Return to Home - Endlich zurück   310

Romane/Serien · Trauriges

Von:    Alexander      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 11. Mai 2010
Bei Webstories eingestellt: 11. Mai 2010
Anzahl gesehen: 3824
Seiten: 19

-Prolog-



Die Schlacht war im vollen Gange. Unerbittlich warfen sich die Feinde vernichtende Raketen und Energiebolzen entgegen, um dem jeweils anderen soviel Schaden wie nur möglich zu zufügen. Auf die Toten konnte man keine Rücksicht nehmen. Dafür würde am Ende noch genügend Zeit bleiben. Eine Schlacht wie diese war schon mehrere Male gefochten worden. Jedes Mal starben auf beiden Seiten Soldaten. So war der Krieg.

Admiral Flores Thor sah auf dem Taktik Display (TD), an seinem Kommandositz, wie die von ihm befehligte Angriffsflotte der Vereinte Terra-Gvan Flotte (VTGF) den Feind besiegte. Seit nun mehr 8 Jahren tobte der Krieg zwischen der Union und dem Reich Crjan. Ein Krieg, der noch verbissener geführt wurde als der Letzte.

„Sir. Die Marines sind soeben auf dem 3. Planeten gelandet. Luftunterstützung durch Langstreckenbomber wird eingeleitet. Soll das Geschwader Oberflächenbeschuss vollziehen?“, fragte der Com-Stationsoffizier.

Die Aufklärung seiner Angriffsflotte hatte auf dem 3. Planeten des crjanischen Systems Pa’as eine Basis entdeckt. Um die Basis zu schützen hatte die crjanische Flotte schwere Verluste hingenommen. Anscheinend hatte der Kommandeur großen Wert darauf gelegt das die Landungstruppen des Vereinte Terra-Gvan Marine Corp (VTGMC) nicht auf dem Planeten landeten. Dafür hatte er sogar wichtige Einheiten von seiner Hauptflotte abgezogen und zur Verteidigung des Planeten abgestellt. Was seine Hauptflotte gegen die Angriffsflotte von Admiral Flores schwächte. Eine grobe Fehlentscheidung. Dennoch behielt er die Schiffe während der Schlacht beim Planeten. Das Geschwader hatte die Linie der abgestellten Schiffe des Reichs durchbrochen und somit ein Fenster für die Landungseinheiten geschaffen. Wirklicher Widerstand kam von den Crjanern nicht mehr. Sie gaben zwar nicht auf, aber ändern tat das an der Niederlage nichts.

Die Marines sollten die Basis, die nach Einschätzung der Aufklärung ein Gefangenlager war, erobern und sichern. Dafür stellte man den Marines das nötigste zur Verfügung. Vorrang hatten die Gefangenen und deren Unversehrtheit.



***

Colonel Armin Mexes besaß den Oberbefehl der gelandeten Marines. Inzwischen gab es nur noch Schachmützel mit versprenkelten Einheiten der Reichssoldaten. Das Gefangenlager war nach Stundenlangen Gefechten in Unioner Hand.
Seite 1 von 21       
Die Crjaner hatten das Gefangenlager stark befestigt und alle Mittel aufgewendet um es zu Verteidigen. So was hatten sie bisher nie getan. In der Vergangenheit waren die Gefangenenlager bereitwillig aufgegeben worden, um ihre Position zustärken. Daher war Mexes überrascht als die Crjaner das Gefangenenlager so verbissen verteidigten. Es musste einen Grund geben, da war er sich sicher.

Weite Teile der Basis, die Teilweise Unterirdisch lag, waren gesichert worden. Als Mexes den Gefangenentrakt betrat, traten ihm und seinem Stab ein bestialischer Geruch entgegen. Fäkalien, Blut und aller Arten ekeliger Gerüche kamen aus dem Trakt.

Ein schlecht beleuchteter Raum, kaum größer als ein Basketballfeld. Dreimal so viele Insassen wie der Raum fasste befanden sich vor Ort. Menschen wie Gvaner waren hier eingesperrt. Für ein fünftel der Gefangenen gab es Betten oder Matratzen. Alle Gefangenen waren sichtlich unternährt. Nicht alle Insassen trugen mehr ihre Uniform. Manche hatten sie geflickt oder sich etwas aus Fetzen zusammengeschustert. In dem Raum war es kalt.

Einen solchen Anblick hatte keiner der Marines erwartet. Es war zwar bekannt das die Crjaner die Gefangenen nicht besonders gut behaltenden, doch das hier war unter jeder Würde.

Eine Stimme ertönte aus der Tiefe des Raums. „Achtung. In Reih und Glied aufstellen.“

Wie es die Frauen und Männer gelernt hatten stellten sie sich auf. Alles fein säuberlich nach Rängen. Die Offiziere in der Ersten Reihe. Danach folgten die Unteroffiziere und die Gunnys. Hinter denen standen die einfachen Soldaten. Ein Großteil der Gefangenen waren Marines. Der Rest war von der Flotte.

Was Colonel Mexes in den Augen der Frauen und Männer sah war Ehre und Stolz. Sie waren zu einer Gemeinschaft verschmolzen, wie es sie nirgendwo sonst gab. Diese Leute hatten allem widerstanden was ihnen die Crjaner entgegen gesetzt hatten.

„Salutiert.“, schrie die Stimme.

Ein Eiskalter Schauer überkam den 46 Jährigen Marine. Die Menge vor ihm salutierte wie bei einer Militärparade. Ohne groß zu überlegen, erwiderte Colonel Mexes den Gruß. „Rühen.“, sagte er mit trockener Kehle.

Die Menge ging in Halbacht Stellung. Manche schienen sich kaum auf den Beinen halten zu können.
Seite 2 von 21       


„Coporal.“, rief Mexes leise. Ein junger Mensch, etwas blasser als sonst, trat zu ihm. „Geben sie den Lufteinheiten unsere Position durch. Die Sanis sollen sich die Leute ansehen. Das Medizinische Corp soll sich auf Arbeit vorbereiten.“ Ordnete er an, ohne den Blick von den Gefangenen zu nehmen.

„Jawohl. Sir.“ Der Coporal nahm seine Aufgabe in Angriff.

„Lieutenant.“ Ein älterer Mann trat zum Colonel. „Captain Hill soll die Landezone sichern. Lieutenant Oberhausen und seine Leute sollen für die Sicherheit der Gefangenen sorgen. Sobald die Sanis die ersten durchgecheckt haben werden diese ausgeflogen.“



***

General Angelo Barcelona besaß weißgraues Haar. Sein Körper war gezeichnet durch die 67 Jahre, welche er auf dem Buckel hatte. Der Befehlshaber des Vereinte Terra-Gvan Marine Corp trug seine Uniform stets mit Stolz und Ehre. Mit 18 Jahren trat der Sohn eines Plantagenbesitzers ins Corp ein. Schulisch gesehen war er zu dieser Zeit eine Niete. Und da er auf keinen Fall weiter die Schulbank drücken wollte, schrieb er sich als Freiwilliger für das Corp ein. Knapp 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert später, lebte und diente Angelo Barcelona im Corp.

Heute besaß er den Oberbefehl über Tausende Frauen und Männer. Eine schwere Last. Vor allem im Krieg. Neben ihm ging der 17 Jahre jüngere Lieutenant General Al Boomer. Dessen Haare hatten ihn bereits vor Jahren im Stich gelassen. Sein Freund leitete den Kriegsstab.

„Wie viele waren in dem Lager?“, wollte Barcelona wissen.

Hinter ihnen gingen ihre jeweiligen Assistenten. Die Freunde gingen im gleichen Takt den Flur entlang. Vor ihnen räumten Marines in Kampfanzügen ledigliche Art von Hindernissen aus dem Weg. Deshalb hatten sie freie Bahn. Außerdem ging jeder dem Trupp Soldaten aus dem Weg. Um nicht grob beiseite geschoben zu werden.

„1500. Davon sind 70% Marines.“, antwortete Boomer knapp.

Barcelona mochte es nicht wenn man nicht gleich zur Sache kam. Ohne Umschweife, gleich das Thema, Zahlen, Fakten, Antworten, ect.

„Die längsten waren 8 Jahren dort.“, fuhr Boomer fort. „Manche so glauben wir, sogar 9 Jahre.“ Sein Freund und Befehlshaber sah ihn an. Beide wussten was das bedeutete. Seine Miene wurde finster.
Seite 3 von 21       
Nicht wegen Boomers Darlegung der Fakten, sondern wegen der Crjaner. „Soweit sich feststellen lies, wurden ungefähr 100 vor 3 Monaten dort eingebunkert.

Im Moment versuchen wir Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen.“

Was nicht unbedingt ein Zuckerschlecken war. Mussten die Familien oder Angehörigen seit 9 Jahren vom schlimmsten ausgehen. Bis Heute hatten sie keinerlei Gewissheit was mit ihren Familienangehörigen die im Corp oder bei der Flotte dienten passiert war. Viele gingen wohl davon aus das sie Tod waren. Verständlich, galten sie bisher als Vermisst. Man lebte das Leben weiter. Etwas anderes blieb den Angehörigen gar nicht übrig. Einige lebten weiter ohne jemals wirklich Gewissheit zu erhalten. Eine solche Erfahrung wünschte Barcelona keinem. Leider war es eine Folge des Krieges.



-1-



Sandra Gibson lebte in der Vorstadt Santa Monaco. Keine 30 Minuten entfernt lag die Hauptstadt der Union. Sie lebte in einem ruhigen Viertel wo jeder jeden kannte. Hier fühlte sie sich wohl. Schließlich war sie in einer Vorstadt aufgewachsen. Man war nicht so anonym wie in den Großstädten. Mit den Nachbarn hatte sie ein gutes Verhältnis. Obwohl sie alleine wohnte. Daher kam ihr das Einfamilienhaus manchmal zu groß vor. Das Sandra alleine wohnte hatte einen Grund, den jeder Nachbar kannte.

Sie war Produzentin der Dokumentationsabteilung des Nachrichtensenders TerraNewsKanal (TNK). Der Sender besaß einen eigenen Wolkenkratzer im Zentrum der Hauptstadt. Gleich nebenan lagen die Gebäude der Konkurrenz. Im gesamten Bezirk der Stadt hatten die Medien ihre Zelte aufgeschlagen. Im Gegensatz zur Konkurrenz war TNK ein kleiner Nachrichtensender, der sich aber großer Beliebtheit erfreute und zur Hauptsendezeit in den Top 5 der Quotenrangliste lag. Was unter anderem auch an den beliebten Dokumentationen lag, für die Sandra Mitverantwortlich war.

Angefangen hatte Sandra als Kolumnistin einer wöchentlich erscheinenden Holokino Zeitschrift. Dabei lernte sie einige Leute aus der Unterhaltungsbranche kennen. Was dazu führte das sie nach 3 Jahren bei einer Produktionsfirma als Assistentin anfing. Später leitete sie die Produktion der Theaterstücke, welche FourMagic produzierte. Nach 4 erfolgreichen Jahren wechselte Sandra in die Dokumentation Sparte der Firma.
Seite 4 von 21       
Welche 2 Jahre später von TNK gekauft wurde. Nach 1 Jahr bekam sie den Posten als Produktionsleiterin. Den sie bis heute inne hatte.

Im Moment sah sie sich mit dem Creative Direktor Richard Fox die Rohfassung der Dokumentation über die Regierungszeit von Luis Cortez an. Er war einer der beliebtesten Präsidenten in der Geschichte der Union. Obgleich Cortez noch lebte.

Sandra und Richard waren gute Freunde geworden. Sie redeten beinahe über alles miteinander. Privates wie Berufliches. Vor allem in der schweren Zeit, die Sandra hinter sich hatte, war der schwule Richard ihr eine ungemeine Stütze gewesen.

„Was sagst du?“, fragte Sandra leise. Um den Regisseur nicht zu stören. Er mochte es nämlich überhaupt nicht wenn man während des Films sich unterhielt. Leicht exzentrisch, dafür gehörte er jedoch zu den Besten seiner Zunft.

Richard schwieg kurz. Wohl um abzuwarten ob der Regisseur Sandra gehört hatte. Dem schien nicht so. „Entweder wir erhalten einen Emmy oder werden gefeuert.“, flüsterte er ihr zu.

Wenn die Dokumentation ein Flop wurde, konnte es gut sein das gewisse Leute die Verantwortlichen zur Rechenschaft zogen. In diesem Fall waren das Sandra und Richard. So beliebt Ex-Präsident Cortez auch sein mochte, war seine Politik nicht ohne Fehler gewesen. Sicherlich gab es immer kritische Stimme bei jeder Regierung, doch bei Cortez waren es weitaus weniger als bei manch anderer Regierung. Einer Gründe war, die Cortez Regierung verstand es gut gewisse Dinge unbemerkt unter den Teppich zu kehren. Ohne das jemals einer davon erfuhr. Darum war diese Dokumentation auch so ein heißes Eisen.

Da erschien ihr Assistent. Der Student war Praktikant bei TNK und durchlief alle Abteilungen. Simon Klose studierte Medienwissenschaften. Ein Praktikum bei TNK brachte den 23 Jährigen Mischling weiter. Seinem Lebenslauf schadete es sicherlich nicht. „Ma’am. 2 Männer vom Militär stehen draußen. Sie wollen mit ihnen sprechen.“ Eine Spur zu laut hatte er gesprochen. Der Regisseur drehte sich zu ihnen. Sein Blick hätte Simon pulverisiert wenn Blicke dazu imstande gewesen wären.

Eine ungute Vorahnung überkam Sandra. Genau wie Richard wie sie sah. Das dass Militär so schnell Wind von dem Projekt bekommen hatte, überraschte sie.
Seite 5 von 21       
Schließlich war noch immer Krieg. Sollte sich das Militär daher nicht besser darum kümmern, statt jemanden einzuschüchtern.

Der Besuch konnte aber auch die Folge der letzten Dokumentation sein. Dabei handelte es sich um den Einsatz der Friedenstruppe auf Ma’rsha Prime. Die Sache hatte Hohe Wellen geschlagen. Woraus die Forderung der Opposition nach dem Rücktritt des amtierenden Vorsitzenden des Generalstabes resultierte. Was der jungen Regierungszeit von Präsidentin Eva Catherine Vega den ersten schweren Skandal einbrachte.

Das Hauptthema der Dokumentationssendung war, die Unterstützung der Union für die Rebellen durch Geheime Aktionen. Was die damalige Regierung von Ma’shra Prime gestürzt hatte. Dadurch erhielt man die Genehmigung Flotteneinheiten im Ma’shra System zu stationieren und einen Militärischen Außenposten zu errichten.

Wenige Tage nach dem Bericht war TNK von der Regierung bzw. dem Verteidigungsministerium, verklagt worden. Noch war der Rechtsstreit im Gange. Bisher lehnte die Regierung jegliche Stellungsnahme ab. Jede Pressekonferenz auf der Fragen zu dem Beitrag gestellt wurden, wurde kurzerhand beendet. Selbst wenn sie gerade erst begonnen hatte.

Sie verließen leise den Vorführraum.



***

Draußen auf dem Flur warteten 2 Männer. Sie trugen Uniformen des VTGMC. Eine schlimme Befürchtung keimte still in ihr.

Der Sergeant fragte. „Sind sie Sandra Gibson, Ma’am?“ Er und sein Partner kannten die Antwort zwar, aber die Frage musste trotzdem gestellt werden. Für das Protokoll.

Sandra nickte.

Ihr Gegenüber holte tief Luft. Es war kein leichter Job den sie verrichteten. „Hiermit muss ich sie in Kenntnis setzen, das ihr Ehemann Mike Gibson“ Das war der Moment den sie am meisten gefürchtet hatte. Ihr Herz setzte aus. Sie vergaß zu atmen. Nichts hatte mehr eine Bedeutung, außer den kommenden Worten. „nicht mehr als vermisst gilt.“ Ein dunkler pechschwarzer Canyon breitete sich unter ihr aus. „Er ist am Leben. Man befreite ihn aus einem Gefangenenlager der Crjaner.“

Sie schlug die Hände vors Gesicht, begann zu weinen. Eine Ungemeine Erleichterung überkam Sandra. 7 Jahre der Ungewissheit fanden ein Ende. Vor allem die ersten 2 Jahre waren Schrecken und Angst pur.
Seite 6 von 21       
Sie hatte den Anblick 2er Soldaten vor ihrer Haustür oder im Büro immer gefürchtet.

Es war die schlimmste Zeit in ihrem Leben. Sie musste zum Psychiater um das zu verarbeiten. Ansonsten wäre Sandra vor Angst umgekommen.



***

Wie geht es ihm?“, wollte Sandra Gibson von dem Arzt wissen.

Doktor Servo Topic war Psychiater für Kriegsgefangene am Medizin Zentrum des Vereinten Marine Corp (=MZVMC) auf Terra. Der 57 Jährige war einer der Besten in seinem Beruf. Er leitete die Abteilung für die Psychologische Betreuung von Kriegsgefangenen.

Diese Arten von Gesprächen hatte er in letzter Zeit öfter führen müssen.

„Na ja…Den Umständen entsprechend sehr viel besser als manch anderem.“ Seine Beunruhigung darüber konnte er nicht ganz verbergen. „Die Frauen und Männer haben die Hölle auf Erden erlebt.“ Das war keinesfalls übertrieben, eher untertrieben. Topic hatte die Berichte seiner Kollegen vom Militärkrankenhaus auf Kiev erhalten und gelesen. Selbst dem erfahrenden Topic drehte sich beim Lesen der Magen um. „Körperliche Misshandlungen. Keine Medizinische Grundversorgung. Verdorbene Essensrationen.

Die Crjaner ließen es an allem fehlen.“ Bisher hatte Sandra nicht gewusst, das es so schrecklich gewesen war. In den Medien wurde darüber kein Wort verloren. Dabei war das doch die beste Propaganda für den Krieg. Gewissermaßen war es ihr jedoch egal. Hauptsache Mike war am Leben und bald wieder bei ihr.

Topic kehrte zum Kern des Gesprächs zurück.

Crjanische Kriegsgefangene wurden nach der Galaktischen Kriegsgefangenen Konvention behandelt. Worin viele Bürgerinnen und Bürger der Union eine Ungerechtigkeit sahen. Der letzten Umfrage zur Folge, wenige Tage nach Bekanntgabe der Befreiung der Gefangenen, waren 67 Prozent für eine Vergleichbare Behandlung für crjanische Kriegsgefangene. Eine überaus erschreckende Zahl, wie Topic fand.

„Demzufolge hat ihr Mann viel durchgemacht. Drängen sie ihn also nicht über seine Erlebnisse zu sprechen. Geben sie ihm alle Zeit der Welt. Einige Leute haben erst Jahre danach darüber gesprochen. Er muss sich wieder eingewöhnen. Auf sie kommt eine schwere Zeit zu.“, sagte er unmissverständlich. Jeder ging anders damit um.
Seite 7 von 21       
Sandra nickte und war dankbar für das Gesagte. Daran konnte sie sich orientieren. „Ihr Mann wird einmal die Woche zu uns kommen. Das ist Vorschrift. Wir wollen den Leuten helfen. Wenn sie fragen haben, rufen sie mich an. Ich stehe den Angehörigen Rund um die Uhr zur Verfügung.“ Er sah seine Unterlagen durch, falls er etwas wichtiges vergessen hatte.

Als dem nicht so war, rief er den vor der Tür stehenden Sergeant rein und bat ihn Sandra nach unten zu bringen. Wo sie auf ihren Mann warten konnte.



***

Ihr Herz pochte bis zur Kehle. Ihre Knie wurden weich wie Gummi. Pures Adrenalin schoss durch ihre Adern. Der Pulsschlag ging über die Höchstgrenze hinaus. Sie kochte förmlich. Ihre Hände waren nass.

Dann war es soweit. Ihr größter Wunsch wurde erfüllt.

Mit einer schlichten Reisetasche trat Mike Gibson wieder in ihr Leben. Eine der größten Veränderungen an ihm, die Sandra sofort sah, war das fehlende Leuchten in seinen Augen. Sie waren kalt. Kaum noch voller Lebensfreude. Das erschreckte sie natürlich. Sandra hatte mit einigen Dingen gerechnet. Schließlich kannte sie die Bilder aus den Nachrichten. Für einen sehr kurzen Moment schien alles so zu sein, als sie sich kennen lernten. Der Moment verflog jedoch ebenso schnell wie er gekommen war.

All das minderte ihre Freude in keinster Weise. Sie lief auf ihn zu, küsste ihren Mann auf die Wange und umarmte ihn.

Sandra begann zu weinen…

Sie zu sehen war für Mike ein Geschenk Gottes. Während der letzten 7 Jahre war vieles verblasst oder den Crjaner zum Opfer gefallen. 2 Dinge konnten die Crjaner ihm nicht nehmen:

- seine Seele

- und Sandra

Aus diesen Dingen schöpfte er all die Jahre seine Kraft. Nie verlor er die Hoffnung sie wiederzusehen. Sandra war seine Boje in einem gewaltigen Sturm aus Schmerzen und Peinigungen. Oft schwankte er unter der Behandlung der Crjaner. Unter den Umständen verständlich. Immer wenn er drohte zu fallen und ein Opfer der Crjaner zu werden, erschien ihm das Abbild von Sandra.

Ihnen gelang es nicht ihn zu brechen.

Als Mike sie jetzt im Arm hielt, wurde ihm klar, das er ohne sie nie überlebt hätte. Er wäre in der Hölle des 3. Planeten von Pa’as gestorben.
Seite 8 von 21       
Wie all die Menschen, Gvaner und Mischlinge vor der Befreiung.



***

Kriegsgefangene hatten nach ihrer Befreiung oft das Problem in ihr vorheriges Leben zurückzukehren. Da jeder anders mit Ereignissen umging, konnte es auch unterschiedlich lange dauern um wieder Fuß zu fassen. Daher, so lautete Doktor Topic Rat, sollte man Mike einen Schritt nach dem anderen machen lassen.

Einer dieser Schritte war es ihn mit dem Umfeld vertraut zu machen. Jeder brauchte seine Zeit. Die Betroffenen ebenso wie die Angehörigen. Daher hatte Sandra sich Urlaub auf unbestimmte Zeit genommen. Innerhalb der Firma kannte jeder ihre Geschichte. Wodurch man ihr keine Steine in den Weg legte.

Am 2ten Tag nach Mikes Rückkehr beschloss sie mit ihm zu ihren Eltern zu fliegen. Um dort das Wochenende zu verbringen. Doktor Topic hatte keinerlei Einwände. Sie ließ ihm alle Freiheiten, denn das war es was er jetzt brauchte. Neben ihrer Liebe und Fürsorge. Bloß übertreiben sollte sie es nicht. Das konnte, nach Doktor Topic Rat, ebenso schädlich für ihn sein, wie Vernachlässigung.

Als sie Mike von ihrem Plan erzählte sagte er nicht nein. Er wusste das es ihr wichtig war. Sie machte sich Sorgen um ihn. Dafür brauchte man kein Medium sein. Außerdem erschien es ihm eine Abwechselung zu sein.

Mike verlor seine Eltern bei einem Unfall der Unterwasserschwebebahn als er aufs College ging. Er war ihr einziges Kind. Sandra hingegen hatte 8 Geschwister. 5 Schwestern und 3 Brüder. Ihre Eltern waren nicht nur glücklich verheiratet, sondern stolze und mehrfache Großeltern. Sie lebten auf der Halbinsel Cocao in einem inzwischen abbezahlten Landhaus.

Für sie alleine wirkte das Haus zu groß, kam die Familie zusammen platzte das Haus aus allen Nähten. Mit ihrer Familie verstand sich Mike gut. Man hatte ihn sofort aufgenommen, obgleich damals noch gar nicht feststand ob sie eine ernste Beziehung hatten. Sandra wollte sehen wie ihre Familie auf Mike reagierte. Ihr war die Familie wichtig. Als sie ihn damals mitnahm, um ihn ihren Eltern vorzustellen, befand sie sich an einem Scheideweg. Hätten sie ihn abgelehnt wäre Michael “Mike“ Gibson wohl nie ihr Ehemann geworden.

Als man im Familienhaus ankamen war der Empfang sehr herzlich. Wohl auch weil Sandra entsprechende Anweisungen gegeben hatte.
Seite 9 von 21       
Ihre Mutter, eine Lebensfrohe und gutherzige Frau, umarmte ihn. Auch ihr Vater umarmte Mike. Ebenso ihre Schwestern. Bei ihren Brüdern reichte ein Händedruck und knappe Worte. Sehr zum Missfallen von Sandra.

Dennoch war es anders als sonst. Verständlich, schließlich wusste jeder aus der Familie Bescheid. Das war es auch nicht was anders war. Er war anders. Was und wie er es erlebte, veränderte einen. Daran führte kein Weg vorbei.

Sobald er die Chance sah schlich er davon.

Im Garten, hinterm Haus, war es angenehm ruhig. Einzig und allein das Brechen der Wellen an der Klippenwand und die Klippenvögel waren zu hören. Der Klang der brechenden Wellen erinnerte ihn an Gefechtslärm. Von einer Sekunde zur anderen befand sich Mike wieder mitten im Gefechtsfeld…



-#-

…trotz der Schwarzen Dunkelheit sah man sehr gut. Überall explodierten Granaten, Bomben, Raketen. Leuchtgranaten erhellten die Umgebung. Am Boden schossen Energiebolzen über das Gelände. Der ganze Boden war durch das tobende Gefecht mehrfach umgegraben worden.

Mike sah wie sich eine Handvoll Marines gegen die unerschöpfliche Übermacht behauptete.

Auf dem Planeten herrschte die erste Schlacht eines vor Stunden begonnen Krieges. Der Außenposten auf dem Planeten lag an einem der Handelsknoten der Union. Das die Crjaner in diesem Sonnensystem auftauchten hatte niemand erwartet. Zwar war die Schutztruppe des Planeten verstärkt worden, doch gegen die Übermacht der Crjaner war man machtlos.

Die Crjaner setzten der Flotte ganz schön zu. Landetruppen des Reichs beschäftigten die Marines auf dem Planeten. Der Angriff war gut überlegt, geplant und ausgeführt worden.

Eine Granate schlug im Erdwall des Verteidigungsgrabens ein. Die Schrapnelle durchstießen die aufgetürmte Erde. 2 Marines starben an Ort und Stelle. Trotz der Trostlosigkeit ihrer Situation kämpften sie weiter. Dafür wurden sie ausgebildet. Die Verteidigung ihrer Stellung rettete jede Sekunde anderen Leuten das Leben. Nur darauf kam es an. Ihnen war natürlich klar das es Hoffnungslos war. Es spielte aber keine Rolle…



…für Mike war das ganze lebendig und real…



…2 Granaten schlugen ein.
Seite 10 von 21       
Jedoch blieb eine tödliche Wirkung aus. Erde wurde hoch geschleudert und regnete auf sie herab. Unablässig feuerten die Marines ihre Impulsgewehre ab…



…Mike kannte die Szenerie besser als jeder andere…



…während die toten Kameraden am Boden des ausgehobenen Grabens lagen, kämpften die Lebenden unermüdlich weiter. Das war ihr Job und rettete Leben. Genau dafür waren sie ins Corp eingetreten. Um Leben zu retten.

„In Deckung…“, schrie jemand…



…er wusste nicht wer die Warnung gerufen hatte…



…eine Schockgranate fiel in den Graben. Die Detonation war zwar nicht tödlich, lähmte einen dafür für Sekunden. Dadurch wurden die Opfer Handlungsunfähig.

Mike sah am Boden liegende Marines. Dann blickte er zur Anhöhe des Grabens.

Dort stand ein rothaariges Mädchen. Sie war an diesem Ort so fehl am Platze, wie eine blühende Blume. Die 14 Jährige Ruth Brunner sah ihn mit ihren grünen Augen an…



…die Gegend um ihn herum verschmolz mit dem Garten. Die Erinnerung hingegen blieb vorhanden und verschmolz nicht.



-2-



Aus dem 7 Jahre alten Mädchen hatte sich eine hübsche und kräftige Teenagerin entwickelt. Neben ihren Schwestern und Cousinen wirkten diese geradezu schmächtig. Was auch für einige Cousins galt. Dafür gab es einen entscheidenden Grund. Ruth spielte Speedball. Ein sehr auf Kraft und Ausdauer ausgelegter Sport.

Im Alter von 9 Jahren fand sie zu dem Sport. Speedball war sehr körperbetont und hart. Die Spieler waren zwar ausreichend geschützt. Zu Knochenbrüchen und Gehirnerschütterungen kam es dennoch immer wieder.

Zu jener Zeit galt ihr Onkel Mike seit 2 Jahren als vermisst. Wie für die ganze Familie war es ein schwerer Schlag für Ruth gewesen. Sie mochte ihn, er war ihre erste große Liebe. Vielleicht hatte sie sich gerade deshalb beim damaligen Auswahltraining eingeschrieben. Denn Michael -Mike- Gibson hatte in der Grund- und Oberschule Speedball gespielt. Er besaß sogar die Möglichkeit Profi zu werden.

Ihre Eltern waren nicht gerade begeistert das ihr Mädchen Speedball spielen wollte. Dennoch gaben sie ihr die Erlaubnis.
Seite 11 von 21       
So nahm Ruth am Auswahltraining der Schulmannschaft teil und wurde ausgewählt. Ein Jahr lang kam sie zur Kurzeinsätzen. Durch hartes Training wurde sie zur neuen Saison Stammspielerin. Sie lehrte dem Gegner das fürchten, sprichwörtlich. Schnell bekam Ruth Brunner den Spitznamen Gladiator. Die Folge ihrer harten und kompromisslosen Spielweise. Mit ihren Gegenspielern machte sie stets kurzen Prozess. Sehr zum Leidwesen der Gegnerischen Spieler und Trainer.

Jetzt mit 14 war das nicht anders. Außer das sie Teamkapitän ihrer Mannschaft war. Die gegnerischen Trainer würden ihr am liebsten keinen Gegenspieler gegenüberstellen. Das jedoch war ein klarer Regelverstoß. So viel Schieß hatten die gegnerischen Trainer vor Michael “The Rocket“ Gibson nicht.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Ruth besorgt und vorsichtig.

Er machte ihr die Frage nicht zum Vorwurf. Inzwischen hatte er sie schon so oft gehört das es auf ein weiteres Mal nicht mehr ankam. Ihm gelang es leicht zu lächeln. „Ja. Mach dir um mich keine Sorgen. Das machen bereits die Erwachsenden.“

Sie hatten immer viel Spaß gehabt wenn ihre Eltern zu Besuch bei Sandra und Mike waren oder umgekehrt. Mike war stets ihr Lieblingsonkel.

„Du bist also im Speedballteam deiner Schule?“

Ein stolzes nicken folgte.

Sandra hatte ihm davon erzählt. Bisher hatte er sich das kaum vorstellen können. Bis jetzt sah Mike Ruth noch als 7 jähriges Mädchen. „Vielleicht können wir mit Hilfe deiner Cousinen und Cousins 2 Teams aufstellen und ein Match gegeneinander bestreiten.“

Jetzt war es an Ruth zu lächeln. Auch wenn das Vorhaben einiger Überredungsküste bedurfte. Schließlich hatten einige ihrer Cousinen und Cousins sie spielen gesehen. Daher würden sie keineswegs begeistert sein gegen sie zu spielen.



***

Nach dem ausgiebigen Abendessen und der vorangegangenen sportlichen Betätigung, verschwanden die Kinder erschöpft in ihre Betten. Als die letzten Überbleibsel des Familienessens verschwunden waren, gingen Sandra und ihr Vater spazieren. Mike war wie die Kinder zu Bett gegangen. Es war unübersehbar gewesen das ihm das Speedball Spiel mit den Kindern viel Spaß gemacht hatte. Beim zusehen erinnerte er sie an jenen Mann vor der Gefangenschaft.
Seite 12 von 21       


Markus Khan, Sandras Vater, hatte dichtes graues Haar. Die Jahre (und seine Kinder) hatten tiefe Falten in seinem Gesicht hinterlassen. Aus den braunen Augen sprach die Erfahrung eines achtfachen Vaters. Früher hatte er angenommen das die Erziehung jedes weiteren Kindes, ab Nummer 1, leichter werden würde. Dem war nicht so. Was die Falten bewiesen.

Eine kühle, salzige Böe wehte vom Ozean rüber. Sie gingen den Trampelweg entlang, der zum Strand und nächsten Nachbarn führte. Der Horizont begann sich bereits zu verfärben. Vereinzelte Wolken hingen am Himmel, was mit dem Sonnenuntergang zu bizarren Verformungen führte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ihr Vater.

Nach denn ersten 2 Jahren, welche wirklich schlimm waren, schien sie auf einem guten, heilenden Weg zu sein. Jetzt war der Albtraum seiner Tochter vorbei, wofür er Gott dankte. Eine schwere Zeit stand den beiden bevor. Sandra hatte Mike nach 7 Jahren brutaler Gefangenschaft zurück. Sie musste versuchen nicht zu schnell vorzugehen. 7 Jahre unter diesen Bedingungen, musste in der Realität noch härter gewesen sein als berichtet wurde. So was veränderte einen.

„Ja.“, erwiderte seine Tochter knapp. „Nein, nicht wirklich.“, gestand Sandra mit bebender Stimme. Bei 8 Kindern entwickelte man ein Gespür für gewisse Situationen. „Ich habe Angst vor dem, was die aus ihm gemacht haben.“ Zum ersten Mal sprach Sandra ihre größte Angst aus. Niemand konnte es sich vorstellen was Mike hatte erleiden müssen.

Doktor Topic hatte bei der letzten Unterredung das Thema nur grob angeschnitten, da es nicht auf alle gleichermaßen zutraf. Da Mike niemand war der tatenlos blieb, nährte das ihre Angst weiter. „Ein Teil von mir will die Berichte lesen. Der andere Teil will nicht mal in die Nähe der Berichte.“ Oder Mike. Das schmerzte sie zutiefst. „Was wenn neben mir ein völlig anderer schläft.“, flüsterte sie beinahe. Das zittern ihrer Hände blieb ihrem Vater verborgen, da sie in der Manteltasche steckten.

„So was verändert einen, Schatz. Mike liebt dich wie zu Anfang. Daran hat sich nichts geändert.“, versicherte ihr Vater ihr.

Selbst jetzt, als sie zum Haus zurückgingen, erwachte in ihr eine unsichtbare Angst. Sie wollte nicht zurück zu Mike.
Seite 13 von 21       
Dabei liebte sie ihn, daran hatte sich nichts geändert. 7 Jahre lang wollte sie ihn zurück, jetzt war es so und sie hatte Angst. Sandra wollte den Mike vor der Gefangenschaft, nicht jenen der neben ihr im Bett lag.

Zurück im Haus, ging sie ins Bad und weinte stumm.



***

Im Herbst wurde es auf Terra noch mal warm. Der Sommer war durchwachsen gewesen. Daher schliefen Sandra und Mike bei offner Terrassenbalkontür.

Das Spiel mit den Kindern hatte ihn geschafft. Seine Kondition war grauenhaft. Mike stand an der Brüstung, sah auf das Meer hinaus und sog alles in sich auf wie ein Schwamm. Wenn man 7 Jahre nichts als Gestank atmen musste, fühlte sich frische Luft wie das Paradies an. Hinter ihm schlief jene Person der er sein Leben verdankte. Das man nicht da anfangen konnte, wo man aufhörte war vornherein klar. Wohl deshalb hatte er im Marine Krankenhaus auf Kiev darüber nachgedacht einfach zu verschwinden. 7 Jahre waren eine lange Zeit. Vielleicht zu lang in ihrem Fall.

Zwischen ihnen standen diese Jahre wie eine unsichtbare Wand. Das Camp war an keinem spurlos vorbei gegangen, da machte sich Mike keine Illusion. Jetzt wo er ausgemustert war, wusste er nicht was darauf kam. Ohne Zweifel würde ihre Familie ihm einen Job vermitteln, schließlich war Sandras Familie groß. Vor seinem Grunddienst hatte er immer vorgehabt im Bauwesen tätig zu werden. Bevor er dazu eine Entscheidung traf, musste diese Wand weg.

Er wollte ihr wieder nahe sein. Nichts anderes auf der Welt wünschte er sich so sehr.



-3-



Die Weihnachtsfeier bei TerraNewsKanal stand bevor. Sie fand wie jedes Jahr statt. Dieses Jahr fiel die Feier auf einen Samstag. Man hatte einen Saal im Ramirez Congress Zentrum gemietet. Die Einladungen waren bereits im Spätsommer raus geschickt worden. Die Cateringfirma der letzten Weihnachtsfeier richtete sie erneut aus. Am Eingang zeigte eine Holztafel die Namen aller Mitarbeiter vom TerraNewsKanal und deren Bilder. Auf einer Gedenktafel, gleich hinter der Schwelle, standen jene Mitarbeiter die in diesem Jahr verstorben waren. An der Gedenkwand, hingen dann ihre Fotos. Auch sie sollten bei der Weinnachtsfeier dabei sein. Das war seit einigen Jahren Tradition.

Auf der Einladung für Sandra Khan Gibson hatte auch der Name von Mike gestanden.
Seite 14 von 21       
Obgleich er da noch immer als vermisst galt. Erst einen Monat später änderte sich das. Niemand erhob Einwände als Sandra mit ihrem zurückgekehrten Mann zur Weihnachtsfeier kam. Die Einladungen besaßen wieso nur Symbolcharakter. Manche Mitarbeiter brachten ihre Familien mit, obwohl das auf den Einladungen nicht vermerkt war.

Sandra arbeitete inzwischen von Zuhause aus. Mike hatte ein Teilzeitjob bei einer Baufirma und war für den Innenausbau zuständig. Mit langsamen Schritten kehrte er in das normale Leben zurück. Vor einem Monat war er nun offiziell aus dem Militärdienst ausgeschieden. Wie 90 Prozent aller Kriegsgefangenen.

In den letzten Monaten waren sie einander wieder näher gekommen. Sie unternahmen viel, verbrachten aber auch Zeit alleine. Keiner von ihnen wollte die Sache zu schnell angehen. Durch sein Ausscheiden aus dem VTGMC war er zu einer empfohlenen zivilen Psychotherapeutin gewechselt. Da er nun keinen Anspruch mehr auf gewisse Leistungen des Corps hatte.

Auch wenn einiges aufgearbeitet war, war es längst nicht alles. 7 Jahre konnten nicht in 4 Monaten abgehandelt werden. Manches steckte tief in einem, ohne das man es wusste. Das Ausscheiden aus dem Militärdienst dauerte 3 Monate. In dieser Zeit war man offiziell noch Vollaktiv. Viele ließen sich während der 3 Monate in den Reservedienst versetzen, wodurch man den Teilaktiv Status erhielt. Des weiteren hatte man in der Ausscheidfrist vollen Anspruch auf alle Leistungen der Streitkräfte. Bei Kriegsgefangenen waren die Sitzungen beim Psychiater in jener Zeit Pflicht. Nach dem Ausscheiden wurde den jeweiligen Personen meist empfohlen weiterhin die Dienste eines Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen. Ob man der Empfehlung folgte oder nicht blieb jedem selbst überlassen.

Einen kleinen der Leute auf der Weinnachtsfeier kannte Mike vom sehen, oder zumindest kamen sie ihm bekannt vor. Die Feier fand in einer entspannten Atmosphäre statt. Am Buffet konnte man sich nehmen was man wollte. In einer Vitrine befanden sich die diesjährig gewonnen Auszeichnungen des Senders. Es gab eine Liveband, die im Verlaufe der Feier auch persönliche Wünsche spielte. Die Tanzfläche war noch spärlich besucht, was sich sicherlich änderte. An der Bar bedienten 2 Barkeeper die Meute. Der Sendervorstand ließ es an nichts fehlen.
Seite 15 von 21       
Man konnte sich auch über die aktuellen Jahreszahlen informieren. In unregelmäßigen Abständen wurden Beförderungen bekannt gegeben, die im kommenden Jahr in Kraft traten.

Mike stand am Buffet, als eine Beförderung bekannt gegeben wurde, aß eine Blätterteigrolle mit Hackfleisch-Bohnen Füllung. Ihm fehlten nur noch wenige Kilo bis zu seinem Gewicht vor der Gefangenschaft. Mit Sicherheit würde der Abstand heute wieder geringer werden. Die Arbeit machte ihm Spaß, er trainierte 1 bis 2 Stunden in der Woche, joggte er jeden zweiten Tag. Langsam kehrte er wieder in das Leben zurück. Sandra war ihm dabei eine große Hilfe. Sie unterstützte ihn, ohne dabei überfürsorglich zu werden. Zwischen ihnen kehrte auch eine gewisse Normalität ein. Was sich positiv auf ihre Beziehung auswirkte, die weitaus weniger angespannt war als vorher. Seiner Psychotherapeutin zur Folge war er auf einem sehr guten Weg. Was ihn natürlich weiterhin bestärkte. Er ließ die Gefangenschaft und deren Ereignisse Schritt für Schritt zurück. Obgleich sie nie ganz verschwinden würde.

Mike sah sich um. Sandra redete mit einem Mann, der ihr ein Glas Sekt reichte. Sie schienen miteinander vertraut zu sein. In den Augen des Mannes konnte er mehr als bloße Zuneigung erkennen.

Er war eigentlich nie jemand der besonders Eifersüchtig war. Als er jedoch sah das Sandra vertraulich gegenüber dem Mann war, stieg in ihm eine Wut empor die er nie zuvor empfunden hatte. Während der Gefangenschaft hatte er sich immer gewünscht das Sandra nicht auf ihn wartete. Das sie ein normales Leben führte, jemanden fand mit dem sie glücklich werden konnte. Schließlich gab es damals kaum Hoffnung auf Rettung.

Sie hatte ihm seit seiner Rückkehr nichts von einer Affäre oder Liebesbeziehung erzählte. Was seine Wut auf einmal in eine andere Bahn schleuderte. Erschrocken musste er erkennen dass er noch längst nicht über den Berg war. Die Gefangenschaft veränderte einen. Auch ihn.

Sein Blick haftete auf ein Messer, dass beim Buffet auslag. Seine Hand ging hin. Die Wut war gewaltig, das er bereit war einen Mord zu begehen.



***

Im Haus brannte kein Licht. Was ihre Sorgen steigen ließ. Sandra hatte Mike einige Minuten lang gesucht, bevor ihr Richard Fox sagte, er habe Mike gesehen wie er sie mit dem Mann beobachtete.
Seite 16 von 21       
Danach war Mike verschwunden.

Der Mann hieß Alessandro Tivoli. Er war einer der Investoren denen der Sender gehörte. Mike wurde damals seit 18 Monaten vermisst, als sie Alessandro auf einer Premiere näher kennen lernte. Er hatte seine Frau bei einem Transitunfall verloren und hörte ihr zu. Aus der anfänglichen Freundschaft wurde eine Liebschaft.

Nach 2 Monaten beendete Sandra es, da sie Mike nicht aufgeben konnte oder wollte. Alessandra verstand das und sie blieben befreundet.

Der Grund warum sie Mike nichts davon erzählte, sie schämte sich. Mike hatte sie 7 Jahre lang unter Bedingungen geliebt die mehr als Grausam waren. Außerdem war ihre Beziehung auf einem guten Weg, so das sie glaubte die Sache würde großen Schaden anrichten. Andererseits war abzusehen das sie Alessandro auf der Weihnachtsfeier traf. Mike war ein ziemlich guter Beobachter, daher musste er gesehen haben, welche Gefühle zwischen ihr und Alessandro im Spiel waren.

Als sie das Haus betrat, fehlte von Mike jede Spur. Sie rief seinen Namen, suchte in jedem Zimmer. Einige seiner Sachen fehlten. Im Wohnzimmer fand sie ein blinkendes Datenpad. Sie berührte den LCD-Bildschirm und ein Text erschien:



-Wenn du das liest habe ich beschlossen mir einige Gedanken zu machen. Du musst dir keine Sorgen machen, aber das tust du wahrscheinlich schon.

Im Camp gab es nur eins was mich am Leben ließ. Das warst du.-



Sandra begann zu weinen.



-Heute habe ich dich mit dem Mann gesehen. Er empfand mehr für dich als es unter Arbeitskollegen üblich ist. Du empfandest eine gewisse Zuneigung.

Damals, im Camp, habe ich gewollt das du jemanden findest mit dem glücklich wirst, mich vergisst und ein normales Leben führst. Du solltest nicht länger auf mich warten.

Es gab nur wenig Hoffnung aus Rettung.

Wir haben uns deshalb an der Liebe festgehalten. Das hat mich am Leben gehalten. Es machte aus uns allen eine Gemeinschaft, die nicht mal die Crjaner durchbrechen konnten.-



Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.



-Ich liebe dich mehr als alles andere. Dennoch muss ich dich erneut verlassen.
Seite 17 von 21       
Es ist zu meinem besten. Eines kann ich dir schon jetzt versichern, ich bleibe diesmal keine 7 Jahre weg.



In Liebe.-



-4-



Wie zu Zeiten auf der Erde, gab es auf Terra so genannte Naturschutzgebiete und Allgemeine Schutzgebiete, wie Reservate oder die kontrollierten Tierschutzzonen. Da Terra mehr Landfläche besaß, wie die verlorene Heimat der Menschen, hatte man einige Landstriche vom Ersten Kontinent unberührt gelassen. Zu den Schutzgebieten zählten auch einige der Inseln.

Das Naturschutzgebiet Navacho lag im Landesinneren. Die freigegebenen Schutzgebiete waren beliebte Ausflugziele. Im Navacho Schutzgebiet gab es lediglich eine Siedlung.

Neben denn Möglichkeiten Proviant, Kleidung, Ausrüstung und etc. zu erwerben musste man sich anmelden. Mike hatte alles nötige für seinen Ausflug. Bei der Anmeldung gab es keine Probleme. Der Ranger wünschte ihm einen schönen Tag, dann ging Mike los.

Inmitten der Natur machte er halt. Die Stelle war geradezu perfekt zum campen. Also baute er das Zelt auf, verstaute seine Ausrüstung und machte ein Lagerfeuer. Über dem Feuer kochte er sich das Büchsenfutter aus dem Versorgungsladen der Siedlung. Das Essen erinnerte ihn an die Notrationen beim Militär. In diesem Fall schmeckte es jedoch besser.

Mike starrte minutenlang in das Feuer, auf die weißbläuliche Kernflamme. Er wirkte wie hypnotisiert. Auf der anderen Seite des Lagerfeuers tauchte aus dem Nichts eine Gestalt auf. Der Mann war ein Mischling. Er besaß einen kräftigen Körper, war so groß wie Mike. Die beiden kannten sich aus der Zeit im Camp. Bloß hatte Mike es überlebt. „Ich bin zwar Tod, aber beschäftigter als sonst. Also lass das gestarre und sag mir wieso du alles aufs Spiel setzt.“

Mike wandte seinen Blick vom Feuer ab, sah zu dem Mann und tat so als wäre nichts geschehen. Das vertraute Gesicht gehörte dem toten Lieutenant Gonzales Reno. Einem Angehörigen der Flotte. Sie waren zur selben Zeit im Camp eingetroffen. Wie 100 weitere Frauen und Männer der Vereinten Streitkräfte.

„Sie hätte nicht auf mich warten sollen, sondern ihr Leben weiterleben müssen.“

Belustigt schüttelte Gonzales seinen toten Kopf. „Sie hat ihr eigenes Leben geführt.
Seite 18 von 21       
Seit ihr euch kennt bist du ein Teil davon.“, erwiderte er mehr als ein Marine, statt wie jemand aus der Flotte. „Der Glaube das du eines Tages zurückkehrst, hat sie weiterleben lassen. Egal wann, sie hätte dich nie aufgegeben. Du genauso wenig.“, belehrte ihn Gonzales.

Waren alle Toten so besserwisserisch? Für seinen Freund war es einfach so daher zu reden. Er musste sich nicht mit irdischen Dingen befassen.

In seinem Inneren wusste Mike das Gonzales recht hatte. Wäre Sandra an seiner Stelle im Camp gelandet, hätte er sie auch nicht aufgegeben. Das ein Flottenheini gegenüber einem Marine mal recht hatte, galt allgemein hin als ausgeschlossen. Zumindest auf Seiten der Marines.

„Dieser Alessandro Tivoli hat nicht mal die Oberfläche angekratzt. Du alleine hast einen Platz in ihrem Herzen.“ Mike bemerkte nicht das sein Toter Freund den Namen des Mannes kannte, ganz im Gegensatz zu ihm. „Lass nicht zu dass das Camp weiter zwischen euch steht.“; riet ihm Gonzales ernst. „Ansonsten hätten die Crjaner genau das erreicht, was ihre Absicht gewesen ist. Uns das zunehmen was uns am meisten bedeutete.“, erklärte er beinahe wie ein mitfühlender Priester.

Mike stellte fest das Gonzales recht hatte. Er hatte das Camp nicht überlebt, um Sandra anschließend durch seine Dummheit zu verlieren. Was für eine Ironie, das ausgerechnet ein Toter Flottenheini ihm sagte was für ein Dummkopf er doch war. „Jetzt muss ich mir von einem Blechbüchsenheini sagen lassen was abgeht.“, sagte Mike sarkastisch. Herrgott er war ein Marine und keiner dieser Weicheier aus der Flotte.

„Hey, einer muss dir ja in den Arsch treten.“, erwiderte Gonzales.

Die Freunde lachten.

„Danke mein Freund.“

„No Problema.“

Das war kein Abschied, sondern ein auf Wiedersehen. So verschwand Gonzales Reno lächelnd.



***

Noch am gleichen Abend war Mike zu Sandras Eltern geflogen. Dort traf er seine Frau, erzählte ihr alles was ihm auf dem Herzen lag. Sie redeten bis zum kommenden Sonnenaufgang.

Nach dem Frühstück flogen sie zusammen zum Militärfriedhof Santa Maria, benannt nach dem ersten Raumschiff der Flotte das zerstört wurde. Unterwegs kauften sie Blumen. Ein Strauß wilde Raymond-Orchideen.
Seite 19 von 21       
Sie waren nach dem Genetikforscher Luke Raymond benannt. Ihm war es gelungen Orchideen auf Terra heimisch werden zu lassen.

Von der Friedhofsaufsicht bekamen sie gesagt wo Lieutenant Gonzales Reno letzte Ruhestätte lag. Ein gravierter Grabstein aus weißem Marmorgranit und eine Plakette aus Bronze im Boden. Auf dem Grabstein stand sein Name, Rang, wo er stationiert gewesen ist, wann er geboren wurde und starb. Die Inschrift der Plakette stammte von seinen Eltern.

Der hellste Stern in unserem Leben und jetzt am Himmel

Passende Worte, fand Mike. Er entfernte das Laub, säuberte die Plakette. Dann teilte er den Strauß, legte die Hälften links und rechts neben die Plakette. Anschließend trat er einen Schritt zurück, neben Sandra. Sie legten die Hände zusammen.

„Du wirst stets einen Platz in meinem Leben haben.“

Dann salutierte er.



-Epilog-



Einmal so viel Glück zu empfinden oder so glücklich zu sein, kannte man nur vom Hörensagen. In Wahrheit war es kaum zu beschreiben, was man empfand wenn man sein Baby im Arm hielt. Vor ein paar Stunden war es zur Welt gekommen. Der kleine Racker schlief. Dabei sah er so friedlich aus.

Zwischen Sandra und Mike gab es keine Barrieren mehr. Inzwischen war Mike der Speedball Trainer von Ruths Schulmannschaft. Das Team war bisher unbesiegt und auf dem besten Weg die Meisterschaft in einer Rekordserie zu gewinnen. Ruth hingegen hatte bereits 2 Schulrekorde von Mike gebrochen und auf dem Besten Weg auch die nächsten 3 zu brechen.

Sandra war zur Entertainment Direktorin der Sendergruppe befördert worden. Damit war sie in die Führungsriege aufgestiegen.

Mike küsste Sandra auf die Stirn. „Wie findest du Gonzales Norman Markus Gibson?“, fragte er leise. Um seinen Sohn nicht zu wecken.

Sandra lächelte ihn an. „Klingt gut.“

Ihr Vater würde es verkraften erst an dritter Stelle zu kommen. Außerdem sollte Gonzales kein Einzelkind bleiben. Sandra küsste ihren Sohn sanft.

Niemand bemerkte die Gesichtsspiegelung im Fenster.

Gonzales Reno grinste breit.

______________________________________________________



-Ende-

© by Alexander Döbber.
Seite 20 von 21       
r Döbber
Seite 21 von 21       
Punktestand der Geschichte:   310
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

  Hat auch mir überaus gut gefallen. Und ich finde, dass du, obwohl du deine Story in ferner Zukunft spielen lässt, damit ein sehr aktuelles Thema anschneidest. Ich war am Schluss zu Tränen gerührt.  
   Petra  -  15.05.10 17:39

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ganz bezaubernd, wusste gar nicht, dass du soviel Gefühl entwickeln kannst. Bisher galtest du für mich als ziemlich astreiner Techniker, doch diese Geschichte hat viel Herzenswarmes. Sehr gelungen.  
   doska  -  12.05.10 22:32

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Stephan F Punkt" zu "Fachkräftemangel"

@Jochen: Erstmal vielen Dank für den zeitnahen Kommentar und due Kritik. Natürlich hast du vollkommen Recht. Um die geistige Fitness der Wähler muss man sich natürlich auch Gedanken machen. ...

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Tlonk" im Thread "Winterrubrik"

wünsche ich euch allen. Feiert schön und kommt gut rüber.

Zum Beitrag