Romane/Serien · Spannendes

Von:    Tintentod      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 18. Oktober 2010
Bei Webstories eingestellt: 18. Oktober 2010
Anzahl gesehen: 2493
Seiten: 5

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


3

Als sie in der Nähe von Waterville waren, brach der Wagen zusammen. Sie befanden sich auf der 202, Rick hatte das Fahren übernommen, sie stritten sich gerade darüber, wo man die besseren hot dogs bekam, als dichter öliger Qualm die Sicht versperrte.

„Gottverdammt“, schrie Rick und kurve an den Seitenstreifen, „was ist’n jetzt los?“

„Du hast einen Blick für Karren“, murrte Hollis, während sie ausstiegen und durch den Schnee um das Auto stiefelten, „du kannst unter Tausenden einen finden, der in Ordnung ist, was?“

Rick trat einen Klumpen Schnee in seine Richtung und riss die Motorhaube auf. Der schwarze Qualm umwölkte seinen Kopf und er sprang hustend zurück, stolperte dabei über den Hund. Carlos sprang vor ihm davon durch den Schnee und verschwand in eine Wehe. In den letzten zwei Tagen, an denen sie kaum vorangekommen waren, hatte es ununterbrochen geschneit und den Winter perfekt gemacht.

„Das krieg ich nicht mehr hin“, sagte Rick, verteilte den Qualm mit der Hand und schlug die Haube wieder zu.

„Shit fucking hell“, zischte Hollis und erstarrte. Rick folgte seinem Blick durch das helle Schneegestöber. Der Wagen war noch weit entfernt, aber sie sahen auf dem ersten Blick, dass es ein Polizeiwagen war, selbst Rick mit seinen schlechten Augen.

„Vielleicht nimmt er uns ja mit bis in die nächste Stadt“, sagte Hollis und lachte nervös.

Rick sperrte Carlos in den Wagen zurück, um ihn aus dem Weg zu haben, er wusste nicht, was alles passieren würde, wenn der Polizeiwagen nicht vorbeifuhr, was er ganz sicher nicht tun würde. Er würde anhalten und seine Hilfe anbieten, misstrauisch werden und schon saßen sie bis zum Stehkragen in der Scheiße. Das Schneegestöber wurde dichter, der Wind schärfer. Hollis und Rick sahen sich nervös an, während der Polizeiwagen näher kam, stopften sich die gefühllos werdenden Hände in die Jackentaschen und traten von einem Fuß auf den anderen.

„Fahr bitte weiter“, betete Rick auf Spanisch und mit zusammengebissenen Zähnen, „fahr weiter, bitte, fahr weiter.“

Der Streifenwagen kam näher, fuhr auf die Seite und hielt hinter ihnen. Ein schwarzer Polizist stieg aus, so deutlich in dem Schneesturm zu erkennen wie ein Stück Kohle unter Hühnereiern.
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Er schlug sich den Jackenkragen hoch und atmete eine gewaltige Wolke in die kalte Luft.

„Sieht böse aus, was?“ sagte er, als er näher kam. Er machte einen freundlichen Eindruck, war aber gleichzeitig aufmerksam und misstrauisch – die idealen Eigenschaften für einen Polizisten, zumal er allein unterwegs war.

„Die Karre hat den Geist aufgegeben“, erklärte Rick. In Gedanken sah er sich schon zusammen mit Hollis in Handschellen auf dem Rücksitz des Polizeiwagens. Auf dem kürzesten Weg in das nächste staatliche Hotelzimmer mit Gittern vor Türen und Fenstern.

„Soll ich mal nachsehen?“

Hollis lachte schrill und schlug die Handflächen zusammen, als der Polizist sich unter die Motorhaube klemmte und dann mit den Schultern zuckte.

„Ich werde euch über Funk einen Abschleppwagen rufen, damit ihr von hier wegkommt.“

„Sehr nett, aber das ist wirklich nicht nötig“, begann Rick, biss sich auf die Lippen, als der Polizist Carlos im Wagen sitzen und gegen die Scheibe hecheln sah. Hollis machte eine schnelle Bewegung, dass sie davonlaufen sollten, sobald er entdecken würde, dass kein Schlüssel im Zündschloss steckte und die Drähte herausbaumelten, aber Rick schüttelte den Kopf. Er konnte Carlos nicht im Stich lassen.

„Wie heißt er?“ fragte der Polizist, klopfte gegen die Scheibe und grinste über das ganze Gesicht. Rick konnte nur auf seine breiten, behandschuhten Hände starren.

„Carlos“, sagte er mechanisch.

„So einen hatte meine Familie auch mal. Eine scheußliche Mischung, aber eine Seele von Hund.“

Rick und Hollis sahen sich vorsichtig und nur aus den Augenwinkeln an. Der Mann ließ Carlos aus dem Wagen, klopfte ihn und redete mit ihm. Carlos war ganz begeistert über so viel Aufmerksamkeit und wedelte heischend. Ihm hatten Uniformen noch nie etwas ausgemacht.

„Wo wollt ihr eigentlich hin?“ fragte der Polizist.

„Rauf nach Kanada“, sagte Hollis, „wir haben da Jobs bekommen.“

Rick nickte betont.

„Ich ruf euch den Abschleppwagen. Es ist nicht weit bis nach Clinton, da könnt ihr ihn reparieren lassen. Wenn sich das überhaupt noch lohnt.“

„Werden wir sehen“, sagte Rick.

Der Polizist stieg in seinen Wagen, grüßte noch einmal stumm durch die Scheibe und fuhr langsam davon.
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Auf einem Stück vereister Straße kam er ins Rutschen, fing den Wagen wieder ab und entfernte sich.

„Dieser verdammte Köter hat uns das Leben gerettet“, sagte Hollis, packte Carlos an den Vorderbeinen und zog ihn zu sich hoch.

Sie diskutierten darüber, ob sie auf den Abschleppwagen warten oder sich sofort aus dem Staub machen sollten, entschieden sich dann für das Letztere. Auf dem Fußmarsch in die nächste Stadt bewarfen sie Carlos mit Schneebällen, rannten immer wieder ein kleines Stück, um ihre kalten Füße aufzuwärmen. In Carlos‘ Fell bildeten sich Eisklumpen und er hatte deutlich den meisten Spaß an dem Fußmarsch.

„Durch-ge-ka-nallt!“ murmelte Hollis, „wir hätten besser den Bus genommen.“

Nach scheinbar endlosen Stunden tauchte ein Pick-up Truck hinter ihnen auf, Scheiben halb zugefroren und mit röhrendem Motor. Auf der Ladefläche waren Strohballen festgebunden. Rick rannte rutschend zur Tür und sah undeutlich eine Hand, die sie hereinwinkte. Als er Carlos hineinheben wollte, sagte der Mann sofort: „Der Hund fährt hinten, aber bind ihn an, damit er nicht wegweht.“

Der Farmer nahm sie mit bis in die nächste Ortschaft, stellte kaum Fragen und interessierte sich nicht dafür, wo sie hinwollten und was sie vorhatten. Er sagte nur: “Das war euer Wagen, an dem ich vorbeigekommen bin“, und als die beiden nickten, gab er sich damit zufrieden. Nur Rick machte sich Gedanke um Carlos, der da draußen auf der Ladefläche hockte und dem eisigen Wind und Schnee ausgesetzt war. Es erinnerte ihn an die Nacht, als Hollis und er aus Atlantic City gekommen waren, in einem alten Pick-up und dabei fast einen streunenden Hund überfahren hätten, der irgendwie der Auslöser dazu gewesen war, dass Rick in das nächste Tierheim gestürzt war, um sich einen Hund anzuschaffen. Mit dieser Aktion hatte Rick Carlos vor dem Einschläfern gerettet, und obwohl es unwahrscheinlich war, dass Carlos der Hund gewesen war, der ihnen vor das Auto gelaufen war und den sie danach nicht mehr wieder gefunden hatten, verband die beiden irgendetwas. Rick hatte das Gefühl, näher an Mascot zu sein, wenn er mit dem Hund zusammen war. Und das war ein tröstendes Gefühl.
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In Troy hatten sie kaum noch genug Geld für etwas zu Essen und Zigaretten und suchten nach etwas, was sie zu Geld machen konnten. Troy war eine verschlafene und vertrauensselige Stadt. In einer Seitenstraße stand ein offener Lastwagen vor einem Elektrogeschäft, den sie im Vorbeigehen entdeckten und sofort genauer untersuchten. Während Hollis den Hinterausgang des Geschäfts beobachtete, wuchtete Rick einen Videorecorder vom Stapel und sie verschwanden damit im ruhigen Schlenderschritt. Einige Straßen weiter gingen sie in einen Pfandleiher und ließen sich das Geld ausbezahlen. Sie knackten den nächsten Wagen und verschwanden. Mit dem zitronengelben Familienwagen, an dessen Rückspiegel ein Paar Babyschuhe baumelten, die Rick mit einer ruckartigen Bewegung abriss und nach hinten warf, wo Carlos auf ihnen herumkaute, fuhren sie weiter. Hollis war wieder am Steuer und Rick überlegte laut, dass sie den ganzen LKW mit Elektrogeräten hätten mitnehmen können. Bei einem Hehler hätten sie dafür eine Menge Kohle rausschlagen können.

Mit abnehmender Entfernung wurde Rick immer nervöser und begann wieder mit seinem alten Laster. Neben dem Pot nahm er oft zusätzlich Aufputscher, die er sich auf der Straße besorgte. Manchmal genügte das Zeug aus der Apotheke, aber meist brauchte er härteres Zeug. Hollis wusste nicht, bei welcher Gelegenheit er sich diesmal die Tabletten besorgt hatte, zwang sich dazu, nichts darüber zu sagen. Besser, er dröhnte sich jetzt zu, als dass er die Pillen unter Sophies Augen nahm.

Sie waren langsam gefahren und hatten viele Pausen eingelegt, waren jetzt nur noch eine Stunde von Blue Hill entfernt. Um nicht daran denken zu müssen, redete Rick unablässig von den Videorecordern und Fernsehern, die sie zu Geld hätten machen können. Dann sagte er, dass Hollis ihm die Packung nach hinten reichen solle.

„Welche Packung?“ fragte Hollis scheinheilig.

„Stell dich nicht so an.“

„Du hast schon genug davon geschluckt.“

„Das geht dich nichts an.“

„Du solltest es trotzdem lassen.“

Mühsam brachte Rick sich nach oben und stemmte sich auf die zurückgeklappte Lehne.

„Hab keine Lust, mit dir zu streiten“, sagte er deutlich. Seine Augen waren groß und dunkel, total zugedröhnt.
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„Ich auch nicht“, antwortete Hollis. Er wandte sich zur Seite, steuerte den Wagen mit einer Hand weiter und tat so, als suche er die Packung.

„Kann sie nicht finden“, meinte er, „du hast sie bestimmt schon leer gemacht. Ohne es zu merken.“

„Bullshit“, sagte Rick, „ganz sicher nicht.“

„Kann sie nicht finden“, wiederholte Hollis. Er hatte die halb leere Packung zusammen mit einer leeren Zigarettenschachtel und anderem Abfall aus dem Fenster geworfen, als Rick auf dem Rücksitz gelegen hatte und sich nicht mal an seinen eigenen Namen erinnern konnte. Sie wechselten noch einige Worte, und als Rick wütend wurde, warf Hollis den gesamten Inhalt aus dem Handschuhfach nach hinten. Das Einzige, was von den Tabletten noch übrig war, war die braune Papiertüte, in der sie gesteckt hatten.

„Ist nicht mehr da“, sagte Hollis zufrieden und Rick ließ sich nach hinten fallen, wobei er sich den Kopf anwummerte.

„Du Arschloch hast sie wieder aus dem Fenster geworfen“, sagte er und versuchte eine Weile zu schlafen.
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Punktestand der Geschichte:   294
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Kommentare zur Story:

  Eine Fahrt ist geplant. Carlos hält sich dabei wacker. Nimmt sogar Einfluss auf einen Polizisten.  
   Petra  -  17.01.11 19:36

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Danke fürs Lesen & Kommentieren, ihr 3Jotts.

@Jingizu: wenn du Sophie auch nicht magst, hänge ich den Kuli an den Nagel... ;0))

Liebe Grüße Pia  
   Tintentod  -  20.10.10 22:26

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Yeah, so langsam nimmt die Story Fahrt auf. Die Ideen mit dem Schneesturm, dem schwarzen Polizisten waren super.
Ich finde die beiden ganz nett, haste gut beschrieben. Tun doch keinem was oder...  
   Jürgen Hellweg  -  20.10.10 21:51

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  Du schaffst es wirklich immer wieder die jeweiligen Situationen so perfekt zu schildern, dass der Leser die Bilder genau vor Augen hat.
Sehr schöner Stil - auch wenn ich die beiden immer noch nicht mag.  
   Jingizu  -  20.10.10 20:23

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Schitt! Wurde nichts mit dem Mädchen. Stattdessen gibt es Schwierigkeiten mit dem geklauten Wagen. Netter Polizist, lässt sich von Carlos weichwedeln. Nun bin ich ich immer noch gespannt, was Rick und Hollis wohl dazu gebracht hat, diese Fahrt zu machen.  
   Jochen  -  19.10.10 09:47

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