… für einen kurzen Augenblick   205

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Ela ela1000      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 20. Mai 2004
Bei Webstories eingestellt: 20. Mai 2004
Anzahl gesehen: 2300
Seiten: 3

Der große Konzertsaal füllt sich schnell. Die angenehme Unruhe und das Warten auf die Musiker, ja das hab’ ich gerne, endlich mal wieder nach längerer Zeit live Musik hören, die man liebt. Du hast durch Deinen Beruf einen heißen Draht zu den Konzertagenturen und so genügt ein Anruf und die Karten werden Dir zurückgelegt.

Ich bin so froh, dass es so kurzfristig noch klappte.



Wir haben gute Plätze in der Nähe der Bühne, so dass man die Gesichter gut sehen kann. Das Konzert beginnt. Die Musiker gehen zu ihren Plätzen und zum Schluss kommt der Sänger …. starker Beifall empfängt ihn. Wir sind ganz unter uns, alles Leute, die den Liedermacher schätzen und seine Songs kennen. Als er sich hinter den Flügel setzt, wird es sofort still im Saal.



Sein Repertoire ist wie immer vielseitig von leisen Tönen bis zum lauten Stakkato. Es geht querbeet nachdenklich, sinnlich, humorvoll und ketzerisch, mal sanft, mal hart, mal laut und mal leise. Wir sind wie immer fasziniert von der Kunst des Barden, mit seinen wunderschönen Harmonien trauriges aber auch knallhartes auszudrücken und er nimmt uns wie jedes Mal in den Bann. Der Saal tobt. Wir kriegen nicht genug und zollen dem Künstler tosenden Beifall. Die Hände heiß vom Klatschen, den Puls erhöht, kriegen wir nicht genug und feuern ihn mit *Standing Ovationen* zu immer neuen Zugaben an, die er auch gerne gibt. Wir lieben ihn dafür …



Dann setzt sich der Sänger wieder hinter seinen Flügel und bereits nach den ersten Tönen, die er auf der Tastatur anschlägt geht ein Raunen durch die Menge, er stellt uns sein *Neues vor! Im Saal wird es dunkel und das Licht des Scheinwerferkegels ruht auf dem Sänger hinter dem Flügel…eine außergewöhnliche Melodie dringt sofort tief in mein Herz… der Song lautet: *erst wenn Du Abschied bist* …



Meine Hand sucht das Knie meines Schatzes neben mir, der Text geht zu Herzen und die Melodie sofort ins Ohr, dann kam der Refrain. Der weiße Strahl des Scheinwerfers wandert zum Solisten mit der Klarinette. Ich sitze so, dass ich das Gesicht klar und deutlich sehen kann. Mir wird warm, was für ein Mann, das schmale Gesicht mit den wunderschönen großen Augen, dunkel braunes Haar eng nach hinten gebunden.
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Er schließt nicht die Augen beim Spielen, wie ich es von vielen Musikern kenne, sondern schaut voll ins Publikum – man könnte meinen auf mich – und sein fein geschwungener Mund umfasst das Klarinettenblatt, während eine wunderschöne Harmonie sich in mein Herz schleicht. Ich vergesse wo ich bin und wer neben mir sitzt, ich bin ganz Musik und ganz bei dem Musiker auf der Bühne, alles andere ist mir egal!



Die zweite Strophe beginnt und das Licht dreht sich wieder zum Flügel. Ich habe kaum Luft geholt. Ja, Musik kann mich begeistern, dafür kann man mich nachts unverhofft aus dem Bett holen. Nun höre ich andächtig zu und freue mich schon auf den Refrain, der wohl allen zu Herzen geht in diesem Moment. Schon schweift das Scheinwerferlicht wieder zum Solisten. Und wieder sehe ich mit Freude das schöne ernsthafte Gesicht vor mir. Wieder wechselt er sein Instrument mit der Klarinette aus und schaut mich dabei an, während er sie zum Munde führt. Mir wird heiß, er sieht mich an, nun merke ich es genau. Wie gut, dass es dunkel ist. Was ich nicht bemerkte, ich saß genau in dem Lichtkegel vor ihm, der hinter mir zur Bühne geführt wurde und so sah er mich tatsächlich. Verwirrt schaute ich ihn wieder an, nun wissend, dass auch er mich sehen konnte. Ich konnte den Blick nicht wenden, hielt die Luft an. So etwas gibt es nicht, Es ist nur ein Fremder auf der Bühne und ich irgendeine aus irgendeiner Stadt. Und doch, in diesem kurzen Augenblick jagten die Gedanken einander, wer war er, wo wohnt er, wie alt ist er, zu dumm, bin ich verrückt? ein Teenager bin ich nun wirklich nicht mehr. Ich bin entrückt ins Licht, nur mit ihm und lausche gebannt seiner Melodie: Unsere Blicke ineinander verwoben – Niemandsland! “Jetzt, ja jetzt in diesem kurzen Augenblick würde ich mit Dir gehen, egal wohin…“



Der weiße Kegel wandert wieder zurück zum Flügel, die dritte Strophe, ein einfühlsamer Text, der zum Nachdenken anregt und die Zuschauer berührt. Nun der Refrain, noch einmal? Mir wird ganz komisch, aber ich sitze in dem Licht, das mich von hinten anleuchtet und sein mir so schnell vertrautes Gesicht ist wieder ganz deutlich vor mir. Auch er sieht mich wieder an, ich denke, es inspiriert ihn beim Spiel, während ich … ach das gibt es wirklich nicht, wie gebannt hänge ich an seinem Gesicht, ich nehme es in mich auf wie ein wunderschönes Gemälde, das man nur besichtigen aber niemals erwerben kann, mein Herz klopft laut.
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Ich flüstere Dir wortlos zu, „nimm mich mit“ und ich weiß, Du hörst es, liest es in meinen Augen….



Im Saal wird’s wieder hell, erst Stille bis zum letzten Ton, dann tobender Beifall, die Menge steht auf und auch ich stehe auf und klatsche mir die Hände wund. Irgendwann ist das Konzert beendet. Mein Schatz holt die Mäntel und wir gehen zum Wagen, der am Rheinufer geparkt ist. Es ist eine wunderschöne laue Nacht, die Silhouette der Altstadt schwarz, dahinter der dunkelblaue Himmel, die erleuchteten Brücken und der angestrahlte Rheinturm. Das alles inspirierte zu einem Spaziergang und noch einem Drink danach. Mein Liebster war einsilbig. Später auf der Heimfahrt, legte ich meine Hand auf sein Knie und küsste ihn während des Fahrens sanft auf das Ohr, “Danke Liebling für den wunderschönen Abend und das herrliche Konzert“.



Er aber schob meine Hand unsanft von sich und meinte lakonisch “das nächste mal besorge ich Karten für ganz hinten, dann kannst Du nichts sehen. Mir legst Du die Hand aufs Knie und mit anderen flirtest Du.“



Meine Anspannung löste sich endlich durch diesen Spruch und ich lachte schallend, ja vergnügt wie ein Kind. Aber er lachte nicht mit, er hatte das Schauspiel genau beobachtet. Also hatte ich es mir nicht eingebildet.



Am anderen Morgen war unser kleiner Disput vergessen. Nicht so das Bild des jungen Mannes in meinem Kopf …..
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Kommentare zur Story:

  Hallo Du,
also, ich möchte jetzt mal keine Wertung abgeben, weil es sowas wie "mittel" nicht gibt. Mir gefällt der Text als Geschriebenes gut, wenn auch ein bisschen abgehackt. Der kleine Flirt ist auch sehr hübsch beschrieben. Was mir allerdings nicht so gefällt, ist das Gespräch mit dem "Schatz". Es zerstört so ein bisschen die Harmonie des Textes...
Ansonsten: GUT!  
   Summer Peach  -  20.10.09 19:11

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