80 Days, kapitel 19, blutende Wunden   371

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele

Von:    Barbara Saskat      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 16. Juli 2011
Bei Webstories eingestellt: 16. Juli 2011
Anzahl gesehen: 2798
Seiten: 12

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Kapitel 19



„Sie atmen jetzt einmal tief ein und wenn ich jetzt sagen, atmen sie aus, so weit, wie sie können. Während dessen ziehe ich den Schlauch raus, ok?“

Mogi nickte.

Der Morgen startete turbulent. Statt des üblichen Visite Geredes hatte man ihn nach einer kurzen Besprechung und einer Untersuchung damit überrascht, dass man nun das Beatmungsgerät ausstellen würde. Seine Lunge hätte sich, nach Überprüfung der Aufnahmen, soweit wieder erholt, dass er es nun alleine versuchen sollte. Und Mogi war mehr als bereit dazu. Nachdem zwei Tage lang eine Maschine für ihn geatmet hatte, konnte er es kaum erwarten, seinen ersten, eigenen Atemzug zu tun. Wobei er zugeben musste, dass diese Schlauchzieherei ihm Angst machte.

Sein Blick ging an sein Fußende, wo Ryuzaki nach wie vor ausharrte. Er hatte ihn während der ganzen Tage nicht verlassen. Und Mogi rechnete ihm das hoch an. Vor allem, wenn man bedachte, dass Mattie und Souta im Moment völlig auf sich alleine gestellt waren. Doch er zweifelte auch nicht daran, dass, wenn sie sich an Ryuzakis Anweisungen hielten, nichts geschehen würde.

Mit Mattie war das allerdings so ein Problem. Wenn ihr etwas anderes in den Sinn kam, dann war sie davon kaum ab zu bringen. Es war nicht zu ändern. Mogi musste versuchen, hier irgendwie wieder heraus zu kommen. Die Entfernung des Schlauches war schon mal ein guter Anfang, aber auch Aizawa würde das wissen. Sie kannten sich zu lange, als das sein alter Kollege nicht seine Gedankengänge würde nach vollziehen können.

Nun schob sich wieder das Gesicht seines Arztes in sein Blickfeld. Er lächelte ihn aufmunternd zu und gab das Zeichen zum Einatmen.

Mogi tat, wie ihm geheißen.

„Und nun kräftig ausatmen!“

Auch das tat Mogi und im nächsten Augenblick wünschte er sich, jemand hätte ihn besser darauf vorbereitet. Begleitet von Mogis Husten und Würgen förderte der Arzt mehr und mehr von dem Schlauch hervor, bis sich schließlich das Ende zeigte.

Mogi japste. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.

Er konnte Ryuzakis Hand auf seiner Schulter spüren. Beruhigend und warm.

Nach weiteren Würgen und Husten beruhigte sich Mogi langsam wieder. Tränen liefen ihn über die Wangen.
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„Großer Gott.“. Seine Stimme klang kraftlos und rau.

Der Arzt lächelte selbstzufrieden.

„Sie haben ihre Stimme eine Weile nicht benutzen können. Es wird wohl dauern, bis sie wieder was erzählen können.“

Mogi schluckte.

„Essen?“, krächzte er hervor.

Ryuzaki konnte ihn gut verstehen. Mogi konnte ja tagelang nicht wirklich essen und wurde durch eine Infusion ernährt. Er selber wäre wahrscheinlich gestorben.....natürlich nur, wenn er nicht ohnehin schon tot gewesen wäre.



**



Als Aizawa Mogis Krankenflur betrat, sah er schon den Arzt und dessen Hofstaat, wenn man es denn so nennen wollte, aus dem Zimmer treten. Sie machten einen äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck und Aizawa vermutete, dass Mogi es schon hinter sich hatte.

Near hatte alles wunderbar eingefädelt. Wie sollte es auch anders sein. Allerdings fragte er sich heute nicht zum ersten Mal, was Near wohl getan hätte, wenn der Arzt eine Entfernung des Schlauches für verfrüht gehalten hätte.

Mit einem flüchtigen Kopfnicken begrüßte er die vor der Tür stehenden Wachen, bevor er anklopfte und ohne eine Antwort ab zu warten, eintrat.

Mogi saß aufrecht und die nervtötende Beatmungsmaschine war abgestellt.

„Mogi. Ohne deinen Schlauch hätte ich dich kaum wieder erkannt.“, versuchte er zu witzeln und Mogi lächelte. Er hätte gerne etwas gesagt, aber als er seinen Mund öffnete, kam nur ein Krächzen heraus. Aizawa setzte sich neben Mogis Bett auf den Stuhl, den er nun schon seid zwei Tagen für sich beanspruchte.

„Darfst du schon essen oder trinken?“

Mogi zuckte mit den Schultern.

„Soll ich mal fragen? Hast du Durst?“

Mogi nickte. Ein wundervolles klares Glas Wasser war in seinen Vorstellungen gerade das Beste, was ihm passieren konnte.“

Aizawa stand wieder auf. Der Stuhl gab knirschend seine Last frei.

„Ich frag mal. Du solltest dich kräftigen, ehe Near ankommt. Ich denke, er wird dir eine Weile auf den Wecker gehen.“

„Wann?“ Mogis Stimme klang völlig fremd.

Aizawa warf einen Blick auf seine Uhr.

„Nun, er ist gestern Abend in Japan angekommen.
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Ich vermute mal, dass er nicht der Typ ist, der gerne ausschläft.“

„Kaffee.“, kam Mogis Stimme rau zwischen seinen Zähnen hervor.

„Was?“

„Bring mir Kaffee.“ Er schmunzelte. „Mit viiieeeelll, viel Zucker.“

Aizawa schüttelte verständnislos den Kopf. „Du solltest die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich weiß nicht genau, was in dem Holmes Apartment passiert ist, aber du kannst davon ausgehen, dass es Near nicht sonderlich beeindrucken wird.“



Tatsache war, dass Aizawa sich wirklich nicht mehr sicher war, was er gesehen oder gespürt hatte. Seine Nerven waren völlig überspannt und das Adrenalin schoss durch seinen Körper. Außerdem war er von den Erinnerungen dieses Gebäudes umgeben. Er konnte nicht mehr sagen, was Einbildung war und was real. Und das Mogi ihn bestätigte, dass er L gesehen hatte, bedeutete, je länger Aizawa darüber nachdachte, gar nichts. Mogi hätte ihn ebenso verunsichern wollen können. Vermutlich war es sogar nur ein Trick. Taktik.

Ja, ein Trick, Kameratechnik oder weiß der Geier was für Möglichkeiten sie hatten. Schließlich war das ganze Gebäude nichts weiter als eine einzige, riesige und hochmoderne Computereinheit.

Aizawa und Mogi sahen sich noch eine Weile an, aber als Mogi keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, schnaufte Aizawa nur und machte sich auf, einen Kaffee oder etwas Vergleichbares zu besorgen.



Ryuzaki schaute Aizawa nach, als dieser den Raum verließ.

“Machen sie sich keine Sorgen, Mogi. Es ist nur wichtig, dass genau das sagen, was ich ihnen diktiere, wenn sie mit N sprechen.“ Er sah den Patienten an.

“Das bedeutet, dass sie mit jeder Antwort warten, bis ich ihnen gesagt habe, was sie sagen sollen. Haben sie das Verstanden?“

Er überlegte und änderte seine Ausdrucksweise.

“Hast du verstanden, Kanzo?“



**



Während Ryuzaki und Mogi darauf warteten, dass Aizawa Kaffee auftrieb, saß Maric Tepes am Flughafen und trank seinen eigenen Kaffee aus einem Pappbecher. Er war noch sehr heiß und er pustete durch das kleine Loch des Deckels. Die ganze Konstruktion dieser To Go Becher muteten immer ein wenig wie eine Schnabeltasse an, aber das störte ihn wenig.
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Er musste noch genau zwei Stunden hier ausharren, bis er den nächsten Flieger bekam, den er ergattern konnte. Und wenn er sehr viel Glück hatte, würde er am Abend in Japan an der angegebenen Adresse sein können.

Er ließ seinen Kopf auf seiner Wirbelsäule kreisen und wartete, bis etwas in seinem Nacken knackte. Es war so laut, dass ein Mann mittleren Alters den Kopf in seine Richtung drehte und lachte.



**



**



Light blinzelte und drückte sich ein wenig von der Decke weg. Er war im Laufe der Nacht immer weiter nach oben gestiegen und nun lag er mit der Wange und der Schultern in einem unangenehmen Winkel, der seinen Hals verdrehte.



Er brachte sich in eine aufrechte Position, reckte sich ausgiebig und fluchte im nächstem Moment.

Er hatte seinen Körper, oder besser gesagt, seine Haut durch sein Strecken überspannt und schon quoll aus einer der zahlreichen und groben Nähte unter seiner Achsel Blut.

Seine Haut war immer noch eine einzige, sich kreuz und quer über seinen Körper ziehende Wunde.

An manchen Tagen fühlte er sich, als würde die Nähte einfach aufplatzen und das darunter liegende, bloße Fleisch freigeben.

An anderen Tagen juckte alles so grauenvoll, dass er durch sein Scheuern und Kratzen bald selbst ganze Areale seiner Haut vom Körper abziehen wollte.. Das Ergebnis waren weitere, klaffende Wunden, deren Heilungsprozess nur langsam von statten ging.



Er blickte auf das leere Bett unter sich und rollte mit den Augen. Near war wahrscheinlich schon seid Stunden wach.

Was ihn auf die zweite Sache brachte. Er war immer noch ziemlich verschlafen. Im Regelfall brauchten Shinigamis keinen Schlaf, um ihre Körper aus regenerieren. Nicht auf die Art und Weise, wie Menschen Schlaf nötig hatten. Aber die Zeit so relativ kurz nach dem Erwachen als Shinigami war anders. Gerade in der Phase der Wandlungen benötigte der „neue“ Körper viel Ruhe. Und das brachte ihn seinen Menschen nicht gerade näher.Und Near war auch nicht gerade der Typ Mensch, der einen seine Gedanken auf die Nase band. Die einzige Möglichkeit, in Near hinein zu horchen, waren die Fragen, mit denen der junge Mann ihn an manchen Tagen löcherte.
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Und er wollte viel über die Welt der Shinigamis wissen. Light fütterte ihn häppchenweise. Near wusste schon, warum.



Light brachte seine Füße auf den Boden und wischte sich achtlos das frisch ausgetretene Blut vom Körper. Beinahe automatisiert schmierte er es an seiner bizarren Kleindung am Oberschenkel ab, wo es eine dunkle, schmierige Spur hinter ließ.

Forsch durchkämmte er nun das schon strähnige Haar mit seinen Fingern.

Er wußte, dass er grauenvoll aussah. Und er hatte seid seinem Tode auch keine Dusche mehr von innen gesehen. Wie denn auch? Das Wasser würde sofort die empfindliche Haut an den Nähten einweichen und dann konnte er sich....mal wieder...selbst zusammen flicken. Wäre nicht das erste Mal. Er hatte da schon so seine Erfahrungen in der Shinigamiwelt gemacht und konnte auf ein weiteres Experiment dieser Art verzichten. Zumindest, solange seine Wunden noch nicht verheilt waren.

Also begnügte er sich damit, im angrenzenden Bad einen Waschlappen zu nehmen, ihn an zu feuchten und diesen durch das Gesicht zu ziehen. Das kühle Nass tat unglaublich gut.

Er ignorierte gekonnt sein Spiegelbild. Die Zeiten, in denen er verzweifelt über die Reflektion seines Gesichtes in einer Pfütze weinte, waren, so glaubte er, vorbei.

Man musste sich mit den Dingen auseinander setzten und sie dann akzeptieren, so fern man sie nicht ändern konnte.

Nun schmiss er den Lappen achtlos in das Becken und steckte seinen Kopf durch die Wand rechts vom ihm. Er sah Braun mit Kopfhörer durch die Gegend laufen. Geschäftig redete er dabei und blätterte in einer Akte, die er im Vorbeigehen auf einen Schreibtisch warf.

Neugierig warf Light einen Blick darauf musste aber schon bei ersten Anlauf kapitulieren. Auf dem Deckblatt war nichts zu lesen. Kurz überlegte er, das Deckblatt einfach an zu heben, aber er hatte schon erlebt, wie ein Shinigami bestraft wurde, weil er die Regeln verletzte und er hatte nicht vor, das zu provozieren. Und er kannte alle Regeln. Er hatte sie alle bis ins Letzte studiert. Er hatte sich mit jeder Lücke, die er finden konnte, so intensiv beschäftigt, dass er tatsächlich, ja, tatsächlich jede Silbe, jeden Laut jeder einzelnen Regel auswendig aufsagen konnte.
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Und mit jeder Minute, die er sich mehr damit befasste, wurde ihm klar, wie unglaublich wenig Ryuk über sein eigenes Dasein gewusst hatte.

Aber er konnte seinen ehemaligen Todesgott keinen Vorwurf daraus machen. Ryuk verhielt sich im Grunde wie jeder Andere auch, der sich lieber auf der sicheren Seite wägte, indem er gar kein Risiko einging und sich an die Basis aller Grundregeln hielt.

Da gab es einfache Beispiele.

Einmal fragte ihn ein Todesgott, ebenfalls ein noch sehr junger, wie er das meinte, mit der Basis der Regel.

Und Light antwortete ihm: „ Es steht geschrieben: Du sollst nicht stehlen.“

Der andere Todesgott nickte.

Light schmunzelte. „Aber es steht nicht geschrieben: Du sollst dir Dinge nicht ausleihen, ohne dass der Besitzer was davon weiß.“

Darauf hin lachte der andere Todesgott:“ Du meinst, die Basis besteht aus dem Stehlen aber wo die Grenze ist, zwischen Stehlen und Leihen....“

„Das bestimme ich.“, beendetet Light den Satz. „Denn niemand kann sagen, ob ich vorhatte, das Genommene zu behalten oder nicht. Diebstahl zielt darauf ab, entnommene Dinge dauerhaft zu behalten und sie fortan als dein Eigentum zu betrachten. Aber wenn ich das nicht im Sinn habe, so habe ich also nicht gestohlen.“

Der andere Todesgott, sein Name war Tak und er war gerade 122 Jahre jung, hatte sich ihm gegen über gehockt und seinen Blick über alles schweifen lassen, was Light sorgsam auf den Boden ausgebreitet hatte. Es waren Schriftrollen mit den Regeln, mit Aufzeichnungen von anderen Shinigamis und Fetzen von Papierstücken aus anderen Death Notes.

„Wieso tust du das alles?“, wollte Tak von ihm wissen.

Light leckte sich über die trockenen Lippen und schaute den anderen an.

„Ich will vorbereitet sein. Ich hatte eine Aufgabe und ich habe nicht vor, mich davon abbringen zu lassen. Bald werde ich zurück gehen.“

Tak machte ein verdattertes Gesicht.

„Zurück? Wohin zum Teufel willst du? Wieder in die Tiefebenen?“

Tak sprach dabei von den Ort des Erwachens. Die Ebenen waren vom Hochland, also vom Land der Shinigamis, weitgehend ab getrennt.

Light schüttelte den Kopf. „Nein, Zurück in die Welt der Menschen und...



**



…Near räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen.
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Light drehte sich zu ihn herum. Die Haare seines Menschen sahen zerwühlt aus und klebten noch nass an dessen Stirn und im Nacken.

Near wartete, bis Braun durch die Tür in den Wohnraum verschwunden war. Er hörte Braun etwas sagen, jemand lachte und Braun stimmte mit ein. Wahrscheinlich hatte er einen dummen Witz gemacht.

Die Stimmung war entspannt. Im Gegensatz zu L hatte Near im Laufe der Zeit den Vorzug einer Stammbelegschaft von vertrauenswürdigen Mitarbeitern zu schätzen gelernt. Nun, das hatte L, wenn man es genau betrachtete, in den letzten Monaten seines Lebens auch. Doch zu spät.

„Du blutest.“, bemerkte Near, als er sicher gehen konnte, dass ihn niemand sprechen hörte.

Light zeigte keine Regung, folgte seinen Menschen aber, als sich dieser anschickte, auf dem Absatz kehrt zu machen und in die Küche zu gehen.



Maria Leassert, die jüngste Mitarbeiterin im Team, von Near mal abgesehen, schloß den riesigen Kaffeeautomaten an die dafür vorgesehene Steckdose an. Nun blickte sie auf und lächelte ihren Boss an.

„Wir haben gleich Kaffee. Kann sich nur um Stunden handeln.“

Near setzte sich, zog ein Bein an und legte sein Kinn auf das Knie. „Kaffee wäre toll. Und der Fernseher ist noch nicht angeschlossen.“

Er zeigte auf den Flachbildschirm, der an der Wand hing.

Maria folgte seinen Blick.

„Eddie macht das gleich. Er meinte, ohne Kaffee würde er sich weigern, auch nur einen Handschlag zu tun.“

„Du hast deine Leute gut im Griff.“, bemerkte Light. Near ignorierte es.

Schon allein, weil Maria nun Wasser in den Automaten kippte und den magischen Knopf drückte. Sofort gluckste die Maschine fröhlich und nur wenige Augenblicke später verströmte sie diesen unverwechselbaren, würzigen Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee.

„Ich möchte auch Kaffee.“, gab Light von sich.

Near nickte kaum merkbar. Im Augenwinkel sah er, wie Light sich wieder einmal unentwegt kratze. Die vielen wunden Stellen heilten offensichtlich.









**



Mattie Holmes war mieser Laune. Der ganze Morgen war ein einziger Scheiß. Ja, ein einziger Scheiß und das tat sie auch kund.
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Unabhängig ob Souta es nun hören wollte oder auch nicht.

„Wir haben nicht mal heißes Wasser!“; rief sie aus dem Bad raus.

„Das ist wirklich Kalt. Arschkalt!“, fügte sie hinzu.

Souta konnte nichts dagegen machen, hütete sich aber, auch nur einen Piep von sich zu geben.

Das Beste war, sie erst mal toben zu lassen. Es ging dann meist nach einer halben Stunde wieder. Und danach durfte man sie ja nicht wieder auf das Thema bringen.

Also tat er das Einzige, dass er tun konnte. Den Tisch mit dem Wenigen decken, das sie da hatten, das Radio einschalten und Tee in die Tassen füllen.

Kurz darauf hörte er die Badezimmertür auf gehen und schließlich wieder zuknallen.

Und zwar so heftig, dass von der Decke etwas Putz bröselte.

Mattie stampfte in die Küche, setzte sich in den Klamotten, die sie gestern schon an hatte, an den Tisch und zog einen Schmollmund.

„Und das ist wahrscheinlich Tee, hm? Gott, ich würde für einen Kaffee sterben....schlimmer, ich würde töten für ne Tasse.“

Souta setzte sich ihr gegenüber. Er hatte noch genau zwei Scheiben Brot, etwas Fruchtaufstrich und der Tee reichte auch nur für heute Morgen. Zu Mittag würden sie schon die Zähne in die Tischplatte schlagen müssen.

„Wir wissen nicht mal, wann der Typ kommt.“, begann Mattie ein einigermaßen ruhiges Gespräch.

„Und das wir alles da liegen lassen müssen, macht mich krank. Mogi haben wir auch noch nicht gesehen und ….“, sie schüttelte resigniert den Kopf. „Hier zu sitzen und gar nichts zu tun ist schrecklich. Ich komme mir so hilflos vor.“

Mattie Blick brach Souta fast das Herz.

„Und außerdem.“, erklärte sie weiter. „Bin ich eine amerikanische Durchschnittsfrau und brauche also immer irgendwas zu futtern und zu sau....also trinken. Bei uns ist das in der Genetik so verankert, dass so was wie ein Glas Wein am Abend eine lebenserhaltende Maßnahme ist.“

Wie um das zu unterstützen klopfte sie sich zwei mal mit der flachen Hand auf die Stirn.

„Das hilft uns Denken.“

„Ah so.“, erwiderte Souta. Er wollte wirklich nicht zu viel sagen.

„Und nun stell dir mal vor, der Typ kommt erst morgen.
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Bis morgen, Souta, sind wir verhungert!“

Der Japaner schaute von seinem Brot auf und grinste schief.

„Mattie, Menschen kommen eine Woche ohne Nahrung aus. Und Wasser kommt aus dem Wasserhahn.“

„Ja,“, brummte sie. „Kaltes Wasser, wie ich heute morgen feststellen musste. Und was das Essen angeht...also ich bin mir nicht sicher, ob ich so lange ohne Essen aushalten kann. Souta, ich werde unausstehlich, wenn mein Magen nicht in regelmäßigen Abständen mit unnützen Kaloriene gefüllt wird.“

Er schaute sie an und sein Blick sagte deutlich : Unausstehlich bist du schon den ganzen Morgen.

Sie rollte mit den Augen. „Ich meinte natürlich, unausstehlicher wie sonst.“

„Ach so.“

„Ja.“

Sie biss in ihr Brot und kaute gelangweilt darauf herum.

„Und wenn wir nicht an Hunger sterben, dann eben am Nichtstun.“

„Daran stirbt man auch nicht, Mattie.“ Er dachte einen Moment darüber nach, konnte sich aber wirklich nicht erinnern, so etwas schon mal gehört zu haben.

Aber bekanntlich gab es ja nichts, was es nicht gab. Wenn es jemanden gab, der das wusste, dann waren sie das wohl.

Und er konnte Mattie gut verstehen. Hier zu sitzen und zu warten war schon eine harte Herausforderung. Sie konnten nicht in Erfahrung bringen, wie es Mogi jetzt wohl gerade ging. Und davon ab auch nicht, wie es Ryuzaki ergehen mochte.

Als ob sie seine Gedanken lesen könnte, seufzte Mattie: „ Wie es wohl unseren beiden Spezies geht? Ryuzaki bekommt bestimmt auch nichts zu essen.....“



**



Ryuzaki bekam durchaus was zu Essen. Im übrigem zum Leidwesen aller sich auf der Station befindlichen Patienten und deren Angehörigen. Denn Ryuzaki suchte sich seine Mahlzeiten in den Zimmern der Patienten zusammen. Die Schwestern hatten schon Krach mit der Küche. Der Küchenchef des Krankenhauses zweifelte schon an sich selbst und die Angehörigen, die ihren Kranken Verwandten etwas aus dem Supermarkt mitbrachten, glaubten an einen bösen Scherz der Schwestern. Man konnte durchaus sagen, dass sich Spannungen zwischen den Menschen hier entwickelt hatten.

Es war nämlich mehr als eigenartig, dass alle süßen Speisen schon nach sehr kurzer Zeit den Geschmack von.
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...naja.....Nichts annahmen.

Sie schmeckten nach Pappe oder nach Sand.

Denn wie Mattie schon einmal vor einer gefühlten Ewigkeit bemerkte, absorbierte L nahezu den Geschmack der Lebensmittel. Seine Art Nahrung zu sich zu nehmen, bestand darin, den Geschmack der Nahrung auf einer Weise, die weder er noch Mattie verstanden, in sich auf zu nehmen. Die eigentliche Masse und das Volumen blieb unverändert. Vielleicht bemerkte der ein oder andere Patient, dass sich das Puddinggläschen etwas verschoben hatte, oder das die Schokolade plötzlich auf der anderen Seite des Nachtschränkchens lag, aber da niemand ernsthaft etwas wegnahm, wußte keiner, wer den süßen Geschmack der Speisen absorbierte und vor allem wie.

Ryuzaki hatte deswegen kein schlechtes Gewissen. Er sorgte dafür, dass es niemanden ernsthaft an etwas mangeln würde.

Irgendwie musste er ja auch etwas zu sich nehmen.





Nun hatte er sich wieder über die Schüssel Besucherbonbons hergemacht, die auf dem Arbeitstresen der Schwestern stand und hatte eines erwischt, dass seiner Ansicht nach furchtbar schmeckte.

Hätte irgendjemand beobachten können, was sich dort am Tresen abspielte, so hätte derjenige einen jungen Geist gesehen, der angewidert seine Zunge am Ärmel seines Pullis abwischte. Und demjenigen wäre auch nicht die weiße, fast nebelartig erscheinende Substanz entgangen, die nun am Ärmel klebte.

Es war der pure Geschmack der Süßigkeit. Die Aura des Geschmackes, wenn man es so nennen wollte. Die reine Dynamik des Lebensmittels, die sich, gleich einer Seele in ihrer Masse selbst befand.

Vielleicht gab es Chemiker oder auch Wissenschaftler, welche die Existenz dieser Energien erahnten, aber sicherlich wußte das niemand so genau, wie jemand, der sich eine solche zu Nutze machen konnte.

Ryuzaki hatte gelernt, sie sich zu Nutze zu machen.



Und er hatte noch etwas interessantes gelernt. Er hatte gelernt, dass er bei Gott nicht der Einzige in dieser Situation war. Er hatte hier in diesem Krankenhaus schon mindestens drei Geister gesehen. Wobei er selbst für sich entschieden hatte, dass er den Begriff : Gestorbene, aber verbliebene Person bevorzugte. Das Wort „Geist“, so beschloß er, war diskriminierend.
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Naja, man musste sich ja damit auseinander setzten.

Jene gestorbenen, aber verbliebenen Personen, die er außer sich noch hier ausmachen konnte, waren ganz unterschiedlicher Natur. Zwei von ihnen nahmen ihn nicht mal zur kenntniss. Und wenn, dann offensichtlich nur in genau dem Ausmaß, wie Mattie ihn zu Beginn wahr nahm. Sie ahnten, dass sich jemand irgendwo in ihrer Nähe auf hielt, aber sie konnten nicht ausmachen, wo und in welcher Art und Weise. Sie gingen ihrem Aufgaben so ungehindert nach, als ob sie nach wie vor ihr Tagewerk zu erledigen hätten.

Die gestorbenen, aber verbliebenen Personen waren übrigens eine Krankenschwester und ein Mann, der mit Vorliebe am Fenster stand und seiner Kleindung nach zu urteilen, Patient gewesen sein mochte. Interessant war auch, dass sie sich gegenseitig ebenso wenig Beachtung schenkten.

Sie nahmen sich also auch gegenseitig nicht wahr.

Die Andere, also auch eine weibliche, kürzlich gestorbene, aber verbliebene Person....er musste innerlich wieder über diese Begrifflichkeiten grinsen, konnte ihn sehr wohl erkennen und sogar mit ihm interagieren, hatte aber absolut kein Interesse an einer Bekanntschaft mit ihm. Das kränkte ihn nicht nur, sondern machte ihn auch ärgerlich. Schließlich hatte er, so wie er das sah, nicht sehr viele Möglichkeiten um über seinen Zustand zu sprechen.

Aber die ältere Dame machte ihm deutlich, dass sie nicht belästigt werden möchte.

Er war gestern, als Mogi schlief, zwei Stunden hinter ihr hergedackelt und alles, was sie zu sagen hatte, war, dass er sich endlich verpissen sollte und sie würde die Polizei rufen, wenn er nicht damit auf hören würde. Das brachte ihn auf die Idee, dass sie allen Anschein nach auch nicht viel mehr wußte, als er selber. Womöglich sogar nicht einmal, dass sie nicht mehr lebte.

Aber wie dem auch sei, es brachte ihn nicht weiter.

Er dachte zwar darüber nach, ihr auf den Fersen zu bleiben, gab es aber, nachdem die Dame ihn wütend ankeifte, einfach auf.

Es düngte ihm wahrlich nicht nach einer Auseinandersetzung mit einem schlecht gelaunten Gespenst.





Nachdem der scheußliche Geschmack des Bonbons nachgelassen hatten, bemerkte er eine verhaltene Aufruhr auf dem Flur. Die Schwestern tuschelten miteinander und eine Kolonie von Ärzten, teilweise welche, die er noch nicht hier gesehen hatte, traten aus dem Fahrstuhl heraus und bildeten einen blendend weißen Kittelkreis vor Mogis Zimmer.
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Ryuzaki steckte eine Hand in die Hosentasche und die Andere ging wie automatisiert zu seinem Mund. Seiner alten Gewohnheit nach, legte er den Daumen an die Lippen und wartete.

Near war im Anmarsch.

Ryuzakis Blick fixierte sich auf die Leuchten am Fahrstuhl, die nun anzeigten, dass jemand von unten nach oben fuhr.

Der weiße Kittelkreis schwieg und ihre Gesichter drehten sich in Richtung der Fahrstuhltüren.

Ein eindringliches „PING!“ tat kund, dass die Kabine nun angekommen war und ihre Türen schoben sich auseinander.

Ryuzaki sah als erstes einen freundlich aussehenden Mann in einem schwarzen Anzug mit grüner Krawatte, die locker gebunden war. Hinter ihm trat eine sehr junge Frau heraus, die scherzend einem weiteren Mann die Hand auf die Schulter legte.

Dann Near. Ryuzaki staunte. Der Junge war groß geworden. Ein gutes Stück gewachsen und nicht nur das. Zwar hatte er noch immer das kindliche Gesicht, aber seine Züge waren deutlicher geworden und das, was Mütter im Scherz immer Babyspeck nannten, hatte deutlich abgenommen. Sein rundes Gesicht hatte Kontur bekommen.

Ryuzaki konnte kaum anders, als einen gewissen Stolz zu empfinden. Beinahe so etwas, wie väterlichen Stolz. Einem Impuls folgend, trat er auf den jungen Mann zu und....



**



...er stockte. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage und Monate liefen vor seinem geistigen Auge ab. Seine Augen weiteten sich in ihren Höhlen, als wollten sie heraustreten um sich selbst und höchstpersönlich zu vergewissern, dass wirklich da war, was sie sahen.

Automatisch taumelte er erst einen, dann einen weiteren Schritt zurück, stolperte und fing sich wieder am Arbeitstresen der Schwestern.

Sein Kopf war gesenkt, aber seine Augen blickte unter seinem wüsten, rabenschwarzem Haar hervor und seine Pupillen zogen sich zusammen.

Er schnappte nach Luft, nicht realisierend, dass er sie nicht brauchte. Um ihn herum gab es nichts mehr, dass Wichtigkeit besaß, nichts mehr, das realer war als dieser Augenblick. Es gab keine Zeit mehr, keine Wirklichkeit außer diese, die sich dehnte und dann gleich einem platzenden Ballon in Fetzen auseinander riss.
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Und nicht mal das Licht selbst war stark genug, eine Schneise durch dieses Dickicht der Wirklichkeit zu schlagen, die ihn nun umgab.

Es gab nur ihn.

Es gab in diesem Moment nur ihn. Das Wesen, das Geschöpf, die blutende Kreatur hinter Near.

Es gab nur Light.

Und er sah es in den Augen des Anderen. Sah es ebenso, wie er ihn sah.

Light brauchte keine Wärmebildkameras, keine Recorder, keine Bewegungsmelder um ihn zu erkennen. Seine Augen waren für Dinge ausgelegt, die Anderen verborgen blieben.

So blickten sie sich an.

Und alle Zeit stand einfach still.

Ryuzaki und Light sahen sich.

Und ohne das sie es wollten. Ohne das sie es hätten steuern können, grinsten sie sich an.

„Hallo Light.“, flüsterte Ryuzaki.

„Es sieht so aus, als ob wir noch nicht fertig miteinander sind.“

Light legte den Kopf etwas schief und in seinem Gesicht stand: Da magst du Recht haben.

Als die Truppe an Ryuzaki vorüber ging, blickte sich Light nach ihn um und zwinkerte ihm zu.

Es war, als würde ein neuer Countdown gestartet.

Und Ryuzaki fühlte sich noch nie....wirklich noch NIE so lebendig.
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Kommentare zur Story:

  kürzlich gestorbene aber verbliebene Person, wenn ich bitten darf. *grins * tatsächlich hatte ich eigentlich Große Lust, das zu vertiefen. also den umstand, dass es noch mehr Geister geben muss, bin dann aber leider davon ab gekommen. die Geschichte ist so schon sehr lang und ich hätte mich vermutlich darin verzettelt. also entschied ich mich leider, muss ich sagen, dagegen.  
   Barbara Saskat  -  19.07.11 20:05

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Interessant, wie "Gestorbene" (ich hoffe Ryuzaki ist bei dieser Bezeichnung mit mir zufrieden) so miteinander umgehen. Sind eben auch nur Menschen. Sehr amüsantes und spannendes Kapitel.  
   Gerald W.  -  19.07.11 18:03

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ryuzaki steht mit Mogi fest in Verbindung, doch wird er ihm gegen Aizawa aber vor allem gegen "Light" & Co helfen können?Spannenster Moment für mich, wie sich die beiden Erzfeinde zum ersten Male "sehen".  
   Dieter Halle  -  19.07.11 14:12

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ein neuer Countdown für Light und Ryuzaki? Sieht ganz so aus. Ein Kampf zwischen Geistern- toll ausgedacht! Freue mich schon auf den nächsten Teil.  
   Else08  -  17.07.11 21:58

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