Kurzgeschichten · Nachdenkliches · Sommer/Urlaub/Reise

Von:    Becci      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 19. Juli 2002
Bei Webstories eingestellt: 19. Juli 2002
Anzahl gesehen: 2277
Seiten: 2

Ich sitze hier, mit einer Flasche Rotwein in der Hand. Ich weiß nicht wie lange schon. Die Sterne funkeln. Es ist wohl schon lange dunkel, die Vögel sind verstummt. Und ich sitze jetzt also hier. Mit einer Flasche Rotwein. Die Kerze neben mir flackert im sanften Wind. Im Hintergrund höre ich leise meinen tragbaren CD-Player, mit schöner trauriger Musik. Ich sehe den Mond. Er scheint durch die Wipfel eines Baumes, es raschelt leise. Es ist ein schönes Geräusch. Raschelnde Blätter im Wind. Ein schwarzer Vogel fliegt lautlos an mir vorbei. Ich lasse meine Beine von dem Grabstein baumeln. Die Oberfläche fühlt sich rau an, als ich mit meinen Fingern drübergleite. Rau und noch immer ganz leicht warm von der Mittagshitze. Es herrscht eine angenehme Stille, eine beruhigende Stille. Ich muss unwillkürlich auflachen, als mir auf einmal der Gedanke in den Sinn kommt "der Friedhof ist nachts wie ausgestorben"... wie wahr...

Noch einen Schluck von dem Wein, ein Rosé aus Portugal. Angenehm süß, aber mit einer leicht trockenen Note. Die Kohlensäure ist schon fast draußen. Ich fahre auf der Flaschenöffnung mit dem Finger langsam im Kreis entlang. Ein leiser Ton entsteht, kaum hörbar. Aus der alten Kapelle, mir gegenüber, flattern Fledermäuse. Ich spüre kurz einen sanften Flügelhauch an meiner Wange. Es ist eine schöne Nacht. Ich halte meine Hand in die Kerze, der Schmerz dringt nicht bis zu mir durch. Ich spüre ihn und doch spürte ich ihn nicht. Ich stelle mich auf den Grabstein, schließe die Augen, stelle mir vor ich spränge gleich in die Tiefe. Endloses Fallen und dann Schwärze, die mich sanft umschließen würde. Tod. Ich lasse dieses Wort langsam auf der Zunge zergehen. T - o - d. Wie fühlte es sich wohl an, Tod zu sein? Ist sterben wie schlafen, ohne zu träumen? Oder ist mein Leben ein Traum und wenn ich sterbe, wacht dann meine Seele auf? und wenn sie wieder einschläft, träumt sie ein neues Leben? Ich nehme noch einen Schluck von dem Wein und stelle dann die leere Flasche an die Seite. Die leise Musik umgibt mich. Ich fange an, auf dem Grabstein zu tanzen. Der Wind weht sanft über mein Gesicht, durch meine Haare. Die Welt erscheint mir so unreal. Alles erscheint mir wie durch einen Nebel. Nun weiß ich, was du gemeint hast. Was du gefühlt hast. Ich verstehe dich, verstehe im Nachhinein deine Worte. Doch zu spät. Wo du wohl gerade bist? Ob du auch gerade tanzt? Ich sehe dich vor mir, deine Augen, dein lange vergessenes Lachen klingt in meinen Ohren.
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Eine schwarze Katze streicht mir um die Beine, reibt sich ihr Köpfchen an mir. Ich setze mich wieder hin und die Katze macht es sich auf mir bequem. Ihre Schnurrhaare kitzeln mich sachte. Ihr Schnäuzchen berührt sanft meine Nase und stupst sie an. Kuss des Todes? Ich muss wieder unwillkürlich lächeln. Die Kerze flackert noch immer, sie tanzt im Wind. Wie es wohl ist, auf Wolken zu tanzen?

Der Wind wird stärker, er rauscht durch die Bäume und ich meine, dein Flüstern zu vernehmen... Dunkle Wolken ziehen auf und die Katze verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist. Irgendwas drängt mich, diesen Ort zu verlassen. Wieder in die Welt zu treten. Zu leben. Neuer Lebensmut erfasst mich. Ich spüre langsam Wärme, die mein Herz umarmt und durch meinen Körper strömt. Ich spüre dich. Ich spüre deine Nähe, deine Anwesenheit. Der Nebel löst sich wieder auf und das Gefühl, nicht alleine zu sein, gibt mir Kraft, wieder in die Welt des Realen zu treten.

Ein schwarzer Vogel fliegt dicht an mir vorbei. Das erste Donnergrollen ist in der Ferne zu hören und die Sterne sind in der wabbernden Dunkelheit der Wolken verschwunden. Die Büsche flüstern deinen Namen, in der Kapelle ist ein leichtes Klingen der Glocke zu vernehmen.

Ich räume meine Sachen zusammen und werfe einen letzten Blick auf dein Grab, welches im Licht der Kerze unheimlich wirkt. Doch ich habe keine Angst. Denn du bist bei mir.
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Punktestand der Geschichte:   32
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Kommentare zur Story:

  Kann mich nicht dem Vorkommentator anschließen. Es war eigentlich nicht nötig, die Umgebung zu beschreiben, die man sich sowieso zusammenfantasieren kann.

Sehr atmosphärisch, wenn auch mir persönlich zu viele Tiere auftauchen. Der Aufbau ist nicht zu verurteilen, wenn auch etwas zu sehr crescendo-mäßig.

Ich hab bisher zwar noch nicht viele Weine getrunken, doch seit wann ist denn da Kohlensäure drin? Ist das dann nicht Sekt?
Manchmal kommte es mir auch so vor, als würde ich einen langen Traum träumen. Gut, dass ich nicht allein mit dieser Vorstellung bin.

Insgesamt sehr gut.  
Redfrettchen  -  27.03.04 12:19

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  Ich muß gestehen, ich konnte nicht richtig in die Geschichte eintauchen.
Die Umgebung konnte ich mir nicht so recht vorstellen, erst bei erneutem Lesen. Man merkt, daß du es mit Umgebungsbeschreibungen nicht so hast.
Aber ich finde, für diese Geschichte wäre es nötig gewesen, da die Stimmung ein wenig an mir vorbeigeht.

Die emotionalen Vorgänge sind aber einwandfrei.  
Marcel  -  01.04.03 14:05

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  Eine sehr düstere Reflektion. Ist dein Freund gestorben? Deswegen die oft düsteren Texte?
Schöne, dass das Ganze nicht in Gejammer abdriftet sondern sich mit Energie, Aufbruch, Neuanfang und Leben füllt.  
Stefan Steinmetz  -  14.11.02 20:27

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  wunderschön...du schreibst schön bildhaft und machst die atmosphäre deutlich spürbar, wirklich wunderschön-5 punkte  
Shiva  -  07.10.02 20:04

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  Ein Nachruf ? Eine Erinnerung unter Alkoholeinfluss ? Der Lebensmut war sicher nicht völlig versiegt, denn die sarkastisch-hintergründig-lustige Bemerkung :"Der Friedhof ist Nachts wie ausgestorben" HERRLICH !!
Schwarzer Humor.
Nette kleine Geschichte mit traurigem Hintergrund und anschliessendem Sprung in's Leben zurück. 4 Punkte  
Maxson  -  20.07.02 12:29

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Nausicaä" zu "frühling z2"

einfach toll, dieses frühlingsgedicht. du findest in deinen gedichten häufig ganz eigene, besondere bilder. wunderschön, ohne kitschig zu sein.

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