürdigen Schatten in den Ecken deuten schon an,
daß gleich etwas Schreckliches passieren. Das
Entsetzen steckt zwischen den Zeilen, in denen von
Mutterliebe und Verständnis die Rede ist.  
Trainspotterin  -  05.10.06 16:12

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  Ich muss zugeben, der Text beeindruckt mich, auch wenn ich dagegen bin, so verharmlosend über ein wirklich ernstes Problem zu sprechen.
Du hast es unglaublich gut getroffen, was in einem vorgeht, wenn man solche Narben hat. Der Hass auf die Klinge, den Versuch davon loszukommen und auch die Rückschläge. Und die Angst abgelehnt zu werden aufgrund der Narben.
Allerdings habe ich eine Frage an dich. Wieso ist die Mutter stolz auf ihre Kinder, die Narben? Wieso verabscheut sie sie nicht, und sich selbst, weil sie sie sich zugefügt hat?  
Regina  -  05.10.06 10:17

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  Das ist sehr beeindruckend, finde ich. Der Text geht – im
wahrsten Sinne des Wortes – unter die Haut. Sehr schön
gemacht, und ganz ohne Effekthascherei. Respekt!  
Trainspotterin  -  05.10.06 09:31

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  wow, ein wirklich starker text. den inhalt finde ich sehr gut, und die umsetzung fast schon genial, da sehr originell.
fünf verdiente punkte.  
Gulliver Assi  -  04.10.06 20:34

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