Wie schön, dass ich soviel Angst hatte   36

Kurzgeschichten · Erinnerungen

Von:    Marion Stahl      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 28. Juli 2002
Bei Webstories eingestellt: 28. Juli 2002
Anzahl gesehen: 2522
Seiten: 4

Angefangen hat es mit Zahnschmerzen. Vor Zahnärzten habe ich mehr als Angst; einige Male schon fiel ich in Ohnmacht, ohne dass ein Dok überhaupt in meinen Mund schauen konnte. Im Sommer 1997 liess ich alle Zähne in Vollnarkose reparieren - aber das war auch nicht das wahre. Mit Grauen dachte ich daran zurück. Also was sollte ich nur tun, um diese elenden Zahnschmerzen loszuwerden?



Hinzu kommt noch, dass ich nicht krankenversichert bin, weil ich eh nie zu einem Arzt gehe. Ausnahmen bestätigen die Regel, jedoch reicht mir ein Arztbesuch in fünf Jahren absolut.



Ein Freund von mir hat wunderschöne Zähne. Mutig sprach ich ihn an, ob das seine eigenen wären und zu welchem Zahnarzt er geht. Bereitwillig erzählte er mir: "Vor ca vier Jahren habe ich die Kronen von meinem Zahnarzt in Tschechien machen lassen. Das war superpreiswert und ich bin 100% zufrieden."



Voller Begeisterung erzählte er über die tollen Behandlungsmethoden in Tschechien und betonte mehrere Male die günstigen Tschechienpreise.



Hm, dachte ich, was tun? Tschechien ist ein schönes Land, aber ob das mit den Zahnärzten wirklich alles stimmt? Schliesslich wollte ich nicht nur den besten Preis sondern auch höchste Qualität und einen Dok, bei dem ich nicht in Ohnmacht falle. Und dann auch noch das Sprachproblem.... Uijeh, was würde das wohl geben?



Nun denn, ich liess mich auf das Abenteuer ein. Am 28. Dezember 2000 fuhr jener Freund mit mir nach Tschechien zu jenem besagten Zahnarzt. Wir fuhren nach Tachov, das ist nur ungefähr 14 Kilometer hinter der Grenze bei Bärnau. Von Weiden aus dauerte unsere Fahrt eine gute Stunde.

Misstrauisch betrat ich die Poliklinik in Tachov und wäre am liebsten wieder umgekehrt. Nein, so hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Wenn ich zum Zahnarzt muss, dann doch nicht gleich ins Krankenhaus....



Um Zeit zu gewinnen suchte ich die Toiletten auf und hatte ein Problehm: Wie heisst "für Frauen" auf tschechisch? Keine Ahnung. Natürlich ging ich "für Männer"....



Irgendwie schaffte ich es, meinen Freund bei dem Zahnarzt zu finden und da geschah ein mittleres Wunder in mir: All´ meine Befürchtungen lösten sich in Luft auf.
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Der Dok gab mir freundlich die Hand, schaute mir in die Augen und sagte herzlich: "Grüss Gott"

Na, was sollte denn da noch schief gehen?



Mein Freund hatte bereits auf tschechisch erzählt, was ich für ein Angsthase bin und was bei mir gemacht werden soll. Der Dok und ich besprachen auf deutsch, wie wir anfangen wollen. Die obere Vorderfront, also sechs Zähne wollte ich überkront haben.

Am Blick des Arztes erkannte ich, dass ich im Verhältnis zu meiner Angst grosse Pläne hatte. "Haben Sie Angst?" fragte er verständnisvoll und schaute mich freundlich an. "Ja, riesengrosse" gestand ich, ohne mich zu schämen, denn ich fühlte mich hier vom ersten Augenblick an bestens aufgehoben. Sacht streichelte er mir über den Kopf und sprach mit väterlicher Stimme zu mir: "Brauchen sie keine Angst zu haben, es wird alles gut."



Und ich glaubte ihm. Warum weiss ich auch nicht. Vielleicht ist es seine unaufdringliche Art das Gefühl zu vermitteln Mensch und ernstgenommener Patient zu sein.

Das unerwartete Streicheln des grossen Mannes, der vom Alter her tatsächlich mein Vater sein könnte, bekräftigte mein Gefühl an der richtigen Adresse zu sein.

Zum Abschluss des ersten Besuches entfernte er unten ein wenig Zahnstein. Nur soviel ich vom Schmerzempfinden her ertragen konnte. Das war´s dann auch schon. Mit einem Ternim Anfang Januar 2001 fuhren wir wieder nach Deutschland zurück.



Mittlerweile, Anfang März 2001, war ich schon 7 mal in Tschechien beim Dok und freue mich auf jeden neuen Termin.

Nachdem wir die oberen Zähne überkront hatten war ich so begeistert, dass ich mir jetzt alle Zähne überkronen lasse.

Nötig wäre das nicht unbedingt, aber ich nutze es aus, so gut und günstig behandelt zu werden.



Die Menschen sind sehr freundlich und höflich, die Atmosphäre ist sehr menschlich, die Räumlichkeiten sehr sauber ohne jedoch die von mir gehasste unpersönliche Sterilität vieler Arztpraxen auszustrahlen.

Zu jeder Behandlung, ganz gleich ob abschleifen oder Kronen draufsetzen bekomme ich soviel Betäubungsmittel wie ich brauche. Der gute Dok ist sehr fürsorglich und fragt dennoch immer wieder, ob ich auch gewiss keinen Schmerz habe.
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Während der Behandlung denke ich meist mehr als einmal: "Was geht´s mir doch wunderprima. Bekomme ich ganz tolle Zähne, ohne Schmerz und tu mich finanziell auch nicht ruinieren."



Probleme hatte ich lediglich zweimal:

Auf der Rückfahrt wurde ich an der deutschen Grenze gefragt, was ich bezahlt habe. Die Beamten hatte am Morgen mitbekommen, dass ich zum Zahnarzt nach Tschechien fahre. Wahrheitsgemäss sagte ich viertausendundirgendwas... "Fahren Sie rechts raus!"

Ui, dachte ich, was ist jetzt los?

Die eine junge Beamtin raste zum Telefon und ich stand da mit meinen und den Papieren meines Hundes, den ich immer bei mir habe.

"Haben Sie eine Rechnung?" Himmel noch eins, warum fuhr der mich so aggressiv an?

"Nein, ich bin ja noch nicht fertig."

Mir war es schleierhaft, dass man für eine Ausgabe, die umgerechnet ca 125 Euro entspricht eine Quittung braucht. Soviel hatte meine Behandlung mit den Kronen oben bisher gekostet. Zumal ich nach jedem Zahnarztbesuch den fälligen Teilbetrag bezahlt habe.

"Haben Sie 4000 Kronen oder DM bezahlt?" na endlich mal eine kluge Frage. "Kronen natürlich, ist doch Tschechien." sagte ich, denn für mich war das selbstverständlich.

"Dann dürfen Sie fahren; bringen sie das nächste Mal eine Rechnung mit."



Mein zweites Problem war männlicher Natur, hätte mir aber auf der ganzen Welt passieren können:

Zu gerne stöbere ich vor meinen Zahnarztbesuchen auf den kleinen Märkten der Vietnamesen, die man in Tschechien häufig findet. Einmal war die Versuchung zu gross und ich betrat eine der Hütten. Der kleine, drahtige Inhaber legte eine Hand auf meine Schulter und fragte: "Deutsche Frau?" Blitzschnell grabschte der Widerling mit der anderen Hand zwischen meine Beine und ich entwandt mich so schnell ich nur konnte. Mit zwei Schritten war ich wieder draussen und rief den Namen meines Freundes - der war natürlich nicht da und meinen Hund hatte ich im Auto gelassen....



Anschliessend erzählte ich dem Dok davon. Mitfühlend stich er mir übers Haar und ich fühlte mich getröstet.
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Meinen megaguten Eindruck, den ich von Tschechien habe, konnte dieses negative Erlebnis nicht trüben.

Tschechien ist ein wunderschönes Land. Die menschliche Mentalität der Menschen dort sagt mir sehr zu. Besonders wenn ich sehe, wie unbefangen Mensch und Tier miteinander umgehen fühle ich mich unsagbar gut und bin froh, dort verweilen zu dürfen.



Nächsten Mittwoch habe ich den achten Zahnrzttermin. Darauf freue ich mich sehr, gradeso, als wenn ich gute Freunde besuchen würde....



Nachsatz:

Jetzt, im Jahr 2002, sind alle meine Zähne repariert - und ich besuche noch immer gerne meine guten Freunde in Tschechien.
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Punktestand der Geschichte:   36
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Kommentare zur Story:

  selten habe ich soviel boshafte Voreingenommenheit erlebt wie unter den Komentaren hier...

PS: mein Zahnarzt ist mittlerweile 75 Jahre; er und seine Familie laden mich noch immer gelegentlich zum Sonntagsessen nach CZ ein.
Seinen Namen gab ich weder in meiner wahren Geschichte preis - wie gut - so was wie Maxon braucht ein würdiger, älterer Herr Doc ganz gewiss nicht.  
Marion Stahl  -  28.07.03 17:41

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  Hallo, ungebremste Begeisterung, habe auch ich bei dem Bericht von Marion Stahl empfunden und hatte eigentlich vor Kontakt zu ihr auf zu nehmen, um genaueres zu erfahren.
Da ich hier neu bin, weiß ich nach dem ich den Kommentar von Maxon gelesen habe aber nicht, ob hier jeder irgendeinen Mist ( Werbung ) schreibt, oder ob Maxon nur etwas zu kritisch ist.
Ich persönlich habe auch große Angst vor dem ZA und würde mich freuen, wenn Marion mir mehr Einzelheiten mitteilt.  
Darti  -  03.09.02 15:32

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  Ungebremste Begeisterung entnimmt man Deinen Zeilen. Das es Dir so gut ergangen ist, ist schön für Dich.Auch ich mach mir fast in die Hose wenn ich nur an den ZA denke.Als Geschichte jedoch sind Deine Zeilen völlig ungeeignet, noch nicht einmal als Reisebericht.
Du rührst die Werbetrommel und lobst in höchsten Tönen. (Ich nehme mal an aus der Erleichterung heraus alles Schmerzlos überstanden zu haben.) Es könnte aber auch so verstanden werden das Du aus privaten Gründen, welche das auch immer sein mögen, Geld oder Liebe,die Sache bekannt machen möchtest.
Also kurz gesagt:WERBUNG GEHÖRT NICHT IN WEBSTORIES.  
Maxson  -  31.07.02 07:14

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  hallo Christine,

sorry, ich bin neu hier und wusste nicht, dass man unter Nachdenkliches oder Sinnliches etwas witziges mit Pointe schreiben soll

Marion  
ma  -  29.07.02 14:04

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  Der Titel hat mich neugierig gemacht, und dann??? Ist das ein Reisebericht? Ich hab' die ganze Zeit auf die Pointe gewartet....  
christine  -  29.07.02 13:34

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Schweres und schönes Gedicht. Gefällt mir sehr total. Ganz liebe Grüße

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