Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Naselang      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 29. Juni 2001
Bei Webstories eingestellt: 29. Juni 2001
Anzahl gesehen: 2587
Seiten: 2

Sie hatten sie kurz vor 12 überfallen. Ihr Gesicht war dem Himmel zugewandt, sie konnten ganz leise die Musik aus ihrem Walkman hören, der neben ihr auf der Decke lag. Sie lag auf dem Rücken und hielt einen Becher, wahrscheinlich mit Alkohol gefüllt, in der Hand.

Um zu trinken, musste sie sich jedes Mal mühsam aufrappeln und hinsetzen, bevor sie den Becher an den Mund führen konnte.

Ihre Kleidung war schlicht, eine dunkelblaue Jeans, ein T-shirt, darüber eine blaue Weste und wie eine Decke über sich gelegt eine schwarze dicke Jacke.

Obwohl es schon Mitte Mai war und nachmittags die Temperaturen in die Höhe kletterten, war es abends schon recht kühl. Sie fröstelte.

Sie schlüpfte in die dicke Jacke und zog den Reissverschluss bis unter ihr Kinn hinauf.

Das Buch, das sie eigentlich lesen wollte, hatte sie schon längst wieder in ihrem Rucksack verstaut. Sie war schon in der leichten Abenddämmerung zum See gefahren, die Sonne stand noch über den Bergen und warf den Himmel in ein dunkles Abendrot, in das sich hellblaue Kondensstreifen vermischten. Morgen würde es wieder schönes Wetter geben, vielleicht sogar ein paar Grad wärmer, und sie könnte die ersten Runden im See versuchen zu schwimmen, ohne nachher mit blauen Lippen und durchfrorenen Gliedmassen an Land zu kommen. Jetzt war es schon viel zu dunkel, um zu lesen und eine Taschenlampe hatten sie vergessen mitzunehmen. Wie sie auch sonst noch einiges vergessen hatte mitzunehmen. So musste sie extra noch mal umkehren, weil sie ihre zwei Weinflaschen zuhause auf ihrem Bett liegen hatte lassen.



Ihre Freunde hatten heute abend keine Zeit gehabt. Den besten Freund konnte sie nicht erreichen, nur seine Mobilbox, die ihr auch schon langsam auf den Wecker ging. Wahrscheinlich war er wieder irgendwo unterwegs, wo er das Klingeln nicht hören konnte. Schön, wenn er nicht wollte, sie würde ihn nicht zwangsbeglücken.

Ein guter Kumpel sagte ihr ab, nachdem er ihr lang und breit erzählt hatte, wie viele Bier er gestern mit Freunden vernichtet hatte und wie viele Mädchen er hätte haben können. Es interessierte sie nicht. Grob hatte sie ihn unterbrochen und aufgelegt.

Und die beste Freundin hatte schlicht und einfach keine Lust. Oder lag es wohl eher daran, dass sie lieber daheim vor dem Telefon hockte und darauf wartete, dass ihr Schwarm aus Rumänien anrufen würde? Unglaublich, dass sie nicht kapierte, dass er nicht mehr an ihr interessiert war.
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Sie mochte das Relaxen am See. Mit ihrer alten Oldtimer Vespa, die schon längst über das Verfallsdatum war, was Motorleistung und Beständigkeit des Gaskabels, Blinkers, Vergasers und anderen Dingen betraf, die im Laufe der Jahre mit jeder Fahrt mitgelitten hatten und nun fast wöchentlich erneuert werden mussten, brauste sie von zuhause aus in Rekordzeit an den See.

Aber sie konnte sich nicht von der alten Bierkiste, wie das alte Klapperteil spöttisch von ihren Freunden damals durch einen dummen Zufall benannt wurde, trennen. Viel zu gemütlich war es, im Sommer nach der Schicht in der Tierfutterfabrik, die trotz der ekelhaften Fliessbandarbeit ordentliches Geld abwarf, total verschwitzt mit ihr zum See runterzudüsen und sich, kaum dass man alle Kleider von sich gerissen hatte, in das kühle Nass zu stürzen.

Meist hatte sie danach ohne sich abzutrocknen sich auf ihre Decke gelegt und mit nassen Händen ihre Uni-Unterlagen aus der Tasche gekramt und für die bevorstehende grosse Diplomprüfung gebüffelt. Die total zerknautschten, mit Eselsohren versehenen und durch das Wasser wellig gewordenen Blätter liebte sie. Das waren ihre Unterlagen, ihre Blätter, die sie so verunstaltet hatte. So konnte sie viel besser lernen, als auf diesen schön sauber geschlichteten Blätter, wie sie ihre arroganten und top-gestylten Uni-Kollegen und Kolleginnen immer ordentlich in Klarsichthüllen oder Ordnern aufbewahrten.

Bei ihr lagen sie wild durcheinander geworfen in der Tasche herum und wurden durch allerhand Kaffee-, Schokolade-, Fett- und Tintenflecken in Mitleidenschaft gezogen. Sie störte es nicht.



Ihre Sonnenbrille hatten sie achtlos ins Gebüsch geworfen, ihre Unterlagen lagen um die zerwühlte Decke verstreut herum. Den Rucksack mit einer Flasche billigem Rotwein, 5 Gramm Marijuana und einigen Filterpapierchen nahmen sie mit. Die Geldtasche mit 250 ATS darin liessen sie in der Hosentasche des Opfers stecken.














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Kommentare zur Story:

  Auch, wenn ich die Geschichte an sich etwas
merkwürdig finde: Die Bilder sind sehr schön und
sehr deutlich. Du schaffst es, dieses Mädel
rüberzubringen, einen Typ aus ihr zu machen und
nicht irgendeinen Protagonisten. Ich kann sie mir
sehr gut vorstellen, und das nicht nur, weil ich auch
oft mit meiner Oldtimer-Vespa an unserem See war
und ein eher unordentlicher Mensch bin, der gern
mal an etwas Größerem als einer Zigarette zieht.
Schön gemacht. Leider läßt das Ende zu viele Fragen
offen, ich hätte gern mehr von ihr und ihrem Leben
erfahren, was aus ihr wurde, was danach geschah.
Die paar Fehlerchen fallen hier kaum ins Gewicht,
aber die "Gliedmassen" (uiuiui!) will ich doch nicht
unerwähnt lassen... ;o)  
Trainspotterin  -  05.08.04 15:43

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  Ist sie nun tot oder ist das nicht wichtig?

Blöde frage meinerseits ...  
dark blaze  -  19.07.02 14:31

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  ???  
Wolzenburg-grubnezloW  -  14.11.01 03:59

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Kommentar von "Nathanahel Compte de Lampeé" zu "Manchesmal"

... welch ein wunderschöner text ! lg nathan

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Kommentar von "Dieter Halle" zu "Einfach toll "

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