Memoiren eines Schriftstellers - 14. Kapitel   365

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Francis Dille      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 17. August 2016
Bei Webstories eingestellt: 17. August 2016
Anzahl gesehen: 2638
Seiten: 16

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Kapitel 14



Penélope war es irgendwann nach zahlreichen gescheiterten Therapien gelungen, ihre Heroinsucht dauerhaft zu bezwingen. Es schien, dass sie ihr Leben wieder unter Kontrolle hatte und arbeitete sogar als Kassiererin in einem Supermarkt, somit konnte sie ihre kleine Wohnung in Los Angeles finanzieren. Manchmal stand sie unangemeldet vor Williams Haustüre, weil sie unbedingt ihre Tochter besuchen und sich etwas Geld borgen wollte. Obwohl William von ihr schon oft enttäuscht wurde und sie ihre Schulden niemals zurückzahlte, half er ihr dennoch jedes Mal aus, mit dem Hintergedanken, dass er sie eines Tages zurückgewinnen würde. Umso mehr schmerze es ihn wenn er von Bekannten oder gar durch die Zeitung erfuhr, dass seine Exfrau sich wieder mit einem vermögenden Prominenten eingelassen hatte. Sein einziger Trost war, dass Penélopes Eroberungen nie dauerhaft bei ihr blieben, weil sie irgendwann ihr wahres Gesicht zeigte und dies oftmals mit zerstochenen Autoreifen und gewalttätigen Auseinandersetzungen eskalierte. Und obwohl Penélope sogar ihre eigene Tochter mit leeren Versprechungen ständig hinhielt, hielt Shirley sie für die beste Mutter der Welt.

Eines Tages musste William in der Zeitung lesen, dass Penélope im dreckigen Toilettenraum einer schäbigen Bar zusammengebrochen war. Da sie ihren Drang zum täglichen Drogenkonsum endlich überwunden hatte, wollte sie sich nur noch gelegentlich einen Rausch gönnen, zumal ihr ohnehin die finanziellen Mitteln dafür fehlten. Doch diesmal hatte ihr ein Dealer unreines Kokain verkauft, das sie zwar günstig erworben hatte, dafür war es aber mit zu hohen Anteilen von Strychnin (Rattengift) gestreckt worden. Wiedermal war William der einzige Mensch gewesen, der sie täglich im Hospital, diesmal jedoch auf der Intensivstation, besuchte, wobei er Shirley aber nie mitnahm und dieses Unglück vor ihr verheimlichte. Tagtäglich erschien er mit einem Blumenstrauß, setzte sich vor ihrem Krankenbett, hörte dem Piepen des EKG- und des Beatmungsgeräts zu und hielt stundenlang ihre Hand.

Sie lag regungslos im Krankenbett, nicht einmal zuckten ihre Augenlider kurz auf. Ihr Gesicht war blass und mit ihren langen glatten, schwarz gefärbten Haaren, sah sie wie Schneewittchen im Glassarg aus. Sie war wunderschön, wie damals. Das Alter, sowie ihr ausschweifender Lebensstil, schienen an ihr spurlos vorüber gegangen zu sein.
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Nachdem sie bereits zehn Wochen im Koma lag und William wiedermal zu ihr ans Krankenbett wollte, entführte der Chefarzt ihn in sein Büro. Einfühlsam erklärte er, aufgrund der massiven Vergiftung, die sie sich selbst zugefügt hatte, sei es höchst unwahrscheinlich, dass Penélope nach dieser langen Zeit jemals aus dem Koma erwachen würde. Da nun ihre Familienangehörigen nicht ermittelt werden konnten, appellierte der Chefarzt an William für die Abschaltung der Herz-Lungen-Maschine, damit Penélope ihren Frieden bekommen könnte. Dann legte der Doktor ihm ein Schriftstück vor, welches er unterzeichnen sollte. William starrte minutenlang auf das seitenlange Formular, und ohne es durchzulesen, holte er das silberne Etui aus der Innentasche seines dunklen Jacketts, nahm die darin liegende Schreibfeder in seine Hand und schrieb anstatt zu unterzeichnen: Mach die Augen auf.

Der Chefarzt blickte ihn verdutzt an.

„Morgen Nachmittag bin ich wieder hier, dann ist sie wach. Falls nicht … Werde ich unterschreiben“, bekundete er niedergeschlagen.

Grußlos stand er auf, ging den langen Korridor zu den Fahrstühlen und verschwand. William Carter hatte nun seinen mächtigen Schutzengel gerufen, um zu handeln. Denn falls Penélope sterben sollte, würde es ihn in unendliche Trauer stürzen und sah sich nicht mehr dazu fähig, die Schwierigkeiten mit seiner behinderten Tochter weiterhin zu meistern. Er würde krank werden, seelisch krank.



Chapter 82-86 aus meinen Memoiren: Die Nanny



Beverly Hills, 1991



Als Shirley achtzehn Jahre alt geworden war wurde sie plötzlich schwierig, und ich wusste mir bald nicht mehr weiterzuhelfen. Das war eine sehr schlimme Zeit für mich und auch für meine Tochter gewesen, wobei ich vor Verzweiflung manchmal hätte einfach losheulen wollen. Aber Gefühlsduseleien konnte ich mir keinesfalls erlauben, nicht als ein alleinerziehender Vater einer schwer behinderten Tochter.

Shirley wollte sich eines Tages ganz plötzlich nicht mehr von mir anfassen lassen. Ich meine, ich musste sie schließlich täglich baden und sie auf die Toilette führen. Sobald ich meine Tochter also versucht hatte sie auszuziehen, schrie sie, schlug mit ihrer gesunden Hand auf mich ein und versuchte mich zu beißen (diesmal aber nicht der Dankbarkeit wegen oder weil sie mir ihre Liebe zeigen wollte).
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Es war eine regelrechte Tortur. Sie weinte bitterlich, wandte sich und strampelte dabei wild mit ihren verkrümmten Beinen, wenn ich sie aus dem Rollstuhl hob und sie in die Badewanne legte. Das war jedes Mal ein wahrer Kampf, denn ein nackter nasser Körper ist glitschig und hatte dabei meine Last, dass sie mit ihrem Gezappel nicht in der Badewanne ertrinken würde.

Sie schrie und weinte dann noch stundenlang weiter, sogar nachdem sie längst wieder angezogen war. Sie weinen zu erleben, dass war ich von ihr ebenso nicht gewohnt. Shirley schrie und jammerte nach ihrer Mama, die nur selten da war und es schien dann sogar so, dass sie mich hasste.

„DADDY DUMM, DADDY BÖSE!“, brüllte sie mich verheult an.

Ich zerbrach mir den Kopf aber kam einfach nicht dahinter, was ihr fehlte oder ich falsch machte. Sie konnte mich ja auch verdammt nochmal nicht aufklären. Ihr Körper hatte sich mit den Jahren zwar weiterentwickelt, sie war nun eine junge Frau geworden mit Brüsten, aber ihr Verstand war auf dem Niveau eines dreijährigen Kleinkindes stehen geblieben.

Es war einfach nur frustrierend und dieser tägliche Terror fing langsam an, mich zu beängstigen, weil ich scheinbar unfähig war, ihr zu helfen. Ich vermutete, dass sie sich einsam fühlte und dieser Zustand für sie eine ganz neue Erfahrung war. Judy besuchte sie nur noch selten, wenn überhaupt, dann allerhöchstens einmal pro Monat. Meistens rief sie obligatorisch an, um mit ihr ein paar Minuten zu plaudern (sie besaß mittlerweile einen eigenen Telefonapparat, weil sie ständig die Leitung ihrer Eltern blockierte). Shirley freute sich ebenso ungemein, wenn das Telefon klingelte und irgendjemand nach ihr verlangte.



Ich rief Judith schließlich an und bettelte förmlich darum, dass sie Shirley wenigstens für eine halbe Stunde besuchen sollte. Sie fuhr mittlerweile selbst Auto und war somit unabhängig. Aber zur Antwort bekam ich nur: „Ach, Onkel William, ich hab doch keine Zeit. Verstehe doch … Ich habe einen neuen Freund und wir wollen ausgehen.“

„Prima“, antwortete ich sogleich, „dann bring ihn einfach mit.
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Shirley wird sich gewiss freuen. Weißt du, sie bereitet mir großen Kummer und ich weiß nicht was ich dagegen unternehmen soll. Sie macht Theater wenn ich sie baden will oder wenn sie auf die Toilette muss. Sobald ich sie nur ins Badezimmer zu schieben beabsichtige, flippt sie richtig aus und schreit und schlägt um sich.“

Durch den Telefonhörer vernahm ich, wie sie ständig inhalierte und ausblies.

„Na ja, mir wäre es auch unangenehm, wenn mein Vater mich baden müsste und so. Auf die Toilette … Ganz schlimm“, sagte sie.

„Ach, das ist doch völliger Quatsch. Shirley kennt es doch gar nicht anders und außerdem ist doch gar nichts dabei. Ich bin doch ihr Vater.“

„Eben drum. Das ist eigentlich Pennys Aufgabe. Doch diese blöde Kuh verpisst sich ständig und du, du rennst ihr noch hinterher obwohl sie mit anderen Typen in die Kiste hüpft! Hör endlich auf für sie ständig den Hampelmann zu machen!“, schimpfte Judy.

Ich verzog blinzelnd mein Gesicht und dachte krampfhaft nach, wie ich dieses unangenehme Thema geschickt wechseln könnte. Penélope war in meinem Freundeskreis schon lange nicht mehr beliebt, und Judith hasste sie sogar weil sie merkte, dass diese Frau mir eigentlich nicht gut tat. Selbst ihr Vater, der sonst großherzige George, zeigte für sie kein Verständnis mehr und versuchte mir bei jeder Gelegenheit einzureden, dass sie ein Fass ohne Boden wäre und ich sie endlich vergessen sollte. „Penny ist eine Schlange, und eine Schlange schlängelt sich durchs Leben. Gib ihr bloß kein Geld! Die rupft dich sonst wie ein Truthahn und gibt es sowieso nur für Drogen aus!“, warnte er mich ständig. „Hältst du mich etwa für total bescheuert? Selbstverständlich gebe ich ihr keinen Cent. Die hat mein halbes Vermögen auf den Kopf gehauen“, antwortete ich ihm zwar überzeugend mit einem vorwurfsvollen Blick, aber höchstwahrscheinlich wusste er sowieso, dass ich ihr bei jeder Gelegenheit ein paar Hunderter zusteckte.

„Was ist jetzt? Wirst du Shirley besuchen kommen?“, fragte ich nachdrücklich und wieder hörte ich deutlich, wie sie inhalierte und ausblies.

„Na schön. Wir kommen vorbei und nehmen sie mit ins Whiskey a Go Go. Dort gibt es sogar behindertengerechte Toiletten.
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Du weißt ja, dort verkehren auch Rollstuhlfahrer. Einige sind querschnittsgelähmte Studenten oder Biker, die mit ihrem Motorrad verunglückt sind.“

„Du spinnst wohl. Mit Shirley kannst du unmöglich in diese Rockerbude gehen. Sag mal, rauchst du etwa schon? Wissen das deine Eltern überhaupt? Trinkst du etwa auch schon Alkohol? Du bist noch keine einundzwanzig! Hey, Kleine, lass das lieber sein, später wirst du das sonst bereuen.“

„Nein, selbstverständlich wissen sie es nicht und das soll auch so bleiben!“, betonte sie. Dann schallte eine quietschende Lache durch den Telefonhörer. „Ausgerechnet willst du mir vom Rauchen abraten, Onkel William? Ausgerechnet DU? Du und Dad habt doch früher sogar mit Jim Morrison und Janis Joplin gekokst. Das weiß doch mittlerweile jeder hier in L.A. und wahrscheinlich die ganze Welt“, kicherte sie.

Judy war für mich wie eine zweite Tochter, die sich schon des Öfteren bei mir ausgeheult und mir ihre intimsten Probleme anvertraut hatte, davon nicht einmal ihre Eltern wussten. Also hatte ich ihr irgendwann von meinen und ihres Vaters Jugendsünden ebenfalls gebeichtet, weil sie es früher oder später sowieso erfahren hätte. Sie war zwar noch sehr jung, aber sie konnte mir sehr gute Ratschläge erteilen und ich quatschte sehr gerne mit ihr. Judith war ja mittlerweile alt genug, wenn sie unbedingt rauchen wollte, dann konnte man es sowieso unmöglich unterbinden. Und weil sie mich schon als kleines Mädchen nie verraten hatte, schwor ich ihr, dass auch ihre Geheimnisse bei mir sicher aufgehoben waren.

„Ich habe eine Idee“, lenkte Judy ein. „Wir wollen zuvor zur Hillcrest Road gehen, da können wir Shirley unbesorgt mitnehmen. Mom geht auch mit, dann kannst du wenigstens beruhigt sein.“

Ich überlegte kurz.

„Das ist doch irgendwo am Sunset Boulevard. Was gibt es denn da so besonderes?“

„Oh Mann, Onkel William“, stöhnte sie. „Du bist genauso wie Dad, nämlich von gestern. An der Hillcrest Road wird eine neue Folge von der Serie Beverly Hills 90210 abgedreht. Ich habe Shannen Dohrety und Luke Perry letztens kennen gelernt, und sie haben mich eingeladen, bei den Dreharbeiten zuzuschauen. Shirley wird begeistert sein und sich schließlich die Serie ansehen. Ich verspreche dir, dass ich dann jede Woche mit ihr gemeinsam die neuen Folgen ansehen werde.
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Es wird nämlich echt Zeit, dass Shirley sich mal was Vernünftiges anschaut als ständig ihre Babysendungen.“

„Luke Perry? Shannen Dohrety? Beverly Hills 90210? Kenn ich nicht“, brummelte ich mürrisch.



Dieser Vorschlag schien zunächst wirklich genial gewesen zu sein. Shirley kam völlig aufgeregt nach Hause zurück und brabbelte stolz, dass sie ganz viele neue Freunde aus dem Fernsehen kennen gelernt hätte. Judy besuchte sie schließlich regelmäßig Donnerstagnachmittags, um gemeinsam mit ihr Beverly Hills 90210 anzuschauen. Aber Shirley zeigte ständig nur hibbelig auf den Fernseher und verkündete, dass sie alle Leute persönlich kennen würde und sie ihre besten Freunde wären. Im Grunde genommen war ihr diese Serie viel zu langweilig, weil sie die Handlung nicht nachvollziehen konnte. Letztendlich war es dann so, dass Judy von ihrer Lieblingssendung kaum etwas mitbekam, weil Shirley sie mit ihrer stetigen Fragerei störte. Als Judy am nächsten Donnerstag wieder zu Besuch kam, weigerte sich Shirley diesmal, dass ihr geliebter Cartoon Channel umgeschaltet werden sollte. Sie hatte sich schnell die Fernbedienung geschnappt, sie fest gegen ihre Brust gehalten, unschuldig geblickt und mit dem Kopf geschüttelt. „Maus gucken“, sagte sie. „Maus gucken.“

Unser kleines Experiment, das mussten Judy und ich uns eingestehen, war gescheitert. Ich war daraufhin auch nicht enttäuscht, als meine junge Freundin von nun ab wieder nur selten erschien und Shirley praktisch wiedermal alleine war.



Ich war total verzweifelt und mit den Nerven sowie mit meinem Latein völlig am Ende. Das Gezeter wurde von Tag zu Tag schlimmer. Shirley machte dann sogar nur noch in die Hose, obwohl sie sich sonst immer gemeldet hatte, wenn sie musste. Und diese Prozedur, sie auszuziehen und sie dann wieder sauber zu machen, war im Grunde noch haarsträubender, als wenn ich sie auf die Toilette geführt hätte. Aber das konnte meine Tochter ja leider nicht begreifen.

Eines Tages saß ich im Schlafzimmer an meinem Schreibtisch und war am Schreiben, da hörte ich wie Shirley mit ihrem Rollstuhl hereingefahren kam. Sie war dann direkt hinter mir gewesen und noch bevor ich mich umdrehte, hatte sie eine Porzellantasse gegen meinen Hinterkopf geworfen.
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Ich schrie auf und schnauzte sie an, dass das wehtun würde und rüttelte wütend an ihrem Rollstuhl, doch Shirley starrte nur gegen die Decke und keuchte, weil sie zornig war. Schließlich besann ich mich, entschuldigte mich bei ihr und versuchte sie zärtlich zu umarmen, doch sie schlug immer wieder auf mich ein, während sie apathisch an mir vorbei schaute.

Sie tat mir unendlich leid, weil sie mir einfach nicht zu verstehen geben konnte, was ich genau falsch machte. Manchmal, wenn ich von der großen Eichenholztreppe hinunter zum Empfangsaal gestiegen kam und sie mich unten entdeckte, kehrte sie mit ihrem Rollstuhl einfach um, weil sie mich nicht sehen wollte. Es ging dann sogar so weit, dass sie nicht mehr essen wollte und ständig den Teller samt Mahlzeit vom Tisch stieß. Dies tat sie zwar öfters, wenn ihr das Essen nicht schmeckte, aber Spagetti Bolognese war ihr Leibgericht und selbst dann nahm sie den Teller und schleuderte ihn auf den Boden.

Ich musste mir schließlich eingestehen, dass ich meine Tochter nicht mehr länger alleine pflegen konnte. Aber das ich Shirley in ein Behindertenheim abschieben sollte, stand für mich völlig außer Frage. Damit Shirley bei mir bleiben konnte, war ich nun gezwungen eine professionelle Krankenpflegerin einzustellen, eine Nanny, die bei uns wohnen würde und zudem müsste die Voraussetzung gegeben sein, dass meine Tochter diese Frau auch akzeptierte.

Ich setzt also eine anonyme Anzeige in die Zeitung, worauf sich etliche Frauen unterschiedlichsten Alters gemeldet hatten. Während den Vorstellungsgesprächen war Shirley stets anwesend, doch sie starrte nur an die Decke und zeigte keine Reaktion. Daran erkannte ich, dass sie nicht die geeigneten Personen waren.

Die meisten Bewerberinnen himmelten mich an und schwärmten von meinen Büchern, statt sich mit ihren Referenzen zu rühmen. Am Ende der Vorstellungsgespräche brachte ich die Damen noch persönlich den weiten Weg über die Einfahrt bis vor zum Eisentor und verabschiedete mich mit den Worten: Ich werde mich dann bei Ihnen melden, sobald ich mich entschieden habe.



Eines Tages erschien eine hübsche Blondine mit Minirock zum Vorstellungsgespräch. Ziemlich sexy und mit einer aufgedonnerten Löwenmähne (für ihre Frisur hatte sie mindestens eine Dose Haarspray verbraucht).
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Sie hatte irgendwie herausbekommen, wer die Annonce veröffentlichte und war mit einer ganz anderen Absicht erschienen. Mit einer Absicht, wovon ich nicht abgeneigt war, denn sie blickte mich ständig lasziv an, machte mehrdeutige Bemerkungen und ließ durchleuchten, dass sie nicht einmal einen Schlüpfer trug.

Also hatte ich rasch eine Videokassette von Shirley Temple in den Recorder eingelegt, meine Tochter vor den Fernseher geschoben und war mit Blondie oben im Schlafzimmer verschwunden. Blöd war nur, dass ich den Lift am Treppengeländer vergessen hatte auszuschalten, denn als wir so richtig bei der Sache waren, stand plötzlich Shirley mit ihrem Rollstuhl mitten im Schlafzimmer und erwischte uns in flagranti. Dann fragte sie mit einem verwunderten Blick brabbelnd: Daddy, was macht ihr denn da? Wieso seid ihr denn nackt? Warum schreit die Frau dauernd so laut?

Na ja, Blondie war dann beleidigt davon marschiert, nachdem sie sich hastig angezogen hatte. Aber seit diesem Missgeschick vergaß ich nicht mehr vorher den Lift abzuschalten, wenn ich die nächste junge Bewerberin erwartete.



Irgendwann lag eine Bewerbung von einer Frau mit überragenden Referenzen in meinem Briefkasten. Nach ihren Unterlagen zufolge war sie eine geschulte Krankenpflegerin, die zuvor einen behinderten Jungen ab den sechszehnten bis zu seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr täglich betreut und gepflegt hatte. Danach war er plötzlich gestorben.

Ihr Name war Thelma Wilson, sie wohnte in Washington DC und war fünf Jahre älter als ich. Ich studierte ihre beachtlichen Unterlagen. Ihre Bewerbung sowie ihren Lebenslauf hatte sie handschriftlich und sehr ordentlich geschrieben. Aber ein Foto von ihr fehlte. Jedoch aufgrund ihrer ausgezeichneten Zeugnisse hatte ich sie telefonisch kontaktiert und ihr schließlich einen Flug nach Los Angeles vergütet, nachdem wir uns ausführlich über zwei Stunden unterhalten hatten. Am Telefon klang sie sehr höflich, sie hatte eine junge, angenehme Stimme, sie war völlig unbefangen und scherzte oft. Anhand wie sie sich artikulierte erkannte ich, dass Mrs. Wilson gebildet und kompetent war. Während unseres Telefonats entwickelte sich automatisch ein Konterfei von ihr in meinem Kopf. Ich sah eine gutaussehende Dame vor mir, die zwar in die Jahre gekommen war, trotzdem aber reizend aussah und sich sicherlich schick kleidete.
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Als sie dann jedoch vor meiner Haustüre stand, war ich erstmal geschockt, denn Thelma Wilson sah meiner verstorbenen Mutter verblüffend ähnlich. Sie war genauso klein wie sie und trug ihr ergrautes Haar zu einer Zopfschnecke. Ebenso war sie für meinen Geschmack altmodisch gekleidet und blickte mich unbeeindruckt durch ihre Hornbrille an, als wir uns begrüßten.

„Hier bin ich, Mister Carter. Wo ist Shirley? Wo ist mein Kind?“, fragte sie bestimmend und marschierte einfach, ohne dass ich sie herein gebeten hatte, in meine Villa hinein. Mrs. Wilson machte einen äußerst selbstbewussten Eindruck auf mich und hatte so ganz und gar nichts mit der Person gemeinsam, die ich mir vorgestellt hatte.

Thelma Wilson stolzierte mit erhobenem Haupt instinktiv in das Wohnzimmer, weil der Fernseher lautstark eingeschaltet war. Shirley saß vor dem Fernseher, sah sich einen Zeichentrickfilm an und aß dabei ihre Lieblingsspeise: Spagetti Bolognese. Thelma Wilson blickte sich verwundert um, weil zahlreiche Blumentöpfe im Wohnzimmer verstreut herumstanden. Dann schaute sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Das Kind isst im Wohnzimmer und sieht dabei fern? Das ist absolut inakzeptabel! Sie braucht beim Essen unbedingt eine stressfreie Zone! Jeglicher Stress ist für sie Gift, und je älter sie wird, desto mehr braucht sie ihre Ruhe und eine Routine! Es wird ausschließlich in der Küche gegessen … Und zwar ohne eingeschaltete Glotze! Nicht einmal Radio!“, sagte sie bestimmend und schaltete den Fernseher kurzerhand aus.

Das war’s dann wohl, dachte ich mir insgeheim und erwartete von Shirley einen mächtigen Protest, welchen sie mir jedenfalls entgegen bringen würde. Aber Thelma war wirklich professionell, denn sie kniete sich sofort zu ihr runter und erklärte ihr in einem freundlichen und ruhigen Ton, ohne dabei von ihrer Autorität einzubüßen, dass essen und gleichzeitig fernsehen nicht gut für sie wäre. Shirley hielt die Gabel in ihrer Hand, guckte sie durch ihre Brille nur unschuldig an, hörte zu und nickte.

Thelma erhob sich, verschränkte ihre Arme und beobachtete sie.

Shirley kniff plötzlich ihre Augen, öffnete ihren Mund, streckte die Zunge raus und schüttelte mit dem Kopf.
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Die zerkauten Nudeln mit der Hackfleischsoße flogen umher und bekleckerten ihren blauen Niki Pullover, mit dem lachenden Sonnenblumen Motiv, und wiedermal meinen teuren Seidenteppich. Dann schlug sie mit ihrer linken Faust, mit der sie die Gabel hielt, auf den Wohnzimmertisch und gab freudige Laute von sich. Thelma nahm ein Taschentuch und säuberte ihren Mund sowie ihren Pullover. Ich schmunzelte.

„Ach, Shirley, nicht schon wieder“, seufzte ich. „Lassen Sie nur, Miss Wilson, ich mach die Sauerei wieder weg. Shirley versucht sie zu belustigen. Das ist schon mal ein gutes Zeichen, denn anscheinend mag meine Tochter Sie.“

Thelma jedoch blickte mich ausdruckslos durch ihre Hornbrille an.

„Ich bin aber absolut ganz und gar nicht amüsiert, Mister Carter. Meiner Meinung nach ist das Mädchen völlig verzogen, und das allein ist nur Ihre Schuld“, antwortete sie und zeigte mit dem Finger auf mich.

„So ein Quatsch“, entgegnete ich ihr ärgerlich. „Meine Tochter ist nicht verzogen, ich habe sie voll im Griff.“

„Daddy, Kekse haben, Kekse!“, forderte Shirley sogleich und deutete auf den Wohnzimmerschrank.

„Sofort, mein Schatz.“

Daraufhin öffnete ich die oberste Schranktür und etliche Chips- und Marshmallow Tüten sowie Smarties Röhrchen und abgepackte Donuts fielen mir entgegen. Verlegen lächelnd blickte ich die Frau an. Etwas schämte ich mich, weil ich ahnte, was sie darüber dachte.

„Tja, wissen Sie, Miss Wilson … Also, ähm, Kekse … Das ist für Shirley der Oberbegriff für Süßigkeiten. Aber am liebsten mag sie die Schokoplätzchen“, antwortete ich und griff nach der Keksdose.

„Beabsichtigen Sie etwa, das Mädchen zu mästen, Mister Carter? Wenn Sie sie weiterhin mit Kalorienbomben füttern, werden sie ihr bald einen breiteren Rollstuhl besorgen müssen. Und was glauben Sie, was das für ein Theater beim Zahnarzt gibt.“

„Moment, so wie Sie glauben, ist es wiederum nicht“, verteidigte ich mich sogleich vorwurfsvoll.

Diese Frau war mir wie ein Dorn im Auge, denn sie erinnerte mich zu sehr an meine Mutter. Sie kam, sie sah, sie tadelte und meinte, unsere Lebensgewohnheiten sofort umzukrempeln? So hatte ich mir das aber wahrlich nicht vorgestellt.
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Ich suchte lediglich eine Nanny, die sich um Shirley kümmerte, damit ich etwas entlastet werden würde. Und zwar eine nette Pflegerin und keine Furie, denn von dieser Art Frauen hatte ich nämlich die Schnauze gestrichen voll.

„Sie bekommt nur ab und zu Süßigkeiten. Ich koche sogar manchmal für sie“, antwortete ich stolz. Ja, ICH kann kochen, wollte ich der hochnäsigen Dame vermitteln.

„Das sehe ich … Spagetti Bolognese. Sehr kreativ und nahrhaft, wenn die Mikrowelle mal außer Betrieb bleibt. Das Kind braucht aber unbedingt eine ausgewogene Ernährung, viel Obst und Gemüse, schließlich kann sie sich kaum bewegen.“

„Es kommt zweimal in der Woche jemand vorbei und macht mit ihr Gymnastik!“, erwiderte ich.

Shirley schlug mit ihrer Hand kräftig auf den Tisch und motzte: „KEKS!“

Daraufhin öffnete ich die Plätzchendose. „Ja, mein Schatz, sofort.“

„Gymnastik? Na ja, das ist ja schon Mal was. Nur wird es wenig nützen, wenn sie ständig McDonald`s und Pizza Hut zu essen bekommt. Ein Wunder, dass auch Sie bis jetzt relativ schlank geblieben sind.“

„Ach … Das ist doch gar nicht wahr. Nur ab und zu gehen wir zum Mäc“, antwortete ich ärgerlich, weil ich mich ertappt fühlte.

Shirley verfolgte unser Disput angeregt und beobachtete uns abwechselnd mit ihrem unschuldigen Blick, während sie ein Schokoplätzchen futterte. Schließlich meldete sich meine verräterische Tochter zu Wort und brabbelte, dies ich selbstverständlich Thelma nicht übersetzte: Daddy, du hast ganz vergessen zu sagen, dass wir auch immer zu Wendy`s gehen, Cheeseburger essen.

Aber da Thelma eine geschulte Krankenpflegerin war und zuvor bereits etliche behinderte Kinder betreut hatte, konnte sie Shirleys Gebrabbel genau verstehen. Thelma sah mich an, ein abfälliges Lächeln huschte über ihren Mund.

„Ist mir schon klar, mein Schatz. Ab sofort wird sich das aber ändern“, antwortete sie.

Ich seufzte. Im Grunde hatte sie ja Recht und insbesondre ihr Süßigkeiten zu verweigern, war ein großes Problem geworden.

„Was soll ich denn machen? Sie können sich gar nicht vorstellen was passiert, wenn wir in der Stadt sind und ich mal nicht mit ihr zu Dunkin Donuts gehe.
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Dann macht sie mir mitten auf der Straße eine riesen Szene.“ Ich blickte sie einen Augenblick nur an und fügte hinzu: „Zirkus veranstalten, das hat sie von ihrer Mutter geerbt!“

„Mister Carter …“ antwortete sie leicht schnaufend. „Es ist weder Ihnen und erst recht nicht Ihrer Tochter damit geholfen, wenn Sie sie wie die Prinzessin auf der Erbse behandeln. Sie müssen sich durchsetzen und endlich lernen, auch mal NEIN zu sagen. Ihre Tochter muss und will geführt werden.“

Thelma griff an ihre seitlichen Zöpfe, zog behutsam die Bänder aus ihrem Haar und bürstete sie.

„Mag ja sein, dass sie es persönlich als niedlich empfinden, wenn sie diese Zöpfe trägt. Aber Ihre Tochter ist jetzt achtzehn Jahre alt, eine junge Frau und kein Kleinkind mehr. Wenn sie die kindliche Kleidung tragen mag, dann ist das völlig in Ordnung und man soll sie lassen. Hauptsache sie sieht ordentlich aus. Trotzdem sollten Sie das Mädchen ihrem Alter entsprechen behandeln, auch wenn Ihnen das schwer fällt.“



Ich nahm ihre Zurechtweisung kommentarlos hin. Dieser Frau konnte man wirklich nichts vormachen. Obwohl sie sich hervorragend mit Shirley verständigen konnte und meine Tochter sie anstandslos akzeptierte, war ich mir dennoch nicht sicher, ob Miss Wilson tatsächlich die geeignete Person für ihre Betreuung war. Möglich, dass ich voreingenommen war, weil sie mich zu sehr an meine eigene Mutter erinnerte, oder weil sie meiner Meinung nach einen Tick zu schnippisch auftrat.

„Und überhaupt … Wie sieht es denn hier bei Ihnen aus? Diese Unordnung, wie in einer Räuberhöhle. Das hätte ich wirklich nicht von Ihnen gedacht, Mister Carter. Weshalb stehen die Blumentöpfe wahllos im Wohnzimmer herum?“, fuhr sie tadelnd fort.

Ich erklärte ihr, dass das Shirleys Blumentöpfe waren und wir endlich ein Hobby für sie gefunden hätten. Sie war ganz verrückt nach Blumen und konnte sich das Grünzeug stundenlang anschauen. Selbst wenn Shirley sich einen Pullover aussuchte, musste entweder ein Mickey Maus oder ein Blumenmotiv darauf gestickt sein.

Während ich Thelma darüber informierte, dass meine Tochter, wenn es nach ihr ginge, den ganzen Tag alle zehn Minuten die Blumen gießen würde, wurde Shirley hellhörig und fragte: „Daddy, gießen machen?“

Ich kniete zu ihr runter und antwortete: „Nein, Schatz.
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Du hast heute schon die Blumen gegossen. Du weißt doch, dass du die Blumen immer nur einmal am Tag gießen darfst. Dann, wenn du aufgestanden bist. Die Blumen trinken nur einmal am Tag.“

Shirley blickte mich mit leicht geöffnetem Mund ausdruckslos an, wie immer, und nickte.

„Manchmal sagt sie auch: gießen gehen. Das bedeutet, dass sie sich die Blumen nur anschauen will. Dabei müssen Sie aber trotzdem auf sie aufpassen, denn sobald sie die Gießkanne sieht, kann sie nicht widerstehen und gießt die Blumen. Genauso verhält sich das mit dem Aquarium. Sie darf jeden Tag die Fische füttern, aber geben Sie ihr bloß nicht die komplette Fischfutterdose in die Hand, sonst schüttet sie alles hinein. Und lassen Sie sie niemals unbeobachtet am Aquarium, sonst wirft sie heimlich Smarties und Chips rein. Mir sind schon etliche Fische deswegen krepiert.“

„Fische Kekse haben“, quatschte Shirley dazwischen, wobei sie mit ihrem Finger auf das Aquarium zeigte.

„Ich zeigte ihr zwar jedes Mal die verendeten Fische, dies ihr auch sehr leid tat, aber sie macht es immer wieder, sobald ich neue Fische eingesetzt habe. Sie glaubt, wenn die Fische regungslos an der Wasseroberfläche treiben, dass sie nur schlafen“, fuhr ich fort.

„Daddy, Fische machen?“, fragte Shirley sogleich.

„Ja, mein Schatz. Die Fische darfst du jetzt füttern. Möchtest du Misses Wilson zeigen, wie du das kannst?“

Shirley nickte und zappelte freudig herum. „Fische machen, Fische machen.“

Ich schob sie zum Aquarium, das ich extra für sie auf einen kurzbeinigen Tisch platziert hatte und drückte ihr einen Löffel in die Hand. Shirley war dann immer sehr aufgeregt, zitterte leicht, zwinkerte auffällig mit den Augenlidern und bewegte nervös die Fingern ihrer verkrümmten Hand, während ich etwas Fischfutter auf den Löffel streute. „Fische machen“, sagte sie und ließ den Löffel einfach samt dem Futter ins Wasser fallen. Shirley blickt zu mir hoch und brabbelte, dass ihr dieses Missgeschick leidtun würde. Ihr wäre der Löffel wiedermal aus der Hand gefallen, meinte sie. Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und küsste ihr auf die Stirn.
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„Ach, das macht doch nichts, mein Schatz. Daddy angelt den Löffel wieder raus.“

Ich nahm eine Zange und fischte das Besteck aus dem Aquarium raus, dabei gab Shirley freudige Laute von sich. „Daddy angeln machen.“

„Normalerweise schafft sie es, ihre Hand umzudrehen, aber jetzt ist sie äußerst aufgeregt, weil Sie dabei sind, und bringt dann manchmal einige Bewegungen durcheinander. Ach, bevor ich es vergesse … Sie putzt sich zwar schon alleine ihre Zähne, trotzdem darf man sie im Badezimmer nicht unbeaufsichtigt lassen, sonst stellt sie Unfug an. Wenn sie die Creme oder Seifenlotion zu fassen bekommt, dann cremt sie sich ein, und zwar gründlich. Dann sind die Tuben nämlich leer und man kann ihre Klamotten und Haare waschen. Und behalten Sie sie immer im Auge, wenn sie sich die Zähne putzt, sonst trinkt sie den Zahnbecher mit dem Mundwasser aus, statt es auszuspucken.“ Ich seufzte. „Diese Eigenart kann sie einfach nicht lassen.“



Thelma tätschelte ihr Gesicht und lobte ihren blauen Niki Pullover. Die lachende Sonnenblume wäre wunderschön, meinte sie lächelnd, woraufhin Shirley freudige Laute von sich gab, ihren Stoffhasen aus dem Rollstuhlnetz holte und ihr diesen stolz präsentierte.

„Wir gehen jetzt ein bisschen spazieren und werden uns näher kennen lernen“, sagte sie ohne meine Zustimmung dafür erhalten zu haben.

„Ja aber … Ich hab Sie doch noch gar nicht offiziell eingestellt“, entgegnete ich ihr vorwurfsvoll. Diese Frau war mir einfach einen Tick zu vorlaut und viel zu selbstsicher. Auf meinem Schreibtisch lagen noch genügend Bewerbungen, die ich mir noch gerne ansehen wollte (insbesondre die von den jungen gutaussehenden Damen).

Thelma blickte mich vergnügt lächelnd an und zwinkerte auffällig mit ihren Augenlidern.

„Dann erwarte ich von Ihnen auf der Stelle die Zusage, bevor ich es mir anders überlege und das doppelte Gehalt verlange. Sie haben das Kind ganz schön verzogen, es wird eine Geduldsprobe sein und mich eine Menge Arbeit kosten, Ihre misslungenen Erziehungsversuche wieder geradezubiegen.“

Plötzlich meldete sich unerwartet Shirley zu Wort, griff Mrs. Wilson grob am Arm und fragte brabbelnd: Nanna, wenn Daddy dich einstellt, wirst du dann auch so laut schreien wie die andere Frau?

Thelma runzelte die Stirn, ging in die Hocke und hakte nach: „Wieso schreien? Was meinst du damit, mein Kind?“

Shirley war ganz hibbelig und versuchte ihr aufgeregt zu erzählen, was sie letztens in meinem Schlafzimmer erlebt hatte, doch dies konnte ich geschickt verhindern.
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Mit hektisch wedelnden Händen sagte ich: „Ähhhm … Das-das ist gar nichts, Miss Wilson. Hören Sie nicht auf sie. Wie Sie schon sagten … Das Kind sieht zu viel fern.“

Ich beobachtete Mrs. Wilson von der Terrasse aus, wie sie Shirley durch den Palmenwald meines Parks schob. Thelma vermittelte mir unmissverständlich, dass nicht sie um diesen Job kämpfen musste, sondern ich dankbar sein konnte, weil sie bereit dazu wäre, Shirley für den ausgehandelten Lohn zu pflegen. Außerdem betonte sie, dass sie sich keinesfalls dazu verpflichtet fühlte, das Haus zu putzen. Kochen ja, putzen nein!

„Ja … Sie haben den Job. Sie sind eingestellt, Thelma!“, rief ich ihr schließlich vom Balkon aus zu, woraufhin die gute Frau, ohne sich umzuschauen, ihre Hand hob und winkte.



William Carter brauste mit seinem Sportwagen noch am selben Nachmittag ins Hospital. Dort angekommen parkte er direkt neben einer schwarzglänzenden Harley Davidson. Der verchromte Motor und Auspuff glänzten im Sonnenschein. Einen Augenblick betrachtete er das Motorrad, ging dann durch den Haupteingang, stieg in den Lift und fuhr hinauf zur Intensivstation. Sein Herz pochte wild, als er den langen Korridor entlang schritt. Zuhause hatte er den ganzen Tag vergebens auf einen Anruf gewartet, dass Penélope überraschend aus dem Koma erwachte. Mit jedem Schritt, der zu ihrem Krankenbett führte, schwanden seine Hoffnungen, zumal er den Chefarzt weit hinten erkannte und dieser plötzlich in einem anderen Krankenzimmer verschwand, als er den berühmten Schriftsteller erblickte. Offensichtlich wollte der Arzt ihm aus dem Weg gehen.

Auf dem Korridor begegnete ihm plötzlich eine schwarz gekleidete Person, die direkt aus Penélopes Krankenzimmer heraus kam. Darüber war William sehr verwundert und fragte sich, wer dieser Kerl sei. Was hatte er in Penélopes Zimmer zu suchen?

Er war mit einer schwarzen Motorradhose bekleidet und über seinen schwarzen Kapuzenpullover trug er eine Lederweste. Diese Gestallt strahlte eine gewaltige Aura aus und es kam William vor, als würde dieser in Zeitlupe mit seinen Stiefeln auf ihn zu stampfen.
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Er marschierte gemächlich durch den Gang, selbst die vorbeihuschenden Ärzte gingen ihm instinktiv aus dem Weg. Die weite Kapuze war über seinen Kopf gestülpt und selbst als beide auf gleicher Höhe aneinander vorbei liefen, konnte William sein Gesicht nicht erkennen. Verwundert blieb er stehen, doch der Biker marschierte einfach wortlos weiter. William wollte ihn ansprechen, aber seine mächtige Ausstrahlung ließ ihn sprichwörtlich die Sprache verschlagen. Etwas Religiöses umgab diese mysteriöse Person. Etwas Religiöses und Unheimliches zugleich.

Hinten auf seiner Motorradkutte war mit weißer Schrift gekritzelt, als hätte es ein Kleinkind geschrieben, sodass es fast unleserlich war: Du schuldest mir was.

William rannte zum Krankenzimmer und stieß die angelehnte Tür auf. Zuerst war er schockiert, denn die Beatmungsmaske war aus ihrem Gesicht abgerissen worden, dies eigentlich ihren sicheren Tod bedeutete. Aber Penélope öffnete blinzelnd ihre Augen.

Vorsichtig ging er auf sie zu, kniete vor ihrem Bett und als er nahe an ihrem Gesicht war und ihren Atem spürte, rannen Freudentränen über seine Wangen. Penélope lächelte zaghaft, strich ihm durchs Haar und fragte mit schwacher Stimme: „Hallo Will, schön dass du da bist. Wer war dieser rothaarige Kerl eben? Ein Freund von dir?“
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Kommentare zur Story:

  Ich bewundere dich immer wieder für deinen wunderschönen Schreibstil.  
   Evi Apfel  -  18.08.16 23:50

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Sebastian Krebs" zu "Ein Wort zum Valentinstag"

Durchaus nette Geschichte, die einen wohl wahren Kern behandelt. Fünf Punkte und ein Trullala!

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Kommentar von "rosmarin" zu "Die Belfast Mission - Kapitel 02"

Eine höchst interessante Geschichte. Und ganz toll geschrieben. Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Gruß von

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klappt ja dann auch!

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