Fantastisches · Kurzgeschichten

Von:    Marco Frohberger      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 30. Juli 2001
Bei Webstories eingestellt: 30. Juli 2001
Anzahl gesehen: 2524
Seiten: 4

Träumte ich? War ich wach? Ohne mich zu wiederholen, aber träumte ich? Alles war so deutlich vor meinen Augen, als würde ich direkt hier stehen. Einfach so hier. Und ich weiß nicht, warum. Schweißgebadet stand ich in der Küche. Ich spürte die Schweißperlen, wie sie mir die Stirn hinunterliefen, genau wie am Rücken. Ein warmer Rinnsaal führte direkt hinunter zum Hohlkreuz. Zuerst dachte ich, ich würde träumen, schlafen, tief und fest in meinem Bett. Aber als das helle Licht der Lampen an der Decke mir in meinen Augen brannte, so war ich darum bemüht, Aufklärung zu schaffen, warum ich hier war.

Der Dreck vom Fliesenboden der Küche klebte mir unter den Füßen. Es war eklig, war mein erster Gedanke, der sogleich wieder ins nichts verschwand. Ich drehte mich um und sah in den dunklen Flur, der sich hinter der verschlossenen Türe fast sporadisch auszubreiten schien. Warum nur? Was war denn geschehen? Wieso konnte ich den dunklen Flur hinter einer geschlossenen Türe erkennen? Erschrocken bin ich nicht, als mir das auffiel, doch mein Herz erlaubte es sich, schneller zu schlagen. Das Rauschen des Blutes in meinen Ohren lähmte mich zeitweise in der absoluten Stille meiner Umgebung, in der ich hilflos und allein verharrte.

Ich wollte einen Schritt tun, aber ich fürchtete mich vor den Konsequenzen. Was geschah, wenn ich es doch tat? Woher sollte ich denn wissen, dass nicht etwas geschah? Irgendwas mit mir geschah. Ich hatte keine Ahnung, was das war. Meine Nase brannte, als ich tief nach Luft schnappte. Heute schmeckte sie anders, dass fiel mir sofort auf. Nachdenklich wagte ich einen Blick über meine Schultern nach hinten. Aber dort war nichts. Beide Fenster waren verschlossen. Draußen war es dunkel. Es war mitten in der Nacht. Ein heller Schein umgab mich wie eine Erleuchtung, auf die ich sehnsuchtsvoll wartete. Eine Aufklärung, was hier geschah. Ich wusste nicht einmal mehr, wie ich hier hergekommen bin, wo ich doch noch vor wenigen Minuten tief und fest in meinem Bett schlief.

Ich machte einen Schritt, entschloss mich dazu, wieder hinaufzugehen und zu schlafen. Doch mein nächster Schritt, der führte mich nicht in die Richtung, in die ich gewillt war, zu gehen. Nur einen Augenblick später, einen Schritt weiter, existierte ich nicht mehr dort, wo ich gerade war, sondern in einem dunklen Raum.
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Modriger Geruch stieg in meine Nase und ich bewahrte mich davor, zu niesen. Ich wollte nicht, dass jemand etwas mitbekam. Es war dunkel und es war kalt. Der modrige Geruch erinnerte mich an die alte Kommode auf dem Dachboden. Dort waren die alten Sachen meines Opa´s verwahrt. Kleidungsstücke und Bücher, sofern ich mich daran erinnern kann. Ich weiß nicht mehr genau, aber etwas in der Art musste es gewesen sein.

Ja, ich fürchtete mich. Wo war ich? Wieso lag ich nicht in meinem Bett? Ich spürte die Ungewohntheit meines Körpers, wie er zitterte, aber vorsichtig, damit auch niemand auf den Gedanken kam, dass hier jemand war, nämlich ich. Unter meinen Füßen spürte ich einen bequemen Teppich. Das unmögliche Gefühl eines dreckigen und kalten Fliesenbodens hatte mich verlassen. Ich fühlte mich wie einer derer, die durch die Zeit reisten. Aber was redete ich da? Es war nicht möglich, durch die Zeit zu reisen. Aber wo war ich dann? Kein Licht, kein Lebenszeichen. Sollte ich einen weiteren Schritt tun? Sollte ich? Oder würde ich wieder wo anders landen? Ich weiß es nicht und um ehrlich zu sein, ich hatte nicht die Lust, es herauszufinden. Denn ich fürchtete mich vor dem Moment, dass ich mich verlief. Das ich nicht mehr wusste, wie ich zurückkehren konnte. Mir war klar, dass, wenn ich einen Schritt zurück machen würde, ich zurück an dem Ort war, wo die Küche existierte. Ein Schritt zurück. Wirklich nur einer? Oder war es doch mehr, als ich im Begriff war, zu glauben? Es war unmöglich, denn wie konnte all das hier geschehen? Fragen, aber Antworten? Keine.

Meine Neugierde brachte mich einen Schritt nach vorn. Ich erschrak entsetzt, als eine Flutwelle auf mich zuraste. Sie drohte wenige Meter vor mir in sich zusammenzubrechen und mich mit ihrem Sog unter Wasser zu drücken. Ich spürte das salzige Meerwasser, wie es sich um meine Fußspitze kräuselte. Aus einem Affekt heraus trat ich einen Schritt zurück und fand mich in dem dunklen Raum wieder, in dem ich gerade zuvor war. Was geschah mit mir? Was hatte ich getan, dass das mit mir geschah? Furcht, Angst, Ahnungslosigkeit und Gedankenlosigkeit plagte mein Gewissen.

Erschrocken von der Situation, die sich mir ergab, trat ich einen weiteren Schritt zurück. Wieder zurückgekehrt fanden sich meine Füße auf dem kalten Fliesenboden.
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Der Dreck der sich dort bereits angesammelt hatte, drückte sich mir zwischen die Zehen. Der Geruch von Gulasch drang in meine Nase. Gestern mittag noch hatte ich einen Teller davon gegessen. Wie war das schön, mit meiner Frau an einem Tischende sitzen zu können und glücklich mit ihr zusammen sein zu können und Gulasch zu essen.

Ein Schritt in die Vergangenheit führte mich in einen leeren kalten Raum zurück. Gleich kam mir der Gedanke, dass dies der falsche Weg sein würde. Ich sah mich um. Keine Fenster. Nur weiße Wände, kahle Flächen und ein kalter Betonboden, der meine Füße frieren lies. Ich hatte Angst. Der Raum bot nicht die Möglichkeit eines Ausganges. Keine Türen, nur das Licht, dass von der Decke hing.

Eine Gestalt erschien in der Mitte des Raumes. Ich rührte mich nicht, ich blinzelte nicht, ich versuchte nicht zu atmen, vor Ehrfurcht, die sich in mir wie ein steifer Hals aufbaute. Ein ungewöhnlicher Druck lag auf meinen Ohren, als wäre ich taub und könnte nichts hören. Mein Mund war verschlossen, wie gelähmt, als sprächen keine Worte aus diesem. Irgendwie furchtlos, aber doch erschrocken stand ich da wie eine sprichwörtliche Salzsäule, ohne Bewegung, ohne Atmung, und doch atmete ich die Luft, die in dem Raum war. Es roch nach Beton. War ich entführt und unter Drogen gesetzt worden. Wer war diese Gestalt?

Sie sah mich an und nickte. Ihre mandelförmigen Augen durchdrangen meinen Körper ohne jegliche Reaktion. Mir fielen die langen Arme auf, die der Gestalt bis zu den Kniekehlen reichten. Die glatte Haut, grau war sie und nackt wirkte sie. Der Kopf war groß und die Finger waren lang. Da stand sie nur in der Mitte des Raumes und sah mich an. Einmal hatte sie genickt und mehr als nur ein Schauder durchfuhr meinen Körper. Ich hatte zwar das Gefühl einer Gänsehaut, aber konnte nichts erkennen. Gefühllosigkeit breitete sich in mir aus. Ich versuchte zu spüren, was mir aber verwährt blieb.

Die Gestalt hob ihre Hand und winkte mir zu. Ich wagte es zu glauben, den Anflug eines Lächelns gesehen zu haben. Ich wollte mit einem Lächeln antworten, aber ich konnte nicht. Nur meine Augen bewegten sich wie das zeitlose Licht, dass den Raum durchströmte, ohne das man es sehen konnte.

Automatisch machte ich einen Schritt nach vorn.
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Das Licht verschwand, der Raum verschwand und es wurde dunkler. Dann verschwand ich. Mein letzter Blick, den ich werfen konnte, war der auf die Erde, die sich von mir entfernte. Es war der schönste Anblick, der mir jemals wiederfahren ist.

Ich kehrte nie wieder zurück.


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Kommentare zur Story:

  Vorahnungen widerspiegen sich. Jeder fürchtet sich vom Untergang unseres Planeten, die Meisten unbewußt. Es gibt viele Hinweise.
Die Hoffnung sind die Hände einer anderen Wesensform, auch wenn sie etwas anders aussehen.Kommt man nicht zurück, weil man sich geborgen fühlt, oder muss man bleiben? Vom Regen in die Traufe, oder Erlösung und Rettung?
Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir es einmal erfahren werden.Bis dahin müssen wir unser Schicksal erfüllen.Also geniessen wir den Duft einer Blume, das Gezwitscher eines Vogels, die Liebe zur Natur, so lange wir sie noch haben.

Deine Empfindungen sind stark und Du musst sie ganz einfach weiterhin in die "Feder" fliessen lassen, es ist gut für Deine Seele und wird vielleicht Andere aufrütteln.

Liebe Grüße
Lisa  
Lisa  -  07.09.03 12:28

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  Deine Geschichten sind meist sehr melancholisch... Durchlebst Du momentan eine Veränderung? Träume, die so nah, so echt sind, dass man glaubt sich in einer Paralleldimension zu befinden, man sich selbst als Beobachter sieht, sind doch meist sehr erschreckend.... Doch die Stimmung, die inneren Regungen sind gut eingefangen  
Siegi  -  09.09.01 09:21

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  hallo marco, was ist in dir vorgegangen? was war zum zeitpunkt als du das geschrieben hast, mit dir geschehen? was hat dich so zum nachdenken gebracht?
irgendwas ist in deinem innern passiert, kann es sein ???

das ist so mein gefühl....nachdem ich das gelesen habe.
mach aber trotzdem weiter mit dem schreiben.   
edith  -  24.08.01 23:13

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  Irgendwie unheimlich, deine Geschichte. Und sehr surreal.
Berichtet diese Geschichte vom Sterben? Die gute, alte Tunnel-Story hat du jedenfalls vermieden.

Ich habe das Gefühl, das die einzelnen "Stationen" sehr viel mit dir selber und deinen (Alp)träumen zu tun haben. Doch am Ende steht die Befreiung...
  
tadeya  -  14.08.01 20:35

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  Eine Geschichte die einem zum Nachdenken bringt,ich glaube jeder hat schon mal darüber nachgedacht,einfach weggehen zu wollen alles hinter sich zu lassen, aber würde das was ändern? Nein, ich glaube nicht.  
Ulla  -  01.08.01 14:56

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  Das ist eine sehr nachdeckliche Geschichte. Tatsächlich gibt es im Leben solche Momente, wo man am liebsten in eine andere Welt untertauchen möchte. Aber ist die andere Welt auch wirklich besser?? Ich denke, egal wo man zur Zeit lebt oder ist, ist gibt immer jemand der fest an dich glaubt!!
Marco, mach weiter so!
Gruss Nadja  
Nadja  -  31.07.01 13:28

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  Die Storie ist gut und klar geschrieben. Auch die Gefühle in den verschiedenen Situationen sind schön geschildert. In manchen Situationen ist es vielleicht gar nicht schlecht, sich einfach nur durch einen Schritt in eine andere Welt begeben zu können... Das würde wahrscheinlich einiges erleichtern.   
Steph  -  30.07.01 21:10

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Buchwurm" zu "PK Chat Story 2 - return to life - (1-22)"

Echt super krass gut!

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Kommentar von "rosmarin" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

Hahaha, darauf muss man erstmal kommen. Köstlich. Habt alle ein schönes Osterfest. Gruß von

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