Plötzlich kamen alle wieder - Teil 9   25

Romane/Serien · Nachdenkliches

Von:    Homo Faber      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 10. Januar 2007
Bei Webstories eingestellt: 10. Januar 2007
Anzahl gesehen: 2311
Seiten: 8

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Seit 13 Uhr wartete ich an der U-Bahnstation, wo ich Kathy kennen gelernt hatte. Ich wusste ja nicht, wie lange sie Schule hatte. Inzwischen war es 16 Uhr durch. Ich wusste aber, dass in England der Unterricht länger ging als in Deutschland. Möglicherweise hatte sie erst um 17 Uhr Schulschluss. Aber vielleicht fuhr sie heute gar nicht mit der U-Bahn. Ich wusste es nicht, ich konnte nur weiter warten und hoffen, dass sie dort vorbeikam. Irgendwie war es total lächerlich stundenlang an einem Ort auf eine Person zu warten, die nicht einmal wusste, dass man auf sie wartete und man sich nicht einmal sicher war, ob sie dort überhaupt hinkommen würde. Aufdringlich war es wahrscheinlich auch. Aber ich musste sie einfach noch einmal sehen. Und so wartete ich weiter. Fast noch eine weitere Stunde.

Da sah ich sie tatsächlich kommen. Mein Herz klopfte. Ich begann zu schwitzen. Wie schön sie war. Sie trug die neuen Schuhe. Da sah sie mich. Aber sie kam nicht auf mich zu, sondern sie drehte sich sofort um und ging weg. Das war sehr demütigend für mich, aber sonderlich überrascht war ich trotzdem nicht. Ich rannte ihr hinterher, auch wenn ich sie damit überrumpelte.

Immerhin ignorierte sie mich nicht, als ich sie erreichte, sondern blieb stehen. Was ich denn hier mache, fragte sie. Ich sagte, ich wolle sie einfach nur wieder sehen. Sie sagte, es tue ihr leid, wenn ich mir Hoffnungen gemacht hätte, aber ich würde mich selbst nur unglücklich machen. Ich sagte, dass ich mir keine Hoffnungen gemacht hätte, ich einfach nur gern ein paar Tage mit ihr verbracht hätte. Sie sagte, es mache doch keinen Sinn, da wir uns hinterher sowieso nie wieder sehen würden. Natürlich könnten wir uns wieder sehen, wenn auch vielleicht nur einmal im Jahr, dachte ich innerlich. Ich sagte, dass ich deshalb gern an meinen letzten beiden Tagen in London so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen würde. Ich redete so, als sei ich in sie verliebt. Ich war es ja auch irgendwie. Ich fügte hinzu, dass, wenn ich mich schon unglücklich machen sollte, es dann lieber zwei Tage später tun würde. Sie sagte, sie habe nie damit gerechnet, dass ich sie unbedingt wieder sehen wolle und schien sich geschmeichelt zu fühlen. Sie fragte, ob ich ihr denn auch bei ihren Deutschhausaufgaben helfen könne. Das täte ich liebend gern, sagte ich ihr.

So gingen wir zu mir zum Hotel.
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Ich wusste nicht, ob wieder etwas laufen würde, aber ich hoffte es. Sie zeigte mir die Hausaufgaben. Es war ein Sachtext. Ich hatte Sachtexte immer gehasst. Sie machte einige Fehler beim Formulieren der Sätze. Ich korrigierte sie. So hatte sie eine sprachlich einwandfreie Hausaufgabe in deutscher Sprache zu bieten. Sie las anschließend laut vor, was wir geschrieben hatten. Es klang gut, wie sie las, sie sprach alles sehr gut aus. Wäre sie beim freien Sprechen sicherer, würde sie die deutsche Sprache sehr gut beherrschen.

Ich küsste sie. Ich sagte, ich würde gern noch mal mit ihr schlafen. Und einen Moment später liebten wir uns auch schon wieder. Diesmal ging sie danach nicht. Sie bot an, die Nacht bei mir zu bleiben und von dort am nächsten Morgen zur Schule gehen. Ich freute mich unheimlich darüber. Wir verließen an dem Tag das Zimmer nicht mehr. Wir sahen fern, redeten, lachten und hatten viel Spaß zusammen.

Es war Montagabend. In 24 Stunden würde ich schon wieder auf dem Weg „nach Hause sein“. Ich war traurig darüber. Ich wollte in London bleiben. Ich wollte nicht zurück „nach Hause“. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich traurig war. Ich fragte mich, ob sie wohl auch traurig sein würde, wenn ich wieder weg war oder ob sie mich nach ein paar Tagen wieder vergessen würde.

Ich machte ein Foto von ihr, zur Erinnerung und eins von uns beiden über Selbstauslöser.

Wir blieben noch lange wach. Eigentlich war das unser letzter Abend, am nächsten Tag würden wir uns nur noch für knapp zwei Stunden sehen. Ich kannte sie eigentlich überhaupt nicht, alles was ich von ihr wusste konnte gelogen sein, aber trotzdem schien sie mir irgendwie vertraut. Es war schön die Nacht mit ihr zu verbringen.

Die Nacht war kurz, wir schliefen nur ein paar Stunden. Am nächsten Morgen beschloss sie, als der Wecker ihres Handys ging, dass sie zu müde zum aufstehen war und entschied sich, die Schule ausfallen zu lassen. So konnte ich doch noch den Tag mit ihr verbringen, ich war sehr glücklich darüber.

Wir blieben noch eine Stunde liegen, dann schliefen wir ein letztes Mal miteinander, anschließend stand ich auf, um zu duschen. Ich hatte Angst, dass sie wieder verschwunden wäre, wenn ich vom Duschen kam.
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Doch sie lag noch im Bett. Ich war erleichtert. Während sie duschte, packte ich meinen Koffer, das Zimmer musste eine Stunde später geräumt sein.

Wir gingen anschließend zu Kathy nach Hause, besser gesagt wir fuhren, sie wohnte außerhalb der Innenstadt. Sie wollte sich dort umziehen. Ihre Eltern waren arbeiten.

Es war ein ruhiger Stadtteil, in dem sie wohnte, eine sehr schöne Gegend. Die Eltern hatten ein eigenes Haus. Es war nicht besonders groß, aber nett. Die Nachbarhäuser waren ähnlich. Hier sah man schon einen deutlichen Unterschied zu den deutschen Wohngegenden. Auch von der Innenarchitektur unterschied sich das Haus von den Häusern in Deutschland, zumindest von den Häusern, die ich kannte. Wenn man hereinkam, kam man durch keinen Korridor, sondern man war sofort im Wohnzimmer. Hinten befand sich das Esszimmer und daneben die Küche, die aber von keiner Wand zum Esszimmer abgetrennt war, nur vom Wohnzimmer. Es war schon interessant. Die Einrichtung sah teuer aus. Oben befand sich ihr Zimmer, wo wir auch hingingen. Das Zimmer unterschied sich von der Einrichtung nicht sonderlich zu denen von Deutschland. An den Wänden hingen Fotos von ihr, auch Kinderfotos.

Sie zog sich um. Sie zog eine enge Jeans und einen Pulli an. Das war also ihr Kleidungsstil. Ich hatte sie ja bisher nur in Schuluniform gesehen. Danach gingen wir hinunter.

Sie machte für uns Frühstück. Sie machte für mich ein typisch englisches Frühstück mit Cornflakes, Toast, Rührei und Würstchen. Im Hotel gab es nicht so ein üppiges Frühstück. Ich fragte, ob sie jeden Morgen so frühstückte. Sie sagte nur an Wochenenden. Es schmeckte wirklich sehr gut, aber ich hatte keinen richtigen Hunger. Ich musste an die bevorstehende Rückfahrt denken. Am nächsten Tag wäre ich wieder so einsam, wie ich es bis zum vergangenen Freitag war, nur würde es wahrscheinlich noch schlimmer sein. Sie fragte mich, ob es mir nicht schmecke, weil ich so langsam aß. Doch, es schmecke großartig, sagte ich und kaute mit vollem Genuss und lachte sie dabei an.

Die Zeit verging wie im Flug. Es blieben uns keine sieben Stunden mehr. Ich fragte mich, ob sie wohl auch daran dachte. Aber sie schien keineswegs nachdenklich zu sein. Vermutlich verbrachte sie nur mir zuliebe die Zeit mit mir.

Nach dem Frühstück gingen wir ein wenig in der Umgebung spazieren.
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Ich machte einige Fotos. Auch noch eines von ihr vor ihrem Haus. Danach fuhren wir in die City zurück, wo wir an der Themse spazierten. Es war nichts Aufregendes, was wir an dem Tag unternahmen, aber dass ich es mit ihr unternahm, war aufregend genug. Die Zeit verging immer mehr.

Ich ging uns ein Eis holen. Als ich mit dem Eis zurückging, lief ich zufällig dem Paar, dem ich zwei Tage zuvor am Big Ben begegnet war, über den Weg. Beide erkannten mich wieder.

„Ach hallo, kennen Sie uns noch?“, fragte die Frau.

„Ja klar, ich hatte Sie vor drei Tagen vor dem Big Ben fotografiert“, antwortete ich.

„So trifft man sich wieder“, sagte sie.

„Ja, London ist so groß und doch so klein.“

„Und jetzt haben Sie für sich und Ihre Freundin Eis geholt?“, stellte sie fest.

„Ja, diesmal war ich dran mit Eis holen“, meinte ich. Ich sah hinüber zu Kathy, die auf einer Bank saß und ganz neugierig guckte, wer die beiden wohl waren. Die Frau sah, dass ich dort hin guckte und sah auch zu Kathy.

„Ist sie das auf der Bank?“, fragte sie. Ich nickte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, dass ich gelogen hatte, aber mir blieb in dem Moment nichts anderes übrig.

„Na, dann wollen wir Sie mal nicht weiter aufhalten“, meinte die Frau und wir verabschiedeten uns.

Kathy fragte, ob ich die beiden kannte. Ich erzählte ihr, wie ich sie kennen gelernt hatte, aber nicht, dass ich ihnen erzählt hatte, sie sei meine Freundin. Wir blieben noch eine Weile auf der Bank sitzen. Dabei redeten wir nicht viel. Ich dachte über den Abschied nach. Sie vielleicht auch. Ich wollte ihr auf jeden Fall meine Emailadresse geben, so konnten wir schreiben. Eigentlich schrieb ich ungern Emails, ich fand es so unpersönlich. Ich fand richtige Briefe viel schöner, auch wenn es Porto kostete und länger dauerte. Aber ich fand es toll, in den Briefkasten zu sehen und dort zwischen den Rechnungen und der Reklame einen Brief zu finden. Aber heutzutage hatte kaum noch jemand Lust, echte Briefe zu schreiben. Sie vermutlich auch nicht, aber ich beschloss, ihr zu meiner Emailadresse auch meine „natürliche“ Adresse zu geben.

Wir gingen noch in einen Supermarkt, wo ich mir etwas Proviant für die Rückfahrt kaufte.
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Ich musste dabei wieder an das Mädchen mit den traurigen Augen von der Straße denken.

Nur noch eine Stunde. Ich konnte es gar nicht glauben, dass die Zeit so schnell vergangen war und konnte mir auch gar nicht erklären wie. Wir hatten doch gar nicht so viel gemacht.

„Ich glaube, es ist Zeit für dich zu gehen“, sagte sie plötzlich.

Sie sagte es auf Deutsch. Es wurde wirklich langsam Zeit, es blieb mir zwar noch fast eine Stunde, aber ich musste ja zum Hotel zurück, und es war besser, wenn ich etwas eher da wäre. Ich fragte sie, ob sie mich begleite, womit ich eigentlich gerechnet hatte. Sie sagte aber, es sei besser, wenn sie nur noch mit zur U-Bahnstation mitginge und wir uns dort verabschiedeten. Sie möge keine langen Abschiede, erklärte sie. Es enttäuschte mich schon, aber ich konnte sie verstehen und respektierte es. Ich nahm eine Visitenkarte, schrieb noch meine E-Mailadresse drauf und gab sie ihr. Ich sagte, ich würde mich freuen, wenn sie mir schreiben würde. Sie nickte, aber sagte nichts dazu.

Wir waren an der U-Bahnstation angekommen. Wir standen einen Moment noch so da und sahen uns an. Für einen Moment dachte ich, sie würde gleich anfangen zu weinen, aber sie tat es nicht. Ich war kurz davor, aber ich schaffte es, dagegen anzukämpfen. Ich durfte nicht weinen, nicht in ihrer Gegenwart.

„Es war ein schöner Tag“, sagte sie. Ich nickte. „Aber du musst jetzt gehen“, fuhr sie fort. Sie sprach es langsam, aber fast ohne Akzent aus. „Alles Gute.“

„Für dich auch“, sagte ich.

Sie gab mir noch einen Kuss, diesmal aber auf die Stirn.

„Auf Wiedersehen“, sagte sie.

Dann drehte sie sich langsam um und ging. Ich sah ihr hinterher. Da ging sie daher. Sie ging immer weiter, wurde immer kleiner und kleiner bis sie irgendwann gar nicht mehr zu sehen war. Fort war sie. Ich wusste, dass ich sie zum letzten Mal gesehen hatte und dass sie sich nicht mehr melden würde. Vielleicht hatte sie Angst, dass sie sonst auch irgendetwas empfinden könnte und sich dabei unglücklich machen würde. Vielleicht hatte sie auch einfach nur kein Interesse. Aber jedenfalls würde ich nie wieder etwas von ihr hören. Ich wusste, dass ich sie vergessen musste, aber ich hatte Angst, dass ich es nicht schaffen würde.
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Ich ging mit langsamen Schritten völlig lustlos zur U-Bahn hinunter. Ich hatte überhaupt keine Lust wieder „nach Hause“ zu fahren. Ich setzte mich in der U-Bahn einfach irgendwo hin und nahm nichts um mich herum wahr. Als wir an der Station ankamen, wo ich normalerweise aussteigen musste, blieb ich sitzen und fuhr weiter. Ich hatte einfach keine Lust auszusteigen. Ich stieg auch an der nächsten Station nicht aus und auch nicht an der Übernächsten. Ich fuhr einfach weiter bis wir an der Endstation ankamen. Alle stiegen aus. Ich blieb weiterhin sitzen, achtete gar nicht auf die anderen Leute.

„Hey, terminus! You must get out!“, rief ein Mann. Ich reagierte erst eine Sekunde später, nickte und stieg aus. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hier war. Es spielte eigentlich auch keine Rolle, ich hätte ja einfach nur mit der Bahn zurückfahren müssen und wäre immer noch pünktlich am Hotel gewesen. Aber ich tat es nicht. Ich setzte mich auf die nächste Bank, die ich sah und dachte nach. Ich wollte nicht zurück, ich wollte hier bleiben, hier in London. Was würde mich in Deutschland schon erwarten? Einsamkeit, Sehnsucht, Trauer, Sorgen. Ich wollte einfach nur frei sein von all dem. Ich beobachtete die Vögel um mich herum. Ich beneidete sie. Sie waren frei, sie konnten einfach wegfliegen. Ich wünschte mir, ich könnte auch einfach wegfliegen wie sie, wie schön wäre es doch, einfach von meinen alltäglichen Sorgen wegzufliegen. Ja, fliegen wollte ich, genauso wie der Mann es zu versuchen schien, den ich in dem Moment sah. Er stand auf einem Marktplatz auf einer Bank mit Fliegermütze und Fliegerbrille und versuchte allen Ernstes los zu fliegen. Offensichtlich ein Verrückter. Eine Menge Leute standen dort und lachten über ihn. Wahrscheinlich hätte ich auch gelacht, aber ich tat es nicht. Der Mann verhielt sich so, wie ich mich fühlte. Ich nahm ihn ernst. Er war etwa 65 bis 70 Jahre alt, hatte einen weißen Bart, sah ein klein wenig aus wie Albert Einstein. Ich stellte mich mit zu den anderen Leuten und sah ihm weiterhin zu, wie er mit einem Lächeln im Gesicht fort zu fliegen versuchte. Was hatte es zu bedeuten, dass dieser Mann dort stand, als ich daran dachte, einfach fortfliegen zu können. Und genau mir winkte er plötzlich zu. Sah er mir an, was mit mir los war? Ich wusste es nicht. Ich wurde mir nur plötzlich bewusst, dass ich schon dabei war zu fliegen.
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Ich musste nur noch landen. Hier in London lief doch alles gut für mich, ich hatte in den vier Tagen hier mehr erlebt als in den ganzen Jahren ohne Pia. So entschied ich mich einfach so spontan hier zu bleiben. Das war es. Ich winkte dem Mann zurück. Ich war in dem Moment so besessen von dem Gedanken hier zu bleiben, dass ich mir sonst überhaupt keine Gedanken machte, ich wollte einfach nur nicht in den Bus steigen und zurück nach Dortmund fahren. Alle sahen mich verwundert an, dass ich dem Mann so fröhlich zurück winkte. Ich wandte mich schließlich ab. Wie würde Kathy wohl reagieren, wenn sie mich wieder sah und erfuhr, dass ich gar nicht zurückgefahren war. Ich wusste nicht, ob sie überhaupt erfreut darüber wäre. Aber ich würde gewiss auch eine andere Frau kennen lernen. Hier schien alles einfacher als in Dortmund.

Nach einer Weile erst begann ich zu realisieren, wie unrealistisch mein Gedanke überhaupt war. Wo sollte ich denn hin, wenn ich hier blieb, ich hatte keine Wohnung, keinen Job hier. Ich hatte zwar die Möglichkeit erst einmal in Hotels unterzukommen, aber dann? Wie sollte ich sie ohne Arbeit bezahlen. Und wo sollte ich so schnell hier Arbeit her bekommen? Irgendwann könnte ich hier vielleicht mal leben, aber nicht einfach so spontan hier bleiben. Ich musste wohl oder übel zurück nach Dortmund fahren. Nur war es inzwischen fast halb sieben. Und um 18 Uhr hätte ich am Hotel sein müssen. Wenn ich jetzt zurückfahren würde, wäre ich erst um 18.45 Uhr am Hotel. Der Bus wäre dann schon weg. Wahrscheinlich würden sie noch bis halb sieben warten und dann ohne mich fahren. Es machte also keinen Sinn, mich zu beeilen. Ich hatte ein Problem, aber ich blieb trotzdem ruhig. Vielleicht war ja für die folgende Nacht noch ein Zimmer in dem Hotel frei, ansonsten würde es sicherlich irgendeine Jugendherberge geben, wo ich unterkommen konnte. Und am nächsten Tag würde ich dann einen Flieger zurück nach Deutschland nehmen. Es würde zwar teuer werden, aber ich hatte mir ja sonst noch nie etwas im Leben großartig gegönnt. Und außerdem würde mir eine lange Busfahrt, die ständig durch Pausen unterbrochen würde, erspart bleiben. Ich nahm eine U-Bahn zurück in die City. Ich wollte dort ein Reisebüro suchen und mich nach einem Flugticket erkundigen.
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Entweder guckte ich nicht richtig oder es gab dort nirgendwo ein Reisebüro, jedenfalls suchte ich eine halbe Stunde lang. In so einer großen Stadt müsste es doch an jeder Ecke eins geben, selbst in Dortmund kam man alle zwei Meter an einem vorbei. Vielleicht konnte mir ja am Hotel jemand sagen, wo sich eins befand. Also machte ich mich auf zum Hotel. Vor dem Hotel sah ich einen Bus stehen, und in demselben Moment sah ich, wie unser Reiseleiter aufgebracht auf mich zu kam. Es war inzwischen fast 20 Uhr. Ich erschrak richtig, als ich ihn ankommen sah. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass sie noch nicht abgefahren waren, und ich kam da auch noch ganz gemütlich in aller Seelenruhe an.

„Sagen Sie mal, wo kommen Sie denn her?“, fragte er und klang sehr verärgert. „Wissen Sie, wie spät es ist?“

„Haben Sie extra auf mich so lange gewartet?“, fragte ich.

„Ja, seit zwei Stunden. Wo waren Sie denn so lange?“

„Ich hab mich verlaufen“, antwortete ich. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen.

„So, jetzt machen Sie mal schneller, holen Sie ihr Gepäck, damit wir jetzt nach zwei Stunden mal endlich fahren können“, drängte der Reiseleiter mit lauter Stimme. Ich rannte, um meinen Koffer zu holen. Der Fahrer des Busses verstaute ihn und warf mir einen grimmigen und wütenden Blick zu. Ich stieg ein und kam mir richtig blöd vor. Ich sah in die verärgerten Gesichter der Leute. Einige schüttelten mit dem Kopf, andere tuschelten. Ich entschuldigte mich, während ich an den Sitzen vorbei zu meinem Platz ging. Ich hatte meinen Platz wie auf der Hinfahrt neben dem Kölner. Ich hatte erwartet, dass er genauso verärgert wie alle anderen wäre, aber er war der einzige, dem es nichts ausmachte und sogar noch lachte. Wie konnte er nur so die Ruhe weg haben, fragte ich mich. Ich entschuldigte mich trotzdem auch bei ihm, während ich mich setzte.

„Ich dachte schon, Sie hätten eine Engländerin kennen gelernt und wollten gar nicht mehr mit zurückfahren“, lachte er.

Da hatte er völlig richtig vermutet.

„Ich hab mich verlaufen“, sagte ich auch ihm.

„Kann ja alles passieren. Wir waren ja noch nicht abgefahren“, sagte er.

„Wir sind überglücklich, dass Herr Thal sich doch noch dazu bewegen konnte, hier einzutreffen und wir nun vollzählig die Rückfahrt mit zweistündiger Verspätung antreten können“, sprach der Reiseleiter durchs Mikrofon und der Bus fuhr los.
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So verließen wir London. Auch wenn mir einiges an Aufwand erspart blieb, war ich nicht glücklich, dass der Bus auf mich gewartet hatte.
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Punktestand der Geschichte:   25
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Kommentare zur Story:

  Bis hier hin habe ich den Roman bisher gelesen. Insgesamt ist er recht lesenswert, bis auf so Kleinigkeiten, wie die Gliederung manchmal. Die entsprechenden Teile habe ich ja kommentiert. Wollte eigentlich schon viel eher kommentieren, aber ich bin mit Kommentaren immer etwas bequem.
Eine Bewertung bis hierhin möchte ich jedoch noch nicht abgeben, da ich erst noch die restlichen Teile lesen möchte und mir von der gesamten Story dann ein Bild machen möchte.
Ich werde die nächsten Tage auf jeden Fall weiter lesen.

Christian  
Christian S.  -  23.05.07 22:32

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Danke schön, freu mich, dass es dir gefällt.

lg Holger  
Homo Faber  -  11.01.07 14:13

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Hallo, kenne diesen Teil ja schon. Gefällt mir auch wieder sehr gut und ich hoffe dass noch etwas ganz Tolles aus der Sache wird. Ich mag die Geschichte sehr. Lg Sabine  
Sabine Müller  -  11.01.07 12:40

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

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Kommentar von "Sabine Müller" zu "Die Lebenswippe"

Hallo, sehr schöne, wahre Gedankengänge! 5 Punkte von mir. lg Sabine

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Danke Evi, freut mich das zu hören. LGF

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wünsche ich euch allen. Feiert schön und kommt gut rüber.

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