Kurzgeschichten · Erinnerungen · Experimentelles

Von:    Ben Pen      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. September 2014
Bei Webstories eingestellt: 6. September 2014
Anzahl gesehen: 2206
Seiten: 3

Alles begann mit meinem alten Lehrer: Er war ein dunkler Typ, Brillenträger, immer glatt rasiert. Ich saß vor ihm, an einem Tisch. Um uns herum: Zwielicht. Die Rollos waren unten, die Vorhänge halb zugezogen. Ich vermute, dass wir uns in einem meiner alten Klassenzimmer befanden.

Das Ganze wirkte wie eine Prüfungssituation. Nur dass ich nicht alleine geprüft wurde: Ich hatte eine junge Frau an meiner Seite. Wie ich hatte sie Deutsch studiert. Jetzt kehrte sie – gleich mir – an ihre alte Schule zurück, um dort ihr Können unter Beweis zu stellen. Vor unserem alten Mentor hatten wir uns zu beweisen.

Der fertigte uns rasch ab: In Händen hielt er ein paar Hefte, DinA5. Es waren stinknormale, handelsübliche Schreibhefte. Nur den Einband hatte man abgemacht. Stattdessen waren auf jedes Exemplar Name und Klasse geklebt worden. Daneben stand – in Rot – die Note.

Er klatschte sie vor uns auf den Tisch. Auf das, was er zu ihr sagte, achtete ich gar nicht. Ich hatte es bereits vergessen, kurz nachdem ich es gehört hatte. Dafür brannten sich mir meine Noten umso nachdrücklicher ein: 2, 3, 1. – Ich war zufrieden.

Das letzte Heftchen allerdings behielt er noch ein bisschen in der Hand, fuchtelte mir damit vor meiner Nase herum. „Das hier ist etwas ganz Besonderes!“, erklärte er. Er war ganz aus dem Häuschen. „Es ist so düster, die Essenz von, der Inbegriff der Dunkelheit!“

Ich staunte. Nicht über die Worte, die er für meine Geschichte gefunden hatte, sondern darüber, dass ihm überhaupt aufgefallen war, wie großartig sie eigentlich war. Denn normalerweise wurden sie komplett zerrissen. In der Regel las niemand meine Erzählungen so genau. – Im Stillen zollte ich ihm meinen Tribut.



Ich bewegte mich durch einen Wald. Was ich sah, sah ich durch den Sucher meiner Kamera. Diese hielt ich fest umklammert. Nicht eine Sekunde lang wendete ich den Blick von ihrem Display ab.

Ich kletterte auf Bäume, an Felswänden empor, balancierte über Stämme, setzte über Rinnsale hinweg. Und bespaßte – so ganz nebenbei – ein imaginäres Publikum auf Englisch. Ich drehte nämlich einen Film, einen Fantasy-, für YouTube.

Nur einmal schaute ich runter, an mir herab. Ich sah, dass meine (kurze) Hose offen-, ihr Hosenstall weit auf stand.
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Er war fast die ganze Zeit über im Bild gewesen. Was mein Material, selbst wenn er sich nicht direkt im Fokus befunden hatte, vollkommen unbrauchbar machte. Wahrscheinlich musste ich noch einmal ran.

Springend eroberte ich ein Hochplateau. Wie eine Aussichtsplattform erhob es sich über den Wald und uch konnte bis weit über seine Wipfel blicken. Linker Hand, in einiger Entfernung: Berge. Vor mir, ein paar Schritte weiter: eine senkrecht aufschießende Felswand.

Ich sah mich um, zu Boden. Da lag etwas. Es war eine Tafel, gelb. Ich wusste: Im selben Moment, da ich sie berührte, würde der Tod erscheinen. Fallen dieser Art gab es viele. Mehr als einmal hatte ich bereits um so ein Täfelchen gekämpft. Ich wusste also, womit ich es zu tun bekommen würde und hatte nicht wirklich etwas zu befürchten. Und so bückte ich mich und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Tatsächlich ließen sie nicht allzu lange auf sich warten: Ein graubärtiger Mann in lila Kutte, gelb gebortet, Zinnenmuster, materialisierte sich vor mir. In einer Hand hielt er einen Stab. Die andere hob er, beschwörend, über den Kopf. Um seine zur Klaue gekrümmten Finger tanzten Blitze.

Wenn ich ihm zuvorkommen wollte, musste ich mich beeilen. Also hob auch ich die Linke – worauf sie sich in Flammen hüllte! – Zu meinem Leidwesen hatte ich jedoch vergessen, welchen Zauber ich gerade drauf hatte – ein Umstand, der mir zum Verhängnis wurde:

Als ich meine Hand zur Faust ballte, umbrausten Winde den verdutzten Neuankömmling. Ein Band aus Zeichen hüllte ihn ein. Und ein schwarzes Loch tat sich über ihm auf. Dort wurde er hineingesogen. Die Dunkelheit verschluckte ihn.

Urheber derselben war jedoch nicht ich gewesen. Eine Replikation seiner selbst hatte ihn bezwungen. Der Zauber auf meiner Hand war nämlich kein Blitz, Eisstachel oder Feuerstoß gewesen, sondern eine Beschwörung! – Ich hatte ihn selbst, den Tod, beschworen.

Er war herausgerissen worden aus seiner Nicht-Zeit, hereingeplatzt in unsere, mit dem einen Auftrag, sich selbst zu töten! – Nur so war es möglich, dass er gleich zweimal existierte.

Nachdem er sich also vernichtet hatte, drehte er sich zu mir herum. Nun war wieder ich an der Reihe. Doch kam ich ihm – erneut – zuvor: Ich beschwor ihn, den Tod, noch einmal, und noch einmal beförderte er sich selbst ins Jenseits – bevor er sich – erneut – herumwandte.
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Das Ganze wiederholte sich noch einige Male, und es wurden immer mehr Tode. Ich konnte es einfach nicht riskieren, auch nur einen Augenblick lang innezuhalten. Ich hatte schlichtweg nicht die Zeit, mich auf etwas anderes, einen anderen als diesen einen Zauber zu konzentrieren. Dafür war ich in zu arger Bedrängnis.
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