Lebensdrama - Tragödie vom menschlichen Akt   2

Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Jessica Reinsch      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 2. Juli 2007
Bei Webstories eingestellt: 2. Juli 2007
Anzahl gesehen: 2270
Seiten: 3

Mit schwerschleifenden, ernüchternden Schritten setzte er einen Fuß vor den anderen über den knirschenden, hölzernen Parkettboden.

Nun stand er wieder dort, umgeben von strukturierten Kulissen, mitten auf der Bühne, mitten im Leben.

Zum ersten Mal seit unzähligen Jahren zeichneten sich kleine, voller Zweifel erfüllte Falten des Misstrauens auf seiner Stirn ab. Seine Augen streiften über die verzerrten Zuschauerränge und er verspürte zum ersten Mal beim Anblick dieser kritisch-lüsternen Mienen, der dort Sitzenden, ein Gefühl des Erbrechens. Ja, ihm war schlecht. Allerdings nicht vor Aufregung.

Auch wenn er zuvor nie an sich gezweifelt hatte, empfand er die zur Gewohnheit gewordene Selbstverständlichkeit, mit der er tagein, tagaus seine beinahe angewachsene Maske trug und mit der er sich Jahre lang seiner Rolle ergeben hatte, als verachtenswert.

Ohne zu Fragen, und ohne dass er überhaupt die Wahl hatte, steckte man ihn in ein lächerliches Kostüm und setzte ihm eine pseudorevolutionäre Maske auf.

So spielte er sich Rolle für Rolle, Stück für Stück, von Szene zu Szene, von einem Akt zum Nächsten durch sein bebildertes Leben ohne auch nur ein einziges Mal er selbst zu sein.

Doch hatte ihm die bunte Bühne von Welt nicht noch mehr zu bieten?

Wann sollte er beginnen nicht für das Publikum zu ,,spielen“, ja zu leben, wenn nicht jetzt!?!

Plötzlich vernahm er hinter sich ein donnerndes Krachen, welches die angespannte Stille in charismatische Fetzen zerriss. Er wandte seine Blicke vom verschwommen wahrgenommenen Publikum ab und drehte sich langsam um.

Seine Kulissen waren eingestürzt!

,,Meine Kulissen sind eingestürzt.“ murmelte er in einem fassungslosen und zugleich ruhigem Ton. Er starrte noch eine Weile gedankenverloren auf den Trümmerhaufen, der sein Leben bedeutete, bis er dann vor lauter Überdruss den Mut und Willen besaß, die Maske von seinem Gesicht zu reißen.

Er konnte den Anblick nicht länger ertragen und drehte sich wieder um, das Gesicht dem Publikum zugewandt. Was er dann sah, löste ein unbeschreibliches, brennendes und seelenzerfressendes Gefühl in ihm aus.

Was er sah waren keine, wie bisher verschwommen wahrgenommenen Gestalten, welche die Zuschauerränge füllten sondern scharfe Züge von Gesichtern, in deren begutachtenden Blick die Definition von Unmenschlichkeit, Intoleranz und Leere zu finden war.
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Jetzt wo der Schlafsand aus den Augen gerieben war, empfand er nichts als Ekel.

Er wusste, wenn er von nun an durch die Straßen geht, würde er sich fremd fühlen. Fremd, allein und umringt von so vielen, vielen Leichen, die noch nicht dem Leben weichen.

Was seine Kulissen zum Einsturz gebracht hatte, war die bewusste, die absolut bewusste Einsicht sich eines schönen Tages von der bunten Bühne von Welt verabschieden zu müssen, sie auf immer verlassen zu müssen.

Erst hatte man ihn unverhofft und ohne zu fragen auf dieser Bühne ausgesetzt. Er bekam sein Leben in die Hand gedrückt und musste zusehen, wie er damit klarkommt.

Ebenso unverhofft wird es ihm eines Tages wieder aus der Hand gerissen.

Einerseits könnte er unter anbetracht eines derartigen Widerspruches genauso gut hier und jetzt kompromisslos von der Bühne springen. Doch was wäre das Leben ohne Entscheidungen treffen zu müssen?! Andererseits bestand nämlich die Möglichkeit die Kulissen wieder aufzubauen mit der Gefahr, sich wieder in die Hauptstraße der Routine einzureihen und mit der Gewissheit, dass jene Kulissen jederzeit wieder einstürzen könnten.

Er hingegen wollte sich nicht unterwerfen, niemals, und schon gar nicht dieser verachtenswertenden Gesellschaft. Wenn jemand seinen Lebensfaden kürzen würde, dann der Zahn der Zeit, denn letztendlich ging es ihm darum, das Leben mehr zu lieben als den Sinn des Lebens. Ganz gleich wie viele Tücken es für ihn bereit halten würde, er war fest entschlossen sich leidenschaftlich daran festzuklammern.

Selbst undefinierbare Dinge wie Liebe, welche nur eine der beiden Kehrseiten der Medallie ist, konnte er nicht ohne Schmerz bekommen und genau diesen musste er lernen, auszuhalten.

Bevor das Stück vorbei war, hatte er den Gedanken der Endlichkeit lächelnd akzeptiert.

Wären wir unsterblich, dachte er, wie sehr könnte dann die Dummheit wuchern, die Eitelkeit sich spreizen und die Besitzgier uns lähmen. Wenn wir unendlich viel Zeit hätten, würden wir den besonderen Augenblick, der unser Leben zu dem macht, was es eigentlich ist, nicht mehr zu schätzen wissen, seine Einmaligkeit, denn es wäre wiederholbar, irgendwann in der Unendlichkeit.
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Das schlimmste jedoch, was ihn kurzzeitig erschaudern ließ, war, dass wir dann soviel Zeit hätten, um von allem, den Menschen, Dingen und Ideen enttäuscht zu werden. Nun war er dankbar für ein Stück Ungewissheit und Naivität, das die Welt zu dem großen Geheimnis macht, welchem wir manchmal nicht gewachsen sind.
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Punktestand der Geschichte:   2
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Kommentare zur Story:

  Ich finde, der Text hat eine Menge Potenzial, allerdings ist der Übergang zwischen einer tatsächlichen Handlung (Mann auf Bühne) und den theoretisch-philosophischen Gedanken des Protagonisten ab Beginn des Kulisseneinsturzes ein wenig hakelig. Es wirkt nicht richtig flüssig und für einige Gedankengänge hättest du dir mehr Zeit nehmen können, da es gegen Ende ziemlich unübersichtlich wird. Vielleicht da nochmal auf den Handlungsteil zurückgreifen, z. B. wie der Mann das Theater verlässt und das vorige nochmals gedanklich zusammenfasst und der Text somit ein Fazit zieht.
Trotzdem hat mir der Text gut gefallen, weil, wie gesagt, eine Menge Potenzial drinsteckt.
Gruß
Christian Hoja  
Chrstian Hoja  -  19.12.07 11:09

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Der Zug"

Hallo, ein schöner text, du stellst deine gedanken gut dar, trifft genau meinen geschmack. lg Holger

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