Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Wolfgang scrittore      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 17. Februar 2010
Bei Webstories eingestellt: 17. Februar 2010
Anzahl gesehen: 3127
Seiten: 3

Er hatte sich die Anzeige ausgeschnitten.

Eheinstitut AURORA

Eheanbahnungen

auch bei schwierigen Fällen

ohne Bürgen

Unser Wahlspruch lautet: Nichts ist unmöööglich.



Mühsam glitten R. Augen über das Papier. Ohne Brille konnte er fast nichts erkennen. Mit der schweißnassen Hand fuhr er über seine Stirn. Seine

Haare hingen wirr ins Gesicht, und der Atem kam stoßend. Sein Herz klopfte wie wild, als er die Stufen zum Hochparterre hinter sich gebracht hatte.



Er wartete einen Augenblick, bis er wieder zu Atem gekommen war und klopfte zaghaft an die schwere dunkle Eichentür. Vorsichtig drückte er dann auf

den Klingelknopf und erschrak, als die liebliche Melodie der ersten Takte der Hochzeitssinfonie von Mendelssohn erklang. Ein einfältiges Lächeln

überzog sein pickeliges, aufgedunsenes Gesicht.





„Ja, Sie wünschen?" klang es spitz aus dem Munde einer Dame gesetzten Alters. Er schrak auf, schaute zu ihrem Gesicht empor, sein Mund blieb offen

stehen, seine Augen blickten fragend.



„Ääääh" räusperte er sich und wieder „Äääh, hmm ich komm da wegen, die Anzeige inner Zeitung. Also.." rang er mit hörbarem Schnaufen nach Worten.



Die platinblonde Dame musterte ihn pikiert von oben bis unten, eine gewisse Abscheu stahl sich in ihren Blick, dann rang sie sich ein Lächeln ab, das

kaum über ihre Mundwinkel hinaus drang.



„Sie beabsichtigen, sich in den Stand der Ehe zu begeben? Wünschen eine Vermittlung? Nun ja, ich werde sehen, unser Institut hat schon einen

gewissen Ruf. Also bitte treten Sie doch näher."



Er verbeugte sich etwas linkisch, huschte dann hinter ihrem davon wogenden Hinterteil in die ausgesprochen gediegen eingerichtete Wohnung.

Er erschnupperte einen, eine Spur zu aufdringlichen Duft nach Jasmin, den die Dame vor ihm verströmte.



Ein Seufzer entrang sich seiner trockenen

Kehle, während seine Augen, die ihm förmlich aus dem vorgebeugten Kopf zu quellen schienen, der ausladenden, in einen senfgelben Kostümrock gezwängten Fülle der Dame nachgierten.
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Bald wäre er aufgelaufen, als die nicht mehr ganz junge Dame, abrupt stehen blieb. Er wäre weich gelandet.

Nachdem sie ihn in einen tiefen Sessel komplimentiert hatte, in dem er förmlich versank, führte sie die Zeigefingerspitzen beider Hände an ihre

Nasenflügel, holte tief Luft, so tief, das ihr Busen bebte, was ihm ein glucksen entlockte, und bemerkte:



„Sie haben doch sicher einen Scheck dabei? Wenn ich dann bitten dürfte. Ich muss leider auf Vorkasse bestehen. Wir haben garantiert die passende Frau für

sie dabei. Aber das kann etwas dauern. Sie müssen ein wenig Geduld haben"



wobei sie ihn abschätzig musterte. Der Ausdruck von Abscheu hatte sich in ihrem Gesicht noch etwas verstärkt.



„Rauchen Sie? Wie sieht es mit dem Trinken aus? Verdienst, Vermögenswerte,

etc.“ Er nickte fortwährend zu ihrer Aufzählung.



„Sehr gut, das könnte die Sache schon etwas erleichtern. Ich werde mal sehen. Ähem, wie soll den ihre Zukünftige aussehen? Klein und zierlich, oder

etwas molliger, bevorzugen Sie vielleicht eher innere Werte?" das Lächeln fiel ihr schwer, kam ihr etwas mühsam, während sie innerlich ihr großes

Mundwerk verfluchte. Wer zum Teufel konnte denn ahnen, dass ein solcher Ladenhüter, eine absolute Null, ihr Institut aufsuchen würde.



Verlegen griente er sie an, ein Hauch seines Mundgeruchs wehte über den Tisch, ihr entgegen, oder war es etwa Fußschweiß? Seine leicht zitternde

Hand fuhr an seine Hüfte und klaubte eine mit einem Gummiband umringte Briefmappe aus seiner Gesäßtasche. Mühsam nestelte er ein

zusammengefaltetes Stück Papier heraus und schob es ihr über die Schreibtischplatte entgegen.



Mit spitzen Fingern faltete sie den Papierfetzen auseinander, schaute ihn an. Stutzte, schaute noch einmal, behielt mit etwas Mühe die Fassung.



„Aber..." stockte sie „aber, das ist doch.."

Sie schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
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Er beugte sich vor, ein Schwall seiner Körperausdünstungen brandete gegen ihren Busen. Er kicherte, und nickte heftig.



„...Claudia Schiffer" presste sie schockiert hervor.



Sie hatte sich vorgenommen, es gehörte genauer gesagt zu ihren eisernen Geschäftspraktiken, jedem Kunden zu versichern, dass sich für jedes Töpfchen auch ein Deckelchen finden würde. Aber jetzt war sie mit ihrem Latein am Ende, obwohl auch ausgefallene Wünsche ihr bisher keine Mühe bereitet hatten. Sie beschloss, hier und heute ausnahmsweise mal auf ein Geschäft zu

verzichten. Was ihr wirklich sehr, sehr wehtat. Aber dieser Mensch war unvermittelbar. Sie hatte schließlich einen Ruf zu verteidigen.



Mühsam fasste sie sich, zauberte mit Gewalt ein blasses Lächeln in ihr Gesicht und presste hervor:

„Ich fürchte, wir haben momentan nicht die passende Partnerin für sie da.

Eine solche müsste erst gebacken werden"



Er erstarrte, sein Lächeln verfiel, unruhig und gehetzt blickte er hin und her. Plötzlich fuhr ihm ein Gedanke durch seinen Kopf. Er erschrak, denn das

kam bei ihm sehr selten vor. Seine Lippen bewegten sich. Er murmelte vor sich hin. Dann quälte er sich aus dem Sessel hervor, wischte über seine

schweißnasse Stirn und hastete förmlich aus der Wohnung.



Der Gedanke hatte ihn gepackt, er müsste sich eine Frau backen.





ENDE





PS: Hatte ich eigentlich erwähnt, das R. ein Psychopath ist
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Punktestand der Geschichte:   122
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Kommentare zur Story:

  Hat sich was, mit den tollen Versprechungen. Von wegen Eheanbahnungen
auch bei schwierigen Fällen. Der Junge hat jetzt seine Claudi Schiffer zu bekommen. Versprochen ist versprochen!  
   Jochen  -  18.02.10 14:40

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Der Arme, so abgelehnt zu werden. Warum hat sie ihn nicht dazu überredet eine ähnlich aussehende Frau zur Dame seines Herzens zu erwählen? Schöner lebendiger Text, der grünes Licht verdient .  
   Petra  -  17.02.10 22:46

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  wer weiß, wozu so ein Psychopath fähig ist?  
   Wolfgang scrittore  -  17.02.10 21:03

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  nun ja, wer sagt denn, dass claudia schiffer keine inneren werte hat? und nur darauf kam es dem psychopathen doch wohl an. ;))
lieben gruß  
   Ingrid Alias I  -  17.02.10 15:21

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Interessante Kommentare

Kommentar von "SCvLzH" zu "Am Meer"

... melancholisch aber schön ...

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Kommentar von "axel" zu "Herzflattern"

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