With or without you - 12. Genesung   338

Romane/Serien · Romantisches

Von:    Conva      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 14. Juni 2005
Bei Webstories eingestellt: 14. Juni 2005
Anzahl gesehen: 2521
Seiten: 16

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


~Genesung~



Als ich die Augen wieder öffnete, war das Zimmer kaum erhellt. Nur zwischen den Vorhängen schien ein Lichtstrahl hindurch. Die kleine Uhr auf meinem Nachttisch verriet mir, dass es früher Morgen war. Mein Bein schmerzte fast nicht mehr und ich fühlte mich ausgeruht und erholt wie schon lange nicht mehr. Nachdem ich nach Túlipa geklingelt hatte, dauerte es nicht lange bis sie auftauchte. Mit ihrer Hilfe nahm ich ein gründliches Bad. Doch als ich meine alten Kleider anziehen wollte, erlebte ich eine Überraschung: Túlipa hielt mir statt meiner eigenen Sachen ein hübsches grünes Reitkostüm hin. „Der Comte bittet Euch darum, dieses Kleid anzuprobieren. Es passt Euch vielleicht nicht so gut, doch er meint, Ihr wäret sicher froh, etwas anderes als Eure eigene Tracht anzuziehen.“

„Und woher hat er auf die Schnelle dieses Kleid her?“ fragte ich neugierig.

Die Wangen des Mädchens färbten sich leicht rosa. „Soweit ich verstanden habe, hat eine, äh, Freundin von ihm dieses Kleid hier vergessen.“

Als mir klar wurde, was die Zofe mir sagen wollte, hätte ich das Kleid am Liebsten zurückgewiesen, doch wurde mir klar, wie töricht das gewesen wäre. Man hatte es sicher noch nicht geschafft, meine eigenen Klamotten zu waschen, und etwas anderes zum anziehen hatte ich nicht.

Zu meiner Überraschung passte das Reitkostüm sehr gut, nur der Saum war etwas zu kurz. Túlipa klingelte nach einem Diener, der mich in das Frühstückszimmer rollte. Es ähnelte dem Speisezimmer des vorangegangen Abend, war jedoch kleiner und etwas gemütlicher. Au einem langen Tisch war alles aufgereiht, was man sich zu seinem Frühstück wünschen könnte.

Ich bemerkte, dass mein Vater bereits gegessen hatte und sich dann hinter einer Zeitung verschanzt hatte. Er war schon immer ein Frühaufsteher gewesen und begrüßte mich nun munter.

„Guten Morgen, Núphar. Konntest du gut schlafen? Oder hat dir dein Bein Probleme bereitet?“

„Überhaupt nicht, ich habe geschlafen wie ein Baby.“ lächelte ich.

„Das freut mich. Ich werde heute mit dem Comte zurück nach Paniculáta reiten, um mit den Offizieren dort zu besprechen, was weiter gegen die banditos unternommen werden soll.
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Ich weiß, dass du dich hier ziemlich langweilen wirst, aber es ist leider unumgänglich, tut mir Leid.“

Meine gute Laune angesichts des üppigen Frühstücksangebot verdüsterte sich erheblich, doch ich ließ mir nichts anmerken. Schließlich war ich doch froh darüber, den Comte so wenig wie möglich sehen zu müssen, oder?!

Eben in diesem Moment trat mein Verlobter ein. Er trug bereits seine Reitkleidung und hielt einen Brief in der Hand. „Guten Morgen, Núphar.“ sagte er freundlich und ich erwiderte seinen Gruß. Dann gab er den Brief meinem Vater, bevor er einen Teller mit frischem hellem Brot, Speck und Ei belud und diesen vor mir abstellte. „Oder möchtest du lieber Obst?“

„Nein danke, jetzt noch nicht. Vielen Dank für den Teller.“ sagte ich so freundlich wie möglich.

Ein Zucken ging um seine Mundwinkel, doch verbeugte er sich lediglich und nahm sich selbst zu Essen.

Mein Vater grunzte inzwischen zufrieden und schob mir den Zettel hin, den der Comte ihm gegeben hatte. „Sehr gut,“ lobte er, „werdet Ihr das heute noch abschicken?“

Der Comte nickte. „Ich werde gleich einen Boten losschicken, damit es morgen noch in die Zeitung kommt.

Mein Vater runzelte die Stirn. „Da muss der arme Kerl ja reiten wie der Teufel, damit das zu schaffen ist.“

„Ich weiß, aber auf der Strecke nach Cer stehen überall meine Pferde in den Poststationen. Es wird zu schaffen sein und unter den gegebenen Umständen will ich es so schnell wie möglich veröffentlichen.

Ich hatte mir den Brief noch nicht angesehen, weil ich erst dringend etwas in den Magen bekommen musste. Jetzt konnte ich meine Neugier jedoch nicht länger zurückhalten und schlang schnell mein letztes Stück Brot mit Ei hinunter. Dann wischte ich mir meine Hände an der Leinenserviette ab und nahm den Brief.

Er war an den Herausgeber der größten Zeitung unseres Landes adressiert und enthielt einen Artikel über die Bedrohung der banditos und die falschen Anklagen gegen die Gypsóphila. Offenbar wollte Senécio, dass sein Artikel in der Zeitung abgedruckt wurde. Ich überflog diesen Text nur, denn er enthielt wenig, was mir nicht inzwischen schon bekannt war. Dann stutzte ich jedoch. und las den letzten Absatz noch einmal genau durch.
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Des weiteren (stand da) möchte ich Euch darum bitten, folgende Anzeige in den Heiratsanzeigenteil Eurer Zeitung aufzunehmen, ebenfalls so schnell wie möglich. Die Gründe werden Euch gewiss einleuchten.



Es wird bekannt gegeben, dass sich Prinzessin Núphar Koéleria, Tochter von Lady Marjam Koeléria und Ruaki Koeléria, König der Gypsóphila, und der Comte Senécio di Drýas, Sohn der Duchess Myosótis von Fritillária und dem Duke Orobánche von Fritillária verlobt haben. Ihre Hochzeit wird in zwei Monaten in der Kirche der Heiligen von Galánthus in der Hauptstadt stattfinden.



Mein Atem stockte, als ich meine Zukunft so sachlich aufgeschrieben sah. Dann riss ich mich jedoch zusammen. Ich hatte es doch schon am vorigen Tag festgestellt, dass ich keine andere Wahl hatte, als den Comte zu heiraten. Und auch jetzt tröstete ich mich wieder mit dem Gedanken, dass es sehr viel schlimmer hätte kommen können.

Schweigend gab ich dem Comte seinen Brief zurück. Er betrachtete mich einen Moment lang prüfend, dann nahm er den Brief ebenso wortlos an sich.

„Núphar,“ meinte mein Vater plötzlich, „was hast du da eigentlich für ein Kleid an?“

„Oh,...das...“ sagte ich verwirrt. Ich wusste nicht recht, wie ich mich ausdrücken sollte.

Der Comte bemerkte meine Verlegenheit und blinzelte mir zu. Dann sagte er an meinen Vater gewandt: „Eine Cousine von mir hat hier einmal einen ihren Koffer vergessen. Sie hat ihn nie abgeholt und ich bin überzeugt, sie hat es nur getan, um ihre Mutter dazu zu bringen, ihr neue Kleider zu kaufen.“

„So, so“ brummte mein Vater. „Aber gab es denn keine anderen Kleider in dem Koffer? Ein einfaches Hauskleid wäre doch passender, da Núphar sich kaum bewegen kann.“

„Ich bin doch keine Invalide!“ warf ich ärgerlich ein. „Und seit wann weißt du, was Frauen zu welchen Anlässen tragen? Mir gefiel halt dieses Reitkostüm am Besten!“ Dem Comte ebenfalls einen bösen Blick zuwerfend, doch um einen ruhigen und höflichen Ton bemüht, erklärte ich dann: „Ich würde gerne zu Massai gehen, damit er sein Futter bekommt. Würdest du mich begleiten?“

„Aber mit dem größten Vergnügen.
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Vielleicht kannst du ihn ja auch dazu bringen, von meinem Stallmeister das Futter anzunehmen.“

„Ja, vielleicht.“ sagte ich leichthin. Sobald wir aber das Haus verlassen hatten, funkelte ich den Comte an (soweit dies möglich war – er ging ja hinter mir und schob mich).

Doch er kam meinen Worten zuvor indem er schuldbewusst sagte: „Offenbar weißt du schon, woher die Kleider in Wirklichkeit stammen. Ich wollte dich keineswegs damit in Verlegenheit bringen, ich dachte lediglich, dass es für dich ganz angenehm wäre, wieder etwas anderes zu tragen.“

Ich wusste nicht genau, was ich auf seine Worte erwidern sollte, also schwieg ich.

„Du kannst dir natürlich auch gerne die anderen Kleider ansehen, doch glaube ich, du wirst das Reitkostüm bevorzugen. Die anderen Kleider sind etwas, hm... frivoler geschnitten.“ fuhr der Comte fort. Er fühlte sich sichtlich nicht wohl in seiner Haut.

Geschieht ihm ganz Recht! dachte ich schadenfroh. Gleichzeitig regte sich jedoch Eifersucht in mir. Selbst ich konnte sehen, dass die Kleider nach der neuesten Mode geschnitten waren. Seit wann hatte sich der Comte von seiner Mätresse getrennt? Oder waren sie etwa gar nicht getrennt, hatte sie ihre Kleider zurückgelassen, weil sie sicher sein konnte, bald wiederkommen zu dürfen?

Während ich wütend und traurig zugleich darüber grübelte, hatte Senécio das Thema geschickt auf seine Pferdezucht gelenkt und erzählte nun Geschichten über die Tiere, an denen wir vorüber kamen.

Ich antwortete jedoch noch immer nicht und so schwieg auch er schließlich. Vom Stallmeister erbat ich mir Heu und eine Portion Hafer und ließ mich dann zu Massai rollen. Dieser freute sich so, mich zu sehen, dass er eine Reihe von übermütigen Bocksprüngen losließ und dabei immer wieder durchdringend wieherte. Senécio und der Stallmeister sahen ihm dabei bewundernd zu, ich hatte aber heute keine Freude daran. Zudem belastete mich der Gedanke, was Massais Übermut für seine Verletzung bedeutete. Also pfiff ich ihn heran und hielt ihm den Hafereimer hin, während der Stallmeister pflichtschuldig das Heu auf die Kopple häufte. Doch auch das friedliche Geräusch meines zufrieden fressenden Pferdes konnte mich nicht von meinen düsteren Gedanken ablenken.
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Und so war ich sehr froh, als Senécio verkündete, er müsse nun mit meinem Vater los. Er versprach, mir einen Diener zu schicken, der mich zurück ins Haus bringen würde. Ich sah im nach, wie er davoneilte. Seinen energischen Schritten war nichts mehr von der Erschöpfung anzumerken, die ihn am Tag zuvor in der Kutsche übermannt hatte. Mit seinem guten Aussehen, seinem Titel und seinem Reichtum war er sicher begehrtes Ziel vieler Frauen. Es war kaum zu glauben, dass ausgerechnet ich ihn heiraten sollte! Doch traurig machte ich mir bewusst, dass eine Heirat wie die unsere, nur aus politischen Gründen geschlossen und bar jeder Emotionen, nicht automatisch bedeutete, dass er mich nach der Hochzeit auf ewig lieben und als einzige Frau in seinem Leben ansehen würde. Es war in diesen Zeiten nichts ungewöhnliches, sondern eher schon die Regel, wenn der Mann sich auch nach der Hochzeit weiterhin mit seinen Mätressen traf. Solange sich dies ohne Skandal ereignete, hatte niemand etwas dagegen. Schlimmer sah es dagegen für Frauen aus. Erfuhr die Gesellschaft, dass eine Frau ein außereheliches Verhältnis hatte, wurde sie geächtet und war auf alle Zeiten verdammt. Sollte ich eines Tages einen Mann treffen, der mich liebte, und den ich liebte, so hätten wir äußerst vorsichtig zu sein, um nicht entdeckt zu werden. Doch nein, ich musste mir eingestehen, dass ich den Mann, den ich liebte, schon gefunden hatte. Doch so höflich er mich auch behandeln mochte, so glaubte ich doch genau zu wissen, dass ich nicht widergeliebt wurde. Und dieser Gedanke schmerzte mich zutiefst.



Die folgenden Tage vergingen in endloser Monotonie für mich. Mein Vater und mein Verlobter verließen nach dem Frühstück das Haus und kamen erst spät abends wieder. Sie erzählten nicht viel, was sie getan hatten, und ich fragte nicht nach. In den Stunden des Alleinseins saß ich viel bei Massai an der Koppel, meist mit einem Buch in der Hand. Die Bibliothek des Comte hatte sich als wahre Fundgrube an Schätzen herausgestellt. Wahrscheinlich war es der Einfluss seines Vaters, dass so viele alte Klassiker dort vorhanden waren, die ich nun mit Vergnügen las. Sie bescherten mir willkommene Ablenkung von meinen Gedanken und ließen mich die Tage leichter rumbekommen. Wenn ich nicht gerade las oder aß, dann grübelte ich über meine Zukunft nach.
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Die Hochzeit rückte immer näher, doch versagte meine Phantasie bei dem Versuch, mir vorzustellen, wie mein Leben dann wohl aussehen mochte. Wahrscheinlich aber würde sich nicht viel ändern. Ich würde weiterhin meine Tage weitesgehend allein verbringen und meinen Mann nur wenig sehen, da er seinen Geschäften nachgehen musste.

Hin und wieder würde ich wohl eine Gesellschaft geben oder Gäste des Comte bewirten müssen. Im Grunde ein friedliches Leben, und wenn ich mich erst einmal wieder gescheit bewegen konnte, würde ich bestimmt sehr glücklich sein. Doch etwas fehlte...

Ich hatte bereits zwei lange Briefe an Linária geschrieben, doch noch keine Antwort erhalten. Ich vermisste meine beste Freundin unendlich, denn ohne sie hatte ich niemanden, dem ich meine Gedanken anvertrauen konnte. Massai zählte nicht, da er mir ja doch nicht antwortete.



Nach ungefähr einer Woche unterbrach plötzlich das Knirschen von Rädern auf Kies die Ruhe um mich herum. Kurz darauf kam ein Diener zu Massais Koppel, wo ich gerade saß, gelaufen.

„Es ist Eure Mutter!“ keuchte er. „Sie wünscht Euch sofort zu sprechen.“

Ich nickte und der Mann rollte mich in meinem Stuhl zu dem eleganten Salon, in dem Besucher empfangen wurden.

Ich wunderte mich etwas darüber, dass meine Mutter hier war. Doch wahrscheinlich wollte sie sich nur vergewissern, dass ich mich anständig verhielt.

Als ich jedoch in den Salon kam, erlebte ich eine Überraschung: Bei meinem Anblick brach meine Mutter in Tränen aus und stürzte an meine Seite.

“Oh Núphar,“ schluchzte sie, „wenn ich gewusst hätte... Warum hast du mir nichts gesagt?“

“Was gesagt?“ fragte ich.

“Na, dass du den Comte nicht heiraten willst. Du hast mich vor aller Welt bloßgestellt mit deinem Verhalten. Wir hätten doch darüber reden können und bestimmt eine Lösung gefunden. Ich wollte doch nur dein Bestes!“

Ich starrte sie ungläubig an. „Du hättest mir geholfen, der Heirat mit dem Comte zu entgehen?“

„Na ja, es wäre mir nicht leichtgefallen und ich hätte es auch nicht verstanden. Er bietet dir alles, wovon man als Mädchen nur träumen kann.
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Einen Titel, eine Position in der Gesellschaft, Reichtum... Und er sieht auch gut aus und ist ein höflicher charmanter junger Mann.... Aber wenn du ihn partout nicht haben willst – ich bin sicher, es hätte eine Lösung gegeben. Doch nun musst du ihn heiraten und wirst ebenso unglücklich wie ich damals in meiner Ehe!“ Sie schluchzte wieder auf.

„Aber Mutter,“ sagte ich gerührt und drückte ihre Hand, „ich bin sicher, man kann das nicht vergleichen. Im Gegensatz zu dir weiß ich nun auch genau, worauf ich mich bei der Heirat einlasse; ich weiß ziemlich genau, welch ein Leben mich erwarten wird. Der Comte wird mir ein guter Gatte sein. Und,“ ich schluckte, „auch wenn er mich nicht liebt, so werde ich bestimmt keinen Grund zum Klagen haben. Wie du schon sagtest, er ist dafür zu höflich und gut erzogen.“ Unglaublich, ausgerechnet ich verteidigte meine Ehe mit dem Comte gegenüber meiner Mutter!

“Du hast Recht, er wird ein idealer Gatte sein. Und dass ihr euch nicht liebt ist sogar von Vorteil“ schniefte meine Mutter. „Dann kann sich die Liebe wenigstens nicht in Hass verwandeln.“

Entsetzt schaute ich sie an. Hasste sie meinen Vater wirklich? Dass sich die beiden nicht mehr besonders nahe standen, war mir natürlich klar, aber dass ihre Abneigung wirklich so weit ging...

Meine Eltern hatten sich einst geliebt. So sehr, dass sie allen Konventionen trotzten. Und jetzt? Wie hatte es geschehen können, dass ihre Liebe erloschen war und sich, glaubte man meiner Mutter, sogar ins Gegenteil verkehrt hatte? Würde einst auch meine Liebe ins Gegenteil verkehrt, aus Kummer und Zorn darüber, dass sie nicht erwidert wurde? Würde es nicht sogar viel schneller noch passieren, da die Liebe einseitig war, als bei einer gegenseitigen Liebe, die „nur“ an den äußeren Umständen zerbrach?

“Du wirst ihn nun also bestimmt heiraten, und keine Szene mehr machen?“ unterbrach meine Mutter meine Gedanken.

„Ja, ich werde ihn heiraten.“ erwiderte ich müde.

Sie sah schon viel fröhlicher aus, tupfte sich die Augen mit einem Spitzentüchlein trocken und fing dann an, meine Hochzeit zu planen!

Während ich ihr dabei zuhörte, versuchte ich verzweifelt mir einzureden, wie glücklich ich mich doch schätzen konnte, einen Mann wie den Comte zu bekommen, der mich stets höflich und rücksichtsvoll behandeln würde, solange auch ich mich vernünftig verhielt.
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Bis zur Rückkehr von Senecio und meinem Vater vertrieb sich meine Mutter die Zeit damit, sich von mir und der Haushälterin durch sämtliche Räume des Hauses führen zu lassen. Sie lobte die eleganten Salons mit ihrer geschmackvollen Einrichtung und selbst die mehr gemütlich eingerichteten Räume fanden ihre Gnade. Mit einem Blick auf mich erklärte sie, dass es sich hier im Kreis der Familie sicher sehr angenehm sitzen ließ. Im Gegensatz zu mir brach sie beim Anblick der vielen Bücher der Bibliothek nicht in Begeisterung aus, dennoch fand sie es durchaus angebracht, dass ein möglicherweise künftiger Herrscher viel las und sich in jeder Richtung bildete. Am Besten gefiel ihr jedoch der kleine Rosengarten hinter dem Haus, den die verstorbene Großmutter des Comte angelegt hatte. Sie ließ sich den Nachmittagstee dorthin bringen und fragte für ihre Verhältnisse ungewohnt taktvoll nach meinen Ansichten bezüglich des Hauses und nach eventuellen Veränderungen, die ich als Herrin des Hauses vornehmen würde.

„Ich glaube nicht, dass ich viel verändern werde.“ sagte ich leichthin.

„Sicher,“ stimmte meine Mutter zu, „wenn der Comte tatsächlich König werden sollte, werdet ihr wohl nur wenig Zeit hier verbringen. Dennoch dachte ich mir, dass du vielleicht einiges modernisieren möchtest.“

„An was hast du denn gedacht? Mir fällt eigentlich nichts ein, was noch verbessert werden könnte,“ verteidigte ich das Haus, das ich in der letzten Zeit tatsächlich lieben gelernt hatte. Es war aber auch ein wunderschönes Anwesen!

„Mir ist klar, dass du die eher gemütlich eingerichteten Zimmer wenig verändern wirst, abgesehen vielleicht vom Aufstellen deiner Staffelei, aber die eleganteren Räume – nun, sie mögen sehr stilvoll eingerichtet sein, sind aber doch schon ein wenig aus der Mode. Wenn du hier die bedeutendsten Personen unseres Landes empfangen willst, möchtest du doch sicher einen guten und mondänen Eindruck machen? Und vielleicht solltest du dir etwas überlegen, wie man den direkten Blick auf die Stallungen unterbrechen kann. Mir ist klar, dass der Comte sehr stolz auf seine Pferde ist, selbst ich habe bereits von seiner überragenden Zuchtlinie gehört, und auch du wirst an dem Blick wohl wenig auszusetzen haben, dennoch ist er nicht gerade angemessen, versichere ich dir.
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Man könnte fast glauben, auf einem einfachen Bauernhof zu sein, wenn man den Geruch der Tiere unvermittelt in die Nase bekommt.“

„Ich werde es mir überlegen,“ versprach ich halbherzig.

„Ach, da fällt mir ein, ich habe deine Staffelei mitgebracht. Damit kannst du dir die Zeit vertreiben, bis du wieder laufen kannst, was du sicher kaum noch erwarten kannst.“

Meine Mutter erstaunte mich immer mehr! Ich dankte ihr und überlegte schon, was ich als erstes malen wollte.

„Und auch der Stallbursche ist mitgekommen. Der Comte hat mich darum gebeten, damit du dich nicht alleine um dein Pferd kümmern musst. Ich muss sagen, dein Verlobter hat Recht wenn er sagt, das dies zu anstrengend für dich sein könnte. Er will ihn hier anstellen und mir einen seiner Stallburschen als Ersatz anbieten. Er meinte, du würdest dich darüber freuen, was auch ich glaube, denn es ist immer angenehm, seine eigenen gewohnten Bediensteten um sich zu haben, statt lauter Fremder. Und ich habe dir auch einen Brief von Linária mitgebracht. Ihre armen Eltern sind noch immer außer sich vor Scham über das Verhalten ihrer Tochter. Sie können sich momentan natürlich nirgends mehr blicken lassen, aber wenn sie ihren Schwiegersohn anerkennen, wird wohl bald alles vergessen sein. Mr Nájas war gezwungen, einige Schulden von Lord Órchis zu begleichen, die dieser hinterlassen hat. Der Lord hat versprochen, alles zurückzuzahlen, doch wie er das machen will, weiß ich nicht. Er hat sich wohl in den Kopf gesetzt zu arbeiten.“

Ich sah sie an, während meine Gedanken kaum hinterherkamen. Der Comte hatte daran gedacht, meinen Stallburschen zu holen und wollte ihn hier einstellen. Ich freute mich wirklich darüber, denn der alte Mann war mein ältester Freund und der einzige Mensch, dem ich Massai bedenkenlos anvertrauen konnte. Und Linária hatte mir geschrieben! Ich sehnte mich danach, von meiner Freundin zu hören und so fragte ich meine Mutter nach dem Brief.

„Er ist in deinem Zimmer. Du kannst ihn gerne jetzt lesen. Ich werde mich zurückziehen und etwas schlafen, die Reise war sehr anstrengend.
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„Danke, Mama,“ erwiderte ich, und fügte ehrlich hinzu: „Ich freue mich, dass du gekommen bist!“

Auf mein Läuten hin erschien ein Diener, der mich in mein Zimmer rollte, wo tatsächlich Linárias Brief auf meinem Schreibtisch lag.



Sie berichtete zunächst ausführlich über ihre Flitterwochen. Sie hatte mit ihrem frischangetrauten Mann eine Reise durch Loránthus unternommen, wobei sie wegen ihrer beschränkten Finanzen nur in einfachen Gasthäusern übernachten konnten. Für Linária war es ein großartiges Abenteuer gewesen. Aufgrund ihrer Reise hatte sie aber meine Briefe erst jetzt gelesen und mir nicht früher geantwortet. Nach ihrem Reisebericht wurde der Brief etwas konfuser, da sie nicht wirklich wusste, was sie mir in Bezug auf den Comte antworten sollte. Doch da ich mich offenbar für die Heirat entschieden hatte, versuchte sie mir den Comte und meine Zukunft mit ihm so schmackhaft wie möglich zu machen. Sie lobte seinen Charakter, seine nette Art und seine Intelligenz; sie versicherte mir, was für ein schönes Paar wir auf dem Maskenball an ihrem Geburtstag abgegeben hätten.

Mit feuchten Augen legte ich den Brief beiseite. Ich war froh zu wissen, dass es meiner Freundin gut ging und ihre Gedanken bezüglich meiner Probleme zu kennen. Auch wenn sie mir nicht helfen konnte tat es doch gut, dass jemand meine Sorgen kannte und verstand.



Als ich an jenem Abend zum Dinner erschien, waren mein Vater und Senécio bereits anwesend, meine Mutter jedoch hatte sich mit durch die Reise verursachten Kopfschmerzen entschuldigt. Ich glaube ja, sie wollte nur nicht meinem Vater begegnen, den sie in den letzten Jahren nicht sehen wollte.

„Freust du dich, dass deine Mutter hier ist? Ich muss zugeben, ich bin etwas überrascht, dass sie gekommen ist.“ sagte Senécio.

„Ich bin ebenfalls überrascht, dass sie die lange Reise auf sich genommen hat, aber ich freue mich natürlich darüber.“ erwiderte ich, meinem Vater einen verstohlenen Blick zuwerfend. Sein Gesicht war ausdruckslos und lies nicht erkennen, was er darüber dachte, dass seine ehemalige Frau hier war.

„Wenn ich es richtig verstanden habe, hast du nach meinem Stallknecht geschickt, damit ich mich besser erholen kann, ohne mich immer um Massai kümmern zu müssen?“

„Das stimmt.
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Außerdem habe ich deine Mutter gebeten, dir einige deiner Kleider zu schicken. Natürlich habe ich sie eingeladen, hierher zu kommen, aber wie gesagt, nicht geglaubt, dass sie die Reise auf sich nehmen würde, da dein Vater ebenfalls hier ist, was genügen sollte, um den Anstand zu bewahren.“

„Das ist sehr aufmerksam von dir, vielen Dank.“

Der Comte wandte sich nun meinem Vater zu, um die neuesten Entwicklungen zu diskutieren. Es schien, als habe man endlich einen Hinweis darauf, wo sich der Anführer der banditos aufhielt, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er geschnappt wurde.

Ich beobachtete die beiden Männer, die über mein bisheriges und mein zukünftiges Leben bestimmten. Mein Vater machte sich Sorgen um die Zukunft seines Volkes. Er hatte zwar die hiesigen Stämme beruhigen können, doch lastete die Verantwortung für ihre Taten schwer auf seinen Schultern. Er schien im Schein der Kerzen plötzlich älter und müder, als mir lieb war.

Der Comte hingegen wirkte wie üblich energisch und voller Energie. Er konnte es kaum abwarten, den Anführer der banditos endlich zu fassen, damit wieder Ruhe im Land einkehrte. Sein mir inzwischen so vertrautes Gesicht leuchtete, als er den Coup plante, mit dem dies gelingen sollte. Da ich mich im Grunde wenig für Politik interessierte – trotz der ständigen Lektionen meines Vaters – hatte ich nicht gewusst, welch wichtige Rolle er in diesem Land spielte. Er trug zwar keine Uniform, dennoch unterstand ihm eine eigene kleine Armee und er war Sicherheitsberater des Königs. Er hatte diesen Posten Fleiß, harter Arbeit und vor allem seiner Intelligenz zu verdanken. Es war eine große Ehre, in seinem Alter schon einen so wichtigen Posten zu bekleiden und er war dementsprechend stolz darauf. Ich hatte dies alles nach und nach in den letzten Tagen herausgefunden. Senécio schienen eine unausgesprochene Vereinbarung getroffen zu haben, wonach wir alle Themen in Zusammenhang mit unserer Verlobung vermieden. Über alles andere jedoch sprachen wir so ungezwungen wie vor seinem plötzlichen Antrag. Wir scherzten und lachten miteinander und ich verliebte mich mit jedem Tag mehr in ihn...! Doch nach wie vor wusste ich nicht, was er von mir hielt. Und der Gedanke an seine Mätresse nagte ebenfalls an mir.
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Immerhin hatte ich jetzt meine eigenen Kleider und musste nicht mehr ihr Reitkostüm oder meine Gypsóphilatracht tragen – ihre sogenannten Tageskleider waren tatsächlich so gewagt gewesen, dass ich mich geweigert hatte, sie anzuziehen.



Die nächsten Tage vergingen im Großen und Ganzen wie bisher. Ich frühstückte gemeinsam mit meinem Vater und Senécio, dann zog ich mich mit einem der vielen Bücher an meinen Lieblingsplatz im Garten zurück, von wo aus ich einen guten Blick auf Massais Koppel und das Haus hatte. Da mein eigener Stallknecht nun hier war, konnte ich Massai mit guten Gewissen seinen Händen anvertrauen und musste mich nicht mehr um seine Fütterung kümmern. Nachdem meine Mutter aufgestanden war und gefrühstückt hatte schloss ich mir ihr entweder in einem der Salons oder in ihrem Lieblingsteil des Gartens an und skizzierte meine Umgebung oder bestickte auf ihren Wunsch hin wieder Taschentücher – schließlich musste meine Aussteuer noch vor der Hochzeit fertig werden. Mittags gab es einen leichten Imbiss, dann legte sich meine Mutter noch einmal hin. Meistens war dies die Zeit, in der ich meine Beeinträchtigung durch mein Bein am meisten verfluchte. Wie gerne wäre ich mit Massai ausgeritten, um die Umgebung zu erkunden, doch so musste ich mich damit zufrieden geben, meinen Freund auf der Weide zu besuchen. Er freute sich jedes Mal so, mich zu sehen, dass er erst einmal eine Reihe von Bocksprüngen machte, um dann angetrabt zu kommen und nach meinen Taschen zu schnobern, in denen für gewöhnlich eine Leckerei für ihn steckte. Nach dem anstrengenden langen Ritt gönnte ich ihm die Weidepause, doch würde ich mir bald etwas überlegen müssen, um ihn zu bewegen. Vermutlich würde ich meinen Stallknecht bitten müssen, ihn täglich zu longieren.

Nach dem Nachmittagstee zog sich meine Mutter meist wieder in ihr Zimmer zurück, um zu beten oder Briefe an ihren Priester zu schreiben, während ich ungeduldig auf die Rückkehr der Männer wartete. Wenn sie kamen konnte ich schon an ihren Gesichtern erkennen, dass sie den Anführer wieder nicht gefasst hatten. In kleineren Scharmützeln gelang es ihnen jedoch nach und nach, die meisten banditos zu überwältigen.



„Wir wissen mit ziemlicher Sicherheit, dass sich der Anführer in den Wäldern bei Paniculáta aufhielt, doch es dauert seine Zeit, dieses große Arreal zu durchsuchen.
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Ich hoffe nur, es gelingt ihm nicht, uns wieder zu entwischen.“ erklärte mein Vater mir am Abend des fünften Tages beim Dinner.

„Aber wenn er erfährt, und das tut er bestimmt, dass ihr in den Wäldern nach ihm sucht, kann er doch ganz leicht in die andere Richtung fliehen.“ wandte ich ein.

„Ganz so leicht ist es nicht. Der Wald grenzt im Norden an einen breiten Strom, der nicht ohne große Gefahr zu überqueren ist. Im Nordwesten kommt das Gebirge hinzu , dessen Ausläufer steil genug sind, um jeden Eindringling abzuwehren. Die große Ebene im Süden lässt einen Reiter weithin erkennen und wir haben in regelmäßigen Abständen Posten aufgestellt. Die größte Gefahr eines Entkommens besteht im Osten, wo auch die große Handelsstraße lang führt.“ Der Comte nahm einen Schluck Wein und fuhr dann fort. „Wir haben zwar auch dort mehrere Kontrollposten, doch ist es unmöglich alle Leute zu kontrollieren. Darum haben wir auch angefangen, von dieser Seite aus den Wald zu durchkämmen. Die Gefahr des Entkommens besteht natürlich, doch haben wir alles getan, um sie so minimal wie möglich zu halten.“

Ich runzelte die Stirn. „Du sagst, die Gefahr eines Entkommens über den Fluss ist sehr gering?“

Der Comte nickte. „Der Strom ist so reißend und es gibt so viele Stromschnellen, dass es fast unmöglich ist, an das andere Ufer zu kommen.“

„Dennoch würde ich es an seiner Stelle dort versuchen. Du sagst selbst, dass es fast unmöglich ist, aber eben nicht ganz. Ein verzweifelter Mann würde es sicher wagen. Und wenn er Helfer auf der anderen Seite hat, die ihm irgendwie ein Seil zukommen lassen, welches über den Strom gespannt wird... Ich denke, ihr solltet auch dort einige Soldaten postieren.“

„Die Männer werden schon wissen, was sie tun.“ warf meine Mutter missbilligend ein. „Es schickt sich nicht für eine Dame, über solche Themen zu reden.“

Stumm aber innerlich sehr verstimmt senkte ich mein Haupt. Ich durfte also nicht über das Thema reden, welches sowohl meinen Vater als auch meinen Verlobten so beschäftigte, dass sie fast ausschließlich darüber sprachen? Sollte ich vielleicht schweigen wie meine Mutter, die außer gelegentlichen Ermahnungen an mich nichts zur Konversation beitrug und meinen Vater schlicht zu ignorieren schien (genau wie er übrigens sie ignoriere)?

Doch bevor ich noch weiter darüber grollen konnte erhielt ich unerwartet Hilfe vom Comte.
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„Nein, ich bin froh, dass sich meine zukünftige Frau so für meine Arbeit interessiert.“ Er lächelte mich an und mein Herz schlug einen Salto. „Und Núphar hat Recht. Ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, aber ein guter Bogenschütze könnte tatsächlich ein leichtes Seil über den Fluss schießen, an dem ein schwereres befestigt ist. Ich werde sofort eine Notiz an den Captain des Regiments schicken.“ Mit einer Entschuldigung erhob er sich und verschwand Richtung Arbeitszimmer.

„Das war ein kluger Gedanke, Núphar!“ lobte mein Vater und warf meiner Mutter einen Blick zu, als wolle er sagen „Siehst du, auch Frauen dürfen vernünftige Gedanken äußern“.

Meine Mutter ignorierte ihn und fuhr fort, ihr Essen in kleinen Häppchen zu sich zu nehmen. Dann blickte sie mich jedoch an. „Wie lange wird es noch dauern, bis dein Bein verheilt ist?“ fragte sie.

Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, vermutlich noch einige Wochen. Der Arzt aus Peniculáta wollte demnächst vorbeikommen, er wird es dann wohl genauer sagen können.“

„Ich glaube, in drei Wochen wirst du endlich wieder mit dem Laufen anfangen können, Núphar“ prophezeite mein Vater.

„Glaubst du wirklich?“ strahlte ich ihn an. Plötzlich sah ich meine Bewegungsfreiheit in greifbare Nähe gerückt. Drei Wochen noch – das würde ich doch aushalten können!

„Nanu, du siehst ja auf einmal wie verwandelt aus, so glücklich habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen!“ spottete da der Comte, der eben das Zimmer wieder betreten hatte.

„Mein Vater glaubt, ich kann in drei Wochen wieder laufen!“ verkündete ich fröhlich. „Das heißt, dass Massai nicht mehr lange faul auf der Weide stehen muss. Der arme Kerl langweilt sich bestimmt schon.“

„Immer langsam, ich sagte, dass du in drei Wochen wohl mit dem Laufen anfangen kannst. Nach der langen Ruhepause müssen sich deine Muskeln erst wieder an Belastung gewöhnen und du solltest es langsam und vorsichtig angehen.
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“ bremste mein Vater meinen Enthusiasmus.

„Aber Reiten ist doch nicht anstrengend!“ protestierte ich schmollend.

„Nach einer langen Pause schon. Ich habe mir auch einmal das Bein gebrochen, als ich noch ein kleines Kind war, und ich habe sehr lange gebraucht, um mich zu erholen.“ warf der Comte ein.

„Aber da warst du noch ein kleines schwaches Kind,“ funkelte ich ihn an, „und wahrscheinlich so verzärtelt, dass du überhaupt keine Muskeln besessen hast, die du wieder hättest trainieren müssen.“

„Aber Núphar!“ Das war meine Mutter.

„Das war nicht gerecht, Núphar!“ Das war mein Vater.

Und der Comte? Der lachte nur als hätte ich gerade einen besonders gelungenen Witz erzählt. „Massai ist wohl nicht der Einzige, der sich langweilt und mehr Bewegung wünscht.“ meinte er dann.

„Hast du das auch schon bemerkt?“ entgegnete ich spitz.

„Kannst du Kutsche fahren?“

„Ja natürlich, wieso fragst du?“ meinte ich verblüfft.

„Auch achtspännig?“

„Achtspännig?“

„Achtspännig!“

„Nein, bisher bin ich nur ein- und zweispännig gefahren.“

„Na, dann habe ich eine Beschäftigung für dich. Es sei denn, du möchtest es nicht lernen.“

„Doch!! Natürlich! Du hast Pferde hier, die dafür ausgebildet sind?“

„Ja, gelegentlich führen wie das bei einer der Zuchtshows oder bei einer Veranstaltung bei Hof vor. Wenn ich nicht da bin um dich zu unterrichten, kann mein Stallmeister das tun. Er hat es auch mir beigebracht und weiß einfach alles über das Fahren.“

Meine Augen begannen zu strahlen und ein Grinsen breitete sich über meinem Gesicht aus. Endlich hatte ich eine Beschäftigung gefunden!



Der Arzt aus Peniculáta, Doktor Consólida, kam vier Tage später, um sich von der ordnungsgemäßen Heilung meines Beines zu überzeugen. Es gehörte eigentlich nicht zu seinen Aufgaben, Patienten von so weit außerhalb zu besuchen, doch ich hatte darauf bestanden. Ich wollte keinen anderen Arzt haben.
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Senécio hatte zwar ein wenig gemurrt, weil dadurch sein Inkognito gelüftet wurde und der Arzt herausfinden würde, dass wir noch gar nicht verheiratet waren, aber ich hatte mich schließlich durchgesetzt.

Doktor Consólida überprüfte im Beisein meiner Mutter und meiner Zofe den Verband und zeigte dann meiner Zofe einige Übungen vor allem für mein gesundes Bein, die sie täglich mit mir machen sollte, damit meine Muskeln nicht vollends verkümmern würden. Der Comte durfte diesmal natürlich nicht mit ins Zimmer.

Ich glaube, wir alle nahmen die Nachricht, dass ich in vier Wochen den Verband los sein würde, mit Erleichterung auf. Allerdings warnte mich der Arzt, dass ich dann noch keineswegs wieder völlig hergestellt sein würde.

„Wenn man die Muskeln so lange nicht benutzt hat, erschlaffen sie sehr schnell.“ erklärte er. „Aber sie wieder aufzubauen dauert sehr viel länger. Doch wenn Ihr täglich die Übungen macht, die ich Euch und Eurer Zofe gezeigt habe, können wir diesen Prozess hoffentlich beschleunigen.“

Er lehnte das Angebot einer Erfrischung ab, er wollte noch am selben Tag zurück in die Stadt.



In den nächsten Tagen entwickelte sich langsam ein regelmäßiger Rhythmus. Nur einem Tag nach dem Arztbesuch war es tatsächlich gelungen, den Anführer der banditos zu fassen. Er wurde in die Hauptstadt gebracht, wo er verurteilt werden sollte.

Mein Vater kehrte zu seinem Volk zurück, ohne auch nur ein einziges höfliches Wort mit meiner Mutter gewechselt zu haben – ich weiß nicht, wer sich mehr anstrengte, den jeweils anderen zu meiden!

Meine Mutter, Senécio und ich nahmen morgens gemeinsam unser Frühstück ein, dann zog sich meine Mutter zurück, währen Senécio mit mir zu den Stallungen ging, wo der Stallmeister bereits die acht Pferde vor die Kutsche gespannt hatte. Er und Senécio erklärten mir die Besonderheiten bei der Anspannung, hoben mich auf den Bock und dann ging es los. Zuerst fühlte ich mich heillos überfordert mit den vielen Leinen, doch nach und nach lernte ich, gezielt auf die einzelnen Tiere einzuwirken. Der Comte war ein erstaunlich geduldiger Lehrer, und während er mich unterrichtete verlor er nie ein spöttisches Wort über meine Fehler.
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Und ich trachtete danach, ihn guter Laune zu halten, denn noch immer hatte ich es nicht gewagt, ihm meine Forderungen bezüglich unserer Ehe mitzuteilen.

Nach einem leichten Mittagsimbiss ging der Comte meistens seinen persönlichen Geschäften nach oder besuchte seine Pächter, während ich mich um Massai kümmerte. Mein Stallknecht longierte ihn regelmäßig nachmittags unter meiner Aufsicht. Doch man merkte es meinem Schimmel an, dass er unsere langen Ausritte vermisste. Nach dem Tee brachte mich meine Mutter dazu, mich meiner Aussteuer zu widmen. Manchmal machte ich jedoch auch Skizzen von dem Haus oder dem Garten. Es waren friedliche Tage voller Sonnenschein und ich fühlte mich beinahe glücklich.











Galánthus: Schneeglöckchen
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Kommentare zur Story:

  Hach, schau an, der Comte hatte eine Mätresse, dieser Schwerenöter *g*
Du beschreibst sehr schön Details und die Atmosphäre, die einen in die Geschichte eintauchen lassen. Und gespannt warte ich auf den ersten Kuss der beiden Sturköpfe.
Bei den Missverständnissen kann es ja noch dauern ...  
ISA  -  31.07.05 04:49

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  Hallo, liebe Conva!
Obwohl ich verreist bin, habe ich zum Glück doch noch für eine Weile Zugriff aufs Internet. Habe natürlich gleich dein neues Kapitel verschlungen. Wieder einmal sehr lebensecht das Ganze. Die völlig unterschiedlichen Charaktere sind dir sehr gut geglückt.
Und es kommt richtig süß ´rüber wie sich Senécio und Nuphar vorsichtig umkreisen und im Grunde doch nicht einander zu nähern wagen. Ich bin sehr gespannt, wodurch sie sich schließlich doch finden und welche Abenteuer sie dabei noch erleben werden.
Also schreib schnell weiter.
Deine neugierige Doska  
doska  -  22.06.05 12:05

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Kommentar von "Nausicaä" zu "frühling z2"

einfach toll, dieses frühlingsgedicht. du findest in deinen gedichten häufig ganz eigene, besondere bilder. wunderschön, ohne kitschig zu sein.

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