Mortal Sin 2004- Ladies Night   130

Romane/Serien · Spannendes

Von:    JoHo24      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. März 2018
Bei Webstories eingestellt: 21. März 2018
Anzahl gesehen: 2134
Seiten: 11

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.

- Albert Einstein





Der Regenschauer, der vor gut einer Stunde eingesetzt hatte, nahm immer weiter zu. Wie kleine Flüsse rann das Wasser inzwischen die Scheiben hinab. Es ließ sich nur kurzweilig von den Scheibenwischern aufhalten, die eifrig arbeiteten, um den Insassen die Sicht nach draußen zu gewährleisten.

Die Scheinwerferkegel durchbrachen die Dunkelheit und zeigten ein nahezu ausgestorbenes Saint Berkaine. Das anhaltende Unwetter hinderte sie jedoch nicht daran aufs Gaspedal zu drücken und die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu übertreten. Die rote Corvette glitt lautlos über die nassen Straßen, wie eine Schlange, die auf der Suche nach Beute durchs Unterholz kroch. Im engen, ledernen Innenraum hing eine leichte Nikotinnote, die ein qualvolles Brennen in ihrer Nase verursachte. Emilia Sophia McDermott hätte gerne ein Fenster geöffnet, doch der Regen machte dies unmöglich. Sie drehte ihren Kopf kaum merklich nach links.

Die Fahrerin des Wagens, Ophelia Monroe, hatte ein verträumtes Lächeln auf den schön geschwungenen Lippen, während sie durch die Stadt kurvten. Die Kolleginnen waren nach einem Treffen in Williams Büro gemeinsam unterwegs und zwar ausgerechnet zu Emilias Haus. Ihr war etwas mulmig zumute, denn Ophelia war der erste, und vermutlich auch einzige Mensch aus ihrem Berufsleben, den sie in ihr Zuhause ließ. Somit betrat sie ihre Privatsphäre; ihr Allerheiligstes, was sie unruhig werden ließ, obwohl es ihr Vorschlag gewesen war noch etwas bei ihr zu trinken.

In den vergangenen Wochen hatten sie regelmäßig etwas unternommen und sich dadurch angenähert. Sie würde sogar sagen, dass sie Freundinnen geworden waren. Dennoch gab es einen Keim in ihrem Herzen, aus dem Misstrauen spross, das sie nicht loswurde, egal, wie viel Zeit sie mit der Brünetten verbrachte und wie persönlich ihre Gespräche waren. Es war die natürliche Vorsicht, die sie vor jeglichen Gefahren beschützen wollte, damit sie keinen Schaden nahm. Und Ophelia Monroe sah ihr Unterbewusstsein; ihr Instinkt als Feind an, was sie sich kaum erklären konnte. Hing ihr noch die Unterhaltung mit ihr während des Eislaufens nach? Konnte sie ihre grundverschiedenen Ansichten im Bezug auf ihre Arbeit nicht vergessen? Was war es, das sie daran hinderte ihr völlig zu vertrauen?

„Ist es noch weit?“, durchbrach ihre wohlklingende Stimme das Chaos in ihrem Kopf.
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Emilia sortierte zunächst ihre Gedanken, ehe sie angestrengt in die herrschende Finsternis starrte, darum bemüht sich zu orientieren. Nach Minuten hatte sie sich einen Überblick verschafft und war in der Lage zu antworten.

„Du musst die nächste Straße rechts rein fahren und dann die erste Abbiegung links, dann sind wir da.“ Ihr Tonfall war ungewollt unterkühlt und abwehrend, als wollte ihr verborgener Argwohn auf direktem Weg hinaus und in Erscheinung treten.

„Was ist mit dir?“, entging ihren feinen Antennen ihre umgeschwungene Stimmung nicht, was Emilia peinlich berührte und in arge Bedrängnis brachte. Sie hatte nicht gewollt, dass ihre Zweifel ans Licht kamen; dass ihre Kollegin mitbekam, dass zwischen ihnen etwas nicht stimmte. Dabei war einzig und alleine sie es, die unsicher war und ihre Beziehung zueinander in Frage stellte.

„Emilia?“ Kurz sah sie sorgenvoll zu der Blondine herüber, ehe sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. Durch ihre Besorgnis fühlte sie sich nur noch schlechter.

„Sorry, ich bin nur etwas müde“, fand sie eine billige Ausrede, die sie ihr sicherlich nicht glauben würde. Und tatsächlich durchzog für einen Augenblick Bitterkeit ihr Gesicht, wie ein tiefer, hässlicher Riss, der sie entstellte. Schnell hatte sie jedoch ihren Unmut überwunden und begann zu lächeln.

„Hey, das ist doch nicht schlimm. Es ist schon spät und das Treffen mit unseren Kollegen und William war anstrengend genug“, zwinkerte Ophelia ihr forsch zu, was ihr ein heiteres, hohes Lachen entlockte und sie eifrig nicken ließ.

Ja, sie hatte Recht. Wenn ihr Boss seine Killer versammelte, dann war für sie eine ermüdende, nervraubende Zeit angebrochen, da er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte seine Mitarbeiter mit seinen ewigen Kapriolen über Loyalität und grenzenloser Ergebenheit zu langweilen. Dadurch wurde jeder Abend mit ihm unerträglich, was sie aber versuchte sich nicht anmerken zu lassen. Immerhin war William der Boss und hatte Respekt verdient, auch wenn dieser nur zum Schein von ihr aufrecht erhalten wurde.

„Wo muss ich anhalten, Emilia?“, drang sie ein weiteres Mal in ihre Gedanken ein. Mittlerweile hatte Ophelia die Geschwindigkeit enorm gedrosselt und schlich nun im Schritttempo eine schwach beleuchtete Straße entlang.
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Die Blondine erkannte die Häuser ihrer Nachbarn, sodass sie sie bat am letzten Haus zu halten.

Kaum erhob sich vor ihren Augen ihr Heim, mit den vielen kleinen Fenstern und den schnörkeligen Holzverzierungen, da überfiel sie ein wohliges Gefühl, das sich auf ihre Schultern legte, als wolle es sie wärmen und willkommen heißen.

Ophelia schaltete den Motor aus. Auf einen Schlag war es totenstill, sodass sie ihren eigenen hektischen Herzschlag und Ophelias melodisches Summen hören konnte.

Die beiden Killerinnen verließen die Corvette und näherten sich gemeinsam dem Haus, um das rundherum Fichten wuchsen, die in der Nacht wie Kirchtürme wirkten, die in den Himmel ragten.

„Ein gemütliches, kleines Häuschen“, schwärmte sie entzückt neben ihr und klatschte vorfreudig in die Hände. Sie war gespannt darauf zu sehen, wie sie lebte und konnte es kaum erwarten ihr Zuhause zu erkunden. Emilia ertappte sich dabei, wie der Wunsch, dass Ophelia nicht hineinging, sondern auf der Stelle verschwand, in ihr aufkam und stetig größer wurde.

Sie würgte den riesigen Kloß in ihrem Hals gewaltsam herunter und schüttelte ihre innere Unruhe ab, ehe sie ihren Schlüssel zu Tage förderte und mit weichen Knien die Stufen der Veranda erklomm.

Die dicken Absätze ihrer violetten Samt-High Heels dröhnten dumpf in ihren Ohren und hinderten sie daran einen klaren Gedanken zu fassen. Wie mechanisch schloss sie mit zittriger Hand die Haustür auf und öffnete damit die Büchse der Pandora.

Mit einem großen Schritt stand sie im kurzen Flur, mit der Treppe, die ins obere Geschoss führte, der unzähligen Familienfotografien und dem antiken Mahagonisekretär ihrer Großmutter Sophia. Eine Woge der Freude überkam sie und ließ sie fast schweben. Es war die märchenhafte Magie ihres Zuhauses, die alles Schlechte verschwinden und nur das Gute zurückließ. Diese Räumlichkeiten, mochten sie auch noch so überschaubar sein, fungierten als Rückzugsort, wo sie vor der grausamen, blutrünstigen Welt fliehen und sich verstecken konnte, wie ein kleines Kind vor den Monstern in seinen Albträumen. Hier brauchte sie sich nicht für ihre Taten zu rechtfertigen oder wurde von Selbsthass zerfressen. Hier war sie Emilia McDermott, die blonde, strebsame Frau, die einer behüteten Familie entwachsen war. Emilia McDermott, die Auftragskillerin existierte hier nicht.
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Sie schaltete das Licht an und gab somit für Ophelia den Blick frei auf ihre heile Welt, die durch ihre bloße Anwesenheit die von ihr scharf gesetzten Grenzen zur Außenwelt verschwimmen ließ. Die Dunkelhaarige war ein eingeladener Eindringling, der ihre erschaffene Sicherheit ins Wanken bringen und zerstören konnte, doch sie hatte sich dafür entschieden sie hierher zu bringen, also musste sie dieses Risiko eingehen.

„Komm rein“, lud sie ihre Kollegin mit einer Handbewegung ein, die ihr Angebot unverzüglich annahm. Mit klackerten Pfennigabsätzen schritt sie ins Haus und schloss die Tür. Anschließend hängte sie wortlos ihren engen, weißen Blazer, den sie den ganzen Abend über die Schultern getragen hatte, an die Garderobe. Nun kam ihre blasse Alabasterhaut in ihrem silbernen Glitzerbustier besonders zur Geltung, sowie ihre Wespentaille in ihrer hoch geschnittenen schwarzen Stoffhose.

In Emilia ziepte der Neid. Noch immer verblüffte und erschreckte es sie, wie makellos schön die Brünette war. Auf sie machte es den Eindruck, als habe Gott seine gesamte Macht ausschließlich in diese zarte, gertenschlanke Frau gesteckt. Höchstpersönlich hatte er die Grübchen in ihre Wangen gesetzt, ihre Lippen aufgefüllt und sie in marmorweiße Farbe getaucht. Er hatte so lange an ihr gearbeitet, bis seine Arbeit perfekt gewesen war.

Er hatte einen wahrhaftigen Engel auf die Erde geschickt, der seine Mitmenschen mit seiner strahlenden Aura verzauberte.

„Was möchtest du trinken?“, fragte Emilia ihren Gast höflich, von dem sie kaum die Augen lassen konnte.

„Wenn es geht einen Martini, bitte“, entgegnete sie geistesabwesend, während sie gemächlich

den Flur entlang schlenderte und ihre Fotogalerie mit wild funkelnden Augen betrachtete. Statt ihrem Getränkewunsch nachzukommen, verharrte sie in ihrer Position und begann nervös an ihren Nägeln zu kauen, bis sich ihre Kollegin plötzlich zu ihr umdrehte.

„Ist das deine Schwester?“, fragte sie neugierig auf ein Foto zeigend, auf dem ein blonde, junge Frau zu sehen war.

„Ja, das ist meine kleine Schwester Lilly“, bestätigte sie umgehend und verspürte zeitgleich ein Stechen in ihrem Herzen, als die Sehnsucht nach ihrer Familie sie überwältigte. Schnell drängte sie ihre ansteigende Verzweiflung jedoch in den Hintergrund und konzentrierte sich wieder auf die Brünette, die liebreizend lächelte und mit einem atemberaubenden Augenaufschlag brillierte.
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„Sie ist wunderschön“, wisperte sie beinahe lautlos. „Wie ihre große Schwester.“

Ihr darauffolgender Blick vereinte Leidenschaft und brennendes Verlangen, was Emilia hart schlucken ließ. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als Ophelia ihre rechte Hand hob und ihr sanft eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht strich. Ihre blauen, liebenswürdigen Augen weiteten sich. Passiert das hier wirklich oder träume ich?

Die Blondine biss sich fest auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Sie war mit der merkwürdigen und ungewohnten Situation heillos überfordert. Die herrschende Anspannung und das Knistern, das in der Luft war, konnte sie körperlich, in Form eines heftigen Drucks gegen ihre Brust spüren, als sei ihr Herz angeschwollen und viel zu groß geworden.

Während sie nicht wusste, wo ihr der Kopf stand, war Ophelia die Ruhe selbst. Für sie war es anscheinend nichts Außergewöhnliches, einer Freundin Komplimente zu machen, die sie knallrot anlaufen ließen. Doch um ehrlich zu sein, waren es nicht die Komplimente, die sie verwirrten, sondern das Erotische; die Begierde nach ihr, die ihre Kollegin umhüllte, wie eine zweite Haut.

Emilia hätte nicht erwartet, dass Ophelia sich an sie ranmachen würde. Dass sie überhaupt an Frauen interessiert war, überraschte sie und war ihr neu. Oder habe ich die Anzeichen dafür einfach übersehen? Gedanklich ging sie jedes Treffen mit ihr noch einmal durch, aber etwas finden konnte sie auf Anhieb nicht. Vielleicht bilde ich mir das Ganze ja auch nur ein und… Jäh brach die intime Zweisamkeit auseinander und ihre angespannten Muskeln strafften sich, als die Brünette ihre Hand zurückzog, ihr den Rücken zuwandte und damit fortfuhr sich seelenruhig ihre Familie anzusehen.

Blitzschnell hatte Ophelia Monroe einen engen Kreis aus Hingabe und Sehnsucht um sie gezogen, nur um diesen ebenso schnell wieder zu zerreißen und Eiseskälte zwischen ihnen zu hinterlassen. Emilia blinzelte irritiert.

War ihr aufgefallen, dass sie sich unwohl fühlte oder war ihre Annäherung bloß ein Spiel gewesen, das sie nun beendet hatte, weil es sie langweilte? Ihre Grübeleien gingen weiter, bis ihr der Martini in den Sinn kam, um den sie gebeten hatte. Sie nahm dessen Zubereitung zum Anlass, in die Küche zu gehen und Abstand zu ihrer Kollegin zu gewinnen.
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Kaum im Nebenzimmer angekommen, lehnte sie sich gegen die nächste Wand und atmete erstmal tief durch, ehe sie sich in der Lage sah Ophelias Drink zuzubereiten. Auch sie würde sich einen ordentlichen Schuss Alkohol gönnen, um die Erinnerung an den unangenehmen Moment auf dem schnellsten und effektivsten Weg auszulöschen.

Emilia ging an die Arbeit. Routiniert suchte sie die benötigten Zutaten für ihre Drinks aus den Schränken heraus und startete mit dem Martini. Das eifrige, geschäftige Klirren von Flaschen und Gläsern lockte Ophelia an, welche ihren Kopf vorwitzig in die Küche streckte. Sofort versteiften sich ihre Glieder, was ihr das Mixen erheblich erschwerte. Sie schüttete mehr Wermut auf die Küchenzeile, als ins Glas.

„Brauchst du Hilfe?“, flötete sie wie ein Vögelchen im Frühling.

„Nein, es geht schon“, winkte die Blondine ab und konzentrierte sich zunehmend auf die Getränke. Unterdessen trat sie mit den Händen auf dem Rücken verschränkt in die Küche, dessen Mobiliar weiß und im Landhausstil gehalten war. Ein umschweifender Blick genügte ihr, um den Raum komplett zu scannen und ihn für geschmackvoll eingerichtet anzuerkennen.

„Man sieht, dass du viel Liebe und Zeit in dein Haus gesteckt hast, Emilia.“ Bewundernd setzte sie sich ihr gegenüber an die Kochinsel und strich ihr ellenlanges dunkles Haar hinter ihre Schultern.

Automatisch hob Emilia den Kopf und sah sie an. Ophelias große blau-grüne Augen, geziert von tintenschwarzen, dichten Wimpern, glichen einem glitzernden Teich an einem warmen Sommertag. Die Spannung zwischen ihnen kehrte überraschend stark zurück und ließ sie zu Stein erstarren. Ihre Hände stoppten ihre Arbeit, ihre Atmung wurde hektisch und flach.

„Und die vielen Fotos zeigen deine tiefe Verbundenheit zu deiner Familie.“ Ihre Stimme hatte einen monotonen, mechanischen Klang angenommen, als sei dies eine auswendig gelernte Phrase, die man der gesellschaftlichen Konventionen Willen aussprach und nicht weil man es ernst meinte.

„Meine Familie bedeutet mir alles. Sie gibt mir Halt, Liebe und Vertrauen“, kam es nur mühsam über ihre Lippen, da sie befürchtete auf Unverständnis zu treffen. Denn Ophelias Familiengeschichte stand im krassen Gegensatz zu ihrer eigenen, wie sie bei ihren Gesprächen erfahren hatte. Völlig emotionslos und unterkühlt hatte sie ihr von ihrer Kindheit erzählt.
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Sie hatte keine schönen Erinnerungen; keine liebevollen Momente erlebt, sondern ausschließlich die alltäglichen, abscheulichen Misshandlungen ihres Vaters und das Desinteresse ihrer Mutter. Emilia McDermott fühlte sich unbehaglich mit ihr über das Thema Familie zu sprechen, weil sie selbst behütet und geliebt aufgewachsen war. Unwillkürlich bekam sie ein schlechtes Gewissen, als sei sie Schuld an Ophelias jahrelangem Martyrium.

„Wissen sie denn, was du tust?“, fragte sie provokant und durchschnitt mit der Schärfe ihres Tons die Luft. Sie wollte der Blondine demonstrieren; genüsslich unter die Nase reiben, dass ihr Familienleben nicht so perfekt war, wie sie ihr weismachte. Emilia nahm ihr diesen Zug nicht böse, da sie wusste, dass sie es aus Frust und Hass auf ihr eigenes Leben tat. Dennoch hatte sie mit dieser Frage einen wunden Punkt getroffen.

Die Menschen, die außerhalb der Mauern lebten, hinter denen sie mordete und Blut vergoss, hatten keine Ahnung von ihrer Tätigkeit. Eisern verschwieg sie ihnen die Realität und spielte die Rolle der cleveren, ehrgeizigen Geschichtsstudentin so gut, dass sie zeitweise selbst noch daran glaubte an der Universität zu sein. Sie verabscheute es ihre Eltern und Lilly zu belügen, aber sie hatte keine andere Wahl. Lieber log sie, als sie für immer zu verlieren.

Sie drohte sich in ihren Gedanken zu verlieren, als ihre Kollegin ungeduldig mit ihren langen, manikürten Fingernägeln auf der Eichenholzplatte trommelte und so auf sich aufmerksam machte. Emilia konzentrierte sich wieder auf ihr Gespräch.

„Sie wissen nichts von meinem Job. Sie glauben weiterhin, dass ich studiere“, kam es ihr offenherziger über die Lippen, als gewollt. Ophelia unterdrückte daraufhin mit wenig Mühe ein teuflisches Grinsen, das sie in Alarmbereitschaft versetzte. Ihre Hinterhältigkeit schimmerte nicht zum ersten Mal durch ihre freundliche, wohlerzogene Fassade. Für Emilia war dieses Grinsen der ausschlaggebende Grund, um das Thema zu wechseln, damit sie nicht noch mehr sagte, was sie später bereute.

„Dein Martini“, schob sie den fertigen Drink plakativ unter ihre Nase. Ophelia war keinesfalls dumm und durchschaute ihr Ablenkungsmanöver auf Anhieb, welches sie mit einem heiteren Glucksen hinnahm.

„Du kannst mir auch ganz offen sagen, wenn ich mit meinen Fragen zu weit gehe, Emilia“, kam sie direkt auf ihr eigenes Fehlverhalten zu sprechen.
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„Oft bin ich zu neugierig und vergesse dabei, dass mich nicht alles etwas angeht.“ Ihre Stimme war durchzogen von Scham, ihr engelsgleiches Gesicht demonstrierte ehrliche Reue. Doch sah sie hier vor sich pure Aufrichtigkeit oder berechnende Heimtücke?

Emilia vermochte dies nicht zu erkennen, was ihr Angst machte und einen kalten Schauder über den Rücken jagte. Sie war eine Auftragskillerin. Sie war einige Jahre älter, als Ophelia. Dennoch saß diese 17-Jährige Schönheit unbefangen in ihrer Küche und wechselte ihre Mienen und Tonfälle, dass ihr schwindelig wurde und sie vollkommen den Überblick verlor.

Sie wusste nicht, ob sie ihrem Bauchgefühl trauen sollte, welches von ihrer Sympathie und Ehrlichkeit überzeugt war, oder ihrem Verstand, der ihre hohe Gefährlichkeit erkannte.

„Bist du mir jetzt böse?“ Die Blondine zuckte zusammen, indes schob sie schuldbewusst die Unterlippe vor und durchbohrte sie mit einem Blick, der sie beinahe in die Knie zwang.

„Nein…nein“, hörte sie sich jämmerlich krächzen. „Es ist alles gut.“

„Dann bin ich ja beruhigt“, meinte sie erleichtert und genehmigte sich einen Schluck von ihrem Drink.

„Der Martini ist gut.“ Ihr Lob erwärmte ihr Herz und vertrieb die Schatten, die sich über dasselbige gelegt hatten. Emilia McDermott beschloss den Abend mit ihrer Kollegin entspannt und harmonisch ausklingen zu lassen. Heute wollte sie ihren Zweifeln keine Chance mehr geben auszubrechen. Vor sich hin pfeifend, startete sie mit ihrem Drink, der ihr die letzten Unsicherheiten austreiben würde. Gerade schüttete sie roten Wermut zum kanadischen Whiskey, als Ophelia den Martini austrank, ihren Oberkörper leicht vornüber beugte und ihren rechten Arm gezielt ausstreckte. Neben mehreren Alkoholflaschen stand ein bauchiges Glas mit Cocktailkirschen, die sie für ihren Manhattan benötigte und auf das sie es abgesehen hatte.

Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand fischte sie eine der Kirschen an ihrem Stiel aus dem Glas und ließ diese zwischen ihren sinnlichen Lippen verschwinden. Dann trennte sie mit ihren schneeweißen Zähnen die rote Frucht vom Stil und ließ sich den süßen Geschmack auf der Zunge zergehen. Wie konnte essen bloß so verführerisch sein?

Fragend sah sie Ophelia Monroe an, als habe sie diese Frage laut gestellt. Ihre Antwort auf ihre Verwirrtheit war ein Schmunzeln, das eine Mischung aus Schamlosigkeit und Selbstbewusstsein präsentierte und sie ganz schwummrig machte.
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Zunächst konnte sie die Zubereitung ihres Drinks nicht fortsetzen. Erst, als sie ihren fesselnden Blick von Emilia nahm, war sie wieder zu Bewegungen fähig. Schleunigst vollendete sie den Manhattan, den sie gleich mit zwei Zügen leerte. Ihre Kollegin staunte nicht schlecht über ihren Durst.

„Was hast du denn heute Abend noch vor?“, kicherte sie mädchenhaft.

„Das brauchte ich jetzt einfach“, antwortete sie unpräzise und füllte das leere Glas mit Whiskey.

„Mach mir auch noch einen.“ Die Brünette überging glücklicherweise ihre merkwürdige Aussage und reichte ihr das Martiniglas. Schweigend kam sie ihrem Wunsch nach und ehe sie sich versah, waren beide Killerinnen mit frischen Drinks ausgestattet, die nur darauf warteten von ihnen genossen zu werden.

„Lass uns ins Wohnzimmer gehen. Dort ist es gemütlicher“, schlug sie unbedacht vor. Das ihre Worte falsch verstanden werden konnten, kam ihr erst spät in den Sinn. Zu spät.

„Klar. Alles, was du willst.“ Verrucht befeuchtete sie ihre Lippen, ehe sie sich schwungvoll von ihrem Stuhl erhob und darauf wartete, dass ihre Gastgeberin vorausging. Diese brauchte einen Moment, bevor sie die Kontrolle über ihren Körper ihr Eigen nennen und die Küche verlassen konnte. Was habe ich mir da nur wieder eingebrockt? Warum habe ich auch meine Klappe nicht halten können?

Jetzt hatte sie die intensive, Atem verschlagende Atmosphäre wiederbelebt, die im Flur von Ophelia von einer Sekunde auf die andere versiegt worden war und ihr Sehnsüchte aufgezeigt hatte, die sie unerwartet ergriffen hatte. Was habe ich nur getan?

Den Kopf voll mit quälenden Fragen führte sie Ophelia ins Wohnzimmer, die sich sogleich auf die zartblaue Couch fallen ließ und sich wie Zuhause fühlte. Während sie also sorglos den Martini auf den niedrigen Tisch stellte und ihre Füße von den fünfzehn Zentimeter High Heels befreite, versuchte Emilia sich so lange und unauffällig, wie möglich, von ihr fernzuhalten.

„Gehst du mir aus dem Weg?“, fragte sie, erheitert über ihre eigenen Worte. Die Blondine verschränkte beharrlich die Arme vor der Brust und hielt verkrampft ihr Glas fest. Die junge Killerin hatte sie erneut durchschaut, was ihr ganz und gar nicht gefiel.
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Ihr anhaltendes, eisernes Schweigen wertete sie als Bestätigung ihres Verdachts. Ihre in Form gezupften Augenbrauen hoben sich verräterisch nach oben.

„Was ist los mit dir, hm?“ Emilia kam ein weiteres Mal in Versuchung ihrer infantilen Marotte, dem Nägelkauen, nachzugeben. Im allerletzten Moment siegte jedoch ihre Selbstkontrolle.

„Wovor hast du Angst, Emilia?“ Sie legte den Kopf schräg und beobachtete ihre Reaktion, aus der sie so viel mehr lesen würde, als aus ihrer Antwort. Also hieß es jetzt stark sein; sich zusammenreißen und nicht zu zeigen, wie sehr Ophelia sie mit ihrem offensiven Verhalten einschüchterte. Sie breitete ihre Schultern, um Selbstsicherheit zu symbolisieren, dann schritt sie zur Couch und setzte sich neben sie.

„Ich habe keine Angst“, äußerte sie in einem Ton, den sie sich selbst nicht glaubte. Sogleich erschien ein belustigtes Blitzen in ihren Augen.

„Mach dir nichts vor, Süße. Du findest mich anziehend und verspürst den Drang mich zu berühren und in meiner Nähe zu sein“, traf sie zu ihrem Entsetzen mitten ins Schwarze und enttarnte ihre verborgenen Sehnsüchte, die sie, so feige, wie sie war, nicht zugeben wollte. „Steh dir nicht selbst im Weg und gib zu, dass du mich willst, so, wie ich dich will“, hatte Ophelia keine Scheu freigiebig über ihr Verlangen nach ihr zu sprechen, was Emilia die Sprache verschlug. Was sollte sie tun? Ehrlich sein oder kläglich weiter lügen? Was würde geschehen, wenn sie sich ihr hingab? Sie hatte doch gar keine Ahnung, wie es war eine Frau zu küssen, geschweige denn mit einer Frau zu schlafen. Bis heute Abend war sie noch nicht mal auf die Idee gekommen, dass eine Frau sie dermaßen aus der Bahn werfen und erregen konnte. Panisch und überfordert blickte sie ihr Gegenüber an, wodurch ihr Plan, Gelassenheit und Mut auszustrahlen, scheiterte. Ihre Kollegin entschloss Taten, statt Worte sprechen zu lassen und hauchte ihr einen Kuss hinter das linke Ohr.

Rasant rutschte ihr das Herz in die Hose und die Wärme in dem kleinen Wohnzimmer stieg dramatisch an. Emilia begann zu schwitzen, ihre Handinnenflächen wurden feucht. Daher war es ihr besonders unangenehm, als Ophelia beherzt ihre rechte Hand ergriff und diese fest an ihre Brust drückte. Sie spürte ihren wilden Herzschlag, der ihr fast schon entgegen sprang.

Mit der freien Hand strich sie ihr das glatte, blonde Haar über die rechte Schulter, ehe sie sie sanft auf den Mund küsste.
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In Emilia explodierte es. Aus jeder Pore sprühte Glückseligkeit und Euphorie. Augenblicklich öffnete sie die Lippen, was Ophelias Zunge als Einladung empfand. Sanft glitt diese in ihren Mund und forderte ihre Zunge spielerisch heraus. Zu ihrer eigenen Verwunderung waren ihre Zweifel und Ängste verpufft, wodurch sie sich beflügelt fühlte. Sie nahm ihr puppenähnliches Gesicht in ihre Hände und intensivierte den Kuss. Gierig und leidenschaftlich erforschte ihre Zunge ihren Mundraum, sehr zum Entzücken von ihrer Kollegin, die einen lustvollen Seufzer von sich gab.

Minutenlang, ihr kam es wie Stunden vor, küssten sie sich atem- und pausenlos. Emilia wollte einfach nicht aufhören. Sie wollte den Geschmack von Ophelias Lippen nicht verlieren; ihre Zärtlichkeiten nicht aufgeben, zumal ihre Begierde es ihr sowieso nicht erlauben würde, sich von ihr zu entfernen. Die beiden jungen Frauen waren zu einer Einheit verschmolzen, die es ihnen verbot wieder als Individuen auseinanderzugehen. Die heutigen Ereignisse würden sie von nun an für immer miteinander verbinden und daran erinnern, wie sehr es sie nach der anderen dürstete. Emilia McDermott schwebte in Sphären, die sie zu einem anderen, einem spontaneren und furchtloseren Menschen machte.

Für sie hätte es ewig so weiter gehen können, doch es war Ophelia, die die mystische Atmosphäre und das Band zwischen ihnen löste, indem sie ihren Kopf zurückzog und sich von ihren hungrigen Lippen trennte. Zunächst war sie enttäuscht; fast schon wütend auf ihre Kollegin, bis ihr klar wurde, dass sie dies getan hatte, um den nächsten Schritt zu wagen. Wie in Zeitlupe zog sie ihr enges Bustier aus und entblößte feste Brüste, die von ihren dunklen Haaren beinahe gänzlich bedeckt wurden. Emilia erwartete von sich selbst, dass sie sich vor Scham oder Unsicherheit zurückziehen und aus der Situation fliehen würde, aber ihre Erregung war übermächtig und ließ nichts zu, was sie von Ophelia Monroe entfernte.

Also tat sie es ihr gleich und streifte wie schlafwandelnd ihre schwarze, transparente Spitzenbluse ab, wodurch sie ihren schwarzen BH ohne Einschränkung präsentierte. Jener gesellte sich jedoch schnell zu ihrem Bustier, welches unweit von ihnen auf dem Fußboden lag.

Bei ihrem Anblick flankierte ein rosenrot Ophelias fahle Wangen, heißblütig glommen ihre blau-grünen Augen.
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Ihre filigranen Finger fuhren Emilias nackte Schlüsselbeine entlang und liefen auf ihrem Brustbein zusammen. Eine wohlige Gänsehaut befiel sie wie ein hartnäckiger Virus und ein Stöhnen entfuhr ihrer Kehle, als sich ihre Hände drängend um ihre Brüste wölbten. In diesem Moment schaltete sich noch der letzte Rest Verstand aus, der im Hintergrund bisher halbherzig weitergearbeitet hatte. Willenlos ließ sie sich mit dem Rücken auf die Couch zurückfallen und genoss die nicht enden wollenden Berührungen ihrer Kollegin, die sie in einen einzigartigen Rausch versetzten.
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Kommentar von "Sabine Müller" zu "Die Lebenswippe"

Hallo, sehr schöne, wahre Gedankengänge! 5 Punkte von mir. lg Sabine

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