Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Sandra Junghans      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 3. August 2008
Bei Webstories eingestellt: 3. August 2008
Anzahl gesehen: 2001
Seiten: 2

Adam war ein pensionierter französischer Schriftsteller, der seinen Lebensabend in einem Vorort von Dunedin auf Neuseeland verbringt wollte. Endlich hatte er nach all den Romanen, meist Krimis, und den Berichten, die er für die juristische Fakultät geschrieben hatte, Zeit private Dinge zu verfassen. Ein Familienbuch samt Stammbaum wollte er schreiben. Über Kinder und Enkelkinder, aber vor allem über sich selbst und sein Leben.



Er setzt sich an seinen Schreibtisch und betrachtet das verschiedene Material. Papierstapel, seine Notizen, die er gestern Abend sortiert hatte. Fotos, Zeitungsausschnitte, Urkunden, Zettel und sogar Tagebücher seiner verstorbenen Ehefrau Emelie.

Nachdem Adam stillschweigend einige Augenblicke nur auf dieses Tagebuch starrte, öffnete er es vorsichtig. Die Handschrift der Verstorbenen war sauber und ordentlich. Im Laufe der Jahre war die Tinte etwas verblasst, dennoch waren die meisten Seiten noch gut leserlich. Adam las und schwelgte in Erinnerungen. Seufzend sah er dann aus seinem Fenster und beobachtete Clear, die im Vorgarten Wäsche auf hing. Sie war seit zwei Jahren seine Geliebte, obwohl sie kaum älter, als seine jüngste Tochter war. Wehmütig sah er wieder das Tagebuch an. 1953 in Paris. Eine kurze Notiz von Emelie über einen eleganten jungen Mann den sie kennen gelernt hatte. „Ein Herr, der sich Notizen über ein Pariser Frühstück machte“ so hieß es. Adam schmunzelte.

Nach einigen Stunden legte er das Tagebuch bei Seite und zog die Schreibmaschine, auf der er seine größten Erfolge geschrieben hatte, an sich heran. Die meisten Buchstaben waren abgegriffen und die Tastaturen „E“ und „K“ zogen ein unsauberes Schriftbild, doch Adam hatte nie darüber nachgedacht, sie gegen eine neue Schreibmaschine, oder gar einen Computer auszutauschen. Er positionierte seine Finger auf der Tastatur und überlegte. Er dachte an Emelie. Mit ihr wollte er sein Buch beginnen. Nicht mit sich selbst, wer seine Eltern waren oder wo er aufwuchs, sondern mit ihr, seiner ersten und einzigen großen Liebe wollte er beginnen. „Emelie“ schrieb er schnell und die Buchstaben donnerten auf das Papier. Er stockte. Was nun? „Emelie“… was sollte er weiter schreiben? „Emelie… war meine Frau“. Er stockte erneut, las den Text, zog das Papier dann missmutig aus der Halterung und zerknüllte es.
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Dann spannte er ein neues Blatt ein. Minuten vergingen schweigsam bis er zu schreiben begann. Nach wenigen Sätzen zog er auch dieses Papier aus der Schreibmaschine und warf es zerknüllt hinter sich. Den ganzen Nachmittag ging das so, bis sich hinter ihm ein Berg an zerknüllten Papierseiten angesammelt hatte.



Clear kam aus dem Haus und nahm die Wäsche von der Leine. Adam beobachtete sie wieder dabei. Dann schüttelte er mit dem Kopf und seufzte. Nein, so war er sich sicher, über Emelie würde er hier auf Neuseeland kein einziges Wort verlieren können, das auch nur annähernd würdig war.

Adam schwieg.

Draußen ging die Sonne unter. Das Tagebuch lag auf seinem Schoß, die Schreibmaschine stand vor ihm. Keinen einzigen Satz hatte er auf das Papier gebracht. Plötzlich rief eine junge Frauenstimme: „Komm Schatz, das war genug für heute.“
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Punktestand der Geschichte:   19
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Kommentare zur Story:

  Hallo Sandra,

das Thema klingt interessant. Es freut mich immer wieder zu sehen, aus welchen verschiedenen Anlässen Menschen inspiriert werden, zu schreiben.
Vielleicht lesen wir ja bald wieder etwas von dir, wenn du Zeit und Laune hast.

Lg Sabine  
   Sommertänzerin  -  08.08.08 15:31

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  So viel Kommentare auf meine Geschichte? Ich bin wirklich überrascht. Ich hätte gar nicht erwartet, dass mich überhaupt jemand wirklich bemerkt.

Clear hätte ja auch eine Katze sein können, das hätte auch gut zur Situation gepasst.

Ich wollte aber eine Szene schaffen, in der der alte Schriftsteller eine Schreibblockade bekommt, weil in ihm das Gefühl aufflammt, dass er seine verstorbene Frau nicht richtig respektiert. Darum der Satz:
"Sie war seit zwei Jahren seine Geliebte, obwohl sie kaum älter, als seine jüngste Tochter war."

Die Kurzgeschichte entspringt übrigens meinem Studium in dem es die Aufgabe war, innerhalb von ganz kurzer Zeit (so kurz wie möglich) etwas zu schreiben. Die Aufgabe hieß "keine Angst vor dem leeren Blatt Papier" und weil es in der Lektion gesondert um Schreibblockaden ging, wollte ich das zum Thema machen.

Ich freue mich über jede Reaktion darauf und werde sie überarbeiten, sobald ich einen freien Kopf dafür habe.

Vielen Dank an alle, die was zu sagen hatten und noch haben werden.

lieben Gruß
Sandra  
   Sandra Junghans  -  08.08.08 15:29

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  Wenn aber nun einmal solch' eine Assoziation in den Kopf kommt, dann ist das so! Ein anderer Leser hat Pickel gedacht, da ist eine Katze wesentlich angenehmer!  
   Sommertänzerin  -  08.08.08 15:21

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  Watt du habbin gesacht?  
anonym  -  08.08.08 15:13

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  you're mesmerised of your own disability.  
anonym  -  08.08.08 15:04

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  "Dafür ist die Seite ja da, dass man sich mit dem Text auseinandersetzt"

Ja genau. Aber das hast du nicht getan, sosnt würdest du nicht so einen Blödsinn mit der Katze verzapfen.  
anonym  -  08.08.08 14:59

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  Anspringen ist etwas anderes. Habe ich dich beleidigt? Verärgert? Provoziert? Ich habe mich hierbei auf den Text bezogen, meine Eindrücke geschildert. Dafür ist die Seite ja da, dass man sich mit dem Text auseinandersetzt und nicht jeden Schreiber / Leser dumm von der Seite anquatscht (Der letzte Satz war nun ein Anspring-Beispiel *g)  
   Sommertänzerin  -  08.08.08 14:42

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  Also Sabine war ungefähr 1/2 Sekunde überrascht, dann taucht das Komma auf und klärt die Situation. Alle Achtung!  
anonym  -  08.08.08 14:40

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  Und verlässlich wie ein deutsches Uhrwerk springt Sabinchen wieder auf jede Provokation an. RESPEKT!  
anonym  -  08.08.08 14:31

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  Bis zu dem Komma dachte ich halt, es sei eine Katze. Die Einsamkeit des Mannes kommt für mich so gut rüber, dass man nicht mit einer Frau rechnet. Auch wegen aus dem Fenster beobachten usw. - Eindrücke sind bei jedem eben anders und Bilder enstehen manchmal rasendschnell im Kopf.  
   Sommertänzerin  -  08.08.08 14:25

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  "Clear" erinnert an Clerasil. Sollte es vielleicht der Name "Claire" sein? Phonetisch identisch, aber bei dem jungen Fräulein Clear denke ich sofort an Pickel.  
anonym  -  08.08.08 14:13

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  "Dachte erst, dass Clear eine Katze ist und war dann überrascht."

Es überrascht dich, dass jemand der Wäsche aufhängt und seine Geliebte ist, KEINE Katze ist??? Hast du die Geschichte auch wirklich gelesen?????  
anonym  -  08.08.08 13:58

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  Hallo,

die Geschichte gefällt mir gut, nur das Ende kommt wirklich sehr schnell. Erst macht es den Eindruck, dass der Mann allein ist. Dachte erst, dass Clear eine Katze ist und war dann überrascht. Dennoch scheint der Mann ja einsam zu sein, der Trost durch die junge Dame scheint die Erinnerungen nicht wirklich zu vertreiben. Das Stimmungsbild ist dir gut gelungen. Und ich kann mir vorstellen, dass es schwer für den Mann ist, passende Worte zu finden. LG Sabine  
   Sommertänzerin  -  08.08.08 10:52

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  Siehe Film Billy Crystal "Wirf die Mama aus den Zug". Die Nacht war.... schwül... heiß... feucht????
Whats the point? Die Schreibblockade oder die schönen Erinnerungen?  
anonym  -  08.08.08 09:41

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  Eine schöne Geschichte, nur der Schluss gefällt mir nicht. Der kommt so aprubt und auch die wörtliche Rede passt irgendwie nicht ins Schema.

Und zwei Fehlerteufelchen haben sich eingeschlichen:

auf Neuseeland verbringt wollte

--> verbringen

obwohl sie kaum älter, als seine jüngste Tochter

--> kein Komma

LG Kleckschen  
   Tintenkleckschen  -  05.08.08 19:32

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