Mortal Sin Februar 2009- Blow Your Mind   200

Romane/Serien · Spannendes

Von:    JoHo24      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. Dezember 2018
Bei Webstories eingestellt: 21. Dezember 2018
Anzahl gesehen: 2147
Seiten: 10

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit: Die Verfügbarkeit ist eine Angabe die nur im Prologteil der Reihe zur Verfügung steht.

Diese Story wurde zwar als Teil einer Reihe definiert, eine entsprechende Prologangabe fehlt allerdings noch.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Dem traue ich nie, der ein Mal Treue brach.

- William Shakespeare





„Emilia?“

Sie wandte langsam ihren Kopf zu ihm, dabei strichen die Spitzen ihres hellblonden Haares über ihre Schultern und kitzelten sie.

„Wie lange sollen wir noch warten? Der Kerl taucht nicht mehr auf.“ Die junge Frau schenkte ihm ein heiteres Schmunzeln, um seine Stimmung etwas anzuheben.

„Gedulde dich, James. Er wird sich schon blicken lassen“, erwiderte sie gelassen und nippte an ihrem Wasser, in dem eine mittlerweile schrumplig gewordene Zitronenscheibe schwamm.

„Ich halte es aber nicht weiter aus meine kostbare Zeit zu verschwenden.“ Durch sein aufgebrachtes Gejammer wirkte er wie ein kleiner, bockiger Junge.

„Erstens ist es auch meine Zeit, die verschwendet wird und zweitens denk daran, dass wir einen Auftrag haben. Wir können nicht einfach abhauen.“ Ihre Belehrung stieß bei ihrem Kollegen auf wenig Gegenliebe, denn dieser schnaubte verächtlich.

„Warum nicht? Jericho kann von seinem Schreibtisch aus nicht beurteilen, wie es in der wirklichen Welt aussieht. Er hat keine verdammte Ahnung, was wir leisten müssen, weil es bei ihm eine halbe Ewigkeit her ist, dass er selbst seinen Arsch bewegt und als Killer gearbeitet hat.“ Seine zornigen Worte gegen ihren verhassten Boss entlockten ihr ein Kichern.

„Du hast Recht, aber was willst du ihm erzählen, wenn wir erfolglos bei ihm aufkreuzen?“

„Was werde ich unserem Boss wohl sagen?“, überlegte er spöttisch und legte die Stirn in tiefe Falten. „Natürlich, dass der Kerl nicht aufgetaucht ist. Er kann nicht erwarten, dass wir die ganze Nacht hier herumhocken.“ Erbost schob er sein halbvolles Glas von sich und schlug auf den Tresen. Unwillkürlich zuckte Emilia zusammen.

„Mir ist scheißegal, was der Bastard über mich denkt oder ob er mir die Hölle heiß macht. Ich habe keine Angst vor ihm“, brach es aufbrausend aus James heraus. „Jericho ist von uns abhängig und wir nicht von ihm. Mach dir das klar, Emilia, bevor du anfängst nach seiner Pfeife zu tanzen.“ Danach herrschte zwischen ihnen erstmal ein angespanntes Schweigen, das nur darauf wartete unterbrochen zu werden. Die Blondine war es, die vor Empörung nach Luft schnappte, ehe sie das Gespräch wieder aufnahm.
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„Ich hasse ihn genauso so sehr, wie du. Also unterlass es deinen Zorn gegen Jericho auf mich zu projizieren, James. Komm runter und konzentriere dich endlich auf den Auftrag!“, wies sie ihn zurecht, da er das Wesentliche aus den Augen und die Kontrolle über sich selbst verlor.

„Sag mir nicht, was ich tun soll!“ Der Blick, der sie traf, war einschüchternd und bedrohlich, doch dies beunruhigte sie nicht. Sie kannte seine Launen und wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis er sich bei ihr entschuldigte. Tief in seinem Innern war und blieb er der warmherzige, anständige und charmante James, den sie so sehr schätzte. Emilia war erleichtert, dass selbst seine Liaison mit Ophelia daran nichts hatte ändern können. Dieses manipulative Miststück hat es nicht geschafft ihn zu zerstören, obwohl er bereits kurz davor stand in den Abgrund zu stürzen...

„Sorry, Emilia. Ich bin mit den Nerven einfach am Ende“, durchbrach er ihre Gedanken und bestätigte ihre vorangegangene Vermutung, dass er sie um Verzeihung bitten würde. Reumütig sah er sie mit seinen stahlgrauen Augen an, sodass sie nicht anders konnte, als ihren linken Arm um ihn zu legen und sich an seinen kräftigen Oberkörper zu lehnen.

„Das kenne ich gut, James. Mach dir keine Gedanken, ich nehme es dir nicht übel.“ Die Killerin schlug die Augen nieder und genoss den Duft, den er verströmte. Er vermittelte ihr das Gefühl von Geborgenheit, so, wie vor ihrem Zwist wegen seiner Liebe zu Ophelia. Aber das frühere Vertrauen zu ihm, dies wusste sie, war trotz ihrer Vergebung noch nicht annähernd wiederhergestellt. Es würde dauern, zu vergessen, wie schlecht er sie in dieser Zeit behandelt hatte.

„Emilia?“, erklang ein weiteres Mal ihr Name aus seinem Mund. Träge nahm sie den Kopf von seiner Schulter und suchte seinen Blick.

„Ist alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend.“ Aufrichtige Besorgnis durchzog seine raue Stimme, was sie rührte.

„Alles gut“, gab sie Entwarnung und lächelte warmherzig. „Ich bin wohl auch etwas müde.“

„Dann lass uns gehen. Das hier ist pure…“ Mitten im Satz brach er ab, als er etwas hinter Emilia fixierte.

„Was ist los?“ Sie drehte ihren Körper in die Richtung, in die er schaute und staunte nicht schlecht, als sie tatsächlich ihre Zielperson am Eingang der Bar stehen sah, flankiert von zwei bullenähnlichen Typen in viel zu engen schwarzen Anzügen.
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„Da hat sich das Warten wohl doch gelohnt“, konnte sich Emilia die Spitze gegen ihren Kollegen nicht verkneifen. Dementsprechend genervt verdrehte jener die Augen und stöhnte.

„Lassen wir das Thema“, erwiderte er zerknirscht. „Wir müssen uns überlegen, wie wir vorgehen, und zwar schnell.“ James setzte sie unter Zeitdruck, was sie daran hinderte vernünftig nachzudenken. Während sie noch versuchte einen brauchbaren Gedanken zu fassen, setzte sich ihre Zielperson in Bewegung und steuerte einen Tisch in der Mitte des Raumes an. Sein Name war Cillian Wallis und ein 45 Jahre alter „Geschäftsmann“ in den kriminellen Kreisen Saint Berkaines.

Seine Art zu gehen; seine Mimik und Gestik, alles an ihm war schmierig und hinterhältig und rief in Emilia größte Abscheu hervor. Geringschätzig rümpfte sie die Nase, bevor sie ihr Glas leerte und sich an James wandte.

„Was schlägst du vor?“ Vielleicht hatte ihr Kollege, im Gegensatz zu ihr, eine zündende Idee.

Sie konnte es hinter seiner Stirn rattern sehen, als er sich einen Plan zurechtlegte, der hoffentlich erfolgversprechend sein würde.

„Wir müssen den Kerl dazu bringen die Bar mit seinen Leibwächtern zu verlassen. Wenn das geschafft ist, greifen wir an und schalten diese Gorillas aus. Dann ist Cillian an der Reihe“, präsentierte er ihr nach ein paar Minuten das Ergebnis seiner Grübelei.

„Klingt nach einem Plan. Aber wie sollen wir genau vorgehen? Wie kriegen wir sie dazu nach draußen zu gehen?“ Emilia wollte sich versichern, dass James auch an die wichtigen Details und deren Umsetzung gedacht hatte.

„Ich werde zu Cillian herübergehen und ihm sagen, warum wir hier sind.“

„Was?!“, kam es quietschend aus ihrer Kehle. „Hast du sie noch alle?“ Fassungslos glotzte sie ihn an, denn die Killerin zweifelte an seinem Verstand.

„Du kennst mich. Ich bin ein Mann der offenen und ehrlichen Worte, Emilia“, erklärte er gelassen und ließ sich von ihrem Ausbruch nicht aus dem Konzept bringen.

„So werden wir ans Ziel kommen, ganz sicher. Verlass dich drauf.“ Sein Enthusiasmus und unerschütterlicher Glaube an sich selbst steckten sie, zu ihrer großen Überraschung, recht schnell an. James riss sie regelrecht mit, sodass ihre Zuversicht stieg und er sie letztlich überzeugte.
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„Gut, versuchen wir es“, gab sie ihre Zustimmung, was bei dem Dunkelhaarigen zu einem triumphalen Lächeln führte. Er strotzte vor Selbstvertrauen und Stolz. Wenn sie doch selbst so wäre! Indes sie ihren schwachen Charakter verfluchte, verlor ihr Kollege keine Zeit und erhob sich. Emilia wurde kreidebleich und die Begeisterung für seinen Plan verpuffte so schnell, wie sie gekommen war. Trotz ihres Okays bildete sich ein schwerer Klumpen in ihrem Magen. Sie befürchtete das Schlimmste.

Am liebsten hätte sie James im letzten Moment aufgehalten, doch sie konnte es nicht. So blieb ihr nichts anderes übrig, als dabei zuzusehen, wie er auf die drei Männer zuging, die sich zwischenzeitlich gesetzt und die ersten Drinks bestellt hatten. Wie festgefroren blieb sie an der Bar zurück, obwohl sie ihm zur Unterstützung gerne gefolgt wäre. Aber irgendetwas in ihrem Unterbewusstsein hinderte sie daran.

Er ließ sich jedoch in keinster Weise von ihrer Abwesenheit beirren. Zielstrebig und selbstsicher steuerte er den Tisch von Cillian Wallis an. Dieser wurde auf James´ entschlossenen Gang aufmerksam, was bereits Argwohn in ihm hervorzurufen schien, denn sein Blick verfinsterte sich schlagartig. Keine Sekunde später gab er seinen Leibwächtern ein Handzeichen, das sie sich erheben und schützend, wie eine Mauer, vor ihm aufbauen ließ.

Dieses Bild brachte sie dazu hastig von ihrem Hocker zu gleiten und an die Seite ihres Kollegen zu eilen. Sie wurde von den riesigen Kerlen kaum beachtet, vermutlich aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Geschlechts.

„Würdet ihr mal zur Seite treten?“, bat der Dunkelhaarigen mit hämischem Unterton und einem müden Lächeln auf den Lippen die zwei Schränke von Männern, die ihm den Weg versperrten.

Keine Antwort. Keine Reaktion; nur anhaltende, ausstrahlende Aggression und eine Menge Testosteron in der schwülwarmen Luft.

„Hört ihr schlecht?“, wurde sein Ton deutlich rauer. Für einen 18-Jährigen besaß er verdammt viel Mumm, was allerdings auch oft schon nach hinten losgegangen war. Denn mit James gingen manchmal Überheblichkeit und Leichtsinn durch und brachten ihn in gefährliche Situationen, so wie diese.

„Was willst du, du kleiner Pisser?“, brach einer von ihnen das Schweigen mit bedrohlicher Stimme.

„Ich will mit deinem Boss reden und nicht mit einem hirnloser Wichser, also mach Platz.
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“ Ihr junger Kollege hatte sich und sein Temperament nicht unter Kontrolle. Gedankenlos legte er sich mit einem Kerl an, der ihm mit bloßen Händen den Kopf abreißen konnte. Präventiv schüttelte Emilia heftig den Kopf und legte besänftigend eine Hand auf seine rechte Schulter, um ihm zu symbolisieren, dass sein Verhalten falsch war und er keinesfalls weitergehen sollte.

James´ Gegenüber fackelte nicht lange und packte ihn grob am Kragen seines Hemdes und zog ihn an sich. Emilia hielt den Atem an.

„Soll mich das etwa einschüchtern?“ Schallend und gehässig fing der er an zu lachen. Entgeistert glotzte sie ihn an, während sie ihn innerlich anschrie, diese Provokationen endlich sein zu lassen.

„Lass ihn los, John“, erklang es gebieterisch hinter der menschlichen Mauer. Aus den Augenwinkeln sah Emilia, wie sich Cillian Wallis erhob und darauf wartete, dass sein Mitarbeiter seinem Befehl Folge leistete. Jener zog unzufrieden grunzend seine Hände zurück und entließ James in die Freiheit.

„Was hast du mir zu sagen, Kleiner?“ Seine Miene drückte Langeweile und Genervtheit aus, was ihr Kollege als Kampfansage auffasste. Er fühlte sich herausgefordert und wollte ihm beweisen, dass er gefährlich war und Wallis ihn nicht unterschätzen sollte.

„Wir sind in Jerichos Auftrag hier, um dich zu töten“, gab er ungeniert zu, so, wie er es vorgehabt hatte. Die Muskeln der Killerin spannten sich augenblicklich an, als machten sie sich schon jetzt bereit für den bevorstehenden Kampf. Auch seine Leibwächter wurden nach seiner Ansage unruhig, ballten die Fäuste und ließen demonstrativ die Knöchel knacken.

„Ihr beide wollt mich töten?“ Abschätzig musterte er zuerst James, der mit verschränkten Armen neben ihr stand, und dann sie. Seine dunkelgrünen Augen fixierten Emilia auf eine sonderbare Art und Weise, sodass Beklommenheit in ihr hoch kroch und sie lähmte.

„Dass ich nicht lache“, spie er hämisch aus. „Jericho schickt mir tatsächlich zwei Witzfiguren, damit sie mich killen.“ Kalt und bitter lachte er auf.

„Dann gehen wir nach draußen und finden heraus, ob wir tatsächlich Witzfiguren sind oder erfahrene Killer, die etwas von ihrem Metier verstehen.“ James setzte den nächsten Punkt seines Planes um: Wallis und seine Schergen aus der Bar schaffen.

Sein Vorschlag entlockte ihrer Zielperson ein heiteres Lippenkräuseln, was beinahe einem Lächeln nahe kam.
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„Nun gut, du willst es ja nicht anders, Kleiner“, schien er James´ Furchtlosigkeit fast zu bedauern.

„Lasst uns herausfinden, was auf euch beide zutrifft.“ Anschließend gab er seinen Leibwächtern erneut ein Handzeichen, das sie dieses Mal dazu befahl hinauszugehen. Jedoch warteten sie, bis James und Emilia ihre Jacken anzogen und die Bar vor ihnen verließen. Instinktiv griffen die Killer in ihre Jackentaschen und umfassten die Waffen, die sie bei sich trugen. Gleich würde es auf jede Sekunde ankommen. Sie mussten schnell sein. Sie durften keine Fehler machen.

Emilia warf dem Dunkelhaarigen einen Seitenblick zu, welcher ihm ihre grenzenlose Anspannung und Sorge offenbarte. Sie hoffte auf ein positives Zeichen von ihm, das ihr die Bestätigung gab, dass sie das Richtige taten. Und sie wurde nicht enttäuscht. Voller Zuversicht nickte James ihr zu, als wolle er ihr sagen, dass sie das problemlos schaffen würden. Sie erwiderte sein Nicken mit einem flüchtigen Heben ihrer Mundwinkel.

Zeitgleich zermaterte sie sich das Hirn, warum sie es, nach all den Jahren als Auftragskillerin, nicht abstellen konnte sich Selbst und ihr Können in Frage zu stellen. Noch immer lösten manche Situationen in ihr Panik und Angst aus, was nicht sein durfte, zumindest, wenn es nach ihrem Boss und den Kollegen ging. Aber sie konnte und wollte ihre Gefühle nicht ignorieren, geschweige denn abstellen. Dies unterschied sie von den anderen Killern, die das Töten als Berufung ansahen. Leider gehörte James ebenfalls dazu, doch was sollte man auch anderes erwarten? Immerhin war er von einem Mann aufgezogen worden, für den Morde ein Geschäft waren. Er hatte daher nie ernsthaft die Chance gehabt, dem von William Cunningham vorgefertigten Lebensweg zu entkommen.

Der nächste Blick, den sie ihrem Kollegen zuwarf, war aus diesem Grund voller Mitleid. Er nahm jedoch keine Notiz davon, schließlich dachte er momentan nur an eines: ihre Zielperson und deren Leibwächter schnell und effektiv ausschalten.

Und dieser Moment stand kurz bevor. Nur noch wenige Schritte. Nur noch die Tür passieren... Als Emilia McDermott die Kälte dieser Dezembernacht auf ihrer Haut spürte und sie sich ein paar Meter von der Bar entfernt hatte, zog sie blitzschnell ihre Waffe und drehte sich um. Wie zu erwarten, waren ihre Gegner ebenfalls bewaffnet und gingen zum Angriff über.
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Einer der riesigen Kerle preschte, trotz seiner Masse, im Eiltempo und mit erhobener Waffe auf sie zu. Ihn schien es in keinster Weise zu interessieren, dass sie ihn im Visier hatte und kurz davor stand abzudrücken. Der blonden Killerin wurde bewusst, dass er überhaupt keine Angst vor ihr verspürte. Er nahm sie nicht Ernst. In seinen Augen war sie bloß ein kleines Mädchen, das bei den Erwachsenen mitspielen wollte.

Trotz ihrer Aversion gegen das Töten wollte sie ihm beweisen, wie stark sie war und man ihre Fähigkeiten nicht verkennen sollte. Die Wut gegen diesen Typen kam aus heiterem Himmel und schlug wie lodernde Flammen in ihr hoch. Jegliche andere Emotion stand hinten an. Sie wurde bloß von Zorn und Hass beherrscht, sodass sie den Blick auf sich selbst völlig verlor. Entgegen ihrer Behauptung ganz anders zu sein, übersah Emilia ihre inneren Abgründe, die sie mit ihren Kollegen eng verband und zu einem Teil von ihnen machte.

Hochkonzentriert und ruhig betätigte sie den Abzug und traf ihn genau zwischen den Augen. Sein Körper wurde nach hinten geworfen, als sei er vor eine unsichtbare Wand gelaufen, und knallte auf den vereisten Asphalt. Langsam senkte sie den Arm und blieb dann wie angewurzelt stehen. Sogleich spürte sie, wie die klirrende Kälte gnadenlos unter ihre Kleidung kroch, was bei ihr zu heftigem Zittern führte, das sie kaum kontrollieren konnte. Emilia nahm einen tiefen Atemzug, was ihr half ihren Körper halbwegs zur Ruhe zu bringen.

Ihre blauen Augen fixierten den toten Leibwächter, der unweit von ihr lag. Lange verblieben sie nicht dort, sondern suchten nach James. Dieser war, zu ihrer großen Verwunderung, noch immer mit dem zweiten Leibwächter beschäftigt.

Beide waren in einen Nahkampf verwickelt, der hektisch und unübersichtlich war. Sie konnte nicht sagen, wer die Oberhand besaß. Ebenso konnte sie nicht erkennen, in welcher körperlichen Verfassung James war. Einige Sekunden zogen ungenutzt dahin, in denen Emilia sich nicht entscheiden konnte, was sie tun sollte: ihm zur Hilfe kommen oder nicht?

Ohne es zu ahnen, nahm jemand anderes ihr die Entscheidung ab. Und zwar war es Cillian Wallis, den sie vollkommen vergessen hatte. Daher bemerkte sie viel zu spät, dass er sich ihr näherte. So kam es, dass er sie aus heiterem Himmel packte und grobschlächtig auf den Boden beförderte. Knochen knackten und ihr blieb die Luft weg, als sie auf dem Asphalt aufkam.
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Zunächst war sie orientierungslos und hatte keine Ahnung, was geschehen war, doch als Cillian über ihr auftauchte, mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht, da wurde ihr bewusst, in welcher misslichen Lage sie sich befand.

„Hab ich dich, Süße.“ Unglaublich schnell und ungerührt folgten gezielte, heftige Tritte gegen ihre Rippen. Wimmernd krümmte sich Emilia unter den höllischen Schmerzen, die er ihr zufügte.

„Glaubst ihr, es sei so einfach mich zu erwischen? Dass es reicht meine Leibwächter zu killen?!“, fügte er rasend und Speichel spuckend vor Zorn an. „Na wartet, euch beide mache ich fertig!“

Cillian Wallis kniete sich neben sie, umfasste ihre Kehle und drückte gnadenlos zu. Umgehend versuchte sie sich aus seinem tödlichen Griff zu befreien, aber seine Kräfte waren nahezu grenzenlos. Seine Hände waren wie Stahlklauen, die sie nicht loslassen würden, ehe sie tot war. Dennoch kam ihr nicht in den Sinn aufzugeben. Die Situation war nicht die erste dieser Art, also gelang es Emilia recht schnell Ruhe zu bewahren. Ihr Vorteil war es, dass ihr Gegner sie nicht als ernste Bedrohung ansah. Daher setzte sie auf das Überraschungsmoment.

Sie wartete noch einen Augenblick, bevor sie ihre Arme nach oben riss, eisern seine Handgelenke umfasste und beide mit ruckartigen Bewegungen brach.

Wallis´ gellender Schrei echote durch die verlassenen Straßen und ging ihr durch Mark und Bein. Reflexartig ließ er von ihr ab, sodass wieder rettender Sauerstoff ihre Lunge füllen konnte. Begierig sog sie die kalte Luft ein und sammelte ihre Kräfte, um diesem Mistkerl den Rest zu geben.

Doch es kam anders. Ehe sie ihn angreifen konnte, stürmte James schnaubend auf Cillian zu, zog ihn rabiat von ihr weg und machte kurzen Prozess, indem er ihm in den Kopf schoss. Blut spritzte auf den durch Eis glitzernden Asphalt und verwandelte den traumhaften Anblick in etwas Widerwärtiges.

„Alles in Ordnung?“ Der Klang seiner rauen Stimme zog ihre Aufmerksamkeit auf den Dunkelhaarigen, der blutbefleckt über ihr auftauchte und ihr die rechte Hand entgegenstreckte.

Emilia schlug seine Hilfe jedoch angesäuert aus und stand aus eigener Kraft auf. Als sie ihm direkt gegenüberstand, holte sie aus und verpasste ihm eine Ohrfeige, die es in sich hatte. Sein Kopf wurde zur Seite geworfen und ein überraschtes Keuchen kam über seine Lippen.
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Die Blondine wartete nicht auf seine Reaktion, sondern wandte sich ab und verließ eiligen Schrittes den Schauplatz ihrer Morde.

„Verdammt, was sollte das, Emilia?“, machte er seinem Ärger über ihre Tat hörbar Luft, als er ihr hinterher kam.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, wich sie gespielt ahnungslos aus, was ihn allerdings weder täuschen, noch davon abhalten konnte weiterzufragen. Dreist stellte er sich ihr einfach in den Weg, sodass sie gezwungen war stehen zu bleiben.

„Stell dich nicht dumm! Du hast mir gerade eine verpasst, nachdem ich Cillian Wallis von dir heruntergezogen habe. Warum hast du das getan?“ Seine Gesichtszüge waren hart und starr, ähnlich einer Statue. Pausenlos schwieg die blonde Killerin, da sie keinerlei Lust verspürte mit ihm zu diskutieren.

„Kannst du mal den Mund aufmachen? Ich rede schließlich mit dir!“



Emilia war genervt von seiner Penetranz, die sie in ihrem verärgerten Zustand jetzt gar nicht gebrauchen konnte.

„Du willst es wirklich wissen, ja?“, fauchte sie und stemmte energisch die Hände in die Hüften.

„JA!“

„Es wäre nicht nötig gewesen einzugreifen, okay? Ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Ich bin nämlich schon erwachsen, aber das scheinst du ja regelmäßig zu vergessen.“ Ihr Gegenüber zog ein Gesicht, als wisse er nicht, wovon sie redete.

„Du glaubst, wie unsere lieben Kollegen, dass ich mich als Frau nicht behaupten kann und die Hilfe eines Mannes benötige!“ Sie wurde stetig aggressiver, was sie an der Hitze bemerkte, die ihr in den Kopf stieg.

„Ihr könnt es nicht lassen euch als Retter aufzuspielen; als die Beschützer der schwachen Frauen!“ Der Dunkelhaarige schüttelte ungläubig den Kopf.

„Hörst du eigentlich, was du da sagst?“

„Ja, das tue ich, James. Ich kann auf Männer verzichten, weil ich mich nicht auf sie verlassen kann. Das hat sich in der Vergangenheit oft genug gezeigt“, äußerte sie verbittert und hasserfüllt.

„Das heißt, du vertraust mir auch nicht oder was?“ Seine Stimme überschlug sich beinahe vor Entsetzen. Emilia vermied es ihm eine Antwort zu geben oder ihn anzusehen.

„Deine Reaktion reicht mir, Emilia“, raunzte er sie ärgerlich an. „Scheiße, ist es immer noch wegen der Sache mit Ophelia? Ich dachte das hätten wir geklärt.
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„Mein Vertrauen kehrt nicht plötzlich zurück, nur, weil ich deine Entschuldigung angenommen habe. Dies braucht seine Zeit, James. Ich möchte einfach nicht mehr enttäuscht werden.“ Bedauernd senkte sie den Blick. „Ich habe schließlich meine Lektion gelernt.“

„Und was für eine Lektion soll das bitte sein, hm? Dass James Roddick ein Scheißkerl ist, auf den man sich nicht verlassen kann?“ Sein Tonfall war angriffslustig.

„Du bist kein Scheißkerl, James“, relativierte sie seine Aussage. „Aber…“

„Aber was?!“

„Aber ich konnte mich genauso wenig auf dich verlassen, wie auf...“ Im letzten Moment unterbrach sie sich, bevor ihr der Name Marcus Dubois herausschlüpfte.

„Auf wen, huh? Raus mit der Sprache!“ Ihr junger Kollege forderte etwas von ihr, was sie keinesfalls tun konnte. Niemals würde sie ihm von dem größten Fehler ihres Liebeslebens erzählt.

„Vergiss es, James“, brachte sie in einem Ton heraus, der keine Widerworte duldete. Gleichzeitig gab sie sich die größte Mühe nicht loszuheulen. Sie schämte sich dafür, dass die Sache mit Marcus ihr, trotz der vergangen Zeit, noch so nahe ging und sie dermaßen aufwühlte.

„Du wirst mir niemals wirklich verzeihen können, oder?“, kam es als nächstes von ihm. Emilia konnte nicht klar sagen, ob bei ihm die Enttäuschung oder doch die Wut überwog. Auch sein Gesichtsausdruck war für sie nicht zu deuten.

„Man kann verzeihen, aber nicht vergessen“, wisperte sie instinktiv, ohne über ihre Worte und deren Wirkung nachzudenken. Glücklicherweise entgegnete er nichts, wofür sie unendlich dankbar war. Denn es reichte ihr bereits zu spüren, wie sehr sie ihn mit ihrem Misstrauen kränkte und sie sich ein weiteres Mal Stück für Stück voneinander entfernten.

Die toxischen Einflüsse auf ihre Beziehung ließen sich nicht mehr verleugnen. Sie hatten alles bisher Gute und Verlässliche infiziert und tiefere Wunden hinterlassen, als vermutet.

Beide konnten jedoch nicht ahnen, dass ihre Freundschaft in wenigen Monaten völlig zerstört sein würde.
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