Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Stephan F Punkt      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 28. November 2003
Bei Webstories eingestellt: 28. November 2003
Anzahl gesehen: 2642
Seiten: 2

Neulich....



war ich mit der Frau beim Friseur. Nicht, dass sie es nötig gehabt hätte,

nein, nur um allmonatlich dem bedürftigen Stande der Hals- und Haarabschneider einen nicht unerheblichen Betrag vor die behaarten Schuhe zu werfen.

Nun, ich weiß mit meiner Freizeit bestimmt Besseres anzufangen, aber da an diesem Tag kein Fußball übertragen wurde, ging ich halt mit.



Schon beim Betreten des Haarwassertempels bereute ich meine Entscheidung,

aber als Mann konnte ich jetzt selbstverständlich keinen Rückzieher mehr machen, würde ich doch sonst zum Gespött sämtlicher Nachbarn werden, die mir vorwerfen würden, ich hätte vor der Weiblichkeit kapituliert.

Also musste ich da durch.



Um den nasebeißenden Chemiedünsten der Hühnerabteilung zu entgehen, begab ich mich in den Wartesaal für Herren und suchte Ablenkung in der Lektüre einer mit Buntpapier getarnten Zeitschrift.

So erfuhr ich das Allerneueste von Königs und Konsorten und musste mich verdammt anstrengen, mir etwas zu überlegen, was noch uninteressanter sein könnte.

Es fiel mir nichts ein.

Als ich bemerkte, dass in den anderen Blättern derselbe Mist zu bestaunen war, beließ ich es dabei und schaute mich um.

Ein anderer Mann betrat die Räumlichkeiten.

"Hallo, guten Morgen." - Aufdringlicher Kerl.

Er setzte sich in den Stuhl neben mich, und kramte aus seiner Manteltasche ein Buch hervor, dass er sogleich aufschlug, und zu lesen begann.

Mir wurde langweilig.

Eine stöckelbeschuhte Scherenschwingerin näherte sich.

"Nun, wer ist der Nächste?" säuselte sie.

Keiner von uns beiden meldete sich.

Nanu, wieso ist der Kerl denn sonst hier? "Bitte hier herüber" hörte ich es zischen.

Was? Die meint doch nicht etwa mich? Doch, sie meinte mich, und um aller Peinlichkeit zu entgehen, folgte ich ihr und nahm Platz.

"Wie hätten Sie's denn gerne?" Da blieb mir doch glatt die Spucke weg.

"Kümmern Sie sich um die Haare, für den Rest habe ich meine Frau".

Unverschämtheit, auch. Sie hüllte mich unwirsch in eines dieser Riesenlätzchen und wirbelte fortan ständig um mich herum.
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Auch dieser Tag geht vorüber, dachte ich.

Und diese Prozedur auch. Erleichtert entstieg ich dem Folterstuhl.

Ich wollte nach Hause. Vorsichtig schlich ich mich in die andere Ecke des Salons, um nachzusehen, wie weit meine Teuerste schon war.

Da sah ich sie alle sitzen; wie die Hühner auf dem Lockenstab.

Andächtig zelebrierten sie gemeinsam das Trockenhaubenritual.

‚Wie in der Kirche’, überkam es mich. Die krampfbeaderten Beine auf dem Bänkchen, die Frau-im-Spiegel-Bibel in den Händen und oben gibt's Erleuchtung.

Na, das konnte dauern.

Ich setzte mich zurück auf meinen Stuhl. Frau Stöckelschuh bediente grade einen weiteren Herren, dessen Eintreten ich wohl verpasst haben musste.

Wieso war denn der aufdringliche Typ jetzt nicht dran? Seltsam. Ab und zu schaute er von seinem Buch auf und lächelte eigenartig in der Gegend herum.

Was ist denn das für einer? Ein Haarteilvoyeur? Ein Psychopath, der Gefallen daran findet, wie anderen Männern was abgeschnitten wird?

Oder hatte er einfach nur Schiss?

Der andere war jetzt auch fertig, aber Herr Merkwürdig machte keinerlei Anstalten dessen Platz zu füllen.

Was geht hier vor? Kommt der vielleicht von der Mafia, Abteilung Schutzgeld?

Ich musste schlucken und beschloss, nicht mehr so oft zu ihm rüberzugucken.

Au weia, was mach ich denn jetzt? Ich hatte mir bedauerlicherweise die Notausgangshinweisschilder nicht eingeprägt.

Sollte ich mich vielleicht demnächst präventiv bewaffnen?

Ein Bartschneider lag in greifbarer Nähe.

Eine Haarspraydose wäre nicht schlecht.

Was mach ich nur, was mach ich nur?

Meine Gesichtsfarbe passte sich der des Waschtisches an.

Unauffälliges Entfernen schien mir noch die beste Lösung.

Sollte ich meine Frau eventuell mitnehmen?



Doch bis ich sie unter dem Haupthaartoaster weggezerrt hätte, lägen wir vermutlich schon mit unzähligen hässlichen Wunden bedeckt

auf dem haarigen Boden.

Der Schweiß lief mir in Strömen von den frischfrisierten Schläfen.
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Während ich noch grübelte hörte ich eine Stimme neben mir:

"Schatzi, ich bin jetzt soweit!"



Die Stimme gehörte einer Frau mit Fischkutterfrisur. Oh Gott, wie mag die erst vorher ausgesehen haben? Den Mann mit Buch störte das scheinbar nicht. Er packte es wieder in die Manteltasche und erhob sich. Er nahm die Schiffbrüchige am Arm und beide verließen den Salon.





Da hab ich ja noch mal Glück gehabt..





Copyright Stephan F Punkt 1998
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Kommentar von "Sebastian Krebs" zu "Ein Wort zum Valentinstag"

Durchaus nette Geschichte, die einen wohl wahren Kern behandelt. Fünf Punkte und ein Trullala!

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Kommentar von "rosmarin" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

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