Kurzgeschichten · Nachdenkliches · Winter/Weihnachten/Silvester

Von:    Wolfgang Reuter      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 1. Dezember 2014
Bei Webstories eingestellt: 1. Dezember 2014
Anzahl gesehen: 2607
Seiten: 2

Es war einmal eine Waschbären-Familie, die hieß Wusch. Sie lebte in einem wunderschönen deutschen Wäldchen, an einem lustig plätschernden Bächlein gelegen, fast so eine Art Wassergrundstück also.



Eines Tages ging Frau Wusch zu diesem Bächlein, um – was Waschbären bekanntlich ja täglich tun – zu waschen. Und natürlich traf sie dort Frau Wisch, Frau Wasch, Frau Wosch und Frau Weisch. Auch was nun folgte, kann sich jeder vorstellen: Sie quatschten, tratschten und klatschten wie die Waschweiber.



Plötzlich aber kam Frau Wusch eine Idee: „Wie wäre es“, so überlegte sie laut, „wenn alle Tiere unseres Wäldchens gemeinsam Weihnachten feierten?“



Diese Idee kam sehr gut an. Denn es war in dem kleinen Wäldchen gar nicht so leicht, für jede Familie eine Weihnachtstanne zu schlagen. Noch zwei Feste – und der Wald wäre keiner mehr! So aber könnten sich alle um die eine große Tanne an der Lichtung versammeln zum gemeinsamen Fest.



Schnell sprach sich die Idee der Waschbären im Wäldchen herum, und alle Tiere lobten den guten Einfall. Nur die Ratten, die neidisch waren, nicht selbst auf diese Idee gekommen zu sein, hatten etwas zu meckern: „So ein Unsinn! Weihnachten ist ein Fest der Familie! Das muss jede Familie für sich alleine feiern! Diese blöden Waschbären mit ihren feuchten Einfällen! Typisch Ausländer!“



„Wieso Ausländer?“, fragten die Eichhörnchen, die eben Nüsse sammelten für den gemeinsamen Weihnachtsteller.



„Die sind doch eingewandert aus Amerika“ erwiderte eine Ratte mit Irokesenfrisur und pfiff verächtlich durch die schiefen Zähne.



„Ausländer raus!“ kreischten da schon vier Jungratten und begannen, den Gleichschritt zu üben. Und zwei fette Wildsäue, die in der Nähe gerade Eicheln fraßen, grunzten gedankenlos mit „Raus, raus!“



Da kam der Fuchs vorbei, der Rotpelz. Der hörte das stupide Gegrunze und Gepfeife und dachte sich: Na, die sind aber primitiv! Und damit hatte er wohl Recht. Dann aber überlegte er, wie er den Waschbären helfen könnte… Schon bald lief er kichernd davon.



Am nächsten Tag hing an vielen Baumstämmen ein Plakat mit der Losung:

Ratten und Schweine,

feiert alleine!



Am Weihnachtsabend trafen sich alle Tiere wie verabredet zu ihrer gemeinsamen Weihnachtsfeier an der großen Tanne.
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Es wurde ein sehr lustiges und schönes Fest, zu dem sogar ein paar Wölfe aus Polen und ein russischer Bär angereist waren.



Die Ratten und Wildschweine aber hockten abseits in einer Sauensuhle und weinten bittere Tränen ob ihrer Einsamkeit.



Ach – ginge es doch bei den Menschen ähnlich zu!



www.wolfgang-reuter.com, 01. 12. 2014
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Punktestand der Geschichte:   105
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Kommentare zur Story:

  Lieber Wolfgang, ich finde dein Märchen klasse. Das sind ja auch alles Ratten und Schweine, die andere nicht in ihrem Land haben wollen, nur weil sie anders Aussehen oder sich anders geben. Schöne Metaphern. Eine kleine Geschichte, die nicht nur Kindern Spaß machen dürfte.  
   Else08  -  05.12.14 12:05

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  Hallo Michael,

vielen Dank für Deine Gedanken zum Text, die ich zu hinterfragen versucht habe. Ich komme zu keinem anderen Schluss, als ich aufgeschrieben habe. Und das hat folgenden Grund:

Der vorletzte Satz (der mit den Tränen) ist als ironische Übertreibung gemeint. Wenn ich behaupte, dass "böse" Tiere so einsichtsvoll wären, etwas zu lernen, dann kann ich mich anschließend (im Schluss-Satz) desto wirkungsvoller an die Menschen wenden.

Ließe ich die Geschichte einfach mit grölenden Ratten und Schweinen enden, wäre es nichts weiter als die pure Realität, erzählt durch Tiermäuler. Wo bliebe da die „Moral“? Und dann hätte es auch wenig Sinn gemacht, die Geschichte aufzuschreiben.  
   Wolfgang Reuter  -  02.12.14 18:33

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Kurz, bündig und treffend, logisch im Aufbau. Daumen hoch!

Nur der letzte Satz "Ach - ginge es doch bei den Menschen ähnlich zu" scheint mir ein bisschen zu viel "erhobener Zeigefinger". Denn diese Schlussfolgerung ergibt sich doch schon aus der Geschichte selbst, ohne dass man die Leser noch einmal darauf hinweisen muss.

Auch bin ich nicht sicher, ob die Ratten und Schweine "bittere Tränen der Einsamkeit" weinten. Eher ist es doch wohl so, dass sie sich in eine isolierte Schmollecke zurückziehen und sogar mit ihrer Isolation noch prahlen bzw. in ihrer Selbstüberschätzung diese sogar heroisieren. Was der erfolgreichen gemeinsamen Feier der anderen Tiere natürlich keinen Abbruch tut. Oder glaubst du, lieber Wolfgang, Ratten und Schweine würden sich ihrer isolierten Einsamkeit bewusst werden...? Möglich, dass die eine oder andere Ratte zum Nachdenken kommt, aber wichtiger scheint mir als Ergebnis die Solidarität der anderen Tiere zu sein.  
   Michael Kuss  -  02.12.14 10:11

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