Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    Homo Faber      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 18. Juli 2022
Bei Webstories eingestellt: 18. Juli 2022
Anzahl gesehen: 1612
Seiten: 2

„Ihr müsst euch darüber klar werden, dass es Situationen gibt, in denen ihr nichts mehr machen könnt. Und dann war es das einfach.“

Diese Worte hatte uns der Leiter eines Survivaltrainings, an dem ich vor einigen Jahren mal teilgenommen hatte, mitgegeben.

Und in so eine Situation befand ich mich nun. Ich hatte mich in einem Wald im tiefsten Schweden verlaufen. Und ich konnte nicht glauben, dass man aus einem Wald nicht mehr herausfinden und dort erfrieren kann. Doch nun war ich dabei, eines Besseren belehrt zu werden.

Natürlich hatte ich ein Handy dabei. Nur was nützte mir ein Handy, wenn dieses GOTTVERDAMMTE TEIL KEINEN BESCHISSENEN SCHEISS EMPFANG HATTE?

Vor Wut schmiss ich es gegen einen Baum. Jetzt war das Teil komplett im Arsch, aber jemand, der bald sowieso tot ist, braucht auch kein Handy. Manch anderer hätte es wahrscheinlich nicht übers Herz gebracht, wie die Menschen eben heutzutage sind: Tot, aber Hauptsache ein Handy.

Eigentlich wäre es schon fast lustig, wenn die Situation nicht so ernst wäre. Was du wohl dachtest, falls du mich in diesem Moment von oben sehen konntest? Wahrscheinlich konntest du nur den Kopf schütteln und dich über mich wundern.

Zu essen hatte ich nichts mehr und in meiner Wasserflasche befand sich auch so gut wie nichts mehr, ich war ja auch nicht drauf eingestellt, mich in einem Wald zu verlaufen. Und kalt und dunkel wurde es langsam auch.

Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass es das nun tatsächlich war, aber einen Ausweg gab es nicht. Ich drehte mich seit Stunden nur noch im Kreis. Warum musste ich auch nur den Weg verlassen? Weil ich mich überschätzt hatte natürlich, wie immer. Mein ganzes Leben lang hatte ich versucht, mir zu beweisen, dass ich nicht so unfähig war, wie mich alle hielten, aber jetzt musste ich einsehen, dass ich es wirklich war. Ich war kein unterschätztes Genie, ich war einfach nur scheiße dämlich. Ein Versager, der selbst seine Freundin ins Grab gebracht hatte. Ja, es tut mir leid, dass ich nicht erkannt habe, dass du an Depressionen littst und schon lange Suizidgedanken hattest.



Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als plötzlich ein Bär vor mir stand. Mir blieb fast das Herz stehen, fest glaubte ich daran, dass er jeden Moment über mich herfallen würde. Doch er näherte sich nicht weiter, sondern sah mich eine Weile an. Schließlich drehte er sich um und entfernte sich langsam.
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Erleichtert atmete ich auf, obwohl es keinen Grund gab, erleichtert zu sein, denn lebend aus dem Wald würde ich sowieso nicht rauskommen.

Nach ein paar Schritten stoppte der Bär wieder und drehte sich zu mir um, bis er nach ein paar Sekunden wieder weiter ging. Doch nach nur wenigen Metern hielt er erneut an und drehte sich zu mir um, diesmal verlieb er in dieser Position.

Was wollte er von mir? Worauf wartete er? Wollte er mir vielleicht helfen?

Unsinn! Ich war offensichtlich schon dabei, den Verstand zu verlieren. Wieso sollte der Bär mir helfen wollen? Er wusste doch gar nicht, dass ich mich verlaufen hatte. In Filmen gab es vielleicht so etwas, aber doch nicht in der Realität. Vermutlich wollte er mich zu seinem Rudel locken. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Ob ich hier draußen im Wald erfror, verhungerte oder von Bären gefressen wurde, war doch letztendlich egal. Tot ist tot. Also bewegte ich mich auf ihn zu und genau in dem Moment ging er weiter.

Ich folgte ihm mindestens eine halbe Stunde lang, immer wieder drehte er sich um zu mir, um zu sehen, ob ich mich noch hinter ihm befand. Schließlich gelangten wir zu einem Wanderweg, ein letztes Mal sah der Bär mich an, dann verschwand er wieder in die Richtung, aus der wir kamen.

Ich konnte es nicht glauben, hatte der Bär mich tatsächlich gerettet? Ich entdeckte einen Wegweiser, der zu einem Dorf führte. Das war meine Rettung, das konnte nur ein Wunder sein.



Ich war überglücklich, als ich nach einer Stunde endlich das Dorf erreichte und dort eine Bushaltestelle fand, an der nur eine Minute später ein Bus eintraf, der in die Stadt fuhr, in der sich mein Hotel befand.

Als ich in den Bus stieg, bemerkte ich eine Frau, die einige Meter entfernt stand und mich ansah. Das Unglaubliche war, dass diese Frau aussah wie du. Sie lächelte mir kurz zu und ging weiter. Als ich aus dem Fenster des Busses sah, war sie verschwunden.
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Interessante Kommentare

Kommentar von "Kleine Meerjungfrau" zu "Bah, Ekelattacke"

Muahhhh, bah, widerlich, ekelhaft... Wie kommt man denn auf soetwas?? Da hast du dich aber geekelt an dem Tag, oder? Und du steckst die anderen damit an. Auch wenn der Inhalt fies ist, ein gelungener ...

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Ja, gut recherchiert und gut und spannend geschrieben. Aber hier ein kleiner Hinweis: 'Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod'. Betrifft Deinen Kommentar)Das tut weh. Gruß von

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