Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester · Romantisches

Von:    Homo Faber      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. Dezember 2006
Bei Webstories eingestellt: 21. Dezember 2006
Anzahl gesehen: 4847
Seiten: 3

Die Einkaufszone war auch an diesem Tag voller Menschen. Alle waren unterwegs, um noch ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen. In den Geschäften spielte Musik, schöne Musik, Weihnachtsmusik. Festlich waren die Schaufenster dekoriert und zusammen mit der eintretenden frühabendlichen Dunkelheit fehlte eigentlich nichts mehr, um eine fröhliche Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen.

Für ihn war dies immer die traurigste Zeit im Jahr. Wenn er so durch die Stadt ging, stellte er sich immer vor, dass er auch Weihnachtseinkäufe mache und für kurze Momente teilte er die fröhliche Stimmung mit den anderen Leuten, die unterwegs waren, bis seine Gedanken wieder von der Realität eingefangen wurden.

Morgen war Heiligabend. Und er wusste, dass er wie jedes Jahr wieder allein in seiner Wohnung sitzen würde, weil er niemanden hatte, mit dem er Weihnachten feiern konnte. Seine Eltern waren tot, seine Frau hatte ihn vor mehr als zehn Jahren verlassen und hatte ihre gemeinsame Tochter mitgenommen. Seitdem hatte er sie wieder gesehen, er hatte auch nie erfahren, wo sie nun leben und das Recht, seine Tochter zu sehen, wurde ihm auch verwehrt. Seine Frau wollte nicht, dass die beiden Kontakt untereinander hatten. All das hatte er nie verstanden.

Sein einziger Weihnachtswunsch war, seine Tochter wieder zu sehen. Wie gern würde er das Weihnachtsfest mit ihr verbringen. Wie es ihr wohl ging, was sie wohl machte? Inzwischen war sie 20. Vielleicht studierte sie. Möglicherweise war sie ja auch schon verheiratet und vielleicht sogar inzwischen selbst Mutter. Und er wäre dann Großvater und wusste nicht einmal davon. Aber er glaubte nicht, dass sie mit 20 schon Mutter war, auch wenn das heutzutage Gang und Gebe war.

Er wurde aus den Gedanken gerissen, als eine junge Frau ihn nach etwas Kleingeld fragte. Er gab ihr etwas, woraufhin sie sich mit einem Lächeln bedankte .

Sie war vielleicht 20 Jahre alt, hatte das Leben noch vor sich. Sie würde genauso einsam an den Weihnachtstagen sein, dachte er sich. Und sie hatte wahrscheinlich nicht einmal eine Bleibe und musste auf der Straße bleiben bei der Kälte. Und sie hatte nicht einmal einen Schal.

Er war gerade zwei Meter weitergegangen, als er wieder umkehrte zu ihr. Da er sowieso niemandem ein Geschenk machen konnte und mehr als genug Geld verdiente, wollte er ihr helfen, dass sie für ein paar Tage wenigstens in einer Notunterkunft unterkommen konnte und gab ihr 50 Euro.
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Mit großen Augen sah sie ihn an.

„Es ist kalt draußen, ich dachte, vielleicht haben Sie keine Bleibe, so können Sie ein paar Tage irgendwo unterkommen“, sprach er. Sie wollte das Geld erst nicht annehmen, aber schließlich nahm sie es doch und war so dankbar, dass sie kein Wort sagen konnte.



Als er spätabends, weil er sowieso nicht schlafen konnte noch ein wenig spazieren ging, sah er das obdachlose Mädchen wieder. Sie hatte es sich gerade auf einer Parkbank „bequem“ für die Nacht gemacht. Sie erkannte ihn auch und grüßte erfreut.

„Aber was machen Sie denn hier auf der Bank, warum haben Sie sich denn kein Zimmer in einer Notunterkunft genommen?“, fragte er.

„Es war leider nirgendwo mehr eins frei“, antwortete sie.

„Das tut mir leid“, sagte er.

„Ach, das macht nichts, ist schließlich nicht meine erste Nacht auf der Straße“, sagte sie und klang nicht einmal traurig dabei. Es schien ihr wirklich nichts auszumachen.

„Darf ich fragen, wie lange Sie schon auf der Straße leben?“, fragte er.

„Klar dürfen Sie, etwa ein halbes Jahr. Ich bin zu Hause abgehauen, weil ich mit meiner Mom und vor allem meinem blöden Stiefvater nicht klarkam. Bin von ihm sogar geschlagen worden. Aber ich komm schon ganz gut klar so. Ich brauch nicht viel zum leben.“

Er wusste gar nicht, was er darauf sagen sollte. Sie tat ihn unendlich leid.

„So, ich werd mich mal schlafen legen“, meinte sie dann. „Ich wünsche ihn ein schönes Weihnachtsfest.“

„Ich Ihnen trotz allem auch eine gute Nacht. Vielleicht ist ja morgen irgendwo ein Zimmer frei“, antwortete er und machte sie auf dem Weg. Nach fünf Schritten hielt er plötzlich inne, dachte kurz nach.

„Sie werden sich hier draußen den Tod holen“, wandte er sich zu ihr um.

„Das geht schon in Ordnung“, meinte sie.

„Ich weiß, Sie kennen mich nicht und ich Sie auch nicht, aber ich kann Ihnen anbieten, bei mir für diese Nacht unterzukommen. Ich habe auch ein Zimmer frei“, bot er ihr an.

„Echt? Das wäre aber nett von Ihnen“, reagierte sie ganz locker. „Aber was sagt denn Ihre Frau dazu?“

„Ich bin seit über zehn Jahren geschieden“, erklärte er.
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Sie entschied, mitzukommen.

„Ich bin übrigens Sandra“, stellte sie sich vor als sie in seiner Wohnung waren. Er zuckte zusammen, als er den Namen hörte. Das war der Name seiner Tochter.

„Ich bin Georg. Meine Tochter heißt auch Sandra. Ich hab sie aber seit über zehn Jahren nicht gesehen“, erzählte er.

„Und mein richtiger Vater heißt Georg“, erzählte sie verdutzt. „Und ich hab ihn auch so lange nicht gesehen. Und du siehst auch so aus wie er, nur dass er keine Brille hatte…“

„Damals hatte ich auch noch keine Brille…“, unterbrach er.

„Meine Mom ist damals mit mir nach Berlin gezogen und ich durfte ihn nie sehen. Und ich bin hier erst wieder seit ein paar Tagen“, unterbrach sie ihn darauf hin wieder und sprach dabei sehr schnell.

„Ja, meine Frau ist damals auch nach Berlin gezogen“, sagte er genauso schnell.

Für einen Moment sahen sie sich beide an.

„Dad???“, fragte sie dann.

„JA“, antwortete er mit Freudentränen und sie fielen sich in die Arme.

Nun war sein Weihnachtswunsch doch noch in Erfüllung gegangen.
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Kommentare zur Story:

  jo, überstimmt, es leben die albernen, sentimentalen!*g* mir gefällts.
lg darkangel  
darkangel  -  24.02.07 17:30

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  Genau so sehe ich es auch ;-)  
Sabine Müller  -  22.12.06 17:18

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  hallo zusammen,

danke für eure kommentare.
@christa: es ist schon richtig, dass ein gericht jemandem nicht so einfach das besuchsrecht verweigert, aber hier in der geschichte geht es mir darum, dass zwei menschen sich nach langer zeit wieder gefunden haben und um einen Wunsch, der in erfüllung gegangen ist, da war es mir nicht so wichtig, ob die vorgeschichte realistisch ist oder nicht.

Lg Holger  
Homo Faber  -  22.12.06 17:16

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  Ich finde hier geht es um Phantasie. Weihnachten hat oft etwas märchen- oder zauberhaftes. Es geht in der Geschichte um eine Botschaft und nicht um irgendwelche §§ - Reiter usw. Es muss doch nicht immer Alles klipp und klar nach der Regel gehen. Aber so sieht es Jeder anders. Es ist ja nicht böse gemeint. Lg Sabine  
Sabine Müller  -  22.12.06 14:18

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  Hallo Sabine,
und was ist mit Ostergeschichten? Geburtstagsgeschichten? Januar-Februar-März-April-Mai-Juni-Juli-August-September-Oktober-November-Dezember-Geschichten?
Soll das denn indirekt heißen, daß bei Weihnachtsgeschichten gelogen werden kann, bis sich die Balken biegen?
Soll das auch heißen Weihnachten ist Märchenzeit?
Sehr seltsam, was Du da sagst.
Christa  
CC Huber  -  22.12.06 14:02

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  Es ist eine Weihnachtsgeschichte, da ist soetwas erlaubt, finde ich. Märchenstyle halt. lg Sabine  
Sabine Müller  -  22.12.06 13:57

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  Das könnte eine tränentreibende Geschichte sein, wenn sie nicht etwas an den Haaren herbei gezogen wäre. Erstens hat auch das Jugendamt ein Wörtchen über das Besuchsrecht mitzureden, die Mutter hätte das niemals alleine entscheiden können. Und wenn das Gericht das Besuchsrecht verweigert hat, dann hat unser Georg bestimmt auch irgendwo Dreck am Stecken. Und wenn sich dieses Mädchen nicht anders zu helfen weiß, als auf der Straße zu leben, na dann?
Selbst an Weihnachten kann ich bei solchen Geschichten nicht weinen.
Lg
Christa  
CC Huber  -  22.12.06 13:39

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  Hallo, eine rührende Geschichte! Habe sie ja gestern schon gelesen. Ich mag solche Geschichten vom Wiedersehen ganz besonders. Lg Sabine  
Sabine Müller  -  22.12.06 12:44

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