Fantastisches · Kurzgeschichten

Von:    akasha      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 7. März 2003
Bei Webstories eingestellt: 7. März 2003
Anzahl gesehen: 5269
Seiten: 4

Diese Story ist eine ehemalige Bildgeschichte.

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Am Ende weiß man es immer besser. Was auch immer ihn veranlaßt hatte, in diesen Shop zu gehen, in den Wochen, die darauf folgten, wünschte er von ganzem Herzen, er hätte es nicht getan. Dann würde er jetzt nicht hier sitzen, in einem dunklen Raum, in eine Ecke gekauert und halb wahnsinnig vor Schmerz.

Er sah auf seine Hände und die Verbände, die seine Finger schützten. Mehr als alles andere wünschte er, sich kratzen zu können, da wo das vermaledeite Bild saß, kratzen, bis die Haut noch weiter aufsprang und vielleicht etwas von der Farbe preisgab, die so gewaltsam in die zweite Schicht der Epidermis getrieben worden war. Aber er hatte ja nicht hören wollen. Jeder, dem er davon erzählt hatte, hatte ihm abgeraten, diesen Eingriff vornehmen zu lassen, er konnte die Begründungen gegen sein Vorhaben schon gar nicht mehr zählen. Das ging vom ästhetischen Argument bis zu dem Satz 'Du machst Dich nur unglücklich damit...' Wie wahr.



Der Tätowierer, dem er diese dämliche Situation verdankte, hatte sehr vertrauenerweckend gewirkt,

ihn überzeugt mit samtiger Stimme.

Eigentlich war er noch nicht achtzehn und auch bei der Wahl des Motivs unentschlossen, sehr zögerlich.

Der Mann hatte ihn nicht gehen lassen. Er hätte genau das richtige für ihn und für ein Trinkgeld wären sie sich doch einig...

Schließlich lag er mehr als daß er saß auf diesem weichgepolsterten Stuhl und danach verschwand alles in einer Woge aus Schmerz.

Er erwachte schließlich schweißgebadet in seinem eigenen Bett und auf seiner Brust schien ein kleines Feuer zu tanzen. Als er nach der schmerzenden Stelle griff, fühlte er ein Pflaster, das eine schmierige Stelle, direkt über dem Herzen, bedeckte.

Als er nach einem Tag versuchte den breiten Streifen zu lösen, brannte und kribbelte es so sehr, daß er den Versuch bald aufgab. Die Zeit der Offenbarung kam noch früh genug. Und wenn er den neuen, unbekannten Schmuck noch nicht begutachten sollte, dann eben nicht. Und schließlich ist zuviel Neugier der Katze Tod, so oder ähnlich hatte seine liebe, kürzlich verschiedene Oma zu sagen gepflegt.



Ein paar Tage später suchte er verzweifelt nach dem Tätowierstudio, lief die Straßen der Stadt auf und ab, landete jedoch immer aufs neue an einem Platz, der ganz und gar von einer riesigen Baustelle eingenommen wurde.
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Panik stieg in ihm auf, sein Herz schlug bis zum Hals und die Übelkeit, die ihn seit der

letzten Tage plagte, kam in immer stärkeren Wogen über ihn. Je öfter er seine Runde machte, desto mehr wünschte er sich, endlich aufwachen zu können oder den Ort seiner Bestimmung zu erreichen. Wie konnte es sein, daß er , egal welchen Weg er auch nahm, welche Straßen und Gässchen er absuchte, er immer wieder an der gleichen Ecke landete?

Schließlich gab er es auf und verbrachte eine weitere, sehr unangenehme Woche, in der ihn alle fragten, warum er so blaß und empfindlich sei.

Schließlich wagte er das Pflasterexperiment erneut und

diesmal gab der eigenwillige Streifen das Bild, das darunter lag, bereitwillig preis.

Die Arbeit war beeindruckend, sauber ausgeführt und

erschreckend in ihrer Plastizität. Der schwarze Greif, den er nun über dem Herzen trug, schien mit ihm zu atmen, jede Bewegung der Muskeln zu kopieren, ja fast zu leben. Er berührte das Bild mit unendlicher Vorsicht, fuhr mit den Fingerspitzen über die glatte gespannte Haut und fühlte ein sanftes Pulsieren, das er nicht recht zuordnen konnte.

Achzelzuckend streifte er sein T-Shirt über und setzte sich an die Bücher.



Etwa um diese Zeit begannen die ersten Menschen zu verschwinden. Man las davon in der Zeitung und wo auch immer er hin kam, es wurde getuschelt und bald kursierten die abstrusesten Geschichten.

Ihn kümmerte es nicht weiter, er hatte eher mit den wiederkehrenden Albträumen zu kämpfen- und wen kümmerte es, wo die entstellten und zerfetzten Leichname auftauchten.



In seinen Träumen lief, (oder flog), er durch den kleinen Wald am Rande der Satellitenstadt, Blut an den Händen,einen metallischen Geschmack im Mund.

Gerüche und Empfindungen, von denen er nichts geahnt hatte, überfielen ihn, lockten und folterten, bis er mit einem unterdrückten Schrei erwachte.

Und die Tätowierung wollte einfach nicht heilen.

Noch immer brannte das Feuer auf seiner Brust, und wann immer er die schmerzende Stelle berührte, schrie sein Körper förmlich nach Erlösung von der ewigen Qual.
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Vielleicht täuschte er sich, aber manchmal schien es,

als hebe das Bild sich von seiner Haut ab, als wolle das Motiv hinausdrängen.

Er schlief immer schlechter und oft, wenn er dann erwachte, lag er nackt neben dem Bett oder an der Haustür und konnte sich nicht erklären, wie er dort hingelangt war.



Eines Tages, er saß gerade über der Russischklausur, fiel ihm ein, was der Tätowierer gesagt hatte.

' Nicht Du wählst das Bild, das Bild sucht Dich.

Und wenn ich meinen Job gut mache, werdet ihr eins,

denn Du wirst ein Bild deiner Selbst auf der Haut

tragen...'

War er wie der Greif? Trug er seine Mordlust, die Rache für sein verfahrenes, eintöniges Leben in die Stadt?

Blödsinn. Er würde zum Dermatologen gehen und das

verhaßte Ding über dem Herzen loswerden. Ein paar Laserbehandlungen und der Spuk wäre vorbei. Aus Schaden wird man klug und nie wieder sollte es jemand wagen, seiner wunderbaren Haut mit Nadel und Farbe zu Leibe zu rücken.

Sollten doch Menschen verschwinden, ihn ging das nichts an. In ein paar Wochen würde es Zeugnisse geben

und dann konnte er tun und lassen, was er wollte.



Das war jetzt 3 Wochen her. Nichts hatte sich getan.

Er schlief so gut wie nie, kratze sich die Haut blutig und bildete sich jeden Morgen ein, daß das tiefe Schwarz des Tattoos langsam verblaßte, jeden Tag ein bißchen mehr.

Er war nicht verrückt, aber wenn er seine Finger nicht verband, biß und kratzte der Greif, sprühte Funken vor Zorn.

Ein paar Mal hätte das Untier es fast geschafft, sich von ihm zu lösen, aber er war viel cleverer und brauchte nur ein essiggetränktes Tuch auf die blutenden Stellen zu legen, dann hielt das Mistvieh still und kreischte nur noch leise.

Aber vielleicht war er es auch, der wie ein Welpe vor sich hinwinselte.

Er hatte sich im Griff. Zur Zeit gab es niemanden, der

unagenehme Fragen stellte. Die Eltern waren schon eine Weile nicht mehr nach Hause gekommen. Ihm war es egal. Das Geld, das er brauchte lag im Safe des väterlichen Arbeitszimmers, wenn die Alten nicht anriefen, war es ihre Sache.
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Er brauchte niemanden.

Und bald kam die Nacht.

Jagdzeit.



Doch diesmal war nichts wie sonst. Er konnte nicht sagen, ob er nun in seinen Träumen über den klebrigen

Waldboden lief. Etwas rief ihn, lockte und zog an allen Fasern seines Körpers. Bilder von Gewalt und Tod tauchten vor ihm auf und er war bereit sich ihnen

hinzugeben. Für einen Moment hielt er inne. Das Licht des zunehmenden Mondes fiel durch die zarten Stämme der Tannenschonung und warf interessante Muster auf seine Haut.Seine Haut?

Er sah an sich herab und unterdrückte mit aller Macht einen Schrei. Er war nicht länger menschlich, sein Geist vermochte kaum zu fassen, was er sah. Seine Haut glänzte dort, wo sie nicht von weichen Federn bedeckt war, metallisch im blassen Licht, seine Hände und Füße hatten sich zu Klauen geformt und als er den Hals verdrehte, nahm er den Doppelbogen seiner Flügel wahr. Er versuchte sein Gesicht zu ertasten, mit dem Erfolg, daß er sich selbst neben dem Schnabel, der nun seine Nase ersetzte, kratzte. Doch die Wunde heilte schnell. Noch einmal sah er kopfschüttelnd an sich herab und ließ sich dann auf alle Viere nieder.

So war es bequemer und er hatte das dumpfe Gefühl schneller voranzukommen. Seine Klauen gruben sich in den feuchten, rutschigen Boden und plötzlich fiel ihm auf, daß sich seine Sehvermögen um 200 Prozent verbessert zu haben schien.



Er hatte rasenden Hunger, sein Verlangen nach frischem Fleisch wurde so übermächtig, daß er sich in den letzten klaren Momenten fragte, wie er es in den letzten Tagen auch nur eine Minute ohne Nahrung hatte aushalten können.



(fortsetzung folgt )
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Punktestand der Geschichte:   12
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Kommentare zur Story:

  ..wo is die Fortsetzung ? Muss ich lesen! ...  
   Dr. Ell  -  25.09.09 19:24

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  Coole Idee, doch hättest du vielleicht näher auf die verschwundenen Menschen eingehen sollen. Die Traumsequenzen würde ich auch präzisieren.
Gefällt mir aber ganz gut. So auch meine Wertung: 4 Points.  
Redfrettchen  -  08.11.03 12:20

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  Ich finde, dass ist eine superfaszinierende Idee !
Mal wirklich etwas ganz, ganz Neues, bitte weiter schreiben, ja ?
*bettel*
Das gibt auf alle Faelle 5 Pts und mit denen werf ich net um mich, also fuehl dich geehrt :)  
Ta[k]isis  -  19.05.03 22:11

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  So, nachdem ihr mich so lange ermuntert hab, bearbeite ich das ganze weiter.
Dafür, daß ich die erste Version in einer halben Stunde (und ohne Vorbereitung geschrieben habe), ist die Resonanz ja positiv, Danke also für eure Unterstützung.
@ Dragonlord- inwiefern würdest Du die Geschichte ausgebaut haben?  
akasha  -  17.04.03 12:25

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  Jo. Diese Geschichte finde ich wirklich gut gelungen. Jedoch fehlt mir ein Schluß irgendwie. Also ich meine das sich das alles auflöst. oder hast du vor eine Fortsetzung zu schreiben? Wäre wirklich gespannt...  
Amazone  -  07.04.03 22:33

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  Hehehe, mutig sich in Spanien stechen zu lassen *g*.
Aber solltest dir wirklich mal überlegen ob du die story nicht noch ausbauen willst, die Idee bietet wirklich reichlich Potenzial.
Da könnt ich mich ja glatt vergessen und zum Plagiat greifen... *grins*  
Drachenlord  -  14.03.03 12:14

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  @Drachenlord
Woll, hab deinen Kommentar mit Vergnügen gelesen und hoffe, die Story recherchetechnisch zur Zufriedenheit künftiger Leser geändert zu haben.
Ich mußte bei meinem Tattoo das Pflaster etwas länger drauflassen, da eben an der Stelle die Haut extrem empfindlich war und besonders die Kleidung wie verrückt gescheuert hat.
Naja, wer läßt sich auch in Spanien stechen.
Danke für die 4 Punkte
Und die Wortänderung ist auch in Tüten
Also nochmal Danke  
akasha  -  14.03.03 11:19

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  Jau, die Idee zur Geschichte ist gut, der Schreibstil ebenfalls.
Allerdings, wenn ich mal als gepikter aus eigener Erfahrung sprechen darf, hast du wohl einige Recherchefehler mit eingebaut.
Der Verband über dem Tattoo bleibt nicht eine Woche drauf, sondern nur einen Tag.
Danach wäscht man sich jeden Tag vorsichtig den Schorf vom Tattoo runter und schmiert sich eventuell die Stelle noch mit Wundheilsalbe ein.
So wars zumindest bei mir und meinen zwei Bildchen.
Eines solltest du noch korrigieren, du schreibst
das er verzweifelt nach einer "Tätowierstudie" sucht *g*.
Ein Studio würde hier besser klingen.
Ansonsten wirklich gute Idee, hätte das Zeug zu einer längeren Erzählung wo du noch etwas genauer auf die einzelnen Komponenten der Story eingehen könntest.
4 Punkte  
Drachenlord  -  14.03.03 08:24

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