Das Haus auf der Klippe - Teil 3 und Ende   284

Romane/Serien · Schauriges

Von:    Pia Dublin      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 9. September 2009
Bei Webstories eingestellt: 9. September 2009
Anzahl gesehen: 3112
Seiten: 4

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


***

Caleb erwachte im Haus seines Vaters. Alles um ihn herum war ihm so vertraut, der Geruch, die Geräusche, dieses Zimmer, dass er eine wunderliche Sekunde lang nach seiner Mutter rufen wollte. Nichts hatte sich verändert, seit er es mit vier Jahren verlassen hatte. Sein Kopf hämmerte und er lachte verzweifelt in sich hinein. Nicht der Alkohol bewirkt den Kater am Morgen, sondern das Aufwachen.

Etwas war in dem Bier gewesen, das hatte ihm die Lampen ausgeknipst. Unsicher erhob er sich von dem Bett, fand seine Schuhe ordentlich abgestellt neben der Tür. Er zwängte erst den rechten dann den linken Fuß hinein und versuchte sich dann erst zu bücken, um die Schnürsenkel zuzubinden. Das Herunterbeugen war nicht das Problem, er fiel fast der Länge nach hin, als er sich wieder aufrichtete.

Im ganzen Zimmer suchte er nach seinem Notizbuch, nach den Kopien, aber sie waren verschwunden. Pat musste sie behalten haben. Die Zimmertür war unverschlossen, er wankte vorsichtig durch den Flur bis in die winzige Küche, wo er sich in den Ausguss erbrach. Selbst das Geschirr in den Schränken und die Gardinen an dem kleinen Fenster waren noch wie früher. Aber Caleb hatte nicht die Zeit, in den Gefühlen zu schwelgen, die das Haus in ihm auslösten, denn alles schrie in ihm, dass er verschwinden müsse, bevor es zu spät sei. Die Coogan-Sippe hatte ihn einen Moment allein gelassen, darauf vertrauend, dass ihn das Zeug in dem Bier noch eine Weile schlafen lassen würde. Er wollte nicht abwarten, bis sie zurückkamen und dann herausfinden müssen, was sie mit ihm vor hatten.

Durch die Hintertür verschwand er aus dem Haus, das auf einem kleinen Hügel unweit der Kirche stand, in den Gemüsegarten. Er folgte dem schmalen Trampelpfad zwischen den Gärten hindurch, unter verkrüppelten Eichen und Kiefern entlang, bis er wieder im Hafen landete. In der Dunkelheit und der kühlen Luft wurden seine Schritte sicherer und sein Kopf immer klarer. Es war ganz erstaunlich, dass er sich noch an alles erinnern konnte. An jedes Wort, was Pat erzählt hatte.

A. Dannon. Dan war der Vorname seines Großvaters. Dan Anon. Er hatte das Buch geschrieben, das Manuskript binden lassen und sein Sohn, Calebs Vater, hatte es nach Dans Tod weitergeführt. Er hatte ganze Kapitel ergänzt, Passagen korrigiert und er hatte das bis zu seinem Unfalltod mit Hingabe getan.
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Das Unglück mit tödlichem Ausgang hatte er auf sich gezogen, weil er zu viel wissen wollte anstatt nur dem Schwur zu folgen. Caleb, der Erstgeborene, einziger Sohn und im Hafen getauft, hätte in die Fußstapfen seiner Väter treten sollen, aber die Familie hatte beschlossen, ihn fortzubringen, nachdem sein Vater gestorben war.

Caleb dachte darüber nach, wem er sich anvertrauen und um Hilfe bitten konnte und es fiel ihm niemand ein.

„Junge“, hatte Pat ihm zugeflüstert, „wir halten die Welt von der Klippe fern so gut es geht. Und wir alle kämpfen Tag für Tag gegen den Sog an.“

Der Sog? Tim hatte sich ungeschickt dabei angestellt, ihn über Bord zu bringen und hätte diesen dummen Fehler mit seinem rechten Auge bezahlt, wenn Caleb ihn nicht ins Krankenhaus gebracht hätte. Das Opfer war nicht erfolgt und deshalb würde es nun ein Größeres geben. Sie würden alle dafür sorgen, dass Caleb sein Wissen mit ins Grab nahm.



Im Hafen schlich Caleb sich auf die Seekin‘ Mary, kletterte vom Heck hinunter in das Schlauchboot, was Kapitän Henry dort immer angetaut hatte. Um niemanden mit dem Motorenlärm zu alarmieren, ruderte Caleb aus dem Hafen hinaus, steuerte in den Nebel und warf erst dort den Außenbordmotor an. Alles, was er brauchte, hatte er von dem Kutter mitgenommen. Dinge, die zwar modern waren, die aber doch so nützlich waren, dass man sie akzeptieren konnte. Eine Maglite mit neuen Batterien, ein Rettungsring, eine gelbe Regenjacke, eine Leuchtrakete, ein Kanister Benzin. Nur zu gerne hätte er jemandem anvertraut, was er plante, aber das ganze Dorf hätte versucht, ihn aufzuhalten. Selbst das Handy lag vergessen irgendwo in der Pension, er konnte nicht einmal eine Nachricht an seine Mutter und an seine Freundin hinterlassen.

Blind steuerte Caleb durch den Nebel, verpasste die Bojen am Hafen und vertraute darauf, dass die Riffe unter Wasser zu tief lagen für das Schlauchboot. An Pats Worte konnte er sich erinnern, er glaubte daran, dass Pat ihm die Wahrheit gesagt hatte, aber trotzdem schlug er die Warnung in den Wind. Ganz fest hatte er sich vorgenommen, das Haus zu betreten, herauszufinden, wer dort lebte und es zu zerstören, sollte es eine Bedrohung sein. Seine Chancen wagte er sich nicht auszurechnen, dazu mochten sie zu schlecht stehen.
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Es lebte jemand – etwas – uraltes in dem Haus auf der Klippe, etwas, das nicht von dieser Welt war. Die Tür des Hauses war dem endlosen Meer, dem Horizont zugewandt, denn aus dem tiefen Wasser war er gekommen, hatte die Klippe erobert und Maghera Beg in seinen Bann gezogen. Aber seit Jahrhunderten sorgten die Familien dafür, dass die Welt nichts von Maghera Beg erfuhr.

Niemand solle das Haus auf der Klippe betreten, denn mit jeder Seele würde der Hunger größer werden.

„Weshalb verlässt er nicht einfach das Haus auf der Kippe und holt sich, was er will?“ hatte Caleb gefragt. Pat hatte geantwortet: „Er kam aus dem Meer, aber das Haus ist ein Tor in seine alte Welt. Er lebt in dieser Zwischenwelt.“ Pat hatte gesagt, dass er die Seelen, die er bereits in seinem Besitz hatte, als Lichter umhergehen ließ, um andere anzulocken, um Geschöpfe aus dem Meer zu schicken, die ihm gehorchten, um Dinge geschehen zu lassen. Er war hungrig und unersättlich, aber auch geduldig. Er wartete schon so lange.

„Habt ihr ihm nie einen Namen gegeben?“ fragte Caleb.

„Wir kennen seinen Namen, aber wir können ihn weder aussprechen noch niederschreiben. Aber wir kennen ihn und er weiß es.“

Der letzte Ausläufer des Sturms zog an der Küste weiter, riss den Nebel auf und befreite das Haus auf der Klippe vor Calebs Augen. Trotz der Regenjacke war er bis auf die Knochen durchnässt, dabei war sein Mund ausgetrocknet und sein Hals brannte. Er konnte die Augen nicht abwenden. Alle Fenster des Hauses waren hell erleuchtet, das ganze Haus erstrahlte in einem gelben flackernden Licht. Als Caleb immer näher kam, sah er, dass das Haus viel kleiner war als vermutet. Es schien kaum möglich, dass man es vom Hafen aus überhaupt sehen konnte. Es war nicht aus Stein erbaut. Das Dach war nicht mit Reetgras gedeckt. Das Entsetzen kroch in Calebs hoch, er war unfähig, die Richtung des Schlauchboots zu ändern oder die Augen abzuwenden. Wie von fremder Hand geführt, drehte er auf das offene Meer hinaus ab und wieder zurück, hielt auf die offen stehende Tür des Hauses auf der Klippe zu. Er war unfähig, seinen Plan auszuführen und wusste, dass er ihm in die Falle gegangen war. Er mochte geplant haben, das Haus zu zerstören, aber er hätte es niemals geschafft.
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Das gelbe Licht tanzte aus der Dunkelheit auf ihn zu. Caleb wusste, dass das Grab seines Vaters leer war, denn auch er hatte dem Licht nicht widerstehen können. Die Coogans waren gute Chronisten, aber sie waren eine zu enge Verbindung mit seinen niederen Wesen aus dem Meer eingegangen, sie waren nicht stark genug. Wenn er rief, kamen die Söhne selbst aus der Ferne zurück.

Caleb schmeckte den übermächtigen Salzgeschmack auf der Zunge, atmete den fremden Geruch ein und starrte hilflos in das Licht, das sich langsam veränderte, je näher er kam. Es schien sich zu freuen, ihn endlich zu sehen.



****

Viele Jahre später stieg eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand aus dem Bus, blieb bei der Sturmglocke stehen und sagte, zu dem starrenden Jungen hinunter gebeugt: „Hier ist dein Daddy aufgewachsen, Cal.“ Und der Junge sah mit großen Augen auf das Meer hinaus, wo sich gerade der Nebel etwas lichtete.
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Kommentare zur Story:

  Hallo Pia, habe nochmal den Anfang gelesen und jetzt verstehe ich das Ende. Verrate aber hier nichts. Sollen sich doch die anderen auch erst mal alles erlesen. Schöne Gruselstory.  
   Jochen  -  12.09.09 17:42

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  Das ist das Ende der Geschichte. ;0) Was das Haus verbirgt, bleibt ein Geheimnis und lässt Raum für Interpretationen der Leser.
LG Dubliner Tinte  
   Pia Dublin  -  12.09.09 12:38

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  Nun bin ich mal gespannt, was das Haus wirklich verbirgt. Ziemlich echt das Ganze, weil man sich vorstellen kann , dass in großer Einsamkeit der Aberglaube wächst.  
   Jochen  -  11.09.09 22:52

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Interessante Kommentare

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Hallo, besonders die letzte strophe gefällt mir. Wäre das leben nur schön und man hätte alles, wäre man auch nicht glücklich. lg Holger

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