Memoiren eines Schriftstellers - 3. Kapitel   386

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Francis Dille      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. Dezember 2015
Bei Webstories eingestellt: 6. Dezember 2015
Anzahl gesehen: 2654
Seiten: 16

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit: Die Verfügbarkeit ist eine Angabe die nur im Prologteil der Reihe zur Verfügung steht.

Diese Story wurde zwar als Teil einer Reihe definiert, eine entsprechende Prologangabe fehlt allerdings noch.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Kapitel 3



William Carter wurde schon des Öfteren von seiner Mutter aus dem Haus verwiesen, doch immer wieder kehrte er bereits am selben Abend reumütig zurück. Doch diesmal beschloss er endgültig seinen eigenen Weg zu gehen. Sein Ziel war New York zu erreichen, aber eines Tages traf er auf ein Dorf einer amischen Glaubensgemeinschaft, die ihn sogar aufgenommen hatte. Die Amischen lebten und kleideten sich wie die ersten amerikanischen Siedler im 18. Jahrhundert und bewegten sich mit Pferdegespanne fort. Heute noch. Die beliebte Fernsehserie der Siebziger, Unsere kleine Farm, war das anschaulichste Beispiel dafür, in welcher Gesellschaft sich William eingegliedert hatte. Es war zwar ein sorgenfreies Leben ohne Berufsstress, Kreditkarten und lästiger Bürokratie, dafür musste er aber auf den Getreidefeldern körperlich hart arbeiten, und Scheunen sowie Häuser mussten ohne technisches Werkzeug errichtet werden. Die Gemeinde forderte überdies, dass er sich ebenfalls so kleiden musste, wie sie. Und die Welt außerhalb des Dorfes, dass verlangten die Amischen ebenfalls, musste er strikt ignorieren, als ob diese nicht existieren würde.

William spürte förmlich wie seine reale Welt, in der er einst lebte, abdriftete, wie sie immer unerreichbarer wurde. So auch sein Ziel eines Tages ein Schriftsteller zu werden, denn die Amischen hatten ihm außerdem verboten, eigene Lektüren zu schreiben. William musste also seine Ledermappe dem ältesten Rat des Dorfes abgeben, sowie auch seine Howard Robinson Bücher. Die Bibel war das einzige Buch, welches er lesen durfte, beziehungsweise sogar jeden Tag lesen musste. Und die Dunkelhaarige mit dem geflochtenen Zopf, mit der er immer heimlich in der Scheune rumgeknutscht hatte, hätte er eigentlich zunächst heiraten müssen. Als dieser ungeheuerliche Skandal von kleinen neugierigen Jungs aufgedeckt wurde, die sie bei ihrem Techtelmechtel in der Scheune erwischt hatten, wurde William von den Dorfältesten vor die Wahl gestellt. Entweder er würde sich taufen lassen und das vierzehnjährige Mädchen heiraten, oder er müsse die Gemeinde verlassen. Das wäre Gottes Wille, meinten die Amischen. Gott stand ihm also wieder im Weg, und weil er sowieso unbedingt ein berühmter Schriftsteller werden wollte und das amische Mädchen ohnehin nicht sein Typ war, weil sie einfach zu altmodisch wirkte, verließ er nach sechs Monaten Aufenthalt das Dorf in einer Novembernacht im Jahre 1964.
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Chapter 6 – 12 aus meinen Memoiren: Idole und andere Feinde



Um irgendwie nach New York zu gelangen, blieb mir nichts anderes übrig als zu trampen. Manchmal musste ich stundenlang meinen Daumen hoch strecken, bis ein Auto am Straßenrand anhielt und ich die erlösenden Worte zu hören bekam: „Na Junge, wo soll`s denn hingehen?“

Meist vertrieb ich mir die Zeit während ich am Highway stand und auf mein privates Taxi wartete, entweder mit Schreiben oder Lesen. Ich freute mich ungemein auf Big Apple, auf die sagenumwobene Stadt, die ich lediglich nur vom Hörensagen kannte. Allerhöchstens hatte ich nur noch 200 Meilen bis dorthin zu bewältigen. Das war für amerikanische Verhältnisse zwar nur ein Katzensprung, aber es war bereits spät am Nachmittag. Und je dunkler es wurde, desto schwieriger wurde es mitgenommen zu werden was bedeutete, dass ich dann wieder irgendwo draußen im Schlafsack übernachten musste. Als ich am Straßenrand im Schneidersitz hockte und wiedermal zu sehr in meiner Schreiberei vertieft war, sodass ich ständig meinen Daumen zu spät hoch hielt und nur noch einen Blick auf das Nummernschild des Autohecks erhaschen konnte, bremste plötzlich ein beigefarbiger Buick mit dunkelbraunem Verdeck bis zum Stillstand. Das Nummernschild hatte die Kennung N.J. Ich war frohen Mutes, denn New Jersey lag in derselben Richtung.

Kieselsteine knisterten unter den breiten Reifen und eine Staubwolke wehte mir entgegen.

Hastig packte ich sogleich meinen Schreibkram in den Rucksack, schnappte meinen Schlafsack und lief auf meine Fahrgelegenheit eilig zu. Die verchromten Felgen des Buicks glänzten und reflektierten die Abendsonne. Ich war von dem tollen Wagen begeistert. Die Beifahrertür öffnete sich. „Wahn-sinn“, raunte ich euphorisch. „Jetzt werde ich mit Stil nach New York chauffiert. Das ist schon mal ein viel versprechendes Zeichen.“



Ich beugte mich an der Autotür etwas und schaute lächelnd zum Fahrer. Ein älterer Herr, etwa Ende fünfzig mit Hut, blickte mich an. Auf seiner Knollennase lag eine schwarze Hornbrille.

„Na los, steig schon ein“, forderte er mich mit seiner knurrigen Stimme auf.
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Nachdem ich mich bedankt hatte und eingestiegen war, herrschte eine Stille im Auto, die mir sehr bald nicht behagte. Zudem stank der Mann extrem nach Tabak und Alkohol und am liebsten hätte ich die Autoscheibe runtergekurbelt, aber ich traute mich nicht und starrte stattdessen nur durch die Windschutzscheibe auf den Asphalt. Der Highway war wenig befahren, gerade Mal die Rückleuchten von zwei Autos weit vorne waren zu erblicken. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich, dass der alte Herr ständig zu mir herüberschaute und wenn sich unsere Blicke kreuzten, lächelte er. Ich wusste nicht wieso, aber sein Lächeln empfand ich als unangenehm und fühlte mich dadurch etwas belästigt.

„Wo willst du eigentlich hin?“

„Direkt nach New York aber wenn Sie mich in Jersey City absetzen würden, wäre mir schon geholfen.“

Eigentlich wusste ich selbst nicht genau, wo ich aussteigen wollte, wohin ich dann gehen sollte. Die Schwester meiner Mutter lebte irgendwo in Brooklyn. Dorthin hätte ich eventuell gehen können, aber weder wusste ich wo genau sie wohnte, noch wie Tante Clara mit Nachnamen hieß, weil sie mittlerweile ein zweites Mal verheiratet war. Meine Tante Clara hatte ich nur einmal in meinem Leben gesehen, damals Weihnachten 1955 war sie bei uns in Provincetown zu Besuch gewesen. Da war ich grad mal zehn Jahre alt. Der Mann fing jedenfalls einfach an zu plaudern.

„Zufällig fahre ich sogar nach Jersey City, weil ich dort wohne. Und wo kommst du her?“

„Cape Cod.“

„Cape Cod?“, fragte er erstaunt. „Hast du da Urlaub gemacht?“

Ich antwortete ihm nicht weil ich einfach keine Lust hatte ihm zu erklären, dass ich von Zuhause abgehauen war. Na ja, ich wurde eher gesagt von meiner lieben Mutter hochkantig rausgeschmissen.

„Gib mir mal eine Flasche aus dem Handschuhfach“, forderte er mich sogleich auf.

Als ich das Handschuhfach öffnete blickte ich auf einige Flachmänner, die mit Wodka gefüllt waren. Wortlos übergab ich ihm ein Fläschchen.

„Bediene dich ruhig, wenn du magst.“

Mit einem gezwungen Lächeln schüttelte ich leicht den Kopf, beugte mich dann nach hinten zu meinem Rucksack und obwohl es mittlerweile dämmrig war, holte ich mein Buch heraus in der Hoffnung er würde das Signal empfangen, dass ich nicht im Geringsten auf eine Konversation mit ihm aus war.
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Jetzt war es nämlich so, dass ich mir die Stille von vorhin wünschte. Vielleicht lag es an dem bereits konsumierten Wodka oder aber er war einfach unempfänglich für solche Signale, denn sein Mitteilungsbedürfnis schien unermüdlich zu sein. Er redete einfach weiter auf mich ein und versuchte mich auszuhorchen, doch plötzlich hielt er inne.

„Hey, was liest du denn da?“, fragte er neugierig. „Aha … Der Schakal, von Howard Robinson“, sagte er sogleich mit einem Ausdruck der Bewunderung. „Ja, dieser Roman ist wirklich ein Meisterwerk.“

„In der Tat, so ist es“, antwortete ich kurz gebunden, während ich zum Lesezeichen aufschlug. Er schluckte hörbar den Wodka hinunter, kurbelte die Autoscheibe runter und schleuderte das geleerte Fläschchen achtlos weg, einfach mitten auf dem Highway. Zu meinem Bedauern kurbelte er die Scheibe sogleich wieder hoch.

„Ich hab dich vorhin am Straßenrand schreiben gesehen, Jungchen. Hat mich ein bisschen an mich erinnert, als ich mal so jung wie du war. Früher hatte ich auch immer geschrieben, egal wo ich gewesen war. Selbst wenn ich damals zum Tanzen ging und es mir dort zu langweilig wurde, hatte ich mich einfach in der Latrine eingeschlossen und geschrieben. Ich war damals vom Schreiben regelrecht besessen“, lächelte er.

Für einen Augenblick ließ ich von den Zeilen ab, schaute kurz verstohlen zu ihm herüber, las aber sogleich weiter. Du und schreiben, wie lächerlich, dachte ich mir insgeheim. Der Mann griff in seine Manteltasche und holte eine Schachtel Zigarillos heraus. Wortlos hielt er mir ebenfalls eine entgegen.

„Danke, nein. Ich rauche nicht. Darf ich das Fenster kurbeln?", fragte ich ohne von dem Buch abzulassen.

„Sicher, was fragst du da noch?“, antwortete er vorwurfsvoll.

Lächelnd blickte er mich wieder an, das beobachtete ich aus dem Augenwinkel heraus. Ab jetzt wollte ich ihn im Auge behalten denn der Bursche war mir einfach nicht geheuer. Meiner Meinung nach verhielt er sich ziemlich merkwürdig. Er sah zwar souverän aus, wie es sich für einen älteren Herrn gehörte, aber er war mir etwas zu direkt, zu neugierig und unsympathisch obendrein. Und dann dieser tolle Wagen, der passte absolut nicht zu ihm.
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Eher doch zu einem jüngeren Mann. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass er mir zeigen wollte, was für ein cooler Typ er doch ist. Vielleicht waren ja die Stadtleute so, ich hatte doch keine Ahnung. Ich war doch nur ein Bursche aus Provincetown, aus dem Städtchen des äußersten Zipfel von Cape Cod, und nicht besonders stolz darauf.

„Ist das eigentlich dein erster Robinson, den du da liest, oder kennst du auch seine anderen Bücher?“

Verdammter Mist, dachte ich, der will jetzt bis nach New Jersey oder wo auch immer er mich abzusetzen gedenkt, unterhalten werden und klappte das Buch wieder zu, dabei hielt ich meinen Daumen auf die zuletzt gelesene Seite.

„Bis jetzt habe ich von Howard Robinson gelesen: Die Verurteilten, Das Vermächtnis des Abts, Der Killerinstinkt, Fleisch, Schreie der Finsternis, Die Maskerade des Teufels, Im Fegefeuer der Sünde, Die Mumie von Alcatraz, Dämonen in L.A. und jetzt würde ich gerne: Der Schakal von ihm weiterlesen, wenn Sie nichts dagegen haben“, antwortete ich unwirsch.

Mein unbehagliches Gefühl schlug allmählich in eine gereizte Stimmung um und mir war es jetzt mittlerweile sogar egal geworden, falls er mich für frech und undankbar hielt und einfach anhalten würde, um mich rauszuwerfen. Aber das Gegenteil traf ein. Er griente vor sich her, zog genüsslich an seiner Zigarillo und schaute in regelmäßigen Abständen zu mir rüber. Er nickte anerkennend. Mittlerweile war es stockdunkel geworden; der Motor brummte und ich wünschte, dass er wenigstens das Radio einschalten würde. Tat er aber nicht, es war zum Kotzen, denn stattdessen laberte er mich weiter zu.

„Das ist beachtlich. Bist du etwa ein Fan von Howard Robinson?“

„Kann man so sagen“, antwortete ich ihm gelangweilt und verdrehte dabei die Augen.

„Er hat aber noch mehr Romane geschrieben. Wirst du sie alle lesen?“

„Ich denke schon, Mister.“

„Sag mal Junge, erkennst du mich wirklich nicht? Komm, gib mir noch eine Flasche“, forderte er mich erneut auf wobei er sogar auf mein Bein tätschelte.

Um meinen Unmut zu zeigen, ohne dies mit Worten auszudrücken, atmete ich tief ein und seufzte auffällig. Der stank schon nach Alkohol bevor ich eingestiegen war, also hatte er schon mindestens drei oder gar vier Wodkas intus und nun überreichte ich ihm bereits den Zweiten.
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Bestimmt hatte der Alte schon leicht einen hängen, dachte ich. Aber was wusste ich schon vom Alkohol und so.

Ich schaute ihn mir nun genauer an. Sein rundes Gesicht hatte ein Doppelkinn und wenn er lächelte, blitzten goldene Backenzähne hervor. Seine Augen wirkten hinter den Brillengläsern etwas vergrößert, seine blauen Augen glänzten aber sonst machte er keinen alkoholisierten Eindruck. Im Gegenteil, er sprach klar und deutlich und gegen seinen Fahrstil war absolut nichts einzuwenden, bis auf das er meiner Meinung nach etwas zu schnell unterwegs war. Aber das war ja sein Problem, denn je mehr wir uns dem Bundesstaat N.Y. näherten, desto häufiger sahen wir Polizeistreifen am Straßenrand parken. Und er raste an ihnen dreist vorbei und die glotzten uns nur dämlich hinterher. Ich gebe zu, dass ich insgeheim wünschte, die Bullen würden uns verfolgen. Ich konnte den alten Knacker absolut nicht ausstehen und eine Verfolgungsjagt auf dem Highway wäre ziemlich cool gewesen.

„Tut mir aufrichtig Leid, Mister. Nein …“, schüttelte ich sachte mit dem Kopf, „hab Sie noch nie im Leben gesehen. Sind Sie etwa der Meinung, dass man Sie unbedingt kennen müsste?“, fragte ich mit einem ironischen Unterton.

„Aber Kind, wo lebst du denn? Ach so, ja … im abgeschiedenen Nest Cape Cod“, antwortete er abwertend. „Aber liest du denn keine Zeitung? Haben deine Eltern etwa keinen Fernseher? Letzten Sonntagabend war ich sogar in der Ed Sullivan Show zu sehen. Mein Name ist Howard Robinson. Du liest gerade meinen Schakal.“

„Wie bitte? Wollen Sie mich jetzt auf den Arm nehmen?“, fragte ich stirnrunzelnd. „Ich habe zwar von Howard Robinson noch nie zuvor ein Porträt gesehen und weiß deshalb nicht wie er aussieht, aber …“

„Aber was?“, fiel er mir sogleich ins Wort, als ich stockte. „Weshalb sollte ich flunkern? Was hätte ich schon davon, wenn ich dir etwas vormachen würde? Wenn du mir nicht glaubst, hinten auf der Rücksitzbank liegt eine braune Ledermappe. Schau hinein, dort findest den Beweis.“

„Hören Sie, Mister. Am besten Sie halten sofort an und lassen mich raus. Ich habe keine Lust mir diesen Bullshit weiter anzuhören“, erklärte ich ihm missmutig.

Ich war sehr verärgert.
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Dieser dicke unsympathische Typ mit der Knollennase sollte mein Idol sein? Nie und nimmer. Das konnte und wollte ich nicht glauben. Er wusste schließlich mittlerweile, dass ich für Howard Robinson schwärmte und war mir deshalb sicher, sobald ich in diese Ledermappe schauen würde, würde er mich laut auslachen, weil ich darauf reingefallen wäre.

„Mensch, Junge. Nun schau doch einfach in die Mappe und dann hast du Gewissheit“, antwortete er schmunzelnd.



William schaute griesgrämig zur Rücksitzbank und schnappte sich schließlich die Ledermappe. Er war dann äußerst überrascht als er einige Zeitungsausschnitte herausnahm, auf dem der Schriftsteller Howard Robinson abgebildet war. Ein älteres Exemplar des Magazins LIVE steckte ebenfalls in dieser Mappe und beim Durchblättern entdeckte er weitere Fotografien, mit einem ausführlichen Interview mit Mr. Robinson. Seine Augen öffneten sich weit, erstaunt verglich er die wundervollen Porträts seines Idols mit dem Fahrer. Er war es, er war es tatsächlich aber auf den Fotografien sah Mr. Robinson eher wie ein Schriftsteller aus, als gerade in diesem Moment hinter dem Steuer seines Buicks. Zwei dieser abgebildeten Porträts waren besonders gelungen, meinte William. Das eine Bild zeigte Robinson mit einer rauchenden Zigarre in seiner Hand, wie er gerade enthusiastisch diskutierte und der Zigarrenqualm ihn dabei umhüllte. Auf einer anderen Fotografie posierte er bekleidet mit einem braunen Herrenanzug und Krawatte, mit verschränkten Armen und ernster Miene. Auf dieser Fotografie hatte er sich ohne seinen Hut ablichten lassen. Howard Robinsons Kahlkopf glänzte und mit seiner großen schwarzen Hornbrille wirkte er auf den Fotos ziemlich intellektuell und cool, wie William es betitelte. Nun glaubte er es, dies waren eindeutige Beweise dafür, dass er sich in Howard Robinsons Auto befand, von Mr. Howard Robinson persönlich chauffiert wurde während er dabei den Roman, Der Schakal, geschrieben von Howard Robinson, in seiner Hand hielt.

Die Sonne war längst verschwunden und das einzige Licht was ihnen im Wageninneren spendete, waren die Beleuchtung der Armaturen und die beiden Lichtkegel der Scheinwerfer, die auf den Asphalt des Highways schwach reflektierten. Dem berühmten Schriftsteller schien die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht sonderlich zu interessieren, denn er fuhr eindeutig zu schnell und er überholte ein Auto nach dem anderen.
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Die gelben Mittelstreifen wirkten wie heranschnellende Striche und obwohl sie manchmal eine Polizeistreife entdeckten, die am Straßenrand des Highways parkte, behielt Mr. Robinson unbekümmert die Geschwindigkeit bei und warf weiterhin dreist seine geleerten Wodkafläschchen aus dem Autofenster hinaus. William war über sein auffälliges Fahrverhalten sehr verwundert, schließlich war er alkoholisiert und wenn die Cops ihn verfolgen und anhalten würden, würde er zweifelsohne verhaftet werden.

„Mach dir keine Gedanken, mein Kind. Mir geschieht nichts. Niemals. Ich bin Howard Robinson und darf mir alles erlauben. Außerdem habe ich einen Schutzengel“, antwortete er grinsend.

Howard Robinson führte das Gespräch. Während er seinen Wodkabestand leerte und dabei Zigarillos rauchte, erzählte er über seine Werke und schwärmte von seinen Protagonisten. All diese erfundenen Charaktere wären wie seine Kinder, meinte er. Besonders würde er seine Schurken lieben. Seine Selbstverliebtheit war herauszuhören und Howard Robinson betonte ständig, dass er der beste Schriftsteller aller Zeiten wäre. Einundachtzig Romane hatte er bisher veröffentlicht und alle sind diese Bestseller geworden. Einundachtzig Romane, das war ein absoluter Weltrekord, ein unübertrefflicher Weltrekord, das müsste ihm erstmal einer nachmachen, sagte er überheblich. Somit hatte er seine bereits längst verstorbenen Kollegen, Chester Winstor und Jacob Stanwick, die immerhin fünfzig Bestseller geschrieben hatten, in den Schatten gestellt. Ihre Bücher waren sowieso verboten worden und somit zählten ihre Verkaufszahlen ohnehin nicht mehr. Trotzdem, welcher Autor könnte in Zukunft seinen Rekord übertrumpfen? Das war schier unmöglich.

William gestand ihm, einige Handlungen der Protagonisten im Schakal nicht recht verstanden zu haben und ließ sich vom Autor persönlich aufklären. Er war regelrecht berauscht und hörte dem Mann gespannt zu, den er zuvor noch verabscheut und gehofft hatte, dieser würde endlich seinen Rand halten. Sobald sie die Stadt erreicht hätten, beabsichtigte William seinem Idol seine Geschichten zu überreichen. Schließlich wäre das eine einmalige Gelegenheit.
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Mister Robinson würde ganz bestimmt seinem treusten Fan behilflich sein, dass dieser ebenfalls berühmt werden würde. Davon war William absolut überzeugt.



Als ich endlich die beleuchtete Skyline von Manhattan durch die Windschutzscheibe erblickte, steigerte sich mein innerlicher Stolz, zum allerersten Mal ein Ziel erreicht zu haben und fieberte danach endlich aussteigen zu können, obwohl dies eine einmalige Gelegenheit war meinem Idol so nahe zu stehen. Aber ich brauchte unbedingt eine Unterkunft und hatte nur fünfzehn Dollar einstecken. Ich dachte kurz nach, vielleicht würde mich Mr. Robinson sogar für eine kurze Zeit aufnehmen. Dann wäre mein Glück perfekt. Dann könnte ich ihm am nächsten Morgen meine Notizblöcke präsentieren und der Meister hätte genügend Zeit, meine Geschichten zu analysieren. Während unseres Gespräches sagte mir Robinson, er würde mich in der Bronx rauslassen, wenn mir dies recht wäre, fragte mich aber wohin es mich dann verschlagen würde.

Dies war ja ein Problem, denn ich wusste es immer noch nicht. Ich traute mich nicht ihn direkt zu fragen, ob er mich in seiner Villa in New Jersey aufnehmen würde, aber gab ihm zu verstehen, dass ich unbedingt in seiner Nähe bleiben wollte. Ich tätschelte seine Hand, machte ihm ständig Komplimente und betonte stets, dass wir unbedingt in Kontakt bleiben müssten. Meine Güte, ich hatte mich wahrscheinlich wie eine bekloppt verliebte Teenagerin verhalten, die gerade Paul McCartney von den Beatles getroffen hat, und wagte es erst gar nicht zu erwähnen, dass ich gerade an einen Roman arbeitete. Ich glaubte es wäre sonst nur peinlich, weil er dann vermutlich denken würde, ich würde krampfhaft versuchen, mich auf eine Stufe mit ihm zu stellen. Aber er war ein Meister und ob ich in Zukunft nur annähernd an ihn herankommen würde, ob ich ihm eines Tages sogar das Wasser reichen könnte, das stand noch in den Sternen und war ohnehin äußerst fraglich.

Jedenfalls hielten wir schließlich im New Yorker Stadtviertel Bronx an, auf einem abgelegenen Gelände, gleich neben dem Highway, und außer ein paar Autowracks, alte Fabrikruinen und verwilderten Sträuchern war nichts weiter zu sehen. Die Fenster der bewohnten Häuserblocks leuchteten, man konnte sie von der Ferne aus gut erkennen.
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Er drehte den Autoschlüssel um und schaltete das Licht aus. Vorbeifahrende Autos waren zu hören, und es war stockduster.

„Vielen Dank, Mister Robinson, fürs Mitnehmen. Oh, Mann“, sagte ich, „das glaubt mir keiner wenn ich erzähle, dass mich Mister Howard Robinson persönlich am Straßenrand aufgegabelt hat. Darum müssen Sie mir unbedingt mein Buch signieren … Bitte!“

Ich hielt ihm das Buch entgegen, während er ein silbernes Etui aus seiner Manteltasche herausholte. Er öffnete es und nahm die darin liegende Schreibfeder heraus. Sie war strahlend weiß und etwas länger als eine Schwanenfeder.

„Na klar, mein Junge. Wie heißt du eigentlich? Ich werde sogar das heutige Datum eintragen, denn ich habe heute Geburtstag. Heute bin ich neunundfünfzig Jahre alt geworden.“

Die Spitze kratzte hörbar auf dem Papier.

„Ist das etwa die Schreibfeder, von der Sie mir erzählten? Damit haben Sie tatsächlich ihre einundachtzig Manuskripte geschrieben? Wow, fantastisch“, entwich es mir begeistert.

Howard Robinson antwortete mir zuerst nicht, weil es anscheinend ein Problem mit seiner Schreibfeder gab.

„Merkwürdig“, brummelte er vor sich her. „Was hast du eben gesagt? Ja, ja … Das ist die Schreibfeder, mit der ich all meine Manuskripte niedergeschrieben habe. Verdammtes Ding, will irgendwie nicht. Die Feder schreibt nicht mehr. Komisch.“

Er hauchte die Federspitze an, schüttelte sie und versuchte nochmals zu unterschreiben.

„Wahn-sinn!“, fuhr es begeistert aus mir heraus. „Mister Robinson unterschreibt sein Autogramm mit der Schreibfeder, aus dessen Tinte jeder Buchstabe seiner Romane entstanden war. Heute muss mein absoluter Glückstag sein. Ich bin Ihnen überaus dankbar, Mister Robinson!“

Howard Robinson aber schien nicht sehr glücklich zu sein, weil sein geliebtes Schreibwerkzeug streikte. Er schüttelte die Feder, hauchte sie erneut an und versuchte erneut zu unterzeichnen aber erzielte keinen Erfolg. Er schaute mich dabei dermaßen verdutzt an, als wenn ich seine Ratlosigkeit verstehen und dies selbst für unfassbar halten würde.

„Sie schreibt nicht mehr, die Feder schreibt nicht mehr. Das kann aber nicht sein.
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Mir wurde versichert, dass sie immer schreiben würde“, sagte er äußerst verwundert.

Ich zuckte nur mit den Schultern und hielt ihm meinen Bleistift entgegen.

„Sie müssen die Feder sicherlich wieder in Tinte tunken. Schade. Dann nehmen Sie halt meinen Bleistift, Mister Robinson. Unterschreiben Sie bitte und fügen Sie hinzu: Für meinen lieben Kollegen, William Carter. Ich will nämlich eines Tages genauso berühmt werden, wie Sie es sind“, sagte ich selbstbewusst.

Selbstverständlich hätte ich mich gerne noch länger mit Mr. Robinson unterhalten aber nun wurde es langsam Zeit, dass ich mich auf dem Weg machte, um noch irgendwo eine geeignete Unterkunft zu finden, dass ich mit meinem mageren Budget begleichen könnte. Robinson wollte mich offensichtlich nicht mitnehmen und ich wollte ihn keinesfalls dazu bedrängen. Einige Viertels der Bronx hatten schon damals keinen besonderen freundlichen Ruf, dies war selbst einen Fischkopf wie mir zu Ohren gekommen, deshalb war es ratsam, langsam in die Gänge zu kommen, denn es war schon stockdunkel. Doch statt endlich zu unterzeichnen, starrte mich Howard Robinson plötzlich merkwürdig an.

„Sag mal“, fragte er völlig unerwartet, „magst du dir nicht ein paar Dollars verdienen? Hier in dieser Gegend kann man Geld gut gebrauchen.“

Jetzt hatte ich es auf einmal nicht mehr so eilig. Vielleicht wollte er meine Notizblöcke in seine Obhut nehmen und sie seinem Verlag empfehlen und mir dabei helfen, ein berühmter Schriftsteller zu werden.

„Na klar, Mister Robinson. Was soll ich dafür tun?“

„Was hältst du von … Sex?“

„Was?“

„Nein, nein, nicht so, wie du denkst“, entgegnete er mir sogleich lächelnd. „Du brauchst mir nur einen zu Blasen, bekommst auch zwanzig Dollar dafür.“

„W-was?“, wiederholte ich ungläubig. „Soll das etwa ein Witz sein? Dann finde ich das nicht sonderlich komisch, Mister Robinson“, antwortete ich verlegen lächelnd, denn ich fühlte mich peinlich berührt.

„Na schön, fünfzig Dollar.“

Ich stieß einen kurzen Lacher aus in der Hoffnung, er würde nur scherzen. Aber Mr. Robinson blieb ernst wobei er mich gierig musterte.

Mir war plötzlich mulmig zumute.
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Scheinbar meinte es Mr. Robinson tatsächlich ernst. Aber er war doch verheiratet, hatte er mir erzählt. Er war mein unangefochtenes Idol und ich wollte keinesfalls seine Gefühle verletzen. Manchmal hasste ich selbst meine sensible Feinfühligkeit, denn am liebsten wäre ich einfach ausgestiegen und hätte die Autotür zugeknallt. Aber auch das traute ich mich nicht und versuchte irgendwie aus dieser peinlichen Situation wieder ungeschoren heraus zu kommen.

„A-aber Mister Robinson, i-ich bin nicht schwul oder so. Ich steh nur auf Frauen. Frauen mit schönen dicken prallen Titten, verstehen Sie?“, entgegnete ich ihm stotternd und hoffte immer noch insgeheim, dass er gleich loslachen und sagen würde: Kindchen, ich habe dich reingelegt.

„Junge, ich bin auch nicht schwul. Komm schon, zuerst bläst du mir einen, dann ich dir. Du kannst ja deine Augen zu machen und dabei an eine Frau denken, wenn ich es dir dann besorge. Denk von mir aus an Shirley Temple, die magst du doch hattest du mir erzählt. Ich garantiere dir, den Unterschied bemerkst du nicht. Stell dir das doch mal vor, Shirley Temple bläst dir einen. Aber zuerst ich. Fünfzig Dollar, komm schon, das ist schnell gemachtes Geld.“

Ich schluckte. Das Blut stieg mir in den Kopf und mein Herz raste denn ich spürte, dass es ihm absolut ernst war.

„Mister Robinson, i-ich gehe jetzt besser“, stammelte ich. Da packte er an meinem Handgelenk und führte meine Hand einfach zwischen seine Beine.

„Na schön, dann hol mir eben nur einen runter. Komm schon Junge, stell dich nicht so an. Da ist nichts dabei. Es bleibt auch bei fünfzig Dollar … das-das verspreche ich dir“, sprach er mit zittriger Stimme und keuchte dabei widerlich.

Er führte meine Hand grob zwischen seine Beine. Gierig öffnete er seine Hose und holte doch tatsächlich seinen harten Lümmel heraus. Ich war schockiert und konnte mich nicht mehr bewegen. Er führte meine Hand zu seinen Schwengel, die ihn unweigerlich massierte. Ich war erstarrt und befand mich in einem regelrechten Schockzustand. Das alles war für mich in diesem Augenblick völlig unreal. Sicher, meine rechte freie Hand hätte leicht die Autotür öffnen können und dann wäre ich einfach geflüchtet, doch dieser Gedanke kam mir in diesem Augenblick nicht in den Sinn.
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Gar kein Gedanke kam mir in den Sinn, denn ich fühlte mich im Autositz wie festgenagelt und ließ es einfach geschehen, ließ es einfach über mich ergehen.

„Du brauchst doch das Geld“, keuchte er, „du-du brauchst es doch. Es macht dir doch Spaß, deinem Idol einen runterzuholen. Sage es … Sage es, dass es dir Spaß macht, deinem Idol einen runterzuholen!“



Seine Stimme zitterte vor Gier und er stöhnte dabei. Es war einfach zu widerlich, als dass ich überhaupt einen Gedanken fassen konnte. In meinen Ohren klingelte plötzlich ein permanent heller Ton, ich glaubte mein Puls würde meinen Kopf jeden Augenblick zum Explodieren bringen und ich erwischte mich selbst dabei, mit dem Atmen einfach aufzuhören. Wenn ich es dann nicht mehr aushielt, atmete ich wieder ein paar Mal aber hörte wieder automatisch damit auf. Ich war nicht mehr in der Lage, meine eigene Atmung zu steuern. Immer wieder fragte ich mich, was geschieht hier eigentlich? Befinde ich mich zurzeit in einem Albtraum?

Meinen linken Arm spürte ich nicht mehr. Es war so, als wenn man ihn mir amputiert hätte. Eigenartig, dachte ich, wieso spüre ich meinen Arm nicht mehr? Der Arm war wie weg und ich fühlte mich befreit. Ich schaute apathisch aus dem Autofenster und beobachtete die Lichter der Stadt, dann wanderte mein Blick nach oben zu den Sternen. Wie schön doch der Nachthimmel war, die Sterne strahlten wie funkelnde Diamanten. Ich stellte mir vor, dass ich am Strand von Provincetown liegen würde und den Sternenhimmel betrachtete, genauso wie früher.

Ich lauschte. Ich hörte nichts außer Autos auf dem Highway, wie sie vorbei rauschten. Doch von irgendwoher konnte ich plötzlich ein Schienenfahrzeug hören und die markanten Sirenen der Polizeiautos. Oder war es die Feuerwehr? Sogar das Hupen eines Binnenschiffes auf dem Hudson River hörte ich. Die Geräuschkulisse der Metropole war selbst in der Nacht gewaltig, ganz anders als in Cape Cod, man musste nur genau hinhören. Gewiss, ein Stadtmensch würde das alles gar nicht mehr bewusst registrieren. Über so was machte ich mir in diesem Moment Gedanken, und dieser Moment schien mir wie eine Ewigkeit zu sein. Vielleicht, so dachte ich, wenn ich mich genügend anstrengen würde, könnte ich sogar einige Leute auf der Straße reden hören, aber stattdessen hörte ich ein immer aufdringlicheres Keuchen.
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Dieses Keuchen wurde immer gleichmäßiger, immer intensiver und immer widerwärtiger. Es beherrschte nun den engen Raum, in dem ich mich befand und ich wusste, es ging dem Ende zu. Der Wagen schunkelte sogar etwas. Er stöhnte, Es stöhnte, dann keuchte Es wieder und zum Schluss stieß Es einen Laut der Wollust aus, wobei er mein Handgelenk so fest zupackte, dass ich meinen Arm wieder spürte. Nun war die Realität wieder da. Ich entriss mich ihm, öffnete die Autotür und stolperte hinaus. Dann schnickte ich sofort diesen ekelhaften Sabber von meiner Hand.



Torkelnd rannte ich einfach weg, bis ich stolperte und auf die Knie stürzte. Mir wurde übel, dann übergab ich mich einige Male. Erschöpft richtete ich mich zur Hocke auf und blickte hinter mich. Das Auto stand immer noch im Dunkeln und der Motor lief. Zuerst rollte nur eine Träne über meine Wange, dann vergrub ich mein Gesicht in meine Arme und weinte bitterlich.

Ich fühlte mich unendlich schäbig und erniedrigt. Ich weinte und flüsterte sogar wehleidig nach meiner Mutter. Wie sehr ich mir in diesen Augenblick gewünscht hatte, meine Mom zu umarmen und ihr zu versprechen, dass ich ihr immer gehorchen und ab sofort artig sein würde. Ich wünschte mir in diesem Augenblick sogar, dass sie sagen würde, ich solle das Vater Unser tausendmal aufschreiben. Aber sie war nicht da, nicht einmal um mich zu tadeln. Selbst danach hätte ich mich gesehnt. Niemand war da, ich war alleine und einsam irgendwo in New York, dort wo ich immer hinwollte.

Auf dem Highway raste ein Polizeiauto mit eingeschalteter Sirene vorbei und dann besann ich mich wieder – Dieses Mistschwein hatte meinen Liebesdienst noch nicht gelohnt. Dies sollte mir Robinson büßen. Ich war fest entschlossen dem Wichser auf seine Knollennase zu schlagen, ja, wäre sogar dazu bereit, ihn zu töten. Jetzt, in dieser Nacht seines neunundfünfzigsten Geburtstags, sollte er schmerzhaft erfahren, dass er sich den Falschen ausgesucht hatte.

Hasserfüllt blickte ich über meine Schulter, weil es plötzlich permanent laut hupte. Die Warnblinker und das Aufblendlicht leuchteten abwechselnd; Robinsons Buick blinkte in der Dunkelheit wie ein beschissener Weihnachtsbaum und veranstaltete mit dem Hupen einen ziemlichen Krach.
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Zudem war der Wagen von einem merkwürdig leuchtenden Nebel umhüllt worden. Der Tatort leuchtete verdammt noch mal, als hätte jemand ein gewaltiges, weißes bengalisches Feuer angezündet, welches qualmte und leuchtete. Ich musste sogar die Hand vor meine Augen halten, um hinzuschauen. Es schien einfach heller und immer heller zu werden.

Ich war nicht mehr fähig nachzudenken, denn der unbändige Hass raubte meine Sinne. Ich ging einfach zielstrebig auf den Buick zu. Apathisch, zu allem entschlossen, selbst dazu, ihn tot zu prügeln. Meine Fäuste waren geballt und der Hass brodelte in mir, sodass mir gar nicht auffiel, wie sich der leuchtende Nebel plötzlich langsam auflöste.

Heute weiß ich, dass damals in den Sechzigern noch keine Alarmanlagen in Autos installiert wurden, trotzdem hupte und blinkte das Fahrzeug unermüdlich weiter. Ich riss die Fahrertür auf und war gerade dabei Mr. Robinson auf seine Knollennase zu schlagen, als ich plötzlich stockte und inne hielt. Erschrocken blickte ich in sein Gesicht.



Er saß leblos im Autositz, seine Augen starrten entsetzt aus seiner Hornbrille und sein Mund war aufgerissen, als hätte er schreien wollen. Er hatte nicht einmal die Zeit gehabt, sein bereits erschlafftes Ding Dong wieder in die Hose zu verstauen. Und obwohl seine Hände schlaff und überkreuzt auf seiner Brust lagen, hupte das Auto ständig.

Sein Anblick war entsetzlich, er wurde brutal stranguliert. Um seinen Hals lag eine Henkerschlinge und das Tauende führte straff nach hinten. Verdutzt blickte ich auf ein kreuzähnliches Holzgebälk, das scheinbar durch die Heckscheibe gestoßen und mit der Karosserie verkeilt wurde. Als wäre es vom Himmel gestürzt.

Ich war völlig perplex, weil die Heckscheibe noch nicht beschädigt war bevor ich die Autotür geöffnet hatte, das hätte ich sonst gesehen als ich auf den Buick zugegangen war. Aber da war ja zuerst dieser merkwürdige Nebel gewesen, der das komplette Auto eingehüllt hatte. Trotzdem hätte ich einen mächtigen Knall und wie die Heckscheibe zerbärste hören müssen. War aber nicht so. Ich betrachtete den Schaden schließlich von außen und erkannte, dass das Gebälk ein großes, massives Kruzifix war, weil eine Jesu Figur darauf genagelt war.
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Jedoch wurde es umgedreht durch die Heckscheibe gestoßen. Solche dermaßen große Kruzifixe standen gewöhnlich nur in Kirchen.

Ich erschrak und trat instinktiv einige Schritte zurück, denn ich konnte mir absolut nicht erklären, wie ein dermaßen riesen Kruzifix auf ein Schrottplatz gelangen konnte. Zudem stand der gekreuzigte Jesus auf dem Kopf, dass mir augenblicklich ein mulmiges Gefühl vermittelte. Das ist doch irgend so ein beschissener Satanskult, war mein erster Gedanke. Wie war es bloß möglich, solch ein großes schweres Kreuz umgedreht mit der Karosserie zu verkeilen? Dazu wären einige kräftige Männer nötig gewesen. Immer noch hupte und blinkte der Buick.

Ich sah mich um und überschaute die Gegend, hier irgendwo musste ein wahnsinniger Mörder herumschleichen. Der Mistkerl Robinson schuldete mir zwar 50 Dollar, aber als ich plötzlich bemerkte, dass der merkwürdig leuchtende Dunst scheinbar wiederkam und langsam wölbend meine Beine umhüllte, es plötzlich zudem etwas nach Schwefel roch, entschloss ich mich das zu tun, was ich am besten konnte, anstatt seinen Mantel zu durchsuchen. Nämlich schleunigst zu verschwinden.



William Carter rannte panisch davon. Zum einen, weil ein scheinbar psychopathischer Mörder in der Nähe war und zum anderen, weil das Auto unaufhaltsam hupte und blinkte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Cops eintreffen würden – die Polizeisirenen waren bereits zu hören. William war zwar unschuldig, aber sich für dieses Spektakel als Zeuge zur Verfügung zu stellen, hielt er für äußerst töricht. Immerhin wurde eine berühmte Persönlichkeit getötet, dieser Mord morgen gewiss ganz groß in allen Zeitungen der Welt zu lesen sein wird, insbesondre in der New York Times. Er war sich sicher, dass man ihn verhaften und des Mordes beschuldigen würde, wenn er beteuerte, zwar die letzten Stunden mit dem berühmten Schriftsteller unmittelbar verbracht zu haben, jedoch sich nicht erklären könnte, wie Howard Robinson umgekommen war. William rannte davon, direkt unter einer Autobahnbrücke, denn dort erblicke er ein kleines Lagerfeuer. Das konnten nur Obdachlose sein. William beabsichtigte im Penner Milieu unterzutauchen.
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Wiedermal fernab von der realen Welt.
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Interessante Kommentare

Kommentar von "Simone Cyrus" zu "Zertreten"

hi rosmarin! da du dich ja schon vorab für meinen kommentar bedankt hast ;-), nicht wahr, lass ich hier jetzt auch mal meinen senf ab. wie kommt es eigentlich, dass du uns immer verwechselst? ...

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Kommentar von "rosmarin" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

Hahaha, darauf muss man erstmal kommen. Köstlich. Habt alle ein schönes Osterfest. Gruß von

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