Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    Thomas Schwarz      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 19. Juni 2016
Bei Webstories eingestellt: 19. Juni 2016
Anzahl gesehen: 1813
Seiten: 2

Die Einen warten auf das Christkind, haben bereits Weihnachtsbäume gekauft und auf ihre Balkone gestellt. Die Plätzchen und Lebkuchen wurden gebacken und in Vorratsdosen verstaut. Die Hektik in den Kaufhäusern der Städte strebt ihrem Höhepunkt entgegen. Betriebliche Weihnachtsfeiern mit Wichteln finden statt, man trifft sich und verweilt auf Weihnachtsmärkten.

Andere mögen diesen alljährlich stattfindenden Brauch nicht und reihen sich in die Warteschlangen der Check-in Schalter auf den Flughäfen ein.



Man wartet auf schneebedeckte Wiesen, Felder und Hügel.

Doch in den Fluren blühen Gänseblümchen, steht duftender Raps, glucksen fröhlich die Bäche. Es gibt Nahrung im Überfluss für die Vögel des Himmels, die Tiere des Feldes, das Wild des Waldes. Kein Mangel, kein Scharren im Schnee. Wildschweine durchpflügen den Waldboden und finden die mühevoll gesammelten Vorräte der Eichhörnchen. Aber auch die leiden keine Not.



Fahles, gelbes Licht scheint durch kahle Baumkronen. Alles ist bereit,

alles WARTET!



Sie kamen vor Jahren; leise, - keiner hörte sie. Der Erste durchschwamm den Grenzfluss. Am Ufer angelangt, schüttelte er sein Fell. An manchen Stellen schimmerte die Haut durch, die Rippen traten hervor.

Narben und Spuren von Kämpfen im schönen Antlitz.

So viele Kämpfe.

Der zweite folgte und auch er schüttelte sein Fell. Die anderen warteten und schließlich kamen auch sie .



Die Bewohner der Städte jubelten und hießen sie willkommen. Die Regierung des Landes erließ Gesetze zu ihrem Schutz. Die Bauern kannten sie und erschraken.

Die Lämmer auf den Wiesen und deren Mütter;

sie wussten nichts von denen, die durchs Wasser kamen,

von ihren Narben, den Mühen und den Kämpfen, den vielen Kämpfen.



Nicht alle sind erfahren im Töten. Manch einer wird überwältigt vom Hunger und der Gier. Der stürmt, zerbeißt sich, schlägt die Zähne in die Flanken und reißt die weichen, warmen Bäuchlein auf. Wie lange dauern Schmerz und Qual bis ein Erfahrener die Kehle packt und das Lämmchen aus der Hölle führt?

Wie lang für die Mutter die abseits steht?





Sie verließen ihre zerfallenen Stätten um Babylon, wanderten über den Sindschar,

kamen von den Höhen des Hindukushs, durchstreiften den Kaukasus und suchten Schutz in den Wäldern der Karpaten.
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Und so viele fanden auf dem Weg den Tod und immer Kämpfe, immer Not.

Der Allerbarmer; er gab ihnen den Mond.

Und immer warten sie, warten auf seine Vollendung am Himmel

und weinen, ach, wie sie weinen, die Kinder aus Babylon, so verlassen, in den Wäldern und auf den Höhen.



Jetzt sind sie hier und ein Ende hat ihr WARTEN.





Sie warten auf den Schnee, sie warten auf das Christuskind, Gottes Lamm und auf den Weihnachtsmann.

Und die Kinder derer, die durch den Grenzfluss schwammen,

warten auf die Lämmer

in den Wiesen,

wo kein Schnee liegt,

und die Mütter der Lämmer kennen sie jetzt -

und WARTEN!
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Punktestand der Geschichte:   76
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Kommentare zur Story:

  Auch mir gefällt Deine Art zu schreiben und wie die Wörter Bilder im Kopf entstehen lassen. Obwohl dieser Text vielleicht schon im Gegensatz zu "Schmetterling" zu viele Metaphern enthält ist er sehr gelungen.  
   Daniel Freedom  -  29.06.16 09:32

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Obwohl deine kleine Story klar erkennbar zeigt, worauf du mit deinen Metaphern hinaus willst und ich zu diesem Thema, eine total andere Meinung habe, begeistert mich doch dein Schreibstil. Einfach toll, mit welchen Worten du diese Bilder darstellst. Gerne gelesen.  
   Evi Apfel  -  20.06.16 22:56

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Nausicaä" zu "frühling z2"

einfach toll, dieses frühlingsgedicht. du findest in deinen gedichten häufig ganz eigene, besondere bilder. wunderschön, ohne kitschig zu sein.

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