Trauriges · Kurzgeschichten

Von:    Shannon O'Hara      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 14. März 2007
Bei Webstories eingestellt: 14. März 2007
Anzahl gesehen: 3055
Seiten: 3

„Lasset uns das Urteil nun vollstrecken!“

Die Angst schnürt mir die Kehle zu. Dies aber Richter und Vollstrecker zu zeigen liegt nicht in meinem Interesse. Direkt sehe ich dem Henker ins Gesicht, sehe ich dir in die Augen.

Wie sehr habe ich in den vergangenen Jahren der Folter gehofft, dass du deine Position ausnutzen und dich für meine Freilassung einsetzen würdest. Nichts geschah!

Du erdachtest dir die Foltermethoden. Sie an mir auszuführen aber warst du außerstande.

Empfandest du Hemmungen weil du dich der gemeinsamen Zeiten erinnertest?

Als du von deiner Mutter, die im Nachbardorf wohnte, in der Abenddämmerung zu mir gebracht worden bist? Sie hat dich den weiten Weg durch den Wald geschleppt. Geschwächt wie du warst, konntest du kaum einen Fuß vor den anderen setzen.

Sie hatte den längeren Weg durch den Wald gewählt, damit keiner aus dem Dorf sehen konnte, dass sie meine Hilfe in Anspruch nahm. Zu groß war ihre Angst vor Ausgrenzung oder vielleicht sogar, ebenfalls als Hexe denunziert zu werden.

Als ihr meine Hütte erreichtet, waren viele deiner eiternden Wunden, die du aus einer Schlacht davon getragen hattest, aufgeplatzt und bluteten. Du warst fast ohnmächtig vor Schmerz und Anstrengung.

Deine Mutter half mir die ganze Nacht über, dich zu lagern, alle Wunden zu öffnen und zu reinigen. Als es zu tagen begann, schlich sie zurück in euer Dorf. Du bliebst in meiner Obhut und ich habe dich in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder vor Gevatter Tod gerettet.

Als es dir besser ging, entdeckten wir beide die Liebe zueinander. Dies war die schönste Zeit meines Lebens. Ich werde nie verstehen, warum du dich, als es dir gut ging, wieder deinem Lehnsherrn verkauftest.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen waren beendet. Er begehrte doch nur Wachpersonal für seine Burg und Schergen, die Angst und Schrecken verbreiten sollten, damit das gemeine Volk eingeschüchtert werde.

Für diese Aufgabe hast du alles aufgegeben, was schön, rein und edel war. Du hast auch mich von dir gestoßen. Denn zu der Zeit wurde das Wort „Hexe“ ganz offen mit meinem Namen ausgesprochen.

Hast du nicht so weit denken können, warst du so verblendet, dass du nicht erkennen konntest, dass wir uns wiedertreffen würden? Dass wir uns allerdings nie mehr auf einer Ebene würden begegnen können?

Ich darf gar nicht an damals denken! Ich habe tagelang nicht geschlafen, habe immer wieder deine Wunden ausgewaschen, mit heilenden Kräutern belegt, dir belebende Kräutersuds eingeflößt.
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Dein Dank bestand darin mit dem Pfaffen und dem ganzen Dorf im Schlepptau den Weg zu meiner Hütte herauf zu stolzieren und dir die Anklagen anzuhören.

Dein Schwert leuchtete auf im Sonnenlicht. Das letzte Leuchten, das ich fortan sehen sollte.

Mit keinem Wort, keiner Geste verteidigtest du mich. Du warst dir der Macht des Pfaffen zu bewusst und verspürtest wohl auch den Druck des Volkes. Aber du hättest die ganze Farce beenden könnten, hättest du es gewollt.

Mir brach das Herz, aber auch das schien dich nicht zu interessieren. Du hattest nur noch den Blick nach vorne gerichtet. Du wolltest nur noch auf dich aufmerksam machen, um der Tochter des Sire zu imponieren.

Meinem Herzen konnte die Folter nicht mehr schaden. Es war gebrochen. So wie wenig später viele Knochen aussehen sollten. Gelenke ausgekugelt, Finger und Zehe gequetscht, die Haut mit Wunden und Narben übersät, gepeitscht, gebrannt, versengt.

Deine Folterknechte befolgen deine Instruktionen bis ins Detail.

Aber sieh mir in die Augen!

Sieh in meine Seele, genauso wie ich in der Lage bin, in deine zu schauen!

Mein Innerstes haben sie nicht erreicht. Dieses Trümmerfeld hast alleine du zu verantworten.

Nun drehst du mich um, von dir fort. Ich kann einen kurzen Blick über das versammelte Volk werfen.

Diese dummen Menschen werden wohl nie verstehen, dass sie von der Obrigkeit vor ihren dreckigen Karren gespannt werden. Ich kann es ihnen nicht verdenken, sie sind so erzogen und zu einfältig oder feige, aufzubegehren.

Aber du bist anders. Du hast die Machenschaften durchschaut, schaffst es allerdings nicht, dich von ihnen zu lösen. Welchen Reiz stellt diese Position dar? Ist die Heirat mit der Lady das alles wert?

Du drehst mich weiter. Ich kann auf einer errichteten Empore den Sire sehen, neben ihm seine Tochter. Ich empfinde nur Abscheu und Aufbegehren. Ich versuche die Stricke an meinen Händen zu lösen, aber du hast sie sehr gut festgezogen. Sie schneiden mir ins Fleisch.
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Dankbar begrüße ich den Wind, der vom Meer herüberweht.

Bei der weiteren Drehung halte ich ihm mein brennendes Gesicht entgegen. Tränen der Freude, der Begrüßung rinnen über meine Wangen.

Könntest du mich jetzt sehen, würdest du bestimmt denken, ich bereute und würde um Vergebung flehen. Aber dem ist nicht so. Ich begrüße den Schritt, der mich aus diesem verlogenen Leben in ein anderes bringen wird.

Diese Welt, diese Zeit ist nicht reif für mich. Ich werde wiederkommen.

Ich werde auch zu dir zurückkommen. Vielleicht werden wir in einer anderen Zeit mehr Freiheiten haben, unsere Liebe zu leben. Ich wünsche es mir von Herzen.

Ich spüre deine warme Hand auf meiner Schulter. Langsam schiebst du mich näher an die Kante der Klippe.

Das Dröhnen der brandenden Wellen dringt zu uns hinauf. Ich meine sogar die Gischt auf den Wangen zu spüren.

„Leb wohl, céadearc!“







(céadearc – irish-gaelic, Liebling, Geliebte/r, Schatz)
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Kommentare zur Story:

  Die Sprachwahl finde ich der Zeitepoche entsprechend gut getroffen und du schaffst es auch, sie bis zum Ende einzuhalten, daran scheitern manche Texte mit historischem Bezug (einfach zu viele moderne Begriffe). Deshalb: hat mir gut gefallen!
lg
Christian  
Chrstian Hoja  -  19.12.07 10:05

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  ich habe bis zum letzten moment gehofft, er würde doch noch zu ihr gehen...traurig..gefällt mir sehr gut...das wars auch schon! lg  
Alexiel Alexiel  -  08.12.07 19:19

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  hallo shan!
deine story gefällt mir sehr gut! mehr kann ich da eigentlich nicht sagen...:)
lg darkangel  
darkangel  -  17.03.07 13:15

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Der Zug"

Hallo, ein schöner text, du stellst deine gedanken gut dar, trifft genau meinen geschmack. lg Holger

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