Romane/Serien · Herbst/Halloween · Erinnerungen

Von:    Nina Schepler      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 14. November 2002
Bei Webstories eingestellt: 14. November 2002
Anzahl gesehen: 2557
Seiten: 10

Es gab eine Zeit, da habe ich geglaubt, ich wäre verurteilt dazu nicht mehr lieben zu dürfen. Kurios das von sich selber zu behaupten, aber die Geschehnisse der letzten Jahre hatten mich diesen Gedanken gelehrt und ich war unweigerlich in ihm aufgegangen. So hatte mich der Mut im einzelnen auch immer wieder verlassen, obwohl ich immer noch guter Hoffnung war, das mir eines Tages jemand begegnen würde, der mich ergänzen, lieben und verstehen würde.

Dies ist eine Geschichte aus den letzten vier Jahren meines Lebens und nichts dabei ist erstunken und erlogen, es sei denn, der Leser möchte es so, dann soll es so sein.

Ich muss ein wenig ausholen, um meine Geschichte zu beginnen. Angefangen hat alles in Flensburg, der nördlichsten Stadt Deutschlands und ich muss sagen, das ich damals ein Hans Dampf in allen Gassen war. Ständig gute Laune, immer verrückte Ideen im Kopf, eine Vorliebe zum spontanen baden mit Klamotten und keine Party ohne mich. Ich hatte zu der Zeit gerade eine seelische Krise bewältigt, die ich bei einem einmaligen Besuch auf der Couch einer neutralen Person abgekaspert hatte. Mein Finger war nach dem Gespräch auf einer Urkunde gelandet, wo das Wort Doktor der Psychologie stand und ich hatte wutentbrannt und verzweifelt gerufen „Ist das ihre Urkunde? Sind sie Doktor?“ Meine Stimme hatte sich dabei überschlagen und meine Gegenüber hatte mich irritiert angestarrt. „Ähm, ja, ich bin Doktor!“ Ich tobte. „Ein grober Fehler sag ich ihn! Einfach grob!“ mit diesen Worten hatte ich den Ort des Geschehens verlassen und war an meiner Mutter vorbei aus dem Haus gerannt. Meine Erzeugerin lief mit meiner Jacke etwas irritiert und entschuldigend blickend hinter mir her und ich hatte geweint und geschrieen, das mir niemand helfen könnte, es sei alles aus. Was ich damals mit dem Wort „aus“ meinte, weiß ich heute nicht mehr. Aber das macht auch nichts.

Nach Wochen der Lethargie, hatte sich mein Zustand wieder normalisiert. Ich hatte begonnen, meine aufgestaute und nun zum Vorschein gekommene Wut auf die Person, an Gegenständen auszulassen und in meiner Stimme widerzuspiegeln. So knallte ich mit Wucht und Wonne jede Tür hinter mir kräftiger zu, als nötig und grüßte jeden lauter als nötig. Eine Energie zum überschäumen.

Drei Monate später hatte ich wieder Frohsinn geschöpft und lernte Alex kennen.
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Innerhalb einer Woche hatten wir uns ineinander verliebt und genossen das Leben zu zweit im Sommer an der Ostsee. Er war der erste Mann der mich richtig auf die Palme brachte, wenn wir uns stritten, denn sobald der Streit an einer Kurve angelangt war, wo es nicht mehr weiter ging, hielt er die Klappe, schob die Unterlippe vor und zog es vor das Feld einfach zu räumen. Ganz einfach. So ein Idiot hatte ich mir jedes mal gedacht und war fast in viele Einzelteile zersprungen vor Wut. Vorzugsweise warf ich immer mit dem nächst besten Gegenstand nach ihm, wie zum Beispiel Messer, Gabel, Löffel, Salz- und Pfefferstreuer (Streit während des Essens) oder Schlüsselbunde, Feuerzeuge oder Rotzfahnen (meist abends in der Stadt). Irgendwann kam zur Sprache, das er nach München gehen würde, um dort von der Bundeswehr aus zu studieren. Ich war damals eine von den Frauen, die immer sagte „Ich würde NIE im Leben wegen einem Mann in einer andere Stadt ziehen!“ So kann man sich täuschen. Nach meiner Erläuterung, wir würden uns entweder trennen oder ich würde mitgehen, einigten wir uns darauf, das ich ihn nach Süddeutschland begleiten würde. So war es dann auch.

In München habe ich eine lange Zeit gebraucht bis ich klar kam. Die ersten Wochen wohnte ich auf dem Bundeswehrgelände, weil ich zu dem Zeitpunkt noch keine Wohnung hatte. Ich duschte in den Bundigemeinsschaftsduschen abends, wenn keiner da war und schlich mich morgens vermummt vom Gelände, um nicht erkannt zu werden. Dann bezog ich mein eigenes Reich. Alles war neu, nicht nur meine Wohnung, die ich dann alleine bewohnte, weil er meinte, er würde nicht lernen können, wenn ich da sei. (Diese Gehirnwindung habe ich noch nie verstanden!) Ich lernte, das der Kühlschrank sich nicht von alleine füllte, ging also einkaufen, lernte, das nach einer Woche dann auch keine saubere Wäsche mehr im Schrank war, also ging ich waschen und lernte mein eigenes Geld zu verdienen, das mich dann auf eigenen Beinen stehen ließ, also ging ich arbeiten. Ein gutes Gefühl.

Keine zwei Monate später kriselte es bereits und eines Abends, als wir zu zweit auf einer Studentenparty waren, wo wir getrennte Wege gingen und er Frauen anquatschte und ich mich mit einem Bremer unterhielt, kam die erste Ausschreitung zu Tage. Ich stellte ihm den Bremer mit Horst vor und Alex fing gleich eine heiße Diskussion über die interessantesten Dinge der Welt (und vor allem für Frauen) an: BWL, Bundeswehr und Politik! Na bravo, dachte ich, dann also weiter ziehen und woanders ein lustiges Gespräch suchen.
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Nach Stunden kam Horst bei mir an und sagte, das mein Freund ihm erlaubt hätte mich mit nach Hause zu nehmen. Ich machte große Augen! Wie reizend war das doch von ihm und so mitfühlend. Ich war begeistert!

Also steuerte ich wutentbrannt zu meinem Supermann, der immer noch im Kreise von ein paar Schnecken stand und mit hervorquellender Brust sich als Monster-Bundi feiern ließ. Die Mädels schienen minder begeistert, als ich Ihnen mitteilte, er wäre zum Abschuss freigegeben und sie könnten mit ihm machen was sie wollten (ausziehen, schmutzige Sexspiele, putzen lassen, Zeitung holen, Stöckchen werfen etc.). Am allerwenigsten war Alex begeistert, denn seine Vorstellung war in jenem Augenblick beendet. Armer Alex!

Einige Wochen später lernte ich Tim kennen. Tim war Rechtsanwalt und arbeitete in der selben Firma wie ich. Ich kann heute nicht mehr sagen, was mein erster Gedanke war, aber Tim konnte drei zusammen hängende Sätze hintereinander vollführen und zuhören und auf Problemthemen eingehen. Mein Psyche war begeistert. Wir trafen uns oft nach der Arbeit auf ein paar Bier und gingen zusammen in den Waschsalon zum waschen (was sonst?!), wo er mir aus dem Stehgreif Gedichte von alten deutschen Dichtern aufsagte, Textstellen aus seinen Lieblingsbüchern zitierte und Anekdoten aus seiner Studienzeit zum besten gab. Das Leben war schön.

Eines Tages rief Alex mich an, denn den gab es ja auch noch und der pichelte auf sein Anrecht als „Freund“ mal wieder eine Stippvisite bei mir abzutreten. Was für ein Mann! Ich sagte ihm, ich hätte Kopfschmerzen, wolle allein sein und er solle lieber in seiner vom Vater Staat gesponserten Mansarde hocken bleiben und Fußball glotzen. In Wahrheit hatte ich natürlich eine Verabredung mit Tim. Aber so was kann man dem Liebsten natürlich nicht unterbreiten, die Gefahr bestünde dabei ja, das er was dagegen hätte und im schlimmsten Falle eifersüchtig werden könnte. Und das war ja nun das letzte was ich ihm antun wollte. Nachdem ich Alex am Telefon nun abgewimmelt hatte und ihn in seine Schranken zurück gewiesen hatte, machte ich mich in freudiger Erwartung fertig für mein Date mit Tim.
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Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich schon verliebt. Schade Alex.

Als ich gerade aus meiner Haustür trat und die Straßenseite wechselte sah ich auf der gegenüberliegenden Seite eine mir wohlbekannte Person mit eiligen und noch dazu entschlossenen Schritten auf mein Haus zu laufen. Na so was, dachte ich bei mir, der soll doch brav vor der Glotze hocken und Fußball gucken. Also blieb ich stehen und starrte von da wo ich stand angestrengt durch die Laternen beleuchtete Nacht auf die andere Straßenseite, bis mich die Dumpfbacke bemerkte und sehr debil aus der Wäsche schaute. „Was machst Du denn hier draußen? Ich denke du hast Kopfschmerzen?“ brüllte er zu mir herüber. „Kopfschmerzen sind weg! Ich treffe mich jetzt mit Tim!“ schrie ich zurück. „Warum denn das?“ Blöde Frage, einfach blöd dachte ich nur bei mir. „Weil er angerufen hat du Hornochse!“ Langsam wurde es mir zu bunt und ihm auch und er kam auf meine Straßenseite. Während ich immer wieder auf die Uhr starrte und somit zur Eile antrieb, da ich Tim nicht warten lassen wollte, begleitete er mich ein Stück des Weges und ich bat ihn wieder heim zu fahren, woraufhin er anfing zu toben, zu weinen und wie ein zu groß geratener Junge zu plärren. Oh Gott, warum nur ich. Ich tätschelte seinen Arm, sagte er solle sich ne warme Milch machen und schickte ihn weg.

Von da an ging alles sehr schnell. Tim verdrehte mir den Kopf. Ich kämpfte mit dem abstrusen Gedanken, wie ich ihn seiner Freundin ausspannen könnte und irgendwann war die Frage auch egal, nachdem er mir unmissverständlich zu verstehen gegeben hatte, das er seine Freundin in Berlin nie verlassen würde. Von da an genoss ich die Zeit nur noch und lebte auf jedes Treffen mit ihm hin. Nachdem Alex und ich uns noch einige male getroffen hatten und ich noch mal versucht hatte guten Willen zu zeigen, goss ich mir eines Abends zwei Gläser Whisky randvoll hinter die Kiemen und beendete den kläglichen Rest der Beziehung die mich nun in diese große Stadt weit ab von zuhause verschlagen hatte. Gestrandet im Bavarianischen Land.

Mit Tim lief es dann ähnlich. Die Treffen wurden seltener, bis sie ganz wegblieben und ich leise in mich hineinweinte. Diese Phase dauerte dann doch nur wenige Monate, dann war ich wieder auf der Höhe, denn meinen Humor hatte ich nicht verloren.
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Danach lernte ich Uli kennen. Uli war ein Freund von Freunden aus Hamburg. Mein erstes Zusammentreffen mit ihm, war wider erwarten eine angenehme Überraschung, so das ich mich vorstellte mit „Hallo Lolle, ich heiß Uli!“ Schwamm drüber. Denn über diese Bekanntschaft lohnt es sich nicht noch mehr Worte zu verlieren. Danach kam dann noch Schnubbi (ich nennen ihn hier mal so, weil mir kein dümmerer Name einfällt) und Schnubbi war nicht nur der unterbelichtetste Typ, der mir je begegnet war, sondern auch der naivste. Aber irgendwann verliert jeder Mensch nach bestimmter Zeit das Interesse an seinem neuen Spielzeug und das landet dann ausgespielt in der Ecke. Gemein die Frauen! Einfach gemein!!! Aber bitte keine Emotionen an dieser Stelle verschütten, denn es geht noch weiter. Nachdem ich mich daraufhin nach meinem Segelurlaub in Pit verliebte, stand für mich fest, das kein anderer Mann von nun an ihm das Wasser reichen würde. Die Beziehung, wenn man sie so nennen kann, da es eine Fernbeziehung war, ging nur einige Monate, so genau weiß ich das nicht mehr, aber er brachte mir dann irgendwann einigermaßen unschonend bei, das aus dieser Beziehung wohl nie Knospen sprießen würden, da Flensburg nun mal nicht neben München läge und er ein knallharter Geschäftstyp sei. Da hasste ich das erste mal den Gedanken in München zu leben. Ich investierte meine Monatsgehälter in Bahnfahrten, Flüge und Spritgeld von der Mitfahrzentrale, um fast jedes Wochenende bei ihm zu sein. Doch anstatt das er optimistischer wurde, kehrte sich das Blatt und das Drama war perfekt. Argument aus dem männlichen Mundwerk: Das ist doch kein Dauerzustand Lolle! (Ja Papa, du hast Recht!)

Von da an, vegetierte ich in ständigem Liebeskummer und hatte das Gefühl zu ertrinken. Ich hörte auf, mein Geld in Reisen in den Norden zu stecken, sondern verkroch mich in München und lenkte mich ab und das ich ihn von da an nicht mehr wiedersah, erleichterte mir die Hürde meine Gefühle in andere Richtungen zu lenken.

Mittlerweile war ich ein Jahr in München und fühlte mich immer wohler, doch meine Sehnsucht nach meinem Meer wuchs stetig mit jedem Tag an. Im Dezember dann lernte ich Fer kenne. Fer war klein, dick und hatte eine Haut wie ein Fisch. Er kam aus dem Harz und bemühte sich mich alle zwei Wochen in München zu besuchen.
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Der einzige Haken war, das er eine Gleichgültigkeit an sich hatte, die mich in den Wahnsinn trieb. Jeden morgen lag er faul im Bett, schrie nach Kaviar und Sekt und Ei und ich eilte immer artig los, seinen Gaumenfreuden nachzukommen. Nach fünf Monaten endete auch dieses Desaster (dort gab ich mir den Namen Master of Desaster) und ich blieb lieber glücklich allein. Von da an, ging ich auf die Suche wie Atreju in der unendlichen Geschichte und ließ den gut gemeinten Rat von Freunden Rat sein („Du darfst nicht suchen, denn dann findest du den richtigen erst recht nicht!“) und versuchte mein Glück über Kontaktbörsen im Internet. Ein Absturz wie ich selber fand, doch der Spaß an der ganzen Sache war nicht zu verachten. Ich begann mich mit einigen Typen zu treffen und predigte mir selber immer „Warum? Warum? Wo kommt der Magnet für Idioten in meinem Arsch her? Bin ich hässlich? Bin ich fett?“ und das erste Date kam und war der Untergang. Er trug einen schwarzen Mantel mit Reißverschluss und einer dicken roten Pudelmütze mit dazupassendem Schal und darunter eine weniger stylische Karottenschnitthose mit heraushängender Kette und einem Hemd bis zum Anschlag in die Büchse gestopft. Reizend! Nachdem ich mir den ersten Kaffee bestellt hatte, bekam ich auch sogleich Lust auf einen Glimmstängel und mein Gegenüber begann sogleich den Rauch hektisch wegzuwedeln. Hey, ein Nichtraucher! Was ein Zufall!!! Von da war für mich klar, das ich ihn wissen lassen sollte, das ich extrem viel rauchte und das ich natürlich den Rauch NUR in seine Richtung blies. Nach einem einstündigen Monolog meinerseits ergriff er hastig das Wort und grinste erhaben und fragte mich, ob ich die Natur mögen würde und ob ich auch so gerne wandern ginge. Ich verschluckte mich sogleich an meinem letzten Schluck Kaffee, kramte mein Handgelenk mit Uhr hervor und beendete die verbale Katastrophe.

Der zweite Kandidat machte den ersten wieder wett. Ein absolut attraktiver Durchschnittstyp. So sollte es sein! Wir trafen uns in einer Cocktailbar und tranken zwei Erfrischungsgetränke alkoholischem Ursprungs und unterhielten uns seicht und nett. Doch als ich an dem Abend heim wanderte, hatte ich ein zufriedenes Gefühl im Magen, weniger wegen dem Typen, der Tom hieß, als mehr um die Tatsache, das es anscheinend doch Männer gab, die mich anziehend fanden.
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Der Gedanke, das an diesem Typen irgendwas unnormal sein könnte, kam mir erst gar nicht. Einmal kam es mir schon in den Sinn, das irgendwas komisch wäre, das so ein eigentlich attraktives Bürschchen übers Internet Frauen kennenlernen wollte. Hatte er das nötig. Die Auflösung ließ nicht auf sich warten. Der gute legte ganz schön Gas vor und irgendwann merkte ich, das sich sein Hauptinteresse auf lediglich ein Thema beschränkte „Wie bekomm ich sie in die Kiste?“ Somit endete diese Bekanntschaft auch, bevor sie richtig beginnen konnte. Padauz aus!

Nach dieser zweiten Niederlage, wollte ich eigentlich mit dem Scheiß aufhören, dachte aber an alle guten Dinge, die da sind drei an der Zahl und startete einen letzten Versuch. Der Auserwählte hieß Leopold und machte irgendwas mit Computern, also nicht der Rede wert (Themen die Frauen nun mal so gar nicht interessieren!). Wir trafen uns einmal, tranken diverse Alsterwasser und Köpis miteinander und hatten in kurzer Zeit unsere Gemeinsamkeiten entdeckt: Hunde und Kakteen!

Danach sah ich Leopold nie wieder und ich gab die Internetgeschichte auf und nahm mir den Spruch wieder zu Herzen, das der Richtige schon kommen würde, in einem Augenblick, in dem ich am wenigsten damit rechnete.



Im Frühjahr 2002 war ich eines Abends mit einer Freundin auf einer Uniparty, versehentlich landeten wir auf einer Architektenparty und blieben.

Nach Stunden war ich schon mächtig angeschickert und tanzte mit einem Typen, den ich mir verdammt schön getrunken hatte. Er half mir nach Stunden meine Freundin heim zu tragen und verabschiedete sich artig.

Eine Woche später kam er mich besuchen, in der Zeit war ich auf Wolke sieben und dachte: Jeah das isser! Mr. Right!!

Wir gingen lange spazieren, knutschten ein wenig herum und dann fuhr er wieder heim.

Wieder einen Woche später wollte er für das ganze Wochenende nach München fahren. Ich war skeptisch. Nicht nur die Tatsache, das er erzählte, er hätte seit drei Jahren keine Freundin mehr gehabt, beunruhigte mich, auch die Tatsache, das er eine Vorliebe für extreme Hochwasserhosen hatte.

Die Katastrophe war perfekt. Freitag abend rasselte er mit Pauken und Trompeten bei all meinen Freunden durch (mekelte über das essen und lachte an unpassenden Stellen) und Samstag verbrachte ich zwei Stunden damit, mit ihm durch Schwabing zu latschen und für seine Leerprobe Nylonschnur, Rubbelbuchstaben und Klarsichthüllen zu suchen.
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Als wir wieder bei mir waren, war ich so genervt, das ich erst einmal Musik anmachen musste. Plazebo und Zimmerlaut. Rücksichtsvoll fragte ich ihn noch, ob ich leiser machen sollte, doch er sagte „Ganz aus!“ da er sich auf seine Leerprobe nun vorbereiten müsse. Ich liess die Musik verstummen, holte mir ne Pulle Proseggo und knallte mir diese innerhalb kürzester Zeit hinter die Binsen. Nachdem die Flasche leer war, fing ich an mich zu langweilen, aufzustehen im Zimmer umherzugehen und nach imaginären Staubfusseln zu greifen. Dann schnappte ich mir meine Jacke und fuhr zu meiner Freundin mit den Worten „Bin bald wieder da!“ er schaute kurz auf und sagte „Lass dir ruhig Zeit! Wann kommst Du zurück?“ Es hätte noch gefehlt, das er gesagt hätte „Bis später Schatz!“ So zog ich von Dannen und schimpfte bei Lona wie ein Rohrspatz in mich hinein und trank noch mehr Prosecco. Als ich irgendwann ganz schön einen im Kahn hatte, fuhr sie mich heim und ich machte mich frohen Mutes und besserer Laune daran, einen Gemüseauflauf zu basteln. Die Ansage die dann irgendwann kam war unglaublich und ich dachte mir „Jetzt schmeiss ich ihn raus!“ Er fragte mich, wo denn die BEILAGE wäre. Ja genau! Beilage! Ich konnte es nicht fassen. Zum dem Zeitpunkt wusste ich nicht, das man zu Auflauf Beilagenfresser einkalkulieren musste. Ich öffnete eine Flaschen Wein und lullte mich komplett ein. Irgendwann bin ich neben ihm und dem Videofilm eingeschlafen und träumte von einem imaginären Traummann.

Am Morgen wachte ich auf, weniger von dem Drang auf Klo zu müssen oder etwas zu trinken, vielmehr von einer rhythmischen Bewegung an meinem Arm. Ich öffnete die Augen und sah, das er seine Hand unter der Decke im Lendebereich in regelmässigen Bewegungen auf und ab führte. Kratzte er sich da? Oder was tat er da. Die Offenbarung was er da wirklich tat ließ mich erschauern und vor Wut schäumen. Nachdem ich mich jedoch gefragt hatte, ob ich ihm eine Szene machen sollte oder lieber weiterschlafen sollte, entschloss ich mich fürs weiterschlafen, da ich zu müde für eine morgendliche Diskussion übers Wixen in fremden Betten hatte.
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Stunden später war ich ihn dann endlich los und setzte mich gleich daran ihm einen Brief zu schreiben, in dem ich ihm unmissverständlich klar machte, das nicht nur in München schneien würde, sondern auch das ich das Interesse an ihm verloren hätte. Schönes Leben noch und Tschüss. Tage später fand ich noch mal eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter vor von ihm, in der er mich fragte, wie es ginge und mir im Anschluss gute Besserung wünschte.

Bodenlos. Einfach bodenlos! Meine Moral war am untersten Punkt der Zerstörung angelangt!



Im April, nachdem ich schon zwei ein halb Jahre in München lebte, begab es sich, das ich mich zu einem Event in einem Stadtbekannten Club mit Leuten traf, die ich nur über eine Schreiberseite aus dem Netz kannte.

Der Abend war der Hammer! Es war ein Blind Date mit 300 Leuten, die alle durch die Bank nett waren zum Niederknien!

Irgendwann ein paar Bier später, mein Gang war schon sehr gummiartig und ich hatte irre Spaß, sprach ich einen jungen Kerl an, der eben genauso viel Spaß zu haben schien, wie ich. Wir unterhielten uns eine Zeit lang über Dinge, an die ich mich ehrlich gesagt nach dem Alkoholpegel nicht mehr entsinnen konnte und lachten viel miteinander.

Irgendwann war es Zeit für mich einen Senkrechtstarter Richtung Heim zu machen, als ich ihm ins Ohr nuschelte „Wenn ich fünf Bier mehr getrunken hätte, würde ich dich jetzt glatt küssen!“ Freud schüttelte nur den Kopf, ergriff mich sanft am Kragen und gab mir einen Kuss, der mir die Füße unter dem Boden wegzog. Danach gab ich ihm meine Nummer, was an sich schon eine heikle Sache ist, weil man die eigentlich nicht so mir nichts dir nichts raus gibt. Als er meine Karte in Empfang nahm, sagte er gleich, das er wohl in den nächsten Tagen keine Zeit haben würde anzurufen, weil er für seine Diplomprüfung lernen müsste. Sofort bekam ich das vertraute Gefühl in der Magengegend auf Desinteresse gestoßen zu sein und mal wieder mit meinem Gefühl daneben gelegen zu haben. Also forderte ich meine Karte zurück mit den Worten „Nee, dann lass es lieber gleich sein!“ Doch er steckte sie sofort ein und grinste mich an! „Nein die behalte ich!“

Als ich draußen feststellte, das keine U-Bahnen mehr fuhren und das ich auch keine Kohle für ein Taxi mehr hatte, beschloss ich in der nächtlichen Luft heim zuwanken.
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Doch an der nächsten Mülltonne entdeckte ich ein zerbeultes Fahrrad, das wohl den Besitzer verloren zu haben schien. Ich nahm mich seiner für eine letzte Reise an, pflückte eine Narzisse, die ich mir quer in den Mund steckte und holperte und stolperte mit dem Schrotthaufen an einer nächtlichen Polizeistreife vorbei, heim. Die Luft war klar, kalt und machte meine Gedanken, die in einem wohligen Alkoholnebel dümpelten, glücklich und zufrieden.

Gleich zwei Tage später rief er an und eine Woche später trafen wir uns wieder....

Das Leben kann so schön sein.

Dort an jenem Abend fand ich mein Glück, ohne das ich damit gerechnet hatte und ich möchte nie wieder den Tag missen, an dem ich zum ersten Mal in diese grünen Augen blickte und dieses Lachen in mir aufnahm.

Jetzt sind es sieben Monate her, seit ich diesen Augen begegnet bin und der Gedanke weg zu gehen, ist so fern, als hätte er nie existiert!

Es ist Herbst und ich bin mittendrin!!!!
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Kommentare zur Story:

  Gut nachvollziehbar geschrieben. Man kriegt bei den ´Gefühlsbeschreibungen´ irgendwie sofort ein schlechtes Gewissen (vielleicht nur als ´Mann´?).
Naja, wie auch immer. Amüsant ist finde ich die Geschichte. Unglaublich? Nein, dafür ist das Thema
durch `Sex and the City´ und ähnliches wohl zu oft von anderen durchgenommen worden. Das ist natürlich nur meine Meinung.
Für meine Begriffe benutzt du eine gute Wortauswahl, so daß es kurzweilig ist hier zu lesen. Seltsam, hab ich das richtig verstanden, am Ende wartete dann doch noch ein Mister Right?
Warum wird er nicht so ausführlich beschrieben, wie die anderen?  
Oliver  -  10.12.02 07:57

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Kommentar von "Sabine Müller" zu "verkaufte Seele"

Hallo, sehr berührend. Gefällt mir gut, auch wenn es sehr traurig ist. Gruß Sabine

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