R.M.S. TITANIC Die Erinnerung an eine legendäre Jungfernfahrt. (1)   19

Romane/Serien · Erinnerungen · Fan-Fiction/Rollenspiele

Von:    Tim Wecnk      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 20. April 2008
Bei Webstories eingestellt: 20. April 2008
Anzahl gesehen: 2283
Seiten: 33

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Vorwort:



Seit nun fast einem Jahrhundert ist der Untergang der Titanic ein Mythos und zahlreiche Bücher mit Geschichten sind seitdem erschienen. Bis heute werden diese Geschichten vom Schicksal dieses legendären Luxusdampfers gelesen und lassen auf so manchen Leser eine Faszination oder einen Schauder ausüben.

In dieser Ausgabe handelt es sich um eine Art Tagebuch, indem ich mich selbst als Passagier bezeichne und mit zeitgenössischen Fotos mein Erlebnis an Bord der Titanic schildere. Es ist meine Erzählung über die ,,Erinnerung einer legendären Jungfernfahrt“ mit den Fakten, die dieses Schiff einst zu einem Mythos machten.







Tim Wenck







Erster Tag, 10.April 1912

Southampton/England





Eigentlich könnte man sagen, dass es ein Tag war, wie jeder andere auch, aber eben genau dieser Tag gehört zu den ganz besonderen in meiner Jugendzeit, denn es war nicht nur der Beginn einer unvergesslichen Reise, sondern auch der Beginn eines neuen Lebens in einer neuen Heimat. Vor einem Jahr wohnten meine Familie und ich noch in der kleinen Hafenstadt Portsmouth in Südengland und jetzt wohnten wir doch tatsächlich in der größten Stadt der Welt, in New York. Der Grund, weshalb ich mich aber immer noch in England aufhielt, war so simpel, dass er schon gar nicht mehr wahr sein konnte.

Seit sich mein Vater als Ingenieur mit dem neuen Technikweltwunder ,,Flugzeug“ beschäftigte und dies nur in den Vereinigten Staaten von Amerika möglich war, zog er mit meiner Mutter und meiner älteren Schwester nach Lakehurst, dem Flugstadtteil von New York und baute dort ein neues Zuhause für uns auf. Ich musste allerdings wegen meines Besuchs im ,,Lord William Higgans“ Internat noch ein ganzes Jahr lang in Portsmouth bleiben und meine Abschlussprüfung meistern, wofür ich die ganzen Monate hin ununterbrochen mit Lernen und Schuften verbringen durfte und dies mit Abstand die größte Quälerei meines Lebens war. Der einzige Tag, der mich in dieser Zeit einmal richtig aufmunterte, war mein 17. Geburtstag und der, an dem ich diese grauenvolle Zeit im Internat mit einem ausreichend absolvierten Abschluss endlich hinter mich gelassen hatte.
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Diesen bedeutsamen Moment aller Schüler des Internates wurde am Karfreitag, dem 5.April 1912, im großen Saal unserer Schule mit einer großen Abschlussparty gefüllt mit Musik, einem großen Buffet, jeder Menge Spaß und guter Laune gefeiert.

Meine Schule bestand nicht nur aus Schülern, nein, es gab natürlich auch zahlreiche Schülerinnen, die im Internat zwar von den Jungen getrennt wurden, es aber immer genug Anlässe gegeben hatte, mit ihnen zu kommunizieren oder sogar mal näher kennen zu lernen. Allerdings war ich zu dieser Zeit irgendwie noch nicht wirklich an Mädchen interessiert, obwohl viele von ihnen wirklich ganz besonders hübsche Mädchen gewesen waren. Selbst an diesem Abend, wo sie alle in wunderschönen Abendkleidern angezogen erschienen waren und sich die besten Gelegenheiten für nähere Bekanntschaften boten, zog ich es lieber vor, mit meinen drei besten Freunden in der Ecke zu stehen und mich mit ihnen über unsere Zukunft zu unterhalten: ,,Was wirst du nun machen?“, fragte ich Dave Robertson, unser Klassenbester, der uns viele gute Tipps für die Prüfungen gegeben und selber mit Bestnote bestanden hatte. Seine Eltern gehörten einer großen englischen Marktwirtschaft an und erwarben damit eine ganze Menge an Ruhm und Vermögen. Dadurch gehörte Dave zu einer der wohlhabendsten Schülern auf diesem Internat und was seine Bestnoten angingen, wurde er von den Mädchen an diesem Abend reichlich bewundert. Auf meine Frage antwortete er: ,,Ich werde auf Oxford studieren gehen. Ich hab mein Stipendium gestern schriftlich erhalten.“ ,,Da hast du dir ja ganz schön was vorgenommen.“, entgegnete Martin Edison, unser Großmaul, der es kaum erwarten konnte, endlich von der Schule gehen zu können. Sein Vater war Leiter eines Elektrizitätswerk in Dublin und Martin sollte, so erzählte er, in den nächsten Tagen nach Irland reisen und dort in das Geschäft seines Vaters einsteigen. Seine Mutter starb vor vielen Jahren an einer Krankheit und seitdem lebte Martin während der Schulzeit alleine in Portsmouth. Doch wenn sein Vater die Zeit dazu hatte, kam er nach England gereist und besuchte Martin, sooft er nur konnte. ,,Meine Eltern erwarten mich nächste Woche in Frankreich.
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Ich habe bereits meine Fahrkarte für eine Überfahrt nach Cherbourg erhalten.“, sagte Fred Collin, der immer leicht verwirrt im Kopf war und beinahe schon ein wenig verrückt zu sein schien. Sein Vater war in der Bauindustrie tätig und geschäftlich zum Teil auch mit Frankreich verbunden. Doch der Hauptsitz der Firma befand sich in Portsmouth und deshalb besuchte Fred auch hier das Lord William Higgans Internat: ,,Und was wirst du dort machen? Straßen bauen?“, mischte sich Martin ein, worauf Fred ihm die Zunge rausstreckte und sagte: ,,Du würdest auch wie ein Clown aussehen, wenn du im Werk deines Vaters arbeitest.“ ,,Der Clown bist jawohl ganz allein....“ ,,Jungs.“, unterbrach Dave die beiden und stellte sich zwischen ihnen: ,,Beruhigt euch. Hier, nimmt erst mal ein Zug.“ Er übergab den beiden seine Zigarette, worauf sie ein paar Züge nahmen und im selben Moment zwei Mädchen nebeneinander gehend auf uns zugelaufen kamen. Natürlich kamen sie auch nur aus einem einzigen Grund: ,,Hallo Dave, gehst du nachher noch mit uns tanzen?“ Ich verdrehte die Augen und verschränkte die Arme, während Martin und Fred sich immer noch mit der Zigarette beschäftigten und Dave lässig antwortete: ,,Aber selbstverständlich, meine Damen.“ Erfreut darüber, dass Dave auf deren Wunsch eingegangen war, gingen die beiden Mädchen wieder auf die andere Seite des Saals zu den Tischen und ich begann ihre Anfrage in einer piepsigen Tonart nachzuäffen, worauf alle anfingen zu lachen und Martin die Zigarette schließlich mir übergab und nochmals unser Berufsthema aufgriff: ,,Und du, Tim? Was wirst du machen?“ Ich nahm die Zigarette entgegen und meinte: ,,Ich glaube, ich werde den Beruf meines Vaters nachgehen, aber ich bin mir da noch nicht so ganz sicher.“ Ich nahm darauf einen Zug und keuchte den Rauch mit einem kratzigen Gehuste wieder raus, worauf Dave kopfschüttelnd meinte: ,,Mensch, Tim. Du verkraftest aber auch gar nichts.“ Als ich mich wieder beruhigte, meinte ich ironischem Ausdruckes: ,,Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass Rauchen nicht meine Stärke ist.“, und gab Dave seine Zigarette wieder zurück, worauf ich erneut wieder zu den Mädchen schaute und Dave darauf meinte: ,,Bitte eines der Mädchen doch mal zum Tanz, vielleicht bist du darin ja begabter.“ ,,Soweit kommt es noch. ,,Tanzen“, wie lächerlich.
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“ entgegnete ich stur und Fred meinte grinsend: ,,Warum denn nicht? Vielleicht hat es ja eines von den Mädchen auf dich abgesehen.“ ,,Sehr witzig.“, gab ich grimmig zurück und verschränkte die Arme, wobei ich auf der anderen Seite des Saals ein rumknutschendes Paar beobachtete und erwähnte: ,,Wieso sollte ich hier jetzt noch unbedingt ein Mädchen kennen lernen, wenn ich eh bald nach New York reise und dort lebe?“ ,,In New York gibt es auch genug Mädchen.“, meinte Fred, worauf Martin spöttisch ergänzte: ,,Ja, aber alle von armen Einwanderern. Ich hoffe, du wirst viel Freude mit ihnen haben, Tim.“ Alle lachten, doch ich gab darauf kein Kommentar und sah sie einfach nur griesgrämig an. Dave klopfte mir auf die Schulter und meinte: ,,Hey, Tim. Nun hab dich doch nicht so, du bist doch sonst immer so ein Spaßvogel.“ Ich lächelte matt und er erwähnte: ,,Du wirst irgendwann schon noch ein Mädchen finden.“ Ich hob die Augenbrauen und sagte: ,,Wenn du es sagst.“, worauf Fred ergänzte: ,,Erinnere dich an Josephine. Sie hatte sich mal in dich verliebt gehabt, da wird es sicher noch andere Mädchen auf der Welt geben, die das auch tun werden.“ Ich blickte über den gesamten Saal hinweg und stellte fest, dass Josephine, ein Mädchen aus Südmexiko, nicht auf der Party erschienen war. Sie war das erste Mädchen, welches sich vor einigen Jahren mal in mich verliebt hatte, doch weil ich zu der Zeit noch sehr jung war und meine Interesse für Mädchen damals erst recht noch nicht so groß war, begriff ich nie, was sie von mir wollte und wies sie jedes Mal kaltblütig von mir ab, was sie sehr verletzt hatte. Dies hatte zur Folge, dass sie ihrer besten Freundin, nämlich meiner älteren Schwester, etwas antat, was die beiden darauf auf ewig verfeindete und ich hatte tiefe Schuldgefühle, dass das ganz allein an mir lag. Ich hatte sie seitdem nie mehr wieder gesehen, nicht mal auf der Party, was ich erhoffte, um wenigstens noch einmal mit ihr reden zu können, bevor ich Portsmouth für immer verließe. Doch dafür schien es nun endgültig zu spät zu sein und versuchte das, was damals geschehen war, schnell wieder zu vergessen. Um das Thema zu wechseln, fragte ich: ,,Bedeutet das, dass wir vier uns dann nicht mehr sehen werden, wenn wir nun alle in verschieden Orten tätig sind?“ ,,Ach,“ meinte Martin: ,,das würde ich nicht sagen.
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Irgendwann in ein paar Jahren werden wir uns bestimmt mal wieder sehen, oder nicht?“ ,,Klar.“, gaben Dave und Fred gleichzeitig zum Ausdruck, wobei Dave ergänzte: ,,Dann, wenn wir endlich auf eigenen Füßen stehen und Familie haben.“ ,,Du denkst aber früh voraus!“, sagte Fred in einem weniger überzeugten Ton, worauf Martin vorschlug: ,,Na kommt, Leute. Wir sind doch hier, um zu feiern, oder? Lasst uns jetzt mal ordentlich was zu trinken und zu essen holen und uns amüsieren, die Nacht ist noch jung.“ Wir stimmten ihm zu und gingen gut gelaunt zu dem großen Buffet in der Mitte des Saals.



In den Tagen nach dem Abschluss und der Feier kümmerte sich mein Onkel Frank Beken um mich, den ich während des gesamten Schuljahres über jeden Sonntag besucht hatte. Er war Leiter einer Automobilfirma in Portsmouth und besaß sogar selbst ein Auto der ,,Mercedes Benz“ Klasse. Nebenbei verdiente er seinen Lebensunterhalt als Schiffsfotograf und schoss mit seiner nagelneuen Kamera Fotos für Zeitungen, Magazinen und Werbeartikeln, wodurch sich für mich ein großes Interesse für Schiffe entwickelt hatte. Mich faszinierten vor allem die Schiffe, die Geschichte machten. Zum Beispiel die ,,Santa Maria“ von der Kolumbusflotte, die legendäre H.M.S Victory der Royal Navy, der Raddampfer Great Eastern und seit neuestem auch die R.M.S Olympic von der White Star Line Reederei, die vor einem Jahr in Dienst gestellt wurde und auf Jungfernfahrt ging. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie auf einem Schiff gereist und es war mein größter Traum, einmal auf der Olympic zu reisen, da sie nämlich zu der Zeit das größte und schönste Schiff der Welt war. Doch dieser Wunsch schien für meine Verhältnisse wohl eher weiterhin wirklich nur ein Traum zu bleiben, aber dies änderte sich schlagartig mit einer großen und sogar doppelten Überraschung. Fast jeden Abend spielten Onkel Frank und ich nach dem Essen im Wohnzimmer seines Hauses ein paar Runden Billard und gönnten uns dabei einen Whiskey mit Eis. Onkel Frank war der Ansicht, dass es in meinem Alter langsam an der Zeit wäre, sich solche Drinks vor dem Schlafengehen zu genehmigen, aber sie brachten mich immer eher auf gute Spiellaune, als zu Bett und während ich so eine Kugel nach der anderen versenkte, holte Onkel Frank einen Briefumschlag aus der Innentasche seiner Weste und meinte zu mir: ,,Hier ist übrigens deine Fahrkarte für deine Reise nach New York.
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“ Ich nahm sie mit einem Dankeschön entgegen und legte den Umschlag auf den Billardtischrand, worauf ich mich dann wieder ans Spiel wandte. Als Onkel Frank dabei die Spitze seines Queues mit einem Stück Kreide bestrich, meinte er zu mir: ,,Mann, hast du ein Glück, dass dein Vater dir das bezahlt. Ich beneide dich.“ ,,Wieso denn das?“, fragte ich leicht überrascht, nachdem ich einen Schluck von meinem Whiskey nahm und mir eine neue Strategie für meine Kugeln ausdachte. Onkel Frank stieß an, traf aber keine seiner Kugeln ins Loch und als ich darauf wieder stoßen wollte, beantwortete er meine Frage mit der Gegenfrage: ,,Na, dein Wunsch war es doch immer, mal auf dem größten Schiff der Welt zu fahren, oder?“ Vollkommen konfus und verwirrt im Kopf sah ich in das grinsende Gesicht meines Onkels und warf anschließend einen gezielten Blick auf den Umschlag. War dies etwa eine Fahrkarte für die Olympic? Ich legte meinen Queue beiseite und öffnete in voller Erwartung den Umschlag und auf dem ersten Blick entsprach tatsächlich dem, wonach ich mich in den letzten Monaten immer so sehr gesehnt hatte. Doch zu meiner großen Enttäuschung stellte ich fest, dass auf der Karte weder der Name der Olympic, noch der Name irgendeines Schiffes bedruckt war, welches mir von der White Star Line bekannt war. Stattdessen stand dort der Name eines Schiffes, von dem ich noch nie irgendetwas gehört hatte: ,,Titanic“. ,,Und?“, fragte mich Onkel Frank immer noch grinsend: ,,Überrascht?“ ,,Na ja“, kam ich weniger begeistert entgegen und steckte die Fahrkarte wieder in den Umschlag zurück: ,,Nach dem

größten Schiff der Welt klingt es ja nicht gleich unbedingt.“ Onkel

Frank sah mich vollkommen entsetzt und schockiert an: ,,Ist dir eigentlich klar, was du da in den Händen hältst?“ Ich nahm meinen Queue wieder und

spöttisch mit der Frage: ,,Eine Fahrkarte für ein Schiff nach New York?!“ ,,Und für das größte Schiff der Welt!“ fügte Onkel Frank prompt hinzu. Ich setzte das Spiel fort und sagte ganz gelassen: ,,Die Olympic ist das größte Schiff der Welt und ich glaube nicht, dass es je ein Schiff geben wird, welches mich noch mehr faszinieren würde, als sie.
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“ Onkel Frank war vollkommen fassungslos und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Whisky, worauf er das leere Glas abstellte und zum Schrank lief. ,,Du weißt also gar nicht, worum es geht?!“, meinte Onkel Frank, während ich meine Queuespitze neu ankreidete und er ergänzte: ,,Das kommt, weil du nie Zeitung liest, Junge. Hier, ließ dir das jetzt sorgfältig durch.“ Er legte mir die Zeitung von letzter Woche vor die Nase auf den Tisch, worauf ich auf der Titelseite ein Bild von einem Schiff sah, welches der Olympic total ähnelte: Ein langer schwarzer Rumpf mit weißen Deckaufbauten, vier Schornsteinen und zwei langen Masten. ,,Die neueste ,,unsinkbare“ Sensation der White Star Line“ stand dort als Überschrift. Die White Star Line war damals einer der größten und erfolgreichsten englischen Schiffsgesellschaften für Touristen, die 1867 mit Segelschiffen gegründet wurde.

Meine Sturheit ließ aber immer noch nicht locker, denn vor einem Jahr sprach alles nur von der Olympic, dass allein sie schon ein riesiger Koloss sei, da konnte es doch nicht noch einen größeren geben. Ich blätterte weiter und sah plötzlich ein Bild, wo beide Schiffe, die Olympic und die Titanic, nebeneinander liegend abgebildet waren. Tatsächlich wirkte die Titanic größer, nicht besonders viel, aber trotzdem größer. Mein Herz fing plötzlich an, wie wild zu klopfen und ich holte die Fahrkarte erneut aus dem Umschlag, um mich zu vergewissern, dass es sich bei diesem Namen auch wirklich um dieses neue Schiff in der Zeitung handelte. Schließlich stellte ich mit großer Begeisterung fest, dass es kein Irrtum war. Es war tatsächlich eine Fahrkarte für eine Überfahrt von Southampton über Cherbourgh in Frankreich und Queenstown in Irland nach New York an Bord der R.M.S Titanic und aus der Zeitung erfuhr ich, dass sie das größte, luxuriöseste und technisch fortgeschrittenste Schiff der Welt war. Noch dazu, dass sie als unsinkbar galt, was man von einem Schiff bis jetzt ja noch nie erwarten konnte. Wie kam es, dass ich von diesem Schiff nie etwas erfahren oder gehört hatte? Das war mir als Schiffsfanatiker natürlich ganz schön peinlich gewesen und ich schwor mir deshalb, in Zukunft mal mehrere Blicke in die Zeitungen zu werfen, um immer auf dem neuesten Stand der Dinge zu sein und mir so etwas nicht noch mal passieren konnte.
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,,Und?“ fragte mich Onkel Frank erneut: ,,Bist du nun endlich anderer Ansicht?“ Noch immer vollkommen fassungslos und verträumt antwortete ich: ,,Das ist doch wohl nicht zu glauben? Onkel Frank, bitte sag mir, dass dies kein Traum ist.“ Er grinste einfach nur, was mir schon als Antwort auf meine Frage genügte und ich sah immer wieder auf die Fahrkarte und das Zeitungsbild. Endlich ging mein großer Traum in Erfüllung, nur mit dem Unterschied, dass meine Faszination nicht mehr der Olympic galt, sondern der Titanic.

Von der großen überraschenden Freude gepackt gewann ich zu Onkel Franks Entsetzten alle restlichen Billardrunden, die wir an diesem Abend noch spielten,

und ging danach in der besten Laune meines Lebens zu Bett.

Am darauf folgenden Tag, als ich mit Dave, Martin und Fred auf einer der Klippen am Meer saß, hielt ich ihnen voller Stolz meine Fahrkarte vor ihren Gesichtern und zeigte ihnen zusätzlich noch die beiden Zeitungsbilder, worauf sie sich vor Neid fast die Haare rauften. ,,Was findest du an dem Schiff denn so toll?“, gab Martin seiner Missgunst zum Ausdruck, um sie zu verstecken und erwähnte: ,,Die Olympic war doch immer dein Lieblingsschiff.“ Darauf ich grinsend: ,,Das war sie bis gestern auch noch gewesen, aber jetzt ist es die Titanic und ich habe das große Vergnügen, auf ihrer Jungfernfahrt dabei zu sein.“ Alle Drei sahen mit verschränkten Armen und grimmigen Blicken aufs rauschende Wasser, wobei Fred sagte: ,,So einen Vater hätte ich auch gerne mal, der mir so etwas bezahlt.“ ,,Tja“, meinte Martin grinsend: ,,Mit seinen Schiffen hat Tim vielleicht Glück, aber mit den Mädchen weniger. Nicht wahr, Tim?“ ,,Halt die Klappe, Mann.“, forderte ich Martin zornig auf und gab ihm einen kräftigen Stups, worauf er beinahe vom Fels ins Wasser gefallen wäre und er lachend sagte: ,,Ist ja gut, Tim. War doch nur ein Witz.“ ,,Ich lach mich tot.“, gab ich mit ironischem Ausdruck zurück. Dave, der sich liegend auf dem Felsen sonnte und nebenbei eine Zigarette rauchte, meinte: ,,Soso, da gönnt sich unser Timi seine erste Reise gleich auf dem größten Schiff der Welt.“ ,,Das, wovon er sein Leben lang geträumt hat.“, fügte Fred hinzu und Martin ergänzte: ,,Und auch noch in der ersten Klasse, die würden ihn dort doch sowieso sofort unter Arrest stellen!“ Mein großer Stolz lies mich deren so durchschaubaren Neid übergehen und beim Anblick meiner Fahrkarte sagte ich verträumt: ,,Ich kann es selbst immer noch nicht glauben.
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“. Eine zeitlang schwieg ich tief in Gedanken versunken an das Schiff und fragte anschließend alle: ,,Kommt ihr morgen mit in den Hafen? Mein Onkel würde euch sicher in seinem Wagen mitnehmen.“ ,,Es wird dort sicher rappelvoll sein.“, meinte Fred: ,,Das will ich mir nicht antun.“ ,,Ich mir auch nicht unbedingt.“, stimmte Martin zu und Dave schaute einen Moment lang aufs Meer, bis er sagte: ,,Ich glaube, um das Schiff zu sehen, bietet sich wohl kaum ein besserer Platz an, als dieser hier.“ Fred erwähnte: ,,Du hast Recht. Ich nimm mein Fernglas mit. Wink uns kräftig zu, damit wir dich auf dem Deck erkennen können, Tim.“ Ich zuckte mit den Achseln und sagte: ,,Wie ihr meint! Ich werde demnach wohl der Erste von uns sein, der Portsmouth verlässt.“ ,,Ach,“ gab Dave zum Ausdruck und stieß seinen Zigarettestummel fort: ,,bei mir dauert es auch nicht mehr lange. Ich fahre nächste Woche auch schon mit dem Zug nach Oxford.“ ,,Bis dahin bin ich auch bereits in Frankreich.“, mischte sich Fred ein und zu guter letzt ergänzte Martin: ,,Mein Vater kommt irgendwann aus Irland zurück, dann nimmt er mich mit nach Dublin und führt mich in sein Geschäftleben ein.“ Es herrschte darauf langes Schweigen, bis ich, nachdem ich meine Fahrkarte wieder in die Innentasche meines Mantels steckte, dann sagte: ,,Ich werde die Zeiten hier sehr vermissen. Erinnert ihr euch noch, was wir hier alles zusammen erlebt haben?“ Dave lachte schnaufend auf und meinte: ,,Wie soll man das denn je vergessen können?!“ Martin ergänzte: ,,Zeiten, in denen wir noch machen konnten, was wir wollten, doch nun wird es ernst, Freunde. Wir sollten aber dennoch auf jeden Fall in Kontakt bleiben, schließlich sind wir doch nach wie vor ein unschlagbares und unzertrennliches Team, oder?“ ,,Sehr gut gekontert.“, kommentierte Dave und Fred sagte: ,,Martin hat Recht. Wir sollten uns des öfteren gegenseitig Briefe schreiben, so geraten wir aneinander auch nicht in Vergessenheit.“ ,,Da stimme ich dir vollkommen zu.“, sagte ich und schlug vor, dies auf einen Eid zu schwören, worauf wir alle etwas näher rückten, unsere Hände übereinander legten und schließlich sagten: ,,Einer für alle und alle für Einen.
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Freunde für immer.“

Als wir darauf wieder in die Stadt zurückgingen, kamen wir an ein mir bekanntes Haus vorbei, worauf ich stehen blieb und die anderen mich fragten, was mit mir los sei, und ich entgegnete aufs Haus deutend: ,,Wohnt dort nicht Josephine?“ Alle sahen zum Haus hin und Martin meinte: ,,Schon möglich. Na und?“ ,,Na ja“, entgegnete ich verlegen: ,,Meint ihr nicht, ich sollte noch mal mit ihr reden?“ darauf Dave: ,,Ach was, Tim, als würde das jetzt noch etwas ändern. Was geschehen ist, ist nun mal geschehen.“ ,,Erfreue dich lieber an deine Titanic morgen. Du hast sicher noch einiges an Sachen zu packen.“ Teils erfreut auf den morgigen Tag und teils verunsichert wegen Josephine wandte ich mich schließlich von dem Haus wieder ab und meinte zu den anderen: ,,Ja, ihr habt recht.“



Der Tag der Abreise erwachte mit einem recht dichtbewölktem Himmel, obwohl ich mir für diesen Tag eher Sonnenschein und strahlend blaun Himmel erwünscht hatte. An diesem Morgen war Dave seltsamerweise als einziger gekommen, um sich von mir zu verabschieden. Er erzählte mir, dass bei Martin und Fred angeblich irgendwas mit deren Abschlussdiplomen nicht stimmte und ich fand es wirklich sehr schade, dass sie nun fehlten. Aber wenigstens war Dave erschienen und er sagte: ,,Alles Gute, Tim. Und viel Glück bei den Mädchen in New York.“ Ich grinste und entgegnete erfreut: ,,Vielen Dank, Dave.“, worauf er fortfuhr: ,,Vergiss nicht, uns allen mal zu schreiben. Du kennst ja unsere neuen Adressen.“ ,,Mach ich“, entgegnete ich und Dave ergänzte: ,,Viel Erfolg in deinem Beruf und gute Reise auf deiner Titanic.“ Das war für mich ein kleiner Anlass zum Lachen und ich fragte ihn: ,,Willst du wirklich nicht noch mit in den Hafen kommen?“, worauf Dave spaßtonend meinte: ,,Damit ich sehe, wie stolz du an Bord gehst? Kommt gar nicht in Frage!“ Alles fing an zu Lachen, bis ich Dave dann auch dasselbe wünschte, was er zu mir sagte und ich anschließend mit Onkel Frank in seinen Wagen stieg. Als der Chauffeur darauf losfuhr, winkte ich Dave noch solange hinterher, bis der Wagen die Straße abbog und nach ein paar Minuten die Stadt verließ. Unter dichtbewölktem Himmel, was allerdings nicht auf Regen deutete, fuhren wir dann eine gute Stunde lang die Landstraße hoch nach Southampton, zu der großen Hafenstadt im Süden Englands, in der die Titanic um 12uhr ablegen sollte.
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Auf der ganzen Fahrt über hin war ich so gespannt auf dieses Schiff und konnte es wirklich kaum noch erwarten, an Bord zu gehen. Als wir den Hafen endlich erreichten, weiteten sich vor Begeisterung meine Augen, als sich der gewaltige Anblick des riesigen Schiffes vor uns erstreckte. Sie war wirklich noch viel größer, als ich sie mir vorgestellt hatte und je näher wir auf diesen gewaltigen Rumpf mit seinen vier riesigen zum Himmel aufragenden Schornsteinen zufuhren, desto heftiger begann mein Herz vor Aufregung zu klopfen. Onkel Franks Chauffeur fuhr den Wagen langsam durch die dichtaneinandergedrängte Menschenmenge auf dem White Star Line Pier und parkte ihn vor einer Absperrung. Er öffnete uns die Tür, worauf Onkel Frank und ich aus dem Wagen stiegen und uns von dem 269m langen und 20m hohen Rumpf beeindrucken ließen. ,,Unglaublich.“, gab ich meiner Faszination verträumt zum Ausdruck, was Onkel Frank nur bestätigen konnte. Einige Passagiere befanden sich bereits an Bord und winkten vom obersten Deck der jubelnden Menschenmenge auf dem Pier zu. ,,Na komm, Tim.“,unterbrach Frank meine Träumerei: ,,Wir wollen dein Koffer aufgeben.“ Eine paar Meter weiter befand sich eine Ladefläche, mit der etliche Gepäckstücke der Passagiere an Bord gehievt wurden. Ein Herr von der White Star Line prüfte meine Fahrkarte und band ein kleines Schild mit meiner Kabinennummer an den Griff meines Koffers, worauf er ihn dann zu den andern Gepäckstücken auf die Fläche dazustellte. Kurz darauf sagte Onkel Frank zu mir: ,,Ich habe hier noch etwas für dich, was du an Bord gut gebrauchen könntest.“ Er holte ein flaches Paket hervor und erwähnte: ,,Für deinen Abschluss.“ ,,Ach du meine Güte.“, kam ich verblüfft entgegen: ,,Vielen Dank, Onkel Frank.“ Er lächelte und meinte: ,,Nichts zu danken, du hast deine schulische Laufbahn endlich geschafft und dafür sollst du auch belohnt werden.“ ,,Na ja“, meinte ich bescheiden: ,,So ganz überragend ist mein Abschluss ja nicht gerade.“ Onkel Frank entgegnete: ,,Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Du hast ihn bestanden und das ist es, was zählt.“ ,,Da hast du Recht.“, sagte ich leicht geschmeichelt und gab das Paket ebenfalls auf, worauf Onkel Frank mich anschließend fragte: ,,Was hältst du davon, wenn wir noch einen Kaffee trinken gehen, bevor du an Bord gehst? Bis das Schiff ablegt, hast du nämlich noch zwei Stunden Zeit.
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“ Ich schaute auf meine Taschenuhr und stellte fest, dass es stimmte und ging deshalb mit Frank aus der Menschenmenge zu einer der Cafeterien im Hafeninneren. Während wir dort unseren Kaffee tranken, sah ich immer wieder begeistert zu der Titanic hin, die nun achtern zu uns lag, und man konnte wirklich meinen, dass es die Olympic war, die über den Köpfen der jubelnden Menge aus dem Hafen ragte. Doch es war die neue Königin der Meere, die nun mit Stolz bereit war, die Weltmeere zu erobern und ich konnte es immer noch nicht fassen, meine erste Schiffsreise auf ihrer Jungfernfahrt erleben zu dürfen.

,,Bist du so aufgeregt, dass du jedes Mal zu ihr hinsehen musst?“ fragte mich Frank, als ich wohl schon zum zigsten male zum Schiff hinsah und dabei vollkommen vergaß, meinen Kaffee zu trinken: ,,Ich kann es einfach noch nicht glauben, Onkel Frank.“, sagte ich kopfschüttelnd, worauf er lächelte und meinte: ,,Du wirst sicher ein paar sehr schöne Tage an Bord haben und vielleicht lernst du sogar ein paar nette Menschen kennen.“ ,,Oh ja“ , sagte ich wenig begeistert: ,,Mit den reichen Gesellschaften abends im Speisesaal dinieren und anschließend im Salon Brandys mit Pokerspielen genießen.“ ,,So ungefähr.“, kam Frank mit gezogener Augenbraue entgegen und rührte in seiner Tasse rum.

Als ich den letzten Schluck von meiner dritten Kaffeetasse nahm, ertönte in selben Moment plötzlich die Dampfpfeife mit einem kurzen, aber doch sehr imposanten Laut, worauf Onkel Frank und ich zur gleichen Zeit, wie gebannt zum Schiff hinsahen. ,,Ich glaube, es ist Zeit für dich an Bord zu gehen.“, meinte Onkel Frank und ließ sich die Rechnung bringen, worauf er sie bezahlte und wir uns wieder durch die Menschenmenge zu der Absperrung zurück drangen. Dort angekommen, sah mir Onkel Frank in die Augen und sagte: ,,So, mein lieber Neffe. Jetzt heißt es Abschied nehmen.“ Ein wenig bestürzt darüber meinte ich: ,,Das fällt immer so schwer. Erst meine Freunde, jetzt du.“, worauf er mir zum Trost auf die Schulter klopfte und sagte: ,,Ich weiß, wie schwer das ist. Aber denk daran, Tim, dass es nicht für immer sein wird.
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Du kannst mir jederzeit schreiben und mich besuchen kommen, wann immer du willst.“ ,,Danke, Onkel Frank.“ ,,Hier“, meinte Onkel Frank und steckte mir etwas in die Brustasche: ,,Das gebe ich dir noch für deine Reise mit.“ Ich sah mir das, was er mir gab, genauer an und stellte mit großer Verwunderung fest, dass es 50 englische Pfund waren. ,,Damit kannst du dir genug Cocktails in dem Salon gönnen.“, gab er lässig hinzu, worauf ich ihn fragte: ,,Das ist eine Menge Geld, bist du dir sicher?“ und er antworte: ,,Natürlich, schließlich soll dies für dich doch eine unvergessliche Reise werden, oder?“ Ich schaute erwartungsvoll auf den gewaltigen Rumpf, worauf Onkel Frank mich umarmte und sagte: ,,Also, mein Junge. Ich wünsche dir eine gute Reise und komm gut in New York an.“ ,,Danke, Onkel Frank.“ ,,Und viel Erfolg in deinem Berufsleben.“ ,,Danke, Onkel Frank.“ ,,Grüß deine Eltern von mir und schreibe mir, wenn du zu Hause bist, okay?“ ,,Jawohl, das werde ich.“ versprach ich ihm immer noch recht bedrückt über den Abschied, worauf er mir das Kinn hob und sagte: ,,Dann bis bald und halt die Ohren steif, mein großer Junge.“ Er gab mir einen sanften Kinnschieber, worauf ich matt lächelnd entgegnete: ,,Bis bald, Onkel Frank.“, ihn noch einmal kräftig umarmte und mich anschließend einer kleinen Gruppe von Passagieren in Richtung Gangway gehend anschloss. Betrübt über unseren Abschied erinnerte ich mich daran, wie ich mich letztes Jahr beim Abschied meiner Familie fühlte, als sie nach New York reisten. Doch der Gedanke daran, dass ich sie nun endlich bald wieder sehen werde und die Titanic mich zu ihnen hinbringt, ließ meine Trübheit recht schnell wieder verschwinden und überreichte einem Kontrolleur in schnieker blauer Uniform an der Absperrung meine Fahrkarte, die er abstempelte und mich anschließend passieren ließ. Ich winkte Onkel Frank noch lange hinter her, bis ich dann die Gangway hoch zur Einstiegsetage der ersten Klasse empor lief und Onkel Frank darauf in der Menschenmenge aus den Augen verlor. Nachdem ich mich der Pforte langsam Schritt für Schritt nährte und mir nebenbei die Gangway weiter oben ansah, die sicher für wohlhabende Passagiere gedacht war, machte ich schließlich von der Gangway aus nur noch einen Schritt und befand mich dann tatsächlich an Bord des größten Schiffes der Welt in einer Art Empfangshalle, wo noch etliche andere Passagiere der ersten Klasse mit den Stewards oder an den Tischen auf Schiffsplänen ihre Kabinen ausfindig machten.
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Irgendwo in der Ecke dieses Raumes hörte ich eine Kapelle eine recht seltsame Melodie spielen. Sie wurde im Viervierteltakt gespielt und ein Cello begann als erste Stimme den Anfang, bis sie von zwei Geigen begleitet wurde und sich schließlich noch ein Klavier mit einsetzte. Die Melodie gefiel mir eigentlich ganz gut, doch bis ich mich richtig in sie hineinversetzen konnte, empfing mich auf einmal ein Empfangsherr mit den Worten: ,,Willkommen an Bord der Titanic, Sir.“ Er winkte darauf einen Steward heran, der nach einer kleinen Verbeugung dann ebenfalls zu mir sagte: ,,Willkommen auf der Titanic, Sir. Gestatten Sie mir, Sie zu Ihrer Kabine zu bringen.“ Er warf einen Blick auf meine Kabinennummer und führte mich zu meiner Kabine auf der Steuerbordseite ein Stockwerk höher in den vorderen Bereich des C-Decks bei den Einzelkabinen, an dessen Tür die Aufschrift C-17 in glänzenden Messingbuchstaben aufgezeichnet war. (Die Nummer entsprach zufällig meinem Alter) Was die Einrichtung meiner Kabine anging, konnte ich mir wirklichkeine bessere für diese Reise vorstellen, zumal es auch noch eine Außenkabine war. Die Holzwände schimmerten alle im strahlendem Weiß und waren oberhalb noch mit ein paar Schnitzereien verziert. Direkt an der Wand neben der Eingangstür stand das Bett, gegenüber rechts von ihm eine gelb gemusterte Couch mit einem kleinen runden Tisch und zwei zusätzlichen Stühlen. Der ganze Boden war von einem hellen Teppich bedeckt und an der Decke hing eine runde Lampe, über dem Bett eine kleine Leselampe mit einem niedlichen Lampenschirm. Neben dem Raum befand sich das Badezimmer, welches ich auf dem C-Deck mit den Bewohnern von nahe liegenden Einzelkabinen teilte, da auf der Titanic mehrere Einzelkabinen ein Badezimmer zusammen besaßen. Die meisten dieser Badezimmer waren mit Waschbecken, Toiletten und Duschkabinen ausgestattet, aber in manchen gab es sogar auch Badewannen und ich hatte das große Glück, dass dieses Badezimmer hier zufällig eines besaß. Na ja, für die Kleinigkeiten wie Zähneputzen, Gesicht- oder Händewaschen stand in meiner Kabine neben der kleinen Kommode auch noch ein kleines Waschbecken mit einem Spiegel zur Verfügung, sodass ich nicht ständig ins Bad gehen brauchte und wohlmöglich warten musste, bis es vielleicht mal frei war.
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Ich wusste, dass ich mich hier in den nächsten Tagen richtig wohlfühlen würde und sagte mir jetzt schon in Gedanken: ,,Papa, du bist der Größte.“ Schließlich hatte ich es ihm ja zu verdanken, dass ich an Bord war und noch dazu in der ersten Klasse. Während ich mir das Zimmer in aller Ruhe betrachtete und dabei aus dem kleinen runden Fenster schaute, beobachtete ich, wie sich drei Schlepper an die Titanic festmachten. Kurz darauf hörte ich erneut die Dampfpfeife ertönen und als ich auf meine Taschenuhr schaute, stellte ich genau 12:00Uhr fest. Die Abfahrtszeit war soeben angebrochen und ich lief schleunigst rauf aufs Deck, um noch schnell einen letzten Blick auf das schöne England zu werfen. Der ganze Hafen war so voller Menschen, dass der gesamte White Star Line Pier von ihnen verdeckt wurde. Meinen Onkel konnte ich in dieser Menge allerdings nicht erkennen und sein Auto war auch nirgends zu sehen. Er musste sicherlich in seine Firma zurück, aber ich fand es trotzdem sehr schade, dass er sich die Abfahrt der Titanic entgehen ließ.

Unten auf dem Pier pfiff ein Hafenbediensteter mit einer Trillerpfeife einen langen Laut und die Hafenmänner begannen darauf die langen Gangways vom Schiff weg zu ziehen, woraufhin die Pforten der Titanic geschlossen und die dicken Seile von den Pollern gelöst wurden. Danach begannen die Schlepper mühselig, die Titanic von der Hafenplattform wegzuziehen und währenddessen fing eine kleine Kapelle auf der langen erhöhten Veranda der White Star Line Halle an, eine Art Marsch als Abschiedsmelodie zu spielen. Mit einer Trompete als Hauptinstrument, zwei Hörnern, zwei Tuben und einer Trommel als Begleitinstrumente hallte die Musik eindrucksvoll über alle Köpfe der jubelnden Menschenmenge auf dem Pier hinweg und als das Schiff schließlich den gemäßen Abstand hatte und die Musik kurz inne hielt, ertönte plötzlich die Dampfpfeife am vorderen Schornstein zweimal mit einem langen dreitönigen Laut, der nun sicherlich alles andere in Southampton übertönte und bestimmt bis hin zu den Bergen zu hören war. Die Titanic setzte darauf ihre Schrauben in Bewegung und fuhr dann mit eigener Kraft in Begleitung der dem Pier versuchten einige der winkend jubelnden Menschen im Schatten des Giganten mit dem Schiff noch Schritt zu halten.
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Dann als die Musik zum zweiten mal wieder abbrach, ertönte wieder die Dampfpfeife mit einem zweifachen Laut und die kleinen Schlepper um die Titanic herum gaben zusätzlich hintereinander auch noch einen Pfiff von sich. Zum endgültigen Abschied spielte die Kapelle noch hochachtungsvoll die britische Nationalhymne ,,God Save The Queen“ und als die Hymne schließlich zu Ende war, hallte zum dritten mal die Dampfpfeife über den Applaus der Menschenmenge und den Dächern der Stadt mit einem zweifachen Laut hinweg. Ich glaubte, im ganzen Hafen gab es noch nie eine so imposante Abfahrt, wie die der Titanic.

Neben dem Ozeanriesen befanden sich noch viele andere Passagierschiffe im Hafen von Southampton, die ich alle vom Oberdeck der Titanic aus sehen konnte. Zwei von diesen Passagierschiffen, die R.M.S Oceanic von der White Star Line und die etwas kleinere S.S. New York von der Amerika Line, lagen nebeneinander Schlepper langsam voraus. Die Kapelle begann darauf wieder zu spielen und auf vertäut an einem Pier und als die Titanic gerade an ihnen vorbei fuhr, erfasste ihr starker Sog plötzlich den Unterrumpf der New York, wodurch sich die hinteren Taue lösten und ihr Heck wie magnetisch angezogen auf die Titanic zudrehte. Mir und vielen anderen Passagieren an Bord, von denen einige Frauen sich sogar schreiend die Hände vor dem Mund hielten, stockte der Atem als es dabei beinahe zur einer Kollision gekommen wäre, es aber dann gerade noch verhindert wurde,nachdem die Titanic rasch den Rückwärtsgang einlegte und sich somit von der New York wegdrückte. Gleichzeitig sorgten die nun rückwärts laufenden Schiffsschrauben für eine vorwärts verlaufende Strömung, welche das Heck der New York davor bewahrte, noch näher auf die Titanic zuzutreiben und es jetzt nur noch knapp 1,20m vom Rumpf der Titanic entfernt lag. Die kleinen Schlepper, die die Titanic begleitet hatten, scherten nach alles Seiten aus, um rasch einzugreifen, bis zwei dieser Schlepper die lose treibende New York unter Kontrolle nahmen und sich schwer darum bemühten, die drohende Kollision zwischen den beiden Schiffen zu vermeiden. Dadurch, dass die New York abgetrieben war, hatten sich die vorderen Taue an ihrem Bug fest gespannt und die zwei Schlepper mussten ihr Heck zuerst vorsichtig wieder zurückziehen, bevor die vorderen Taue gelöst und die New York evakuiert werden konnte.
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Währendessen machten sich auf der Steuerbordseite der Titanic zwei andere Schlepper an ihrem Bug fest und zogen sie von der Unglücksstelle weg. Um es dabei nicht noch zu weiteren Vorfällen kommen zu lassen, blieb das Riesenschiff für ein paar Minuten mitten im Hafen von Southampton ruhig liegen und bot für viele Schaulustige an den Piers noch einen eindrucksvollen Anblick. Ich hielt mir vor Schreck allerdings die Hand vorm Mund, denn so was hatte ich ja wirklich noch nie in meinem Leben gesehen und mir fiel ein, dass sich so ein ähnlicher Vorfall auch schon mal mit der Olympic vor einem Jahr ereignet hatte. Damals riss sie wegen ihrer Größe und zu hoher Geschwindigkeit den britischen Marinekreuzer ,,Hawke“ mit sich und stieß mit ihr zusammen. Beide Schiffe waren hinterher schwer beschädigt worden, aber verletzt wurde niemand. Später erfuhr ich von den Offizieren, dass es auch bei dem Vorfall hier keine Verletzten gegeben hatte.

Während die Schlepper die New York evakuierten und sie an das Ende vom Pier vor die Oceanic ziehen wollten, hielten auch hier alle den Atem an, da die Titanic immer noch ziemlich nah an der Unglücksstelle lag und es wirklich Maßarbeit von den Schleppern forderte, die New York vorsichtig noch vorne wegzuziehen. Damit die New York nicht noch mal auf die Titanic zu trieb, fuhr der an ihrem Heck vertäute Schlepper mit langsamer Fahrt voraus, um das Abschlepptau zu spannen und das Heck somit in gerader Balance zu halten, während der am Bug vertaute Schlepper mühselig das gesamte Schiff aus dem Bereich zwischen der Titanic und der Oceanic rauszzuziehen versuchte. Nach ungefähr einer viertel Stunde, als die Schlepper dann versuchten, die New York um 90° an das Pierende umzulenken, machte sich der achter Schlepper los und drückte mit ein wenig Schub den Bug der Titanic weiter nach Steuerbord, um mehr Platz für die New York zu schaffen. Als der Schlepper darauf um das Heck der New York kurvte und dem anderem Schlepper beim Anlegen half, setzte die Titanic wieder ihre Schrauben in Bewegung und fuhr mit langsamer Fahrt um die New York herum aus dem Hafen heraus. Dabei konnte ich sehen, wie die New York wieder fest vertäut wurde und die zwei Schlepper solange bei ihr blieben, bis die Titanic weit genug weg war und keine weitere Gefahr mehr bestand.
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Am Ende des Hafens stoppte die Titanic ihre Fahrt erneut und lies auf einmal ihren Steuerbordanker fallen, worauf ein Begleitschiff an die achter Backbordseite der Titanic an einer offenen Gangwaypforte andockte und anschließend ein Herr in Uniform, bei dem es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den Hafenlotse handelte und die Titanic aus dem Hafen führte, von Bord ging und der Schlepper sich darauf wieder entfernte. Als die Titanic danach ihren Anker wieder lichtete, entfernten sich schließlich auch die anderen Begleitschiffe mit schrillen Abschiedspfiffen und machten der Titanic den Weg zu dem Hafenkanal frei, den sie nun passierte und Southampton nach drei langen Abschiedstönen hinter sich ließ. Der Hafen von Southampton lag gut 25 Meilen im Landesinneren vom Englischen Kanal entfernt, so fuhr das Schiff noch eine weitere Stunde den Hafenkanal flussabwärts durch schöne, grünen Küsten vorbei an Städten wie Netly, Hythe und Gosport, wo Unmengen von vereinzelten Menschengruppen standen und uns ununterbrochen zuwinkten. Auch an den steinigen Stränden der englischen Südinsel ,,Isle of Wight“ hatten sich unzählige Menschen versammelt, um der Titanic bei ihrer Ausfahrt zuzujubeln. Einige von ihnen warfen sogar Blumen in die Höhe und auch hier spielte wieder ein kleines Orchester eine Abschiedsmelodie. Durch den Jubel konnte ich nicht genau hören, welche Melodie sie spielten, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass es sich hierbei auch noch mal um die Nationalhymne ,,God Safe The Queen“ handelte. Plötzlich sah ich auf der Insel etwas weiter höher liegend den Mercedes von Onkel Frank stehen. Das erkannte ich an der schwarzen Lackierfarbe der Kotflügel. Ich stellte mich auf einen für die Passagiere aufgebauten Aussichtsturm in der Mitte des Decks, um mich für ihn bemerkbar zu machen und als ich gerade dabei war, ihm zuzuwinken, sah ich ein paar Meter vor Franks Auto eine kleine Rauchwolke von einer Kamera aufsteigen, woraus ich schloss, dass Onkel Frank soeben einen Schnappschuss gemacht hatte. Jetzt wurde mir klar, weshalb er so schnell aus dem Hafen verschwand und ich war froh, dass er die Isle of Whight Insel vor der Titanic erreicht hatte, denn sonst hätte er nie diese sicherlich großartige Aufnahme von ihr machen können. Ich winkte ihm ununterbrochen kräftig zu, aber ich glaubte nicht, dass er mich gesehen hat, denn die Entfernung war einfach fiel zu groß, als das er mich hätte erkennen können.
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Als die Titanic die Insel umrundete und sich nun das Meer des Englischen Kanals vor ihr erstreckte, ließ sie ihre Dampfpfeife noch einmal mit einem langen Laut ertönen, womit sie sich wohl von ihrem Heimatland verabschiedete und nun bereit war, die Weltmeere zu erobern. Ich lief auf die Backbordseite des Schiffes, um noch ein letztes mal meine Heimatstadt Portsmouth zu sehen, an dessen Küste sich auch eine ganze Menge der Bewohner versammelten und Dave, Martin und Fred wohl gerade versuchten, mich mit dem Fernglas auf dem Oberdeck zu erkennen. Ich winkte ihnen so lange zu, bis die englische Küste hinter dem gräulichbewölktem Horizont verschwand und ich mich auf einmal sehr allein gelassen fühlte. Sicher würde es eine ganze zeitlang dauern, bis ich Dave, Martin, Fred und Onkel Frank wieder sehe würde und sagte deshalb auch noch mal ganz leise: ,,Auf wiedersehen.“, wobei ich fast schon eine Träne unterdrücken musste. Das Schiff nahm nun Kurs auf Cherbourg in Frankreich, wo es weitere Passagiere und Fracht aufnehmen sollte. Bis dahin würde es aber noch einige Stunden dauern, also begab ich mich wieder zurück in meine schöne, kleine, gemütliche Kabine, in der mein Gepäck und das Paket von Onkel Frank bereits lagen und ich darauf alle meine Klamotten in den kleinen Schrank über dem Bett verstaute. Anschließend wandte ich mich an das Paket und ich erinnerte mich, wie Onkel Frank bei der Übergabe in Southampton zu mir meinte, ich könnte es an Bord gut gebrauchen und nachdem ich das Paket öffnete, erblickte vollkommen überrascht einen Nigelnagelneuen Anzug mit hochpolierten schwarzen Schuhen. Ich traute mich allerdings überhaupt nicht, ihn aus dem Paket rauszuholen, da er so ordentlich zusammelgefaltet im Paket lag und ich Angst hatte, einen Knick oder eine Falte reinzumachen, also machte ich das Paket wieder zu und schob es vorsichtig unter das Bett zu meinen beiden leeren Koffern. Für die Abende an Bord, in denen es ja Pflicht war, Abendgarderobe anzulegen, hatte ich ja noch meinen anderen Anzug dabei, den ich ich auch auf der Abschlussfeier unseres Internates anhatte.

Nachdem ich mir schließlich alles in meiner Kabine eingerichtet hatte, nahm ich mir vor, einfach mal das Licht im Raum einzuschalten und betätigte einen kleinen Knopf direkt neben der Eingangstür, doch seltsamerweise blieb die Lampe an der Decke dunkel.
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Ich betätigte den Knopf noch einmal, doch wieder tat sich nichts, bis ich einen anderen Schalter betätigte und feststellte, dass dieser für das Licht im Raum zuständig war. Was es allerdings nun mit diesem kleinen Knopf auf sich hatte, konnte ich überhaupt nicht herausfinden und dachte mir, dass es sich wohl um eine Fehlkonstruktion handelte. Ich setzte mich darauf auf die Couch und entdeckte auf dem kleinen runden Tisch eine Speisekarte. Neugierig studierte ich die Mittagsspeisen des heutigen Tages durch, die wohlmöglich auch die allerersten Speisen waren, die an Bord der Titanic serviert wurden. Kurz darauf klopfte es an der Tür und recht verblüfft, wer das nun sein könnte, machte ich die Tür schließlich auf. Es war ein Steward in einem weißen Hemd und in einer scharzer Hose gekleidet. Um seinen rechten Arm, den er in Hüfthöhe vor sich hielt, hatte er ein weißes Stofftuch umgelegt und bevor ich mich über sein

plötzliches Erscheinen äußern konnte, ergriff der Steward das Wort und sagte: ,,Ein schönen guten Tag, Sir. Elauben Sie mir, Ihre Bestellung aufzunehemen.“ Völlig konfus sah ich ihn an und meinte: ,,Ähm...Verzeihung ich...ich habe nichts zu bestellen.“ Der Steward sah mich in seiner aufrechten Haltung mit gezogener Augenbraue an und entgegnete: ,,Aber Sie haben doch geklingelt, Sir!“ Erneut fiel mein Blick wieder auf den kleinen Knopf und begriff sofort, dass man mit diesem Knopf Stewards zu seiner Kabine rufen konnte. ,,Vielleicht möchten Sie sich ein Lunch auf Ihr Zimmer bestellen, Sir.“ Verblüfft sah ich ihn an und fragte: ,,Ist so etwas möglich?“ darauf er, wieder mit gezogener Augenbraue: ,,Jawohl, Sir.“ Appetiterregt nahm ich die Speisekarte vom Tisch und las sie nochmals durch. Zu meiner Verwunderung blieb der Steward aus Höflichkeit immer noch im Kabinenflur stehen und wartete dort auf meine Bestellung. Schließlich entschied ich mich für gegrillte Hammelfleischkoletten, dazu Kartoffelpürre mit Frieds und gebackenen Kartoffeln und der Steward sagte höflichst: ,,Sehr wohl, Sir. Haben Sie auch ein bestimmten Wunsch nach einem Getränk?“ Ich erinnerte mich an ein süßes Getränk, welches mein Vater von seinen Reisen mal aus Deutschland mitgebracht hatte und sich ,,Traubensaft“ nannte.
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Eine Art Wein für Kinder und nun war ich gespannt, ob es diesen Traubensaft nun auch hier an Bord gab. ,,Ich hätte gerne eine Flasche Traubensaft, bitte.“, sagte ich festentschlossen und tatsächlich entgegnete der Steward: ,,Einen weißen oder einen roten Traubensaft?“ Vollkommen überrascht antwortete ich: ,,Einen...einen Weißen, bitte.“, und der Steward entgegnete: ,,Wie Sie wünschen, Sir. Möchten Sie anschließend auch noch ein wenig Käse zum Nachtisch?“ ,,Nein, vielen Dank. Das Menü reicht mir vollkommen.“ ,,Sehr wohl, Sir.“ Ich griff nach meiner Brieftasche, um für das Essen und das Getränk zu zahlen, doch als ich wieder aufblickte, war der Steward vor der Tür verschwunden. Ich trat in den Flur und blickte um mich, aber so plötzlich der Steward vorhin erschienen war, war er auch wieder gegangen.

Zwanzig Minuten später kam der Steward mit dem Essen auf einem Rollwagen zurück und schob ihn in meine Kabine neben den kleinen Tisch. Als er darauf noch Teller, Besteck, Servierte, Glas und die offene Traubensaftflasche auf den den Tisch deponierte, sagte er mit einer leichten Verbeugung: ,,Ich wünsche Ihnen einen guten Appettit, Sir.“ Nun hatte ich Gelegenheit ihn für seine Großzügigkeit zu bezahlen und gab ihm 5 englische Pfund, worauf er sagte: ,,Vielen Dank, Sir. Sollten Sie noch einen Wunsch haben, dann wissen Sie ja, wie Sie mich finden.“ Er verbeugte sich noch mal, worauf er dann schließlich meine Kabine wieder verließ und ich mich darauf meiner ersten Mahlzeit an Bord der Titanic widmete.



Ich schwor mir, während der ganzen Überfahrt, das ganze Schiff zu erkunden. Ich wollte alles über die Titanic wissen und wenn es möglich war, auch die Kommandobrücke und die Maschinen. Ich begann meine erste Erkundungstour nachdem Mittagessen auf dem Bootsdeck, dem obersten Deck der Titanic. Es betrug eine Länge von ungefähr 145m und eine Breite von 28m. Im vorderen Bereich des Decks befand sich die Kommandobrücke, neben der links und rechts je eine kleine Treppe ein Stockwerk tiefer zum Promenadendeck führte, diese aber nur für die Offiziere gedacht waren, um schnellstmöglich runter auf Höhe des Vorderdecks zu kommen. Hinter der Brücke lagen gleich die Offizierskabinen, auf denen die ersten zwei der vier gewaltigen Schornsteine hoch ragten.
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Alle vier Schornsteine hatten eine Höhe von ungefähr 20m und waren so breit, dass eine Eisenbahn leicht und locker hätte durchfahren können. Selbst die zylinderförmigen Dampfpeifen, die in 16m Höhe an den Schornsteinen angebracht waren und dem Schiff seinen kraftvollen Ruflaut gaben, waren 1,20 hoch und 70cm breit. Damit die Schornsteine bei Stürmen oder starken Winden nicht hin und her schwankten, waren an jedem einzelnem je 12 Seile festgezurrt, welche das imposante Aussehen des Schiffes zusätzlich noch ein wenig verschmückten. Zwischen dem zweiten und dem dritten Schornstein befand sich ein Sonnendeck, welches eine Fläche von ungefähr 400 Quadratmeter besaß und sich ungefähr 1½m aus dem Boden erhob. In der Mitte dieses Sonnendecks stand ein 4m hoher Aussichtsturm, von dem ich Onkel Frank aus zu gewunken hatte, als die Titanic bei der Ausfahrt aus Southampton an der Isle of Whight vorbeifuhr. Auf diesem Turm, auch Peildeck genannt, befand sich ein Kompass, von dem die Passagiere den aktuellen Kurs des Schiffes ablesen konnten. Dies war übrigens auch der höchste Punkt des Schiffes, der für die Passagiere in der ersten Klasse zugänglich war.

Der gesamte Deckbereich um den vierten Schornstein herum war das Oberdeck für die Passagiere der zweiten Klasse. Dieser Bereich war ab dem dritten Schornstein extra mit einer Reling abgesperrt, damit die Passagiere der Zweiten Klasse nicht in das Deck der ersten Klasse übertreten konnten. Ein paar Meter vor dieser Absperrung befand sich noch mal eine zweite Absperrung, die einen kleinen Teil zwischen dem Oberdeck der ersten und der zweiten Klasse für den Aufenthalt von Besatzungsmitgliedern absperrten, damit auch mal die Seeleute einen Bereich für sich hatten, um mal frische Luft schnappen zu können. Ebenso befand sich noch eine weitere Absperrung für die Offizierspromenaden unmittelbar vor dem vorderen Treppengehäuse auf der Backbord und Steuerbordseite, damit die Passagiere der ersten Klasse nicht einfach so unbefugt in die Kommandobrücke eintreten konnten.

Dann waren neben den zahlreichen Liegestühlen noch sechzehn Rettungsboote plus vier zusätzliche ,,Engelhardt“ -Notboote aus Leinwand auf dem Deck platziert und ich fragte mich, weshalb ein Schiff, welches als unsinkbar galt, mit Rettungsboote bestückt war.
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Na ja, es war natürlich Gesetz, das ein Schiff überhaupt mit Rettungsbooten bestückt ist und das galt selbstverständlich auch für die Titanic. Das Deck bot dafür ja sowieso viel Platz und umso mehr für die Passagiere der ersten und zweiten Klasse. Als ich mich nach meiner Erkundung an die Backbordreling des Decks lehnte und dabei eine Weile die mächtige und recht elegante Wasserverdrängung des Rumpfes beobachtete, sagte plötzlich eine Stimme neben mir: ,,Es tut uns Leid, dass wir uns heute Morgen nicht von dir verabschied haben.“ Ich drehte mich zu der Person hin und sah in ein mir bekanntes Gesicht, mit das ich nie an Bord je gerechnet hätte: ,,Martin?“ fragte ich vollkommen überrascht und im selben Moment sagte eine zweite Stimme zu mir: ,,Wir mussten noch rechtzeitig an Bordunseres Schiffes kommen.“ Ich drehte mich zu dem zweiten Gesicht hin: ,,Fred?“ Abwechselnd sah ich nun in die grinsenden Gesichter von Martin und Fred, bis ich vollkommen verwirrt fragte: ,,Was...was macht ihr denn hier?“ Martin antwortete spaßtonend: ,,Das würden wir selber nur zu gerne wissen.“ Ich fasste mir an den Kopf und meinte: ,,Ich glaube, ich träume. Wieso habt ihr nicht gesagt, dass ihr auch auf der Titanic reist?“ Fred antwortete: ,,Wir wollten dich überraschen.“, und Martin ergänzte, während er sich an einen der Schornsteinseile dranhing: ,,Und außerdem wollten wir dir gegenüber nicht unseren Freudentaumel offenbaren.“ Ich sah sie beide an und meinte: ,,Freudentaumel?! Das heißt, ihr seid auch begeistert, hier an Bord zu sein?“ Martin und Fred verzogen das Gesicht, wobei Martin meinte: ,,Na ja, so verrückt, wie du, waren wir nicht danach.“ Und Fred ergänzte: ,,Aber uns war es gestern verdammt gut gelungen, dich aufs Korn zu nehmen.“ Martin und Fred gaben sich einen Siegesklatsch, worauf ich sie fragte: ,,Wusste Dave auch davon?“ und Martin antwortete: ,,Aber sicher doch. Wir hatten uns schon eher von ihm verabschiedet, um früher im Hafen zu sein. Du hast dich sicher gewundert, warum er heute Morgen ganz alleine zu dir gekommen war?“ ,,Allerdings.“, gab ich mit verzogener Mimik zurück, worauf beide kurz lachten und Fred danach meinte: ,,Tja, aber trotz unserer gelungenen Überraschung gehe ich nachher leider wieder von Bord. Du weißt ja, Frankreich.
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“ ,,Und ich steig morgen in Irland aus.“ erwähnte Martin und ich sah beide grinsend an, bis ich meine Hände an mein Hinterkopf lehnte und meinte: ,,Tja, ich hab das Vergnügen, länger an Bord zu sein.“ Und beim Anblick der gewaltigen Schornsteine ergänzte ich noch hocherfreut: ,,Sagt doch mal ehrlich, is das nicht eingroßartiges Schiff?!.“ ,,Ist doch nur eine gewaltige zusammengenietete Blechwanne.“, meinte Martin etwas spottend und irgnorierend ergänzte ich: ,,Stellt euch mal vor, man kann sich sogar sein Essen auf sein Zimmer bringen lassen und es gibt sogar Traubensaft zu trinken.“ Martin und Fred sahen mich an, als würde ich hinter dem Mond leben. Nun ja, in dem Falle hatten sie wohl auch recht, denn schließlich konnte man sich in Hotels auch sein Essen aufs Zimmer bringen lassen und Traubensaft gab es bereits auch schon in fast ganz Europa. Ein wenig verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf und meinte zu den beiden: ,,Ich meine ja nur, schließlich sind wir hier auf einem Schiff.“ Dann begann sich wieder die Freude in mir aufzutaumel und erwähnte nochmals: ,,Ich finde es einfach großartig, auf diesem Schiff zu sein.“ Martin verdreht die Augen und meinte wieder spottend: ,,Na ja, dein Schiff war in Southampton ja eher eine Gefahr. Hast du auch diesen beinahen Zusammenstoß gesehen?“, worauf ich antwortete: ,,Oh ja, das habe ich. Ich stand genau hier.“ Fred zeigte nach achtern und sagte: ,,Wir standen etwas weiter hinten ein Stockwerk tiefer.“, worauf Martin erwähnte: ,,Das Heck von diesem anderen Schiff trieb genau unter uns vorbei, ich hätte jemandem an Deck auf dem Kopf spucken können.“ Ich sah ihn misstrauisch an und meinte: ,,Das will ich sehen, dass du es je wagen würdest, zu spucken.“ Martin vergewisserte sich, dass sich außer Fred und mir niemand in der Nähe befand, worauf er mit einem lauten Grunzen Speichel im Mund zusammenzog und sie anschließend über die Reling in einem hohen Bogen ins Wasser spuckte. Ich sah ihr mit angewiderter Miene nach und Fred meinte grinsend: ,,Du solltest dich etwas sputen, Martin. Auf Timi´s kleinem Schiffchen befinden sich nämlich eine Menge feine und sehr wohlhabende Gesellschaften.“ Martin grinste zurück und sah stolz den weiten Bogen nach, den er geschafft hatte, worauf ich am Horizont plötzlich die französische Küste bemerkte und auf meiner Taschenuhr verwundert feststellte, wie schnell die Zeit an diesem Tag rum gegangen war und ich meinte darauf zu Fred: ,,Tja, mein guter Fred.
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Ich glaube, dein kleiner Aufenthalt auf dem Schiff neigt sich langsam dem Ende zu.“



An der Küste drosselte die Titanic ihre Geschwindigkeit und drehte ihren Bug nach backbord, worauf sie die Küste so lange ostwärts hinauffuhr, bis sie an einer großen mit Häusern übersäten Bucht ankam und diese mit einer weiten Kurve nach steuerbord einpassierte. Gegen 18:30uhr, als bereits der Abend dämmerte, ging die Titanic dann in voller Beleuchtung vor Anker und lies anschließend zum Gruß ihre Dampfpfeife mit einem langen Laut ertönen.

Martin, Fred und ich machten uns gemeinsam mit Freds Koffern in einem der drei Aufzügen hinter der Treppe auf dem Weg runter in die Empfangshalle auf dem D-Deck, in der sich auch bereits die anderen Passagiere der ersten Klasse versammelt hatten, die in Cherbourg von Bord gehen wollten. Draußen an der offenen Steuerbordpforte dockte eine große, mit hell erleuchteten Fenstern ankommende Barkasse an und kaum, als die Gangway ausgefahren war, kamen die neuen Passagiere erwartungsvoll an Bord. In der Ecke des Raumes spielte die Kapelle wieder diese seltsame Melodie von heute Morgen, als ich in Southampton an Bord gegangen war. Offensichtlich schien diese Melodie eine Art Willkommensgruß für neu einsteigende Passagiere zu sein, doch für mein Geschmack war dies eher ein recht ungewöhnlicher Willkommensgruß. Das Gepäck der neu zugestiegenen Passagieren wurde von Stewards auf Rollwägen hinter ihnen her zu ihren Kabinen geschoben, nachdem jedes einzelne Gepäckstück mit der Kabinenummer ihrer Besitzer versehen wurde. Zur selben Zeit wurden auch die Gepäckstücke der Passagiere auf die Barkasse gebracht, die in Cherbourg von Bord gingen und so nahmen Martin und ich die Gelegenheit, uns in aller Ruhe von Fred zu verabschieden, wobei Fred mir gestand, noch gerne länger an Bord des Schiffes gewesen zu sein, was Martin nur mit verdrehten Augen kopfschüttelnd erwiderte. Als dann schließlich der letzte Passagier an Bord kam und dabei ein Besatzungsmann den wartenden Passagieren verkündete, sie können jetzt in die Barkasse einsteigen, drehte sich Fred noch mal zu uns und sagte: ,,Tja, jetzt heißt es wohl Abschied nehmen.
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“ Martin schüttelte Freds Hand und sagte: ,,Alles Gute Fred, hoffentlich sehen wir uns bald wieder.“ ,,Ganz bestimmt.“, entgegnete Fred, worauf ich nun Freds Hand schüttelte und ihm sagte: ,,Machs gut, Fred, und viel Erfolg in deinem Beruf.“ ,,Vielen Dank, euch natürlich auch.“, entgegnete Fred, worauf Martin sagte: ,,Vergiss nicht, uns mal zu schreiben.“, und Fred bestätigte: ,,Selbstverständlich nicht. Komm du morgen gut in Irland an, Martin, und du Tim gut in New York. Genieß die lange Fahrt auf deinem Schiff.“, worauf ich entgegnete: ,,Darauf kannst du dich verlassen, dass ich das tun werde.“ Fred grinste und sagte schließlich: ,,Dann auf bald.“, worauf Martin und ich dasselbe entgegneten und Fred mit der kleinen Passagiergruppe durch die Pforte über die Gangway von Bord auf die Barkasse stieg. Martin und ich liefen rasch hinauf auf das Deck um noch zu sehen, wie die Barkasse um punkt 20uhr ablegte und sich mit einem langen Pfiff zusammen mit der zweiten Barkasse, die auf der Backbordseite des Schiffes angedockt hatte, in Richtung des Hafens von Cherbourg begab. Wir winkten der Barkasse noch lange zu in Erwartung, dass Fred uns zurückwinken würde, aber da es schon ziemlich dunkel war, glaubten wir nicht, dass er uns auf dem Oberdeck gesehen hat. Stattdessen bekam er nun sicher einen eindrucksvollen Anblick auf die voll beleuchtete Titanic, die nach Lichtung ihres Steuerbordankers ihre Schrauben wieder in Bewegung setzte und im Rückwärtsgang ihren Bug zu Buchtöffnung drehte. Schließlich fuhr das Schiff dann mit halber Kraft aus der Bucht heraus und verlies Cherbourg nach drei langen Abschiedspfiffen. Danach fuhr sie, sicher wohl extra für die Küstenbewohner, noch ein Weilchen die französische Küste westwärts entlang, bis sie nach Norden abdrehte und die mit Licht übersäte Küste in den dunklen Horizont hinter sich lies.



,,Tja“, meinte ich dabei etwas bedrückt: ,,wieder einer weniger.“ Und Martin ergänzte: ,,Allerdings. Ich finde, wir sollten wenigstens uns beiden es heute noch mal richtig gut gehen lassen. Was meinst du?“ Ich antwortete: ,,Da stimme dir absolut zu, aber vielleicht sollten wir vorher noch was essen. Es ist nämlich bereits Abendessenszeit. Ich hoffe doch, du hast deinen Anzug dabei.“ Martin verdrehte die Augen und sagte: ,,Natürlich habe ich ihn dabei und ich werde ihn ausnahmsweise mal für dein Schiff wieder anziehen.
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Obwohl er mir auf der Schulabschlussfeier gelangt hatte.“ Ich lachte und wir machten uns gemeinsam auf den Weg zu unseren Kabinen, um uns für das erste Dinner an Bord der Titanic zurecht zu kleiden und während ich mir meinen Anzug überzog, war ich schon sehr gespannt auf den Speisesaal, da ich ihn während des ganzen Tages noch nicht betreten hatte und er sicherlich der eleganteste Raum des Schiffes sein durfte.

Angezogen in meinem feinen Anzug, ordentlich gekämmten Haaren, gewaschenem und frisch parfümiertem Gesicht traf ich mich schließlich wieder mit Martin, der sich ebenfalls fein herausgeputzt hatte, im Treppenhaus und machte mich mit ihm gemeinsam auf dem Weg runter zum Speisesaal auf dem D-Deck. In der ersten Klasse gab es zwei Treppengehäuse mit zwei sehr eleganten und großen Treppen, die schon beinahe denen eines Schlosses glichen. Die vordere Treppe verlief zwischen dem ersten und dem zweiten Schornstein und führte vom Bootsdeck runter bis zum F-Deck. Die hintere Treppe verlief zwischen dem dritten und dem vierten Schornstein und führte vom A-Deck runter bis zum C- Deck. Beide Treppen waren aus Eichenholz gemacht und mit schmiedeeisernen Geländern ausgestattet. Jede Stufenkante war mit Messingplatten verkleidet und über die obere Treppe, die Freitreppe, befand sich eine große Glaskuppel, durch die tagsüber das Licht fiel. Für die Abende sorgten ein Kronleuchter in der Mitte der Kuppel, ein Bronzecherub mit einer Art leuchtender Fackel auf dem Mittelgeländer, und zusätzlich noch kleine Decklampen an den Seiten der Etage für strahlendes Licht im ganzen Treppenhaus. Auf dem Mittelgeländer der Treppe auf dem D-Deck stand ein großer Kerzenleuchter, der mit seinen 20 elektrischen Kerzen die Stufen und das Umfeld um sich herum anleuchtete.

Als wir das D-Deck erreichten, sah ich links und rechts neben der Wandverkleidung des zweiten Schornsteinschachtes vor der Treppe zwei große Eingänge zum Speisesaal und als wir ihn betraten, war ich so erstaunt, dass ich mein Schritttempo ein wenig senkte und Martin fast den Eintritt versperrte. ,,Warum läufst du denn nicht weiter?“, fragte er und ich entgegnete noch immer recht verblüfft: ,,Schau doch mal, wie toll der Saal aussieht.“, darauf er: ,,Das ist er, in der Tat. Aber den können wir auch von deinem Tisch aus begutachten.
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“ Er gab mir einen leichten Schups, worauf ich weiterging und wir uns an meinem Tisch in der Mitte des Saals am Fenster begaben.

Der Speisesaal war mit einer Länge von 35m der größte und schönste Raum des Schiffes. Im Jakobinischen Stil eingerichtet und mit weißen Erkerwänden unter einer reich verzierten Decke ausgestattet bot der Saal Platz für 500 Passagiere. Elf Reihen von goldleuchtenden Decklampen, die sich in einer Kette bis zum anderen Ende des Raumes zogen, und zusätzliche kleine Lämpchen auf den Tischen, geschmückt mit bunten Blumen, gaben dem ganzen Saal ein goldschimmerndes Licht und ein Flair schwebender Eleganz. Mein Tisch war die Nummer 17, genau wie meine Kabinennummer. Auf der Titanic war die Kabinennummer auch die Nummer des Tisches, so gab es keine Schwierigkeiten, in diesem riesigen Saal seinen Platz zu finden. Als Martin und ich uns an meinem Tisch setzten und ich dabei voller Erstaunis den reichgedeckten Tisch mit verschiedengroßen Bestecken, Gläsern, überandergestapelten Tellern und darauf eine ordentlich Umschläge, in denen die Karten steckten, waren eine Besonderheit an sich, um den Luxus über die Mahlzeiten an Bord noch deutlicher zu demonstrieren. Sie zeigten zusammengefaltete Stoffsevierte liegend betrachtete, kam auch gleich ein Steward in weißer Uniform mit zwei Speisekarten an und übereichte sie uns. Selbst die die zwei allegorischen Gestalten ,,Europa“ und ,,Columbia“ über einen strahlenden weißen Stern die Hände reichend und unter ihnen eine Zeichnung von der Titanic selbst. ,,Willkommen im Speisesaal der Titanic, meine Herren.“, sagte der Steward: ,,Was darf ich Ihnen zu trinken servieren?“ ,,Was können Sie denn empfehlen?“, fragte ich, worauf der Steward die Weinkarte aufschlug und sagte: ,,Ich empfehle Ihnen für heute Abend einen erstklassigen französischen Bordeaux in Rot.“ Sehr interessant, wie der Steward das betonte, zumal ein Bordeaux immer französisch und in Rot ist. ,,Den nehmen wir.“, stimmte Martin zu, worauf wir anschließend unser Essen bestellten: Als Vorspeise nahm ich einen French Salat, als Hauptspeise einen Roast Beef und als Nachtisch einen ,,Waldorf“ Pudding.

Als der Steward uns all das brachte, hatten wir so einen großen Appetit, dass wir innerhalb weniger Minuten alles aufgegessen hatten.
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Es schmeckte alles so vorzüglich und ich konnte mich wirklich beim besten Willen nicht daran erinnern, je besser gegessen zu haben. Während des Essens bemerkte ich, dass auf dem Teller, sowie auch auf dem Besteck die Worte ,,R.M.S Titanic“ und darunter die Fahne der White Star Line Reederei gekennzeichnet waren. Anscheinend sollte man nicht vergessen, dass man auf der Titanic so gut speiste. Nach dem Essen genehmigten sich viele Passagiere noch einen Espresso oder einen Capuccino, aber Martin und ich bevorzugten an diesem Abend eher ein paar frische Früchte, die uns der Steward angeboten hatte. Während wir sie aßen, summte ich ein wenig zu dem Musikstück ,,An der schönen blauen Donau“ mit, die die Kapelle in der Mitte des Speisesaals gerade spielte, wobei Martin mich mit gezogener Augenbraue ansah und ich grinsend zu ihm meinte: ,,Ich genieße nur das Ambiente.“, was er dann mit einem wenig überzeugtem Nicken zur Kenntnis nahm und eine weitere Traube vom Strauch in seinen Mund steckte. Als die Kapelle das letzte Stück spielte und wir unsere Früchte leer aßen, erhoben wir uns vom Tisch und begaben uns aus dem Speisesaal die Treppe hoch zu unseren Kabinen. Auch wenn wir uns nun nicht all zu lang im Speisesaal aufgehalten hatten und nicht all zu viel geschehen war, so fand ich es doch wahnsinnig toll, in diesem Saal gespeist zu haben, denn mir kam es nämlich tatsächlich so vor, als wäre der Speisesaal der Titanic nicht nur der eleganteste Raum des Schiffes, sondern auch der eleganteste Raum der Welt.

Da es ja noch nicht ganz so spät war, beschlossen Martin und ich noch eine Weile auf dem Deck herum zu laufen, worauf wir uns kurz trennten und uns in unseren Kabinen unsere Jacken überzogen. Martins Kabine lag bei den Einzelkabinen auf dem A-Deck hinter der Treppe, welche speziell für die Passagiere eingerichtet wurden, die nur für kurze Zeit an Bord waren. Als ich mich schließlich mit Martin wieder im Treppenhaus auf dem A-Deck traf, verzog er eine recht hinterlistig grinsende Mimik, wobei ich ihn fragte: ,,Was gibt’s da zu grinsen?“ Er öffnete seinen Mantel und holte eine volle Whiskeyflasche hervor, worauf ich ihn überrascht ansah und er stolz sagte: ,,Habe ich gerade heimlich aus dem Salon geschmuggelt.“ Aus der anderen Innentasche holte Martin dann noch zwei Whiskeygläser hervor, die er ebenfalls aus dem Salon entwendet hatte, und nachdem er mir eines übergab, machten wir uns gemeinsam auf den Weg nach oben zum Bootsdeck.
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Dort befand sich so gut wie keine Menschenseele, da sich die meisten Passagiere der ersten Klasse um diese Zeit entweder in den Salons aufhielten oder sogar schon zu Bett gingen. Ich hielt Martin mein leeres Glas entgegen und meinte: ,,Na dann gib uns beiden doch mal einen aus.“ ,,Nicht hier.“, erwiderte Martin und ergänzte: ,,Irgendwo, wo man uns nicht sieht.“ Ich blickte bedenklich um mich und meinte: ,,Da gibt es hier oben nicht all zu viele Möglichkeiten.“ Martin grinste und fragte: ,,Meinst du?“ Er ging auf das Sonnendeck, wo ich ihm folgte und Martin vor einer Wand an einer Leiter stehen blieb, die auf das Dach der Offizierskabinen führte und er fragte mich. ,,Was hältst du davon, wenn wir da hinaufklettern?“ Mir war es recht und obwohl wir das natürlich nicht durften, kletterten Martin und ich die Leiter hinauf auf das Dach der Offizierskabinen, worauf wir uns direkt am Fuße des zweiten Schornsteines befanden und sein gewaltiger Anblick mich überwältigen ließ. Martin meinte darauf: ,,Lass uns mal weiter nach vorne gehen. Ich glaube, da kommen wir auf das Dach der Kommandobrücke.“ ,,Mensch warte doch mal.“ erwiderte ich und berührte sanft den Schornstein, der sich zu meiner Verwunderung nicht warm anfühlte, sondern genauso kalt, wie der frische Fahrtwind, der an im vorbei pfiff. Ich blickte hoch zur Schornsteinöffnung, aus der der Rauch von den Maschinen quoll und sagte fasziniert: ,,Schau doch mal, wie riesig der ist.“ Martin verfolgte weniger interessiert meinen Blick und meinte: ,,Da vorne ist auch noch einer, den du bewundern kannst. Also los, komm mit.“ Wir liefen weiter nach vorne, wo wir dann an der überdachten Glaskuppel der Freitreppe vorbeikamen und sein strahlendes Licht in unsere Gesichter schien. Ein paar Meter weiter am Fuß des ersten Schornsteines liefen wir dann an einem der zwei links und rechts platzierten Notbooten vorbei und befanden uns dann direkt auf dem Dach der Kommandobrücke. Hier hatte man einen fantastischen Blick nach vorne und weil das Vorderdeck der Titanic nicht beleuchtet war, war das dunkle weite Meer und der weite Nachthimmel viel deutlicher zu erkennen, als vom Oberdeck der ersten Klasse aus. Martin betrachtete die Leiter am Schornstein, die bis zur Dampfpfeife hinauf reichte und fragte: ,,Was meinst du? Klettern wir da auch noch rauf?“ Skeptisch sah ich zu der Dampfpfeife hinauf und meinte: ,,Du kannst es gerne tun.
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Ich genieße die Aussicht lieber von hier aus.“ ,,War ja auch nur ein Witz.“, meinte Martin belächelt und holte die Whiskeyflasche aus seinem Mantel, worauf er uns beiden ein Glas einschenkte und wir beide auf unseren letzten gemeinsamen Abend anstießen. Wir setzten uns darauf einfach auf den Boden und lehnten uns dabei an einem großen Lüftungsschacht direkt vor dem Fuß des ersten Schornsteines. Nach unserem dritten Glas begann sich dann auf einmal der Horizont vor unseren Augen hin und her zu schwenken und Martin sagte recht gut gelaunt: ,,Weißt du, was hier jetzt fehlt? Ein paar richtig heiße Weiber.“ Ich entgegnete ebenfalls gut gelaunt: ,,Die überlasse ich gerne dir.“ Martin trank sein viertes Glas in einem ganzen Zug leer und fragte anschließend leicht lallend: ,,W...Wieso bist du so stur, was Mädchen angeht? Mensch, Tim. D...Du lässt dir was herrliches entgehen.“ Ich trank mein fünftes Glas in einem Zug leer und sagte ebenfalls lallend: ,,Ich...Ich habe ja nichts gegen Mädchen, aber diese ganze.....Knutscherei und Gefühlsduselei ist....ist absolut nichts für mich....nichts für mich.“ Darauf Martin: ,,Es....geht dabei um viel mehr.....als das, Tim.“ ,,Rede nicht....trink jetzt.“ Martin trank ein weiteres Glas und sagte anschließend: ,,Weißt du, was ich jetzt am liebsten tun würde? ....Unserem heiß geliebten Prof. Hickley einen richtig fetten Tritt in seinen fetten Arsch verpassen.“ Darauf ich: ,,Wer hätte das nicht gerne gewollt?“ ,,Weißt du noch, wie wir es tatsächlich wagten,....sein Fenster einzuschlagen und sein Wohnzimmer mit....Kuhscheiße zu ,,schmücken“?....Ein Wunder, dass er uns nicht erwischte.“ ,,Wir waren schon richtig.... schlimm. Nein....schlimmer als schlimm.“ ,,Das sind wir doch immer noch, sogar hier auf der....Tatinoc.“ ,,Es heißt Titanic.“ ,,Ja doch. Ich gib zu....es ist wirklich.... ein tolles Schiff.“ Ich strich den Boden und meinte: ,,Ja, das ist es wirklich.“

Schließlich tranken wir die komplette Whiskeyflasche leer und wir begannen durch unseren Trunk allmählich müde zu werden. Wir rappelten uns wieder auf und begaben uns schwankend zu der Leiter zurück, die wir nach waaghalsigen Versuchen tatsächlich schafften, wieder hinunterzuklettern und als wir, die Arme um die Schultern gelegt, in die erste Klasse rein gingen, bemühte ich mich, eine gerade Haltung einzunehmen und sagte zu Martin: ,,Reiß dich jetzt zusammen.
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..sonst sperrt man uns ein.“ ,,Mir doch egal, dann werde ich wenigstens getragen.“, entgegnete Martin halb im Schlaf und als wir die Stufen vorsichtig runter zum A-Deck liefen, trennten wir uns schließlich und wünschten uns eine gute Nacht, so denn wir noch eine haben würden. Langsam und vorsichtig, um nicht zu storlpern, lief ich jede Stufe einzeln nach unten, bis ich schließlich das C-Deck erreichte und ich verdammtes Glück hatte, dass mich in diesem Zustand keiner auf diesem noblem Schiff sah. Doch das änderte sich, als ich die Tür zum Flur ruckartig öffnete und dabei plötzlich in das Gesicht eines Mädchens blickte, welches mit Abstand das schönste war, was ich je in meinem Leben gesehen hatte. In ihren strahlenden Augen zeigte sich grenzenlose Freude und Glückseligkeit und ihre Lippen schimmerten in einem auffällig leichten Rot. Ihr langes dunkelblondes glattes Haar glänzte im Licht des Kabinenflurs und so ein bezauberndes Lächeln, wie sie es hatte, habe ich noch bei keinem anderen Mädchen gesehen. In mir stieg plötzlich ein Gefühl, welches ich noch nie zu vor gespürt hatte. Ich war wie gelähmt und starrte wie gebannt tief in ihre glänzenden Augen. Zuerst schaute sie mich wegen meines momentanen Zustandes leicht erschrocken an, doch dann lächelte sie freundlich auf und ergriff mit einer unglaublich zarten und liebevollen Stimme das Wort: ,,Guten Abend.“ , worauf ich noch immer vollkommen perplex und torkelnd entgegnete: ,,Oh...ähm... hallo.“ Dann wollte sie ins Treppenhaus gehen, aber da ich ihr im Weg stand, konnte sie nicht durch und fragte: ,,Ähm...darf ich...vorbei?“ ,,Selbstverständlich.“, entgegnete ich lallend und machte ihr den Weg frei, worauf sie leicht lachend die Hand vor dem Mund haltend ins Treppenhaus trat und sich freundlich dafür bedankte. Anschließend sah ich ihr noch eine Weile nach, bis sie die Treppe rauf ging und im nächsten Stockwerk verschwand. Tief in Gedanken versunken begab ich mich immer noch schwankend zu meiner Kabine, wo ich meinen Anzug einfach auf den Boden fallen ließ und mir meinen Pyjama überzog. Danach setzte ich mich aufs Bett und dachte an dieses wunderschöne Gesicht, welches mich trotz meines Verhaltens eben so bezaubernd angelächelt hatte.
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War dies vielleicht nur ein Traum gewesen? Ich habe mir doch sonst nie irgendetwas aus Mädchen gemacht, wieso jetzt plötzlich? Nach langen unentschlossenen Überlegungen legte ich mich schließlich hin und verfiel auf einmal in die verführerische Geborgenheit des Bettes. Das Kissen und die Matratze waren so schön weich und die Bettdecke roch so herrlich frisch nach Blumen. Trotz, dass dieses Bett für eine Einzelperson gedacht war, so war es doch ziemlich groß und vor allem wahnsinnig gemütlich. So wohl hatte ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt und ich genoss diese Geborgenheit so sehr, dass ich meinen Suff ignorierte und sanft in den Schlaf verfiel.
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