Auch ein Gaukelspiel macht Sinn   17

Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    jo Lepies      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 29. Januar 2008
Bei Webstories eingestellt: 29. Januar 2008
Anzahl gesehen: 1761
Seiten: 2

Gottergeben nahm Fred im Wartezimmer Platz.

Du liebe Zeit ..., der erste Patient ist ja schon eine halbe Stunde bei der Doktorin. Was machen die beiden bloß so lange? Schließlich habe ich noch zehn Besucher vor mir.

Einige Patienten sehen seit geraumer Zeit zu mir hin. Wahrscheinlich macht es sie nervös, dass ich immer auf die Uhr schaue. Meinen wohl ich hätte einen Tick - gehörte deshalb zu einer anderen Doktorin.

Von wegen. Warum dauert es heute aber nur so lange, bis ich zur Doktorin kann. Muss deshalb so oft auch die Uhr schau‘n. Ist aber auch ein schönes Stück, meine Solarfunkuhr. Auch deshalb schaue ich immer drauf. Ganz aus Titan. Auch das Armband. Stand im Katalog. Ist unverwüstlich und auch allergiefrei. Kostete ein kleines Vermögen. Sich was leisten, macht eben fröhlich. Das Geld muss immer im Kreis laufen, sagen die Politiker. Wir sollen mehr konsumieren. Viel mehr. Das mache wahnsinnig glücklich.

Doch weil ich im Augenblick nicht viel konsumieren kann, sitze ich nun hier in der Praxis. Meine rechte Hand tut weh. Schon seit drei Tagen. Kann seit dieser Zeit nicht mehr richtig arbeiten. Bin Freiberufler. Brauche zum Arbeiten zwei Hände. Weniger Aquarelle, weniger Honorare. Und mit weniger Geld kann ich eben nur weniger konsumieren. Und deshalb bin ich nicht mehr so wahnsinnig glücklich.

Aber meine Doktorin wird die Hand schon richten. Und dann kann ich wieder zarte Farben mischen und ätherische Bilder malen - damit Geld verdienen. Dann viel verbrauchen, wie die anderen auch. Und erneut den Himmel voller Geigen hängen sehen. Kann dann aber vielleicht auch meine Doktorin streicheln. Vorerst doch nur einmal in Gedanken.

Wie komme ich denn jetzt plötzlich auf meinen Zahnarzt? Ach so! Meine Schwester, Hannelore, war neulich in seinem Wartezimmer gesessen. Doch nur fünf Minuten. Denn plötzlich waren ihre Zahnschmerzen weg. Kein Grund für sie, noch länger zu bleiben.

Aber was hat das mit mir zu tun ...? Doch, jetzt weiß ich es. Seit geraumer Zeit bewege ich ständig meine rechte Hand. Sie schmerzt nicht mehr. Nicht ums Verrecken tut die mehr weh. Gibt es das bei einem Allgemeinarzt auch, dass im Wartezimmer mit einem Male der Schmerz weg ist? Prüfend drehe ich meine Rechte weiter hin und her. Die ältere Dame neben mir seufzt schon ganz gestresst.
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Damit wieder Ruhe ins Wartezimmer einkehrt, lege ich meine Linke auf meine Rechte und halte diese ganz fest. Nun können die anderen Patienten, auch gleich, ohne sich den Hals weiterzuverrenken, meine teuere Solarfunkuhr noch genauer bewundern. Aber auch ich kann kontrollieren, wie lange ich hier schon warte, bis ich zu meiner Doktorin kann. Meine Nachbarin schielt nochmal kurz zu mir hin und scheint dann sichtlich erleichtert, dass sich an mir nichts mehr bewegt.

Nur was sage ich der Doktorin, wenn ich jetzt dran komme? Dass meine Hand nicht mehr schmerzt ...? Um Gottes Willen ...! Vielleicht hält sie mich dann für toll, und lässt sich von mir nie ins Kaffeehaus einladen, wenn ich 's mich doch mal trauen sollte. Denn wer geht schon in eine Arztpraxis, um dort zu sagen, dass ihm nichts weh tut. Also - muss was Anderes her.

Natürlich - das ginge. Ich lasse einfach meinen Blutdruck messen. Und sollte der zu hoch sein, dann muss die Doktorin eben ihren weißen Kittel ausziehen. So könnten wir das Weißkittel-Syndrom umgehen.

Habe doch gewusst, dass ich bei meiner Doktorin richtig bin.

„Mit Ihrem Blutdruck“, meinte sie bewundernd, „können Sie hundert Jahre werden.“ Glück gehabt. Wenn ich noch so lange lebe, dann musste ich sie heute ja nicht unbedingt ins Kaffeehaus einladen. Vielleicht tut mir bald wieder einmal was weh.

Nach drei Stunden verließ Fred die Praxis. Dank dem Gaukelspiel seiner rechten Hand, war er seiner Doktorin wieder einmal ganz nahe gewesen.



© 2007 joLepies
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Kommentar von "Nausicaä" zu "frühling z2"

einfach toll, dieses frühlingsgedicht. du findest in deinen gedichten häufig ganz eigene, besondere bilder. wunderschön, ohne kitschig zu sein.

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