Sehnsucht nach Susan (Eine Traumreise nach Xanten)   110

Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    Frank Bao Carter      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. Mai 2018
Bei Webstories eingestellt: 12. Mai 2018
Anzahl gesehen: 1958
Seiten: 3

Es ist Sonntagmorgen. Ich wache auf. Im Zimmer ist es sehr hell. Draußen scheint die Sonne. Ich hebe den Kopf, sie sind alle noch da.

Auf dem Fußboden liegen zwei einhundertundachtzig Zentimeter breite Matratzen. Kopf an Kopf, dazwischen nur ein dreißig Zentimeter Hohes Regalbrett, aufgestellt auf Eisenfüßen. Neben mir liegt Andreas, auf der Matratze uns Männern gegenüber, mit den Köpfen zu uns, die Schwestern Britta und Susan. Britta ist die Freundin von Andreas. Noch immer. Nach all den neunundzwanzig Jahren. Ihr Kopf liegt ihrem Lebenspartner gegenüber, meiner könnte Susans berühren, wäre nicht der niedrige Raumteiler dazwischen. Aber das ist ja bei weitem nicht das größte Hindernis. Susan und Felix, Felix, das ist meine Wenigkeit, haben ihre Freundschaft vor eben diesen neunundzwanzig Jahren zu Grabe getragen.



Ich merke, wie die anderen aufwachen. Eine unsagbar große Angst kriecht in mir hoch. Ich fühle mich gelähmt, wage nicht die Augen zu öffnen. Nach so vielen Jahren ist meine Blonde Freundin aus Xanten wieder in meinem Zimmer. Aber nicht freiwillig. Zudem liegt eine ganz große Distanz zwischen uns, befürchte ich.

Gestern Nachmittag kam der Anruf von Andreas. Die drei hätten eine Revivaltour nach Berlin gemacht und leider kein Zimmer für eine Übernachtung gefunden, ob sie mich belästigen dürften. Natürlich sagte ich ja.



Jetzt ist die Furcht so groß, Susan würde aufstehen und das Haus verlassen. Ohne ein Wort. Ohne mir die Chance zu geben, sie neu kennen zu lernen. Die Schmerzen zehren an mir, diese Qual, die zurück ist. Jene, die mich nach der realen Trennung vor neunundzwanzig Jahren so lange plagte.

Gleichzeitig ist der Wunsch überdimensional, Susan würde zu mir zurückkommen, würde mir das Zeichen geben, dass wir zusammen gehören. Jetzt, hier in der Wohnung, an diesem schönen, friedlichen Morgen.



Andreas und Britta gehen auf den Balkon, Susan ins Bad. Ich wage nicht zu atmen. Wohin geht sie, wenn sie zurück kommt? Nach draußen? Zu mir? Oder werde ich gleich die Wohnungstür ins Schloss fallen hören? Mir wird schlecht. Diese Ungewissheit frisst meine Seele auf. Mit vor Angst weit aufgerissenen Augen starre ich die Zimmertür an.
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Als sie aufgeht, kneife ich meine Sehschlitze zu. Ich höre die tapsigen Schritte ihrer bloßen Füße auf den Holzdielen. Sie verharren vor der Matratze, gehen nicht an mir vorbei, um auf den Balkon zu gelangen. Sogleich wackelt meine Federkernunterlage. Susan legt Kopf und Schultern ab, bettet sich quer zu mir, streckt ihre Hand aus. Sie berühren meine Finger leise. Ich greife samtweich zu, halte ihre Hand.

Minuten liegen wir in dieser Art, spüren in uns hinein. Ich merke, wie unsagbar wohl mir diese Berührung tut. Dieses Zeichen, sie mag mich noch ein ganz klein wenig. Ich bin in ihren Augen kein Unmensch.



Dennoch schwindet nicht mein diffuses Gefühl. Warum kommt sie nicht ganz zu mir, legt sich an meine Seite, so wie früher? Wieso bewahrt sie diese Distanz, die mich befürchten lässt, der Händedruck ist nur ein erneuter Abschied? Mir wird flau im Magen. Dabei würde ich mich so gerne wohlfühlen. Möchte das Glück und die Lebensfreude wieder erlangen, die wir einst hatten. Sehne mich so unbeschreiblich danach, wieder zu ihr zu gehören.





Britta und Andreas kommen vom Balkon rein. Wir vier frühstücken und beschließen spontan, die dritte Schwester von Susan zu besuchen: Heidi.

Die Straßen von Neukölln werden vom Sonnenlicht beherrscht. Überall ist es hell und freundlich. Wir gehen alle nebeneinander her. Jede und jeder für sich. Nur über unsere Dialoge halten wir zusammen. Die beiden Schwestern an meiner Seite berichten mir im Zeitraffer, was Heidi die letzten Jahre so gemacht hat. Leider ist sie nicht zuhause. Erst haben wir Angst, dann denken wir, sie könnte bei den Eltern in Xanten sein.

Einen Lidschlag später gehen wir vier in Xanten durch eine Markthalle. Durch die Dachfenster fällt das helle Licht der Sonne. Die Stände sind alle besetzt, Susan grüßt nach links und rechts, sehr viele Menschen kommen uns entgegen oder schwimmen mit uns in die gleiche Richtung.

Susan legt ihren Arm um meine Schulter. Ich antworte, indem ich meine Hand um ihre Taille lege. Meine blonde Freundin lässt die Berührung zu. Beim Weitergehen lächelt sie alle Menschen an. Sie zeigt ihrer Heimat, ich gehöre zu ihr, sie haben mich wie Susan selber in ihren Herzen aufzunehmen.



Ich bin fassungslos vor Glück.
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Das Ziel meiner langen Wanderung ist erreicht. Es fühlt sich unschlagbar befreiend an, Arm in Arm mit Susan durch die Hallen zu gehen und zu wissen, diese Umarmung nicht noch einmal zu trennen. Ich spüre, wie auch meine blonde Freundin den Wunsch hat, das geheimnisvolle Band, das unsere Seelen aneinander hält, kein zweites Mal zu durchschneiden. Die Zukunft gehört uns.



Als ich erwache, bin ich mehr als bewegt.



++++



Eine weitere Story, in der sich ein ehemaliges Liebespaar wiedertrifft, ist hier bei webstories meine Geschichte „Lucille wird erneut in die Finsternis gestoßen (Version 2018)“. Allerdings liegen bei dieser schicksalshaften Erotik-Geschichte über zweitausend Jahre zwischen dem Sich-Wiederfinden.
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Punktestand der Geschichte:   110
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Kommentar von "Lisa" zu "Endlich aufgewacht..."

Ich habe keine Probleme damit, den Text zu verstehen. Mir gefällt er gut, denn wenn man aufwacht, ist das immer etwas Positives. Gruß Lisa

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