Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Evelin Lia      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. März 2004
Bei Webstories eingestellt: 12. März 2004
Anzahl gesehen: 2112
Seiten: < 1

Da steht sie. In ihrem schwarzen Kleid. Mit dem Weinglas in der Hand. Langsam führt sie es an ihre Lippen. Ihre Augen wandern umher. Sie sind ruhelos und gleichzeitig eiskalt. Ihre Lippen werden rötlich-nass. Ihre Augenlider senken sich. Sie folgen dem Rot. Dem klaren, durchsichtig, glänzenden Rot. Ihre Zunge streift ihre Lippen, trägt das Rot davon um ein tiefes Blau zu treffen. In seinen Augen. Sie ist gefesselt. Sie sieht diese Mauer. Kann zum ersten Mal nicht dahinter sehen. Seine Lippen lächeln und sie fragt: warum? Für einen Moment ist sie regungslos. Sie steht. Sie sieht. Sie fühlt. Die Zeit steht still – nur für einen Moment. Sie versteht nicht. Senkt die Augen. Schaut wieder hin. Eine Menschenmasse – ohne ihn. Langsam bewegen sich ihre Füße. Sie verstehen den Takt seiner Musik nicht. Sie macht einen Schritt. Den ersten Schritt. Auf dem Wein bildet sich Schaum. Keine Reaktion. Sie dreht sich, versucht andere Gedanken. Doch dann wieder – nur ganz kurz. Dieser Stich. Diese Atmosphäre. Dieses Rot der Wangen. Diese Stille. Eine Schnur, nein ein Gürtel um ihre Hüfte, der sie zurück hält. Ein Schloss mit drei Siegeln. Drei Riegel – eine Barriere. Sie schaut hindurch, schaut ihn an, folgt ihm mit ihren Blicken, versucht zu verstehen. Schafft es nicht. Stolpert und verliert sein Blau. Sie hat Angst und kann doch nicht anders. Das Weinglas sieht gesprenkelt aus. Rot tropft auf Weiß – vermischt Lippen, Herzen, Gedanken, Träume, Gefühle. Sie wacht auf, verschwitzt, im leeren Bett. Sie war von Anfang an allein. Sie erschrickt. Große Augen – tiefblau. Sie steht auf, neben sich das Rot des Saftes. Sie schaut aus dem Fenster – tiefschwarz. Eine Stimme hinter ihr. Eine vertraute Stimme. Eine Wärme um den Körper. Sanfte, glatte Haut. Federn auf der Haut. Mit Flügeln zum Träumen. Nur ein Traum. Und was ihr bleibt ist ein Gedanke, ein Traum, ein Verlangen – Ungewissheit, eine Mauer, eine Versuchung und ein dickes, blaues Buch.
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Kommentare zur Story:

  Sehr schöner Handlungsstrang
->Rot des Weins
->roter Saft
der Text erzeugt, wohl nicht unbeabsichtigt, eine bestimmte Kofusion.
Ich bin total geflasht und geh drüber grübeln
thx  
Olivander  -  13.03.04 22:02

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Kommentar von "Jonatan Schenk" zu "Eine Rose wird blühen"

ein sehr schönes gedicht!

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