EIn schmaler Grad - Prolog und Kapitel 1 (Historisch)   324

Romane/Serien · Spannendes

Von:    Lilly      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 11. April 2010
Bei Webstories eingestellt: 11. April 2010
Anzahl gesehen: 2426
Seiten: 16

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Prolog



Ist Gott Wirklichkeit?

Ist alles was man predigt, sein?

Ist seine endlose Liebe, eine endlose Floskel?

Ist das, was man als Sünde bezeichnet wirklich böse, oder einfach nur unbekanntes?

Ist der Schmerz über den Tod real oder einfach nur ein erprobtes Gefühl?

Das was man zeigen muss, was andere von einem verlangen.



Bin ich einfach nur müde oder zutiefst erschöpft?

Fange ich an durchzudrehen oder sehe ich endlich einmal klar?



Ich bin so einsam, fühl mich klein und verletzt.



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Kapitel 1





„Ouia quamdium Centum ex nobs vivi remanserint,

nuncquam Anglorum dominio aliquatenus volumus subiugari.

Non enim propter gloriam,

divicias aut honores pugnamus set propter libertem solummodo

quam Nemo bonus nisi simul vita amitit.“









Der kalte Wind spielte mit ihrem schwarzen langen Haar und ließ es wild und frei an ihrem Hinterkopf tanzen. Sie hatte die steifen Klammern gelöst, die heute irgendwie schmerzlich auf ihrer Kopfhaut brannten. Sie wollte sich spüren, sie wöllte fühlen wie der Wind sie liebkoste und ihre Haut belebte. Sie wollte die Kühle in sich aufnehmen und dadurch fühlen, dass sie noch am Leben war. Sie spürte die Spur einer Träne, klebend und warm auf ihrer leicht rot verfärbten Wange. Ihre müden Lider hatte sie geschlossen und in ihre langen dunklen Wimpern hingen noch immer die Spuren der letzten verweinten Stunden. Fest hatte sie ihre Arme um ihren schlanken Körper geschlungen, als wolle sie sich einfach nur festhalten, um in ihrer Trauer nicht verloren zu gehen. Sie wollte nicht fallen… sie durfte einfach nicht fallen!

Eine zärtliche, flüchtige , fast unscheinbare Berührung riss sie aus ihrem stillen Leid. Mit geröteten Augen blickte sie müde über ihre Schulter, aber eigentlich war es ihr egal wer dort hinter ihr stand. Sie wollte so oder so mit niemanden reden. Sie wünschte sich einfach nur schweigen zu können, still ihren Gedanken und Gefühlen in all ihrer Macht folgen zu dürfen.
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Doch schon seit dem Tag, an dem die Trauer in ihrem Leben Einzug nahm, wurde ihr dies schmerzlicher weise verwehrt.

Direkt erkannte sie ihre Cousine Isabella, deren Blick sie bemitleidenswert einfing und festzuhalten schien.

„Oh Lea, es tut mir so unsagbar leid.“

Wieder übermannte sie ihre Trauer. Sie schloss ihre Augen und senkte ihren Kopf mit schmerzverzehrtem Gesicht auf ihre rechte Schulter, über die sie noch vor wenigen Augenblicken geblickt hatte. Mit schwerem Herzen lief ihre Cousine um sie herum und nahm sie schweigend einfach nur fest in ihre Arme. So standen sie eine ganze Weile da, ohne sich zu regen, ohne ein Wort zu sagen und ohne zu hören zu müssen.

Lea war so müde, so unsagbar müde. Es war eine seltsame Art der Erschöpfung, vermischt mit Hilflosigkeit und Verzweiflung. So war sie unsagbar froh, ihr schweres Haupt auf den Schultern ihrer lieben Cousine ausruhen zu können. Am liebsten hätte sie ewig so da gestanden und sich nicht mehr bewegt.

Erst nach einer erholsamen Ewigkeit brach Isabella die Stille und fragte leise, ohne sie los zu lassen, in das Wirrwarr ihrer dichten Haare hinein:“ Ich … ich wollte dich etwas fragen, Lea. Auch wenn ich weiß, das dies der falsche Zeitpunkt ist, aber es könnte dir vielleicht auch helfen.“

„Hm“, stöhnte Lea auffordernd mit dünner Stimme über ihre Schulter hinweg und Isabella nahm all ihren Mut zusammen und formulierte ihre Frage so einfach wie möglich:“ Würdest du mich vielleicht auf eine Reise begleiten wollen?“

Nun blickte Lea auf und trocknete etwas unbeholfen mit dem Ärmel ihres schwarzen Kleides ihre feuchten Wangen. Etwas verwundert sah sie ihre Cousine an. Wie konnte sie nur annehmen, dass sie gerade jetzt auf eine Reise gehen würde? Wie konnte sie nur glauben, dass sie gerade jetzt ihre Familie verlassen würde, gerade wo alles in Trümmern zu liegen scheint und es alle Kraft kosten würde, das letzte bisschen Ehre zu retten, das ihnen geblieben war. Doch sie ließ sich ihr aufkommendes Unverständnis nicht anmerken und fragte anstandshalber, wenngleich auch etwas forsch:“ Wohin geht denn deine Reise?“

Ihre Stimme war rau und ihr Hals schmerzte vom vielen Weinen der letzten Tage und so klang sie wohl in Isabellas Ohren nicht ganz so bissig wie es vielleicht von ihr gemeint war.
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„Kannst du dich denn noch an Tyra Kane erinnern?“

Zärtlich strich Isabella ihrem gegenüber eine Strähne aus den nassen Augen und Lea nickte, ihre Nase nicht gerade damenhaft hoch ziehend.

„Natürlich, schon alleine wegen ihrem aufdringlichen Bruder. Was ist mit ihr?“

Isabella schmunzelte verhalten, denn sie konnte sich noch sehr deutlich an diese Zeit erinnern und wie hartnäckig er ihrer Cousine nachgestellt hatte und wie resolut sie sich ihm verweigerte.

„Ja, Luther … er ist jetzt mit Kerry Simon verheiratet.“

Berichtete sie Lea kurz, bevor sie endlich zum Kern ihrer Erklärung kam.

„Lange zwei Jahre habe ich sie jetzt schon nicht mehr gesehen“, es klang fast wie ein jammern:“ Seit ihr abscheulicher Vater sie mit diesem Hochland Schotten verheiratet hat und jetzt erwartet sie ihr erstes Kind von ihm.“

Lea legte ihre Stirn in tiefe Falten, während sie beobachtete, wie es Isabella vor Entsetzen schüttelte. Lea begriff schnell was sie sich von ihrer erhoffte. Sie wollte doch tatsächlich, dass sie sie nach Schottland begleitete. Welch eine absurde Idee, denn es war wahrlich nicht die Zeit um solch eine riskante Reise anzutreten.

Egal in welcher Hinsicht, der Moment war gänzlich der Falsche.

„Sie bat mich in ihrem letzten Brief fast schon flehend ihr zur Seite zu stehen. Obwohl es ihr wohl ganz gut dort ergeht, hat sie doch Heimweh und sehnt sich nach bekannten, ihr vertrauten Gesichtern. Ich dachte du könntest mich begleiten, deine Sprachkenntnisse sind Goldwert und ich wäre ihnen nicht voll und ganz alleine ausgeliefert.“

Die völlig schockierten Augen ihres Gegenübers trafen Isabella etwas unvorbereitet und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. So stand sie einfach bewegungslos da, wirkte unglaublich verloren und sah Lea schlichtweg nur an.

“Ich soll mit dir nach Schottland reisen, mich in Kriegsgebiet begeben, wegen meiner Sprachkenntnisse und das zu einer Zeit, in der ich mich am liebsten in einem dunklen Loch verkriechen würde?“

Entsetzt trat Lea einige Schritte zurück und begutachtete ihre Cousine ungläubig von Kopf bis Fuß. Das konnte doch nicht wirklich ihr ernst sein?

Etwas verlegen knetete Isabella auf einmal verkrampft wirkend ihre Hände und erklärte hilflos aussehend, ohne sie ansehen zu können:“ Nun ja … so würde ich es vielleicht nicht ausdrücken, auch wenn es sich gerade so anhörte.
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Vergib mir, aber wir würden zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich müsste nicht alleine reisen und du würdest den Erinnerung etwas entkommen können.“

Jetzt war sie vollkommen fassungslos und starte ihre Cousine für eine Sekunde sprachlos an, bevor sie ihre Stimme wieder fand und hörbar entsetzt sagte:“ Himmel Herr Gott Isa, seinen Erinnerungen kann man nicht entkommen. Man schiebt sie nur beiseite, aber man entkommt ihnen nicht. Irgendwann finden sie dich und dann ist der Schmerz umso grausamer.“

Wie konnte ihre liebste Cousine, ihre einzige Vertraute, den Schmerz über den plötzlichen Tot ihres geliebten Vaters nur so leichtfertig abtun? Wie konnte sie all diese seltsamen Umstände nur so gedankenlos verwerfen, als wären sie nichts und sie bitten mit ihr auf unmöglich wirkende Reisen zu gehen?

Isabella bemerkte direkt ihr unsensibles Tun und versuchte sich stürmisch zu entschuldigen und doch schwankte nach wenigen Worten auch etwas Zorn in ihrer Stimme mit:“ Oh bitte vergib mir, geliebte Cousine … Ich weiß das dein Schmerz sehr tief sitzt und ich weiß auch das er dich lange begleiten wird, doch … doch kenne auch ich diese Art der Trauer und das weißt du genau und ich glaube wahrhaftig zu wissen was hilft – oder zumindest für eine Weile gut tut, bis der Verstand bereit ist es wirklich zu verarbeiten.“

Lea rügte sich in ihren Gedanken, sie vergaß in ihrem Egoismus, dass Isabella ihren Vater selbst vor vier Jahren verlor. Wie konnte sie nur so gemein und rücksichtslos sein? Hastig wollte auch sie sich nun für ihre Dummheit entschuldigen, doch ihre Cousine hob beschwichtigend ihre Hand und meinte wissend.“ Es ist in Ordnung, Lea. Ich weiß, dass die Beziehung zu deinem Vater eine völlig andere war als die zu meinem Vater, und das deine Trauer sehr wahrscheinlich nicht mit der meinen zu vergleichen ist …“, sie unterbrach sich kurz und es war, als würde sie für eine Sekunde nachdenken, bevor sie feststellend erklärte: „Nein, sie ist wirklich nicht mit der meinen gleichzustellen, aber dennoch habe ich um ihn geweint und ich war froh, das ich für einige Monate zu meiner Tante nach Bath reisen konnte.
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„Aber nach Schottland, Isa …!“

Warf sie zögerlich ein und fügte noch schniefend hinzu:“ Das wird Mutter nicht erlauben, sie hat doch erst ihren Mann verloren und dann ihre Tochter in ein Land gehen zu lassen, das zurzeit von Kriegen und Aufständen nur so bebt, ist eine unmögliche Vorstellung.“

Zärtlich nahm Isabella die Hand ihrer Cousine und streichelte sie sanft. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht als sie, um Lea etwas zu beruhigen, erklärte:“ Tyra hat mir versichert, das ihr Ehemann jeden ihrer Gäste willkommen heißt, das er uns beschützen wird und er ist der Laird und zur Zeit herrscht so etwas wie … wie Ruhe im Land“, kurz kniff sie ihre Augen zusammen bevor sie scheinheilig fragte:“ Wenn deine Mutter es dir gestattet, dann wirst du mich begleiten, ja?“

Isa beobachte aufmerksam wie Lea nach dachte.

War es vielleicht wirklich besser zu gehen? Es wäre wahrscheinlich wirklich förderlicher Abstand zu gewinnen, wieder einen klaren Blick zu bekommen um Entscheidungen treffen zu können, die nicht nur von Emotionalität gesteuert wurden. Schließlich war das Oberhaupt der Familie unwiderruflich fort, Entscheidungen die sie und ihre Zukunft betrafen, konnten nun von völlig Fremden getroffen werden und dafür musste sie gewappnet sein. Sie musste frei von Trauer und Schmerz sein, um sich dagegen mit klarem Kopf wehren zu können.

Jedoch Schottland?

Es war ein kriegerisches Volk, mit nicht gerade gebildeten Lebensweisen. Ihre Ansichten waren veraltet und ihr Leben durchzogen von undurchdringbaren und undurchschaubaren Traditionen. Sie würde dort zur Außenseiterin werden, man würde sie nicht mögen, nicht achten, ganz anders als jetzt. War sie dazu bereit? War sie jetzt gerade in der Lage so etwas zu Verkraften um dagegen angehen zu können?

Wahrscheinlich würde ihre Mutter es sowieso niemals erlauben, sie würde sie niemals in Gefahr bringen wollen und mit Sicherheit, würde sie jetzt ihr Kind nicht gehen lassen. Also schien sie auf der Sicheren Seite zu sein und das ohne ihre Cousine zu Enttäuschen.

Isa beobachtete, wie sie sich mit Hand sich kräftig durchs Gesicht fuhr und ihre müden Augen rieb, bevor sie leise murrend nachgab:“ Aber nur wenn du sie fragst, wenn du mir versprichst das du bei der Wahrheit bleibst und sie ohne viel betteln ja sagt.
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Übermütig umarmte Isabella ihre Cousine, die auch gleichzeitig ihre beste Freundin war und versprach ihr:“ Bei allem was mir heilig ist, ich verspreche es.“





Lea saß alleine in der Bibliothek und blickte in eines der vielen Bücher ihres Vaters. Blind für die Buchstaben, blickte sie starr auf das aufgeschlagene Buch auf ihrem Schoß. Sie konnte nicht lesen, immer wieder verschwamm alles zu einem wässrigen etwas, das man einfach nicht mehr deuten konnte.

Sie wollte dem Trubel im Haus entkommen, den falschen liebevollen Worten und dem erlogenen Zuspruch entgehen. Sie war angewidert von den scheinheiligen Tränen und den Gaffern, von denen die nur ein Stück des Kuchens erhaschen wollten. Doch was sollte sie tun? Sie musste jeden Begrüßen, tapfer lächeln und sich für deren Worte bedanken. Ihre ältere Schwester, Gloria, konnte das besser. Sie brach spielerisch bei jedem Wort, das von ihrem Vater handelte in Tränen aus und lies sich von der ganzen Welt bemitleiden. Dabei war das Verhältnis zwischen Vater und Tochter ziemlich gespalten. Sie kam nur noch zu Besuch wenn sie etwa von ihm wollte. Wie zum Beispiel Geld für ihren Maroden Lebensstil, oder seine Hilfe für die seltsamen Geschäfte ihres dubiosen Ehemannes. Dieser erhoffte sich einen satten Anteil des Vermögens ihres Vaters und begleitete sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in das Haus seiner Schwiegereltern.

Ihre jüngere Schwester Sibylle litt sehr unter dem Verlust und auch die ungeklärten Umstände seines Ablebens machten ihr zu schaffen. Auch wenn sie das ganze kaum zu verstehen schien, sie doch noch so jung und unschuldig war, spürte sie instinktiv, dass etwas nicht richtig war. So stand sie nun schon den ganzen Tag abwesend, in ihrem schwarzen neuen Kleidchen traurig in einer dunklen Ecke und sobald sie jemand ansprach drehte sie sich mit dem Gesicht zur Wand.

Ihr älterer Bruder Marc hingegen, unterhielt sich den ganzen Tag angeregt mit der Tochter des Stadtverwalters. Dieses junge Ding stach ihm schon seit langem ins Auge und an diesem Tag, der Beerdigung seines Vaters, nutzte er das Mitleid des Mädchens aus um ihr näher zu kommen.
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Wie konnte sie alle nur so unterschiedlich sein, dachte sich Lea immer wieder? Wie konnten ihre Geschwister nur so anders sein als sie selbst? Was ist da nur passiert? Wo deutete sich bei ihnen der wohltuende Einfluss ihrer Eltern an? Lea glaubte, dass sie sich alle vom Schein der Welt haben blenden lassen. Das sie ein Leben bevorzugten, das nicht echt war, von Lügen und Intrigen durchzogen, nur um der gehobenen Gesellschaft gefällig zu sein. Aber wo haben ihre Eltern sie verloren, auf welcher Strecke blieben sie zurück? War Sibylle noch zu retten?

Auf einmal ging die Tür auf und ihre Mutter steckte den Kopf herein. Sie war in den letzten Tagen unwahrscheinlich alt geworden. Ihre Haut war fahl und ihre Wangen eingefallen. Bis vor dem Tot ihres geliebten Mannes, hatte sie rabenschwarze glänzende Haare gehabt, wie Lea. Doch der Schmerz und die Sorge um ihre Zukunft ließen sie in kürzester Zeit ergrauen.

„Lea, das Testament wird eröffnet, bitte komm zu uns ins Kaminzimmer.“

Schweigend nickte sie, schlug das Buch zu, legte es zur Seite und folgte ihre Mutter.

Der Raum war voll und nur noch zwei Stühle in der ersten Reihe waren für die Witte und deren Tochter frei. Am liebsten hätte Lea alle aus diesem kleinen Raum verjagt. Sie nahmen ihr mit ihrer Anwesenheit den sowieso schon langsam schwindenden Geruch der Erinnerung und irgendwie auch die Luft zum Atmen.

Sie tuschelten, manche kicherten sogar leise und andere wiederum schnäuzten sich laut ihre Nasen in edle bestickte Taschentücher.

Vorsichtig ergriff Lea die kalte Hand ihrer Mutter, denn sie wusste, dass auch sie mit ihrem Schmerz und der Anwesenheit mancher Menschen zu kämpfen hatte.

An dem Schreibtisch ihres Vaters saß Mr. Lancaster, ein angesehener Advokat und langjähriger Freund der Familie. Er begutachtete skeptisch die Anwesenden und warf Lea dann ein warmes Lächeln zu, das sie leider bei aller Freundschaft und Herzlichkeit heute nicht erwidern konnte. Traurig senkte sie nur ihren müden Blick und seufzte Tonlos ihre Trauer etwas beiseite. Hinter ihr saß ihre Cousine, die sie sah, als sie ihren Platz aufsuchte und nur mit einem nicken begrüßte.

Nach einem kräftigen räuspern, mit dem er alle dann endlich zur Ruhe bat, begann er den letzten Willen des Verstorbenen vorzulesen.
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Seine tiefe Stimme herrschte über die trügerische Stille im Raum.

„Ich, Theodor Michael Bradley, verfasste dieses Testament in Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und freiem Willen … Ich denke, das am Tag, an dem dieses Schriftstück vorgelesen wird, viele Anwesend sind, die keine Trauer tragen, sondern nur das große Vermögen sehen das hinter meinem und dem Namen meiner Familie steht und darunter sind auch leider schweren Herzens Menschen die um mich weinen müssten.“

Ein raunen ging durch den Raum und jetzt musste Lea unweigerlich schmunzeln, die Voraussicht ihres Vaters war irgendwie erfrischend. So war er, so kannte und so liebte sie ihn. Er war ihr Held, zu dem sie immer aufblickte, der sie immer verstand, mit dem sie sich immer umgab, selbst als sie dem Kindesalter schon längst entsprungen war. Er liebte seine Familie über die Masen und von manchen wurde er so bitterlich enttäuscht. Doch Lea hatte nie irgendwelche Streitigkeiten mit ihm. Sie verstanden sich wortlos, faszinierten sich für die unterschiedlichsten Länder, Sprachen und Kulturen. Lachten und freuten sich über Kleinigkeiten, das selbst seine Frau sich manchmal ausgeschlossen fühlte.

Er machte das aus ihr was sie heute war, eine eigenständige Person mit gewachsener Persönlichkeit, Mut und einem ausgeprägten und wachen Verstand. Eine selbstständige Frau, die sagte was ihr auf der Zunge lag, die dachte und mit ihrem ganzen Herzen handelte. Er gab ihr nur alleine durch wenige Worte das Selbstvertrauen, das andere in ihrem ganzen Leben nicht fanden. Er war nicht der überkandidelte Vater der seine Tochter vor allem bewahrte um sie Sicher und Standesgemäß verheiraten zu können. Er glaubte, dass sie Erfahrungen sammeln und Schmerzen erleiden musste, um ein vollständiger Mensch zu werden. Er sagte einmal zu seiner Frau, weil die manches nicht so ganz verstand: Lea ist mein Spiegelbild, sie trägt mein Herz, mein Seele, meinen Willen und meinen Stolz in sich und ich weiß sie wird eines Tages großes erreichen.

Lea glaubte von dem Tag seines Todes an kein vollkommener Mensch mehr zu sein. Etwas fehlte. Er verschwand und hinterließ eine seltsame Leere, ein dunkles Loch und sie war sich nicht Sicher, ob irgendwer jemals in der Lage sein würde dieses Loch zu schließen.
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Mr. Lancaster lies sich von den Unruhen nicht beeindrucken und las einfach weiter:“ Und so habe ich über Wochen gut überlegt, abgewogen und meine Entscheidungen getroffen. Ich hoffe, das diejenigen die ich nicht oder nur wenig berücksichtigt habe, darüber nachdenken und irgendwann einmal meinen Entschluss verstehen werden.“

Ihr Vater hatte die Gabe schnell zu erkennen welche Menschen ihn belogen und sich versuchten bei ihm ein zu schleimen. Er erfasste schnell die, die nur seine Nähe suchten um sich aus seinem Schatten zu ernähren, auch wenn er manchmal bei seiner Familie blind zu sein schien.

„Hiermit vermache ich meiner geliebten Frau Anastasia, einen Fond, den ich nach unserer Eheschließung für sie gegründet habe, von dem sie jedes Jahr zwischen 400 und 800 Pfund erhält, bis ans Ende ihres Lebens. Ich vermache ihr auch das Anwesen Blackwood, das sie so sehr liebt, mit all seinen Ländereien.“

Wieder ein raunen, soviel Geld für eine Person, für eine Frau … und dann noch ein prächtiges Anwesen, das von allen begehrt wurde. Lea blickte zu ihrer Mutter, deren Gesicht sich nicht regte. Sie hatte eine Sorge weniger, doch lieber hätte sie ihren Mann zurück, als ein stattliches Vermögen.

„Meinem ältesten Sohn, Marc, vermache ich meine Geschäftlichen Verbindungen in der Stadt, mit denen er bestens vertraut ist und die den Fond seiner Mutter Jährlich mit 35% des Gewinnes unterstützt. Diese Unterstützung bleibt bis zu ihrem Ableben bestehen, geschieht dies nicht, wird ihm die Zulassung mit sofortiger Wirkung entzogen und mein geschätzter Freund und Anwalt Mr. Lancaster übernimmt die Geschäftlichen Angeleigenheiten.“

Lea hörte ein wütendes schnaufen, das sie nur Marc zuordnen konnte, doch sie sah nicht zu ihm auf.

„Meiner jüngsten Tochter Sibylle, vermache ich das Hochester Anwesen in Sussex, mit all seinen Ländereien. Sie erhält eine jährliche Zahlung von 300 Pfund, bis zur Schließung einer Ehe. Sollte mein Tod vor ihrem 20. Lebensjahr eintreten, wird dies auf ein Konto eingezahlt und erst mit Vollendung des 16. Lebensjahr ausgezahlt.“

Lea legte den Arm um die Schultern ihrer kleinen Schwester, die leise vor sich hin schluchzte. Sie realisierte noch nicht, dass ihr Leben geregelt war, das sie keine Angst um ihre Zukunft haben musste, sie war einfach nur traurig.
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„Meiner geliebten Tochter Leathendra, vermache ich die einmalige Summe von 10.000 Pfund.“

Laut wurde das Getuschel und Lea schien das Herz stehen zu bleiben, ihr Atem stockte … so viel Geld. Bei Gott, was sollte sie mit so viel Geld? Sie hatte ausgesorgt, sie war abgesichert. Die Hand ihrer Mutter drückte fest ihre erstarrten Finger.

„Ich vermache ihr dazu noch das kleine Anwesen Southern Bay und mein angesehenes Zuchtgestüt. Hiermit erteile ich ihr das Recht, 35% der Gewinne, der Firmen, die ich meinem Sohn vermache, einzustreichen, wenn dieser meine Bedingungen nicht einhält. Diese Regelung wurde von unserem Bischoff abgezeichnet und als eine Sonderregelung gelten gemacht.“

Mr. Lancaster hielt ein Brief in die Höhe, dass das Siegel des Bischoffs trug. Es musste eine Sonderregelung geben, denn es war keinen Frauen gestattet ohne einen Ehemann ein Gewinn einzustreichen, außer sie war Witwe und selbst das geschah nur unter murren. Deshalb wurde man schnell und ungefragt wieder verheiratet.

Schüchtern sah Lea hinüber zu ihrem Bruder, der sich wütend in die Lehne seines Stuhles klammerte.

„Meiner ältesten Tochter Gloria und ihrem Ehemann hinterlasse ich eine einmalige Summe von 1000 Pfund …“

“Was?“

Schoss es aus Glorias Mund und alle blickten sie überrascht an. Leicht eingeschüchtert sackte sie auf ihren Stuhl zurück, ihr Mann blickte Mr. Lancaster wütend an, als hätte er diese Zeilen verfasst, doch dieser lies sich nicht beirren, er las einfach weiter.

„Diese Summe scheint im ersten Moment nicht angebracht zu sein, doch was ich ihr und ihrem Ehemann in den letzten Jahren finanziell unter die Arme gegriffen habe, gleicht das Defizit der Summen und Güter bei weitem aus.“

Mr. Lancaster hielt ein Brief in die Luft.

„Hier habe ich alle Transfers mit Gloria und ihrem Ehemann niedergeschrieben und von meinem Finanzberater gegenzeichnen lassen.“

Ohne Gloria anzublicken schob er es ihr auf dem Schreibtisch entgegen und sie griff gierig danach.

„Ich möchte meine geliebte Frau bitten, diese finanziellen Schübe nicht weiter aufrecht zu erhalten, da sie endlich lernen müssen mit dem ihnen zugestandenen und selbst erwählten Lebensstil auszukommen.
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Meinem treuen Butler, seit meiner Kindheit an meiner Seite, Stue Jackson, Hinterlasse ich 200 Pfund. Jedem anderen Mitglied des Hauses, sei es Koch, Dienstmagd, oder all die anderen guten und treuen Seelen unter diesem Dach, vermache ich 50 Pfund. Hiermit beende ich mein Testament, mit den Worten die einst meine Tochter Lea zu ihrer kleinen Schwester sagte, als diese traurig war, weil es an dem Tag an dem sie geboren wurde regnete und sie in der Kirche hörte, das keine guten Kinder bei schlechtem Wetter zur Welt kommen würden, sie sagte: Kann sein das es geregnet hat, als du geboren wurdest, aber es war kein gewöhnlicher Regen, es war der Himmel der weinte, weil er seine schönste Seele verloren hat … Und so möchte ich das ihr Glücklich seit an diesem Tag, und nicht um mich weint. Denn ich kehre als Stern zurück, nehme meinen Platz am Himmel ein und sehe jede Sekunde auf euch herab.“

Die Vorlesung des Testamentes war beendet. Mr. Lancaster legte das Schreiben in eine schwarze lederne Mappe und überreichte es Leas Mutter, die es mit zitternden Händen entgegen nahm und fest an ihre Brust drückte. Sie war bleich und konnte ihn nicht einmal anblicken, müde nickte sie, erhob sich stumm, drehte sich um und verließ den Raum. Lea hörte das flüstern, das ihrer Mutter folgte und sagte wütend:“ Die Testamentsvollstreckung ist nun vorüber und ich bitte nun alle Anwesenden: Fahrt nach Hause, lasst uns Zeit zum Trauern.“

Dann ging auch sie und folgte mit ihrer kleinen Schwester, die sich steif und verängstigt an ihre kalte Hand klammerte, ihrer Mutter.





Alleine saß Lea auf einer kleinen Bank im Garten ihrer Mutter und sah zu, wie der ausgekühlte Wind die vom Herbst bunt verfärbten Blätter von den Ästen der Bäume riss und wild mit ihnen spielte. Es schien ihm fast eine Freude zu sein allen zu zeigen, das der Sommer und der daraufgefolgte Herbst nun tatsächlich vorüber war.

Die Tage war trüb und die Wolken hingen tief, bald würde es Regen geben und der Winter würde früher kommen als sonst.

„Ich habe gehört, dass Isabella dich auf eine Reise mitnehmen möchte.“

Erschrocken sah sie auf und erblickte ihre Mutter, die neben ihr stand. Sie hatte sie gar nicht kommen gehört.
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Erleichtert, dass es nur sie war, sackte Lea wieder zurück und nahm ihre entspannte Position ein. Bei ihrer Mutter konnte sie lümmeln, wenn sie irgendwo saß. Sie musste dann den Anstand einer Dame nicht einhalten, durfte sich so geben, wie sie sich wohl fühlte. Nur verlange sie von ihr, dies in der Öffentlichkeit nicht zu tun und manchmal fiel Lea dies schwer, weil sie es schlichtweg vergaß und das konnte schon einmal peinlich werden.

„Ja …“, begann sie seufzend:“ Sie fragte mich ob ich sie begleiten würde. Sie meinte, dass sie dann nicht alleine reisen müsste und ich etwas Abstand finden würde. Ich gab ihr noch keine Antwort auf ihre Bitte.“

„Nach Schottland, nicht wahr?“

Lea nickte nur, auch wenn sie etwas überrascht war, wie gelassen ihre Mutter auf diese Tatsache hin reagierte. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass sie neben ihr Platz nahm, ganz nah, und Lea roch den Duft ihrer blumigen Seife. Kurz schloss sie ihre Augen und sog ihn tief in sich ein.

„Schottland ist ein so wunderschönes Land, Lea … Wusstest du, dass ich dort deinen Vater kennen lernte?“

Verwundert sah sie nun ihre Mutter an und meinte mit stockendem Atem, hörbar überrascht:

„Nein … das habt ihr uns nie erzählt, ihr … ihr habt eigentlich nie davon gesprochen wie ihr zueinander fandet.“

Das schmunzeln um Anastacias weichen Mund wurde deutlicher und ließ sie wieder etwas jünger wirken. Sie war so eine schöne Frau, dachte Lea, trotz des Schmerzes, der Angst und des nächtlichen Weinens, war sie doch noch immer wunderschön.

„Wir hielten es für besser zu schweigen, zu viele Gerüchte waren im Umlauf.“

Sie blickte seufzend auf ihre Hände und drehte ihren goldenen Ehering an ihrem schlanken Finger etwas hin und her.

„Ich war in Schottland zu Besuch, als ich ihm das erste Mal begegnete. Eine Tante von mir, Gott sei ihrer lieben Seele gnädig, lebte einst dort mit ihrem schottischen Mann.“

“Du hattest eine Tante die mit einem Schotten verheiratet war?“

Lea wollte und konnte ihre Überraschung über dieses Geständnis nicht verheimlichen. Ihre Mutter sah sie erstaunt an und erklärte ihr ruhig:“ Ja, sie war die liebste Schwester meiner Mutter und wir besuchten sie oft.
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Damals wurden viele englische Frauen mit schottischen Männern verheiratet, musst du wissen, mehr als zur heutigen Zeit. Es war auf Geheiß des englischen Königs, er sagte, um Frieden zu schaffen, Barrieren zu überwinden. Ein Zwielichtes Abkommen mit dem König der Schotten. Dein Vater war davon überzeugt, um die Blutlinien zu unterlaufen und um ihnen ihr Land zu stehlen …“, schnell wechselte sie wieder das Thema, als sie Leas seltsamen Gesichtsausdruck sah und kam auf das eigentliche zurück:“ Meine Tante war eine großartige und überaus intelligente Frau. Sie war ganz anders, als der Rest meiner Familie. Sie war so offen und ehrlich, man konnte sie nur lieben … Ihr Name war Leathendra.“

„Ich trage ihren Namen?“

Ihre Mutter nickte und wurde wieder etwas traurig, Lea konnte es an ihrer Stimme hören:“ Ja, sie starb einen Tag vor deiner Geburt. Leider hatten sie keine Kinder, ihre einzige Tochter, Morgan, wurde nur zwei Tage alt. Danach war sie nie wieder guter Hoffnung, was sie immer wieder einmal sehr traurig werden ließ. Nach dem Tot ihrer Tochter reiste ich nach Edinburgh. Ich wollte ihr etwas zur Seite stehen, sie trösten, ablenken, nenne es wie du willst, und dort lernte ich dann auch deinen Vater kennen.“

Lea hörte richtig, wie sie mit einem mal begann zu träumen und zu schwärmen. Ihre Stimme wurde ganz warm und ein Lächeln lag auf ihren sanft geschwungenen Lippen:“ Hm … er sah so unwahrscheinlich gut aus in seiner Uniform, doch am Anfang mochte ich ihn ganz und gar nicht“.

Lea blickte sie überrascht an. Ihre Mutter mochte ihren Vater nicht? Das konnte sie kaum glauben, denn so inniglich die beiden mit einander waren und das noch seit Jahren, ließ vermuten, das es Liebe auf den ersten Blick gewesen sein musste.

„Sein Ruf bei den Frauen am schottischen Hof war sehr eindeutig und legendär, er machte auf mich einen fürchterlich arroganten und überheblichen Eindruck ...“, ein leises, jugendliches Kichern, als würde ihr gerade ein pikanter Gedanke durch den Kopf huschen, unterbrach ihre Erzählungen.

„Vater und arrogant, das ist wie Feuer und Wasser!“

„Oh doch“, begann sie überaus ernst:“ Er war ein hoch angesehener Soldat der englischen Krone, selbst im Feindesland überaus gerne gesehen, hauptsächlich bei den Hochländern und das alles war ihm vollends Bewusst.
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Er war gerade dort um Verhandlungen mit dem derzeitigen schottischen König abzuhalten, er wollte ein Abkommen zur Unabhängigkeit Schottlands mit ausarbeiten. Schon seit Jahren arbeiteten sie daran, immer wieder stellte sich ihnen jemand in den Weg, doch er gab einfach nicht auf. Er war in hohem Grade davon überzeugt ihnen helfen zu können Frieden zu finden und man vertraute ihm. Und so war sein Stellenwert dort sehr hoch und die Frauen liefen ihm in Scharen hinterher. Er hielt sich immer bereit um eines Tages dorthin zurückzukehren. Er liebte dieses unbändige Land und seine Menschen, auch wenn er es hier nie laut äußern durfte, war er dort mehr zu Hause als hier.“

„Brachte er mir deshalb ihre Sprach bei?“

Fragte Lea leise, denn erst jetzt, Jahre später begann sie das handeln ihres Vaters zu verstehen. Nie hatte sie nachgefragt weshalb, nie sein Tun in Frage gestellt. Er war doch ihr Vater, ihr Held, alles würde schon seinen Sinn haben, alles rechtens sein und sie wurde mal wieder nicht enttäuscht, nicht einmal nach seinem Tod.

„Ja, denn er wollte irgendwann dorthin zurückkehren um ihnen zu helfen und du solltest ihm helfen. Denn als König Eduard, den nach Jahren über seine Mutter ausgehandelten Friedensvertrag, wieder rückgängig machte, schien für ihn eine Welt zusammenzubrechen. Er glaubte, alles - jedes Opfer - war umsonst gewesen. Alles was er getan hatte, alles was er beinahe verloren hätte, war wegen eines Friedens, den der neue schottische König eigentlich gar nicht wollte.“

„Aber Mutter, dann sind die Schotten ein überaus einfältiges Volk. Sie haben einen ersehnten Frieden und geben ihn wieder auf?“

Überrascht über die Strenge ihrer Tochter sah sie ihr eine Weile schweigend in die bernsteinfarbenen Augen, bis sie dann belehrend meinte:“ Himmel, geh nicht so leichtfertig mit den Meinungen anderer auf Kurs, Lea. Es entschied ein einziger über das Wohl aller, keiner wurde gefragt. Dann sind wir nicht Schlauer als sie, nur mächtiger … leider. Natürlich übermannt ihr Stolz und ihr Hochmut bisweilen ihr denken, doch das ist einer ihrer wenigen Fehler, wenn man es überhaupt so nennen kann. Denn es ist auch ihr unausweichliches Naturell. Wir konnten nie offen mit euch darüber reden, doch ich habe immer gehofft, das wir euch und gerade dich, nicht so engherzig erzogen haben.
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Ihre Mutter erhob sich schwerfällig von der Bank und erklärte ihrer Tochter, die nun beschämt die gefalteten Hände in ihrem Schoss anstarrte mit trauriger Stimme:“ Wir haben diesen Menschen unsagbar viel Leid zugefügt, tun dies noch immer und werden es wohl auch immer so weiter führen … Lea, die Wahrheit erfuhr ich selbst erst als ich dort war. Wir zerstören einfach alles, selbst ihren Familienzusammenhalt, der, wenn man ihn genau betrachtet, einmalig und wunderschön ist. Wir lassen sie verhungern, ermorden sie nachts in ihren Betten und tun vieles mehr. Wir drängen ihnen unser Leben auf, weil wir das als das einzig wahre und richtige empfinden. Wir nehmen ihnen alles weg, selbst ihren Glauben. Sie verteidigen doch nur das was ihnen ist, was ihnen von ihren Familien hinterlassen wurde. Wir lassen ihnen keine eine andere Wahl als kriegerisch zu reagieren.“

Auf einmal ging sie vor ihrer Tochter in die Hocke und umfasste fest ihre verkrampften Hände. Lea spürte wie kalt ihre Finger waren, und blickte ihre Mutter an.

„Ich muss dir etwas erzählen, Lea, Gerüchte die mich erreichten, Gerüchte von denen man nur hoffen kann, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen.“

Lea schluckte schwer und biss sich schmerzhaft auf ihre Unterlippe. Die Stimme ihrer Mutter machte ihr in diesem Moment unwahrscheinlich Angst. Sie war sich gar nicht sicher, ob sie es hören wollte, doch schien sie keine Wahl zu haben.

„Dein Vater war bei unserem König“, begann sie sacht und sehr leise, damit keiner ihre nächsten Worte hören konnte, außer ihre Tochter:“ Er bat ihn darum, zurückkehren zu dürfen um seine Arbeit fortzuführen. Doch der König lehnte ab und erzählte ihm eine Geschichte, von einem englischen Offizier, der vor vielen Jahren englische Soldtaten verraten haben soll, um Schotten zu retten“, die Augen ihrer Mutter füllten sich mit Tränen:“ Ich weiß nicht was dein Vater damals tat, doch obwohl er schon lange nicht mehr für die Krone tätig war, reiste er eines Tages in seiner Uniform unvermittelt ab. Theodor war über vier Wochen fort und als er wieder kam, bat er mich darum, ihn niemals nach diesen Wochen zu befragen.
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Ich musste es ihm hoch und heilig versprechen. Doch nach diesen Wochen war er anders, etwas in ihm war gebrochen und ich hatte einfach keine Ahnung, was mit ihm geschehen war“, ein tiefer Atemzug unterbrach für einen Augenblick ihre Worte:“ Die Gerüchte die mich erreichten, besagten, dass er vor dem König Verlauten lies, dass dies vielleicht keine erfundene Geschichte sei. Er soll es zwar nicht deutlich gesagt haben, aber für alle verständlich. Ich glaube, er war so unsagbar wütend und von allen enttäuscht. Wollte er doch schlichtweg einfach nur nach Hause kehren.“

Ihre Stirn ruhte nun auf ihren Händen, die noch immer die ihrer Tochter umfingen. Was tat ihr ihre Mutter nur so unsagbar leid, was begann sie ihren König zu hassen. Lea kämpfte gegen ihre Tränen und einem endlosen Chaos ihrer Gefühle an.

„Eine Woche später war er tot. Ein Unfall? Eher unwahrscheinlich! Mord …? Wahrscheinlich.“

„Bei Gott, Mutter“, hauchte Lea geschockt hervor und legte ihre Wangen auf den Kopf ihrer Mutter. Sie weinten zusammen, eine ganze Weile still vor sich her.

Auf einmal erhob sich ihre Mutter und trat etwas von ihrer Tochter fort, ihre Augen mit einem Taschentuch trocknend. Sie wandte sich ab und wollte gehen, doch sie hielt noch einmal inne, drehte sich wieder zu ihrem immer noch sprachlosen Kind um und sagte zu ihr, mit ernster Stimme:“ Du wirst Isabella begleiten und dir selbst ein Bild von alldem machen, und wenn du wieder nach Hause zurückkehrst, wirst du hoffentlich deine Meinung, so wie ich einst, geändert haben. Ich bin mir absolut sicher, das du dieses Land lieben wirst und nur daran wachsen kannst, denn du bist die Tochter deines Vaters.“

Wieder blickte sie auf den Ring an ihrem Finger.

„Dein Vater wollte dich so gerne einmal mitnehmen, dir eine Welt zeigen, von der er jede Nacht träumte ... Du bist wahrhaftig wie er“, ihre Stimme begann wieder zu zittern, als würde sie gleich erneut in Tränen ausbrechen, doch sie sprach nach kurzem zögern weiter:“ Du wirst deine Augen nicht verschließen, Leathendra Bradley, nein das wirst du nicht. Dir wird es dort gefallen, auch wenn dir alles erst einmal so entsetzlich verworren erscheint. Doch blickst du erst einmal in die Menschen hinein und erkennst den Sinn ihrer Traditionen, dann wirst du alles verstehen. Ich möchte nicht das du engstirnig und verzogen wirst wie Gloria .
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.. Bei Gott, ein Kind das Weltfremd ist und fern von der Realität lebt habe ich schon, ein zweites will ich auf keinen Fall und es war deines Vaters ewiger Wunsch.“

Jetzt sprang Lea auf und flehte fast:“ Aber Mutter, was ist wenn die Gerüchte stimmen und der König davon erfährt, bist du dann noch sicher?“

„Du begleitest deine Cousine und was weis eine Frau von den Geschäften ihres Mannes?“

Das waren die letzten streng klingenden Worte die sie noch sagte bevor sie ging.



- Fortsetzung folgt, wenn ihr wollt? -
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Kommentare zur Story:

  Hallo Jingizu,
hast du alles gelsen, oder nur das erste und letzte Kapitel???
Falls ja, es lohnt sich wirklich auch den Rest zu lesen. Es ist spannend und wirklich witzig.
Versuch dich mal an etwas Historik, vielleicht kann ich dich ja bekehren!!!  
   Lilly  -  27.09.10 12:37

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  Ich muss ehrlich zugeben, dass historische Romane nicht gerade meine erste Wahl sind, doch es hat mir Freude bereitet es zu lesen. Der Schreibstil gefällt mir und auch, dass jedes Kapitel mit einem dieser Zitate oder Segenssprüche oder Ähnlichem beginnt.  
   Jingizu  -  19.09.10 17:21

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Ganz schön spannend. Da wird man neugierig, was Lea wohl jetzt als nächstes gemeinsam mit Isa erleben wird.  
   Petra  -  12.04.10 23:16

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