Nachdenkliches · Poetisches

Von:    Odyssee      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 25. Mai 2003
Bei Webstories eingestellt: 25. Mai 2003
Anzahl gesehen: 2497
Seiten: 2

Ich weiß nicht, wie vertraut dieses Forum mit japanischen Gedichtformen ist. Daher hier zuerst eine kurze erklärende Einleitung:



Das Haiku ist ein lyrisches Gedicht der "Superlative": Es ist die kürzeste literarisch anerkannte Gedichtform der Welt, es gibt kaum eine Sprache oder ein Land, in dem nicht Haiku geschrieben und gelesen werden, es erregt das Interesse aller Berufsgruppen und Altersstufen zwischen vier und 100 Jahren, es ist die einzige Gedichtform, deren Pflege sich weltweit zahlreiche Gesellschaften widmen, die im Internet mit z.Zt. über 600 Beiträgen aus aller Welt die populärste Lyrikform darstellt, die jährlich tausende von eigens ihr gewidmeten Zeitschriften füllt und zu unzähligen Wettbewerben anstiftet. Das Haiku entstammt der japanischen Literatur und hat sich dort seit dem 9. Jahrhundert aus dem fünfzeiligen Tanka (5-7-5-7-7 Silben) und der populären Renga-Dichtung des 14. Jahrhunderts entwickelt. Der größte japanische Haiku-Dichter Matsuo Bashô gab dem Gedicht im 17. Jahrhundert seine noch heute gebräuchliche anspruchsvolle inhaltliche Prägung und verhalf ihm zu einer ungeahnten Blüte. Für ein Haiku gilt grundsätzlich die Form von drei Zeilen mit je 5–7–5 Silben. Es beschreibt ein Naturerlebnis in einer bestimmten Jahreszeit, wobei diese auch durch ein Jahreszeitenwort (z. B. Knospen für Frühling) angedeutet werden kann. Die Wahrnehmung entwickelt sich in der ersten Zeile, strebt einer Gedankenpause in der Mitte oder am Ende der zweiten Zeile zu ehe es sich der oft überraschenden Lösung in der dritten Zeile zuwendet. Die Gedankenpause kann durch ein Satzzeichen gekennzeichnet sein (z. B. auch Bindestrich) und wird durch ein Schneidewort bedingt. Um der Gefahr reiner Bildbeschreibung oder gedankenlyrischer Kommentare zu entgehen, bedarf es in diesem so kleinen Gedicht einer spürbaren Bewegung. Diese wird erreicht durch den Gebrauch von Verben in der Gegenwartsform und durch die Gestaltung von zwei Polen die in einer gewissen Spannung zueinander stehen (z. B. Eis – Wasser). Das Kurzgedicht erfordert hohe sprachliche Disziplin und einen mittragenden Rhythmus. Zu vermeiden sind Reime, Worttrennungen über das Zeilenende hin, Fremdwörter und Wortwiederholungen. Der Autor sollte sich selber ganz zurücknehmen, seine Darlegung sollte nur dem Geschehen gelten und keine Meinungsäußerung oder philosophische Schlussfolgerung sein.
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Nur so erreicht das Gedicht die ihm innewohnende Transzendenz und seine Offenheit zum Ende hin, die es auch dem Leser (Hörer) erlauben, das Erlebnis nachzuvollziehen und mit eigenem Empfinden zu füllen. (Margret Buerschaper M. A., Erste Vorsitzende der Deutschen Haiku-Gesellschaft)

~~~



Verschlafen folgen

Veilchen dem Gruß der Sonne

Was sie wohl träumen?



~~~



Im Strandsonnenschein

Bei Würstchenenfett und Wellen

Füttern sie den Krebs



~~~
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Punktestand der Geschichte:   6
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Kommentare zur Story:

  Hallo, ich mag Haiku sehr. Senryu auch. Beide Haiku haben etwas für sich. Der zweite Haiku könnte possierlich wirken, wenn es sich um einen lebenden Krebs handeln würde, eher nachdenklich stimmend, wenn die Krankheit gemeint ist. LG Sabine  
   Sommertänzerin  -  14.05.08 09:37

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  Hallo Odyssee,

Deine Haikus gefallen mir.

Bei dem zweiten Haiku überlege ich -Meintest Du bei dem zweiten Haiku mit "den Krebs" füttern die Krankheit Krebs? Wenn ja, finde ich den Gedankengang genial und sehr ansprechend.

Ich wollte Dir gern ein Sehr gut geben, aber der PC schreibt leider, dass ich Dich mit "mittel" bewertet habe.

Lieber Gruß

Cornelia  
Cornelia  -  17.04.05 15:02

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  Hallo Holmes,

ich freue mich, dass du den Weg zu meinem Text gefunden hast. Ich habe in den Jahre öfter die Bezeichnung das Haiku vernommen und ich glaube, dass dies auch von der deutschen Haikugesellschaft anerkannt ist.

liebe Grüße  
Odyssee  -  03.07.03 21:07

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  Ich bin auch Haiku-Fan, dennoch scheiter ich daran, selber welche zu verfassen.
Deine Gefallen mir sehr gut, vor allem der/das Erste (heißt es der oder das Haiku? Hab beides in einem Buch stehen *wunder*)  
Holmes  -  21.06.03 15:02

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  Zugegeben, ich wusste vorher nicht, was Haikus sind. Diese Gedichtform ist wirklich sehr interessant. Es wundert mich nur, dass ich die erste bin, die auf diesen Beitrag anwortet.
Ich hätte nicht gedacht, dass man mit so wenig Worten so viel ausdrücken kann. Während man sich in die ersten beiden haikus noch richtig "einträumt" muss man bei dem dritten doch etwas schmunzelt.
Wirklich sehr gelungen!  
Amiraamal  -  30.05.03 17:23

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Sabine Müller" zu "Die Lebenswippe"

Hallo, sehr schöne, wahre Gedankengänge! 5 Punkte von mir. lg Sabine

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