Romane/Serien · Nachdenkliches

Von:    Weezer's Friend      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 26. Juli 2001
Bei Webstories eingestellt: 26. Juli 2001
Anzahl gesehen: 2035
Seiten: 4

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


4



Sie saßen sich in einem kleinen, düsteren, leeren Kaffeehaus gegenüber, das sich scheinbar einfach so gegenüber dem Bürogebäude zwischen einer vollbesetzten Konditorei und einem Lampengeschäft eingenistet hatte. Der Besitzer war offensichtlich notorisch unterbeschäftigt und dabei die Reste der Morgenzeitung zu studieren. Er tat das mit Bedacht und Ruhe, denn Zeit hatte er offensichtlich genug. Das Kaffee war in dunklem Samtrot gehalten und mit grober Eiche getäfelt. Die Wände waren mit Schwarz-weiß-fotos abwesend wirkender Frauen und besseren Zeiten dieses Hauses behängt. Das, und die zuvorkommende Bedienung des Besitzers gaben ein heimeliges Gefühl. Es war wohl eines der letzten Kaffeehäuser, die auch Kaffee durch Aufguß anboten. Sie nahm sich wie überall einen Konkaffee, er aber eine alte Melange. Schwaden des Rauches entstiegen ihren Mündern und zogen zwischen ihnen, sich vereinend, inneinanderschlingend langsam an seinem Gesicht vorbei. Wie körperlose Liebende, die sich in einem unendlichen Nichts gefunden hatten, umschlangen sich Fäden dieser weißen, schwerelosen Flüssigkeit und wurden in ihrer drehenden Bewegung zu einem großen, gemeinsamen sich auflösenden Sud.

Scheinbar verloren blickte er auf seine Tasse nieder, während er, beinahe zeremoniell, das Stück echte Schokolade und den Zucker in dem warmen, liebenden Braun versinken ließ.

"Warum trinkst du denn diesen Aufgußkaffee in dem der ganze Dreck rumschwimmt. Der Kon ist dasselbe, nur sauberer."

Geduckt blickte er auf, sah sie etwas befremdet an. Seine Augen suchten nach einem Grund einer Antwort auf solch eine Frage.

"Du rauchst und stellst mir diese Frage."

"Stimmt. Wollte halt nicht grad mit der Tür ins Haus fallen."

Diese Ehrlichkeit rang ihm das erste kurze Lächeln ab.

"Ich bin der Meinung, daß der Dreck auch seinen Teil zum Kaffeegeschmack beiträgt."

"Mhm"

Er war der erste den sie kannte, der in die Ära des gefilterten Kaffeekonzentrats hineingewachsen war, und dennoch den fast veralteten Kaffeeaufguß wählte. Somit gehörte er wohl zu einer aussterbenden Rasse, was schon allein durch die Tatsache bewiesen wurde, daß sie in einem der letzten Kaffeehäuser mit Aufgußmaschine saßen.
Seite 1 von 4       


"Was willst du in deinem Leben tun", fragte sie nach einer kurzen Weile, in der sich nur der Rauch in seinen, dem Sichtbaren überschreitenden Spielen bewegte und eine surrende Lüftung und vorübereilende Menschen im Fenster die Szenerie der Realität entrückten.

Er wippte leicht mit dem Kopf auf und ab, ließ seine Kiefermuskeln hervortreten und preßte die Lippen aufeinander. Für ein paar Sekunden ließ er ein gezogenes "Hm" vernehmen bevor er antwortete.

"Schreiben"

"Warum tust du es nicht schon."

Als wäre ihm ein Feind entgegengetreten den es abzuwehren galt richtete er sich ruckhaft auf, um sich in einer fließenden Bewegung aufrecht zurückzulehnen. Mit einer aggressiven Armbewegung schleuderte er quasi seinen Haß den Leuten vor dem Fenster entgegen.

"Ich tue es ja. Aber die interessiert das nicht. Vielleicht haben sie Angst davor, mit dem Denken anfangen zu müssen, wenn sie meine Texte lesen. Ich bin kein Stephen King, der durch seine Prostitution jedem seine Werke andreht, der grad mal so Buchstaben aneinanderfügen kann. Weder kann, noch will ich das schreiben, was die Leute lesen wollen. Es sträubt sich in mir alles, wenn ich daran denke, den Menschen keine neuen Denkanstöße geben zu können, nur weil sie faul sind. Natürlich könnte ich es in hübsche Geschichten verpacken, mit rosa Schleifchen rundherum und Zucker obenauf, aber ich habe nicht vor, Kindern etwas zu präsentieren, was sie dann erst recht nicht verstehen würden, weil sie nicht darüber nachdenken wollen."

Sein Pulver war anscheinend verschossen, und er sackte in sich zusammen. Wieder über seine Melange gebeugt, von der er nun einen Schluck tat und ihr Aroma mit dem eines Zuges von der Zigarette verband. schloß er mit ab, deren Bestimmung nicht ganz klar waren.

"Ich bin einfach zu kompliziert und wahrscheinlich zum Scheitern geboren. Die Evolution spielt mit der Menschheit und ich bin die nichtlebensfähige Mutation."

"Denkst du das wirklich. Ich habe den Eindruck gewonnen, du seist Revolutionär. Wie kannst du da jetzt schon resignieren."

Eine der unbeantwortbaren Fragen.
Seite 2 von 4       
Sie hatte sich ihm schon etliche Male aufgedrängt. Nicht genau in dieser Form, aber doch. Wie immer blieb ihm nichts anderes über als mit den Achseln zu zucken.

"Im Gegensatz zu, zum Beispiel Che, weiß ich nicht, wie ich meine Ideen umsetzen soll. Vielleicht liegt es an den Fesseln dieser kapitalistischen, dieser Umgebung, die zu stark für mich sind und mir nicht einmal die Freiheit zu einem Anlauf lassen."

Jetzt hatte er ihr den Punkt geboten, an dem sie sich einklinken konnte.

"Was wäre, wenn dich jemand von diesen Fesseln befreien könnte. Nur soviel, daß du einen ordentlichen Anlauf nehmen kannst. Den Sprung schaffst und auf Beinen landest, die dich zu deinem Ziel tragen."

Er hatte sie verstanden auf der anderen Seite aber wiederum nicht. Ausdruckslos wartend fixierte er sie. Doch das Warten auf eine genauere Antwort konnte von ihr nicht belohnt werden, denn sie kannte sie selbst noch nicht.

"Wie soll das gehen", hackte er weiter nach.

"Ich weiß es noch nicht so genau, aber ich weiß es wahrscheinlich, wenn wir uns morgen zu Mittag hier wieder treffen."

Nichts hatte sich an seiner Haltung verändert.

"Wäre das ok? Tu mir bitte diesen Gefallen, deine Fesseln lockern zu können."

"Ok"

"Hast du einen Platz zum Schlafen."

"Klar"

"Wir sehen uns also morgen"

"Wir sehen uns morgen"

Sie trank ihren Kaffe im letzten Zug aus und nahm den letzten Zug ihrer Zigarette. Einen Moment blieb sie noch sitzen, sah ihn an. Dann stand sie Grußlos auf, ging zum Besitzer, zahlte die Getränke und ließ ihn nachdenklich zurück. Er hatte sich nicht umgedreht. Selbst als sie das Lokal verließ nicht. Nach dem Schlag der Tür tat er einen flüchtigen Blick aus dem Fenster, ihr nach, als sie von der Menschenmenge des Abends verschluckt wurde.

Keiner von ihnen hatte sich verabschiedet, den sie warteten doch nur aufeinander.





5



Nach dem Schlüssel kramen, ins Schloß stecken, die zwei Sekunden für die DNA-Erkennung der Finger, die den Schlüssel halten, die Überprüfung der Vitalfunktionen und des Streßfaktors abwarten.
Seite 3 von 4       
Kurz bevor das Beleuchtungsprogramm anläuft, ist das Licht vom Gang der einzige Gast im Raum. Gleich einem seidigen Fluß streicht es über den glatten, weißen Teppich. Es erforscht Teile der Durchreiche zwischen der schmalen Küche und dem Esstisch. Kugelschreiber auf ihm blitzen auf, Stapel von Papier und einzelne Memos verschlucken das Licht in die Verschwommenheit und Vielfalt der Buchstaben. Klar, Writepads sind praktischer, vor allem ersetzt ein Pad die gesamte Zettelwirtschaft eine Büros, aber in diesem Punkt war sie altmodisch und bevorzugte die scheinbare Übersichtlichkeit von Papier.
Seite 4 von 4       
Punktestand der Geschichte:   16
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

  manche stellen sind echt berauschend. irgendwie ein gutes abbild der realität.  
somersault  -  08.08.01 14:55

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Sabine Müller" zu "verkaufte Seele"

Hallo, sehr berührend. Gefällt mir gut, auch wenn es sehr traurig ist. Gruß Sabine

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Dieter Halle" zu "Das Gullydeckel-Lied"

Interessant, auf was du so alles achtest. Ich werde künftig viel genauer die vielen Gullydeckel betrachten. Ein bezauberndes Gedicht und man kann sich vorstellen, dass es gesungen noch besser klingt.

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Tlonk" im Thread "Account nicht erreichbar"

klappt ja dann auch!

Zum Beitrag