Romane/Serien · Nachdenkliches

Von:    Dina A. Bernstein      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. Juli 2002
Bei Webstories eingestellt: 21. Juli 2002
Anzahl gesehen: 2161
Seiten: 27

"Tante Susan?", fragte Bridget mit angehobenen Augenbrauen und stellte ihre Tasse auf die Marmorplatte des Küchentischs.

"Das war ein Scherz, oder, Mom?"

Ihre Mutter, Rosemary Allaster, schüttelte den Kopf und faltete ihre Hände.

"Du weißt, dass ich während deiner Ferien in New Jersey bin. Susan hat angeboten, dass du in dieser Zeit bei ihnen auf der Farm leben kannst. Ich an deiner Stelle würde mich freuen.", erklärte sie ruhig.

"Farm!", schnappte Bridget.

"Was ist mit Dad?"

Rosemary lächelte vorsichtig.

"Er hat keine Zeit. Er hat auch einen Job. Und stell dir doch mal vor, wie nett es bei den Mallorys wird. Caroline müsste jetzt so in deinem Alter sein. Und Richard zwei Jahre älter..."

Während ihre Mutter alle sieben Mallory-Kinder aufzählte, dachte Bridget, dass sie die Ferien lieber allein in der Wohnung in San Francisco, die sie zusammen mit ihrer Mutter bewohnte, verbrachte, als bei alten Freunden ihrer Eltern, die eine Farm in Iowa besaßen.

Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, sodass sie in den Flurspiegel sehen konnte, zupfte an ihren kurzen blonden Haaren herum und lächelte ihr Spiegelbild an.

Vielleicht war sie wirklich ein arrogantes, verzogenes Großstadtkind, wie es ihre Großmutter bei jedem Besuch erwähnte.

Sie würde auf keinen Fall nach Iowa gehen.

"Bridget!", riss die Stimme ihrer Mutter sie aus ihren Gedanken.

"Hast du mir überhaupt zugehört?"

Bridget löste sich von ihrem Anblick und nickte.

"Caroline ist sechzehn, genau wie ich. Donna-Jean wird nächste Woche zwölf. Richard ist achtzehn und zieht bald aus. Anna und Cynthia sind sieben, drei Jahre jünger als Drew. Und Max..."

Sie machte ein theatralische Pause.

Sie hatte keine Ahnung, was mit Max, dem ältesten der Geschwister, inzwischen geschehen war. Entweder saß er im Knast, weil er bei Burger King eingebrochen war, oder er kam wochenlang nicht nach Hause, oder sprach nicht mehr mit seinen Eltern.

Sie erinnerte sich, dass er, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, sein Zimmer schwarz gestrichen und den ganzen Tag nur herumgebrüllt hatte, dass er aus diesem Kaff raus wolle und es nicht mehr aushalte.

Damals waren ihre Eltern noch verheiratet und sie selbst erst acht.

Dann war er jetzt schon zwanzig.
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Erwachsen.

Er wohnt also gar nicht mehr bei seinen Eltern auf der Farm, dachte Bridget.

Schade eigentlich.

"Der ist wohl nicht mehr da.", murmelte sie.

Ihre Mutter nickte.

"Gestern hat Susan mich angerufen und gefragt, ob er bei uns ist. Sie macht sich solche Sorgen." Bridget verdrehte die Augen.

"Was sollte er denn bei uns wollen? Er kennt uns doch eigentlich gar nicht."

Rosemary ließ einen Stapel schmutziger Teller in das Spülwasser gleiten.

"Du fängst besser schon mal an zu packen. Die Sommerferien beginnen übermorgen und ich möchte, dass bis dahin alles fertig ist."

"In Ordnung."

Bridget war sich sicher, dass sie niemals auf diese grauenhafte Farm müsste.

Das konnte ihre Mutter nicht wirklich ernst meinen.



Sie meinte es ernst.

Und wie.

Zwei Tage später saß Bridget mit ihrer Mutter und drei überdimensionalen Koffern im Auto und war auf dem Weg von San Francisco nach Iowa.

"Mom, können wir nicht zurückfahren? Wir sagen deine New Jersey-Sache ab und machen uns richtig nette Mutter-Tochter-Ferien."

Rosemary blickte stur aus dem Fenster.

"Bridget Allaster, ich fahre nicht ein paar Tausend Kilometer nach Iowa zu Tante Susan, damit du dich zehn Minuten, bevor wir ankommen beschwerst!"

Bridget schüttelte ihren Kopf, streckte die Beine aus und dachte über die Schule nach, die sie zum Glück sechs Wochen nicht von innen sehen würde.

Und von außen auch nicht, dank Tante Susan.

Sie beobachtete die vorbeifliegende Landschaft und fragte sich, ob Bobbie Smith ihr immer noch Liebesbriefe schrieb, wenn die Schule wieder anfing.

Er war eine hässlicher Streber und sie verabscheute ihn seit er in ihre Klasse gekommen war.

Aber ein Verehrer mehr war immer praktisch für das Image.

"Wir sind gleich da, Schatz."

Bridget warf einen entnervten Blick auf ihre Mutter und tastete nach ihren Schuhen, die unter die Reisetasche gerutscht waren, die zu ihren Füßen lag.



"Rose! Wie schön, dich endlich wiederzusehen!", rief eine Frau mittleren Alters und stürmte aus der Tür auf das Auto zu.

Bridget schwang ihre Beine aus der Tür des silbernen Fords, der irgendwie fehl am Platz schien und sah sich um.
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Felder.

Wiesen.

Ein Stall.

Eine große Scheune.

Noch mehr Weiden.

Ein großzügiger Hof.

Das Haus.

Das Haus war komplett aus Holz und hatte ein Reetdach.

An einer Seite war ein Wintergarten angebaut, an der anderen eine Veranda, auch aus Holz.

"Bridget, du bist aber groß geworden, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben!", stellte Susan fest und umarmte sie.

Hinter der Frau erschienen zwei Mädchen, wahrscheinlich Anna und Cynthia.

Die beiden sahen nämlich vollkommen identisch aus.

Sie trugen gewöhnliche Jeans und T-Shirts, keine rosa Kleider, wie Bridget zunächst angenommen hatte.

Sie stellte ihre Tasche auf den Boden neben die Koffer, die ihre Mutter aus dem Kofferraum gehievt hatte.

"Hi, Bridget. Ich bin Caroline."

Ein weiteres Mädchen in ihrem Alter tauchte hinter ihr auf und reichte ihr die Hand.

"Soll ich dir dein Zimmer zeigen?"

Sie nickte und griff nach einem ihrer Koffer, während ein großgewachsener Junge Caroline Bridgets Reisetasche abnahm.

"Hallo, ich bin Richard. Wir haben uns riesig auf dich gefreut, Bridget!", rief er und lief rückwärts vor den Mädchen her.



Im Hausflur wurden sie von drei jüngeren Mädchen umgerannt, die im geräumigen Wohnzimmer Fangen spielten.

Caroline blieb stehen und deutete in den Raum.

"Die beiden mit den Zöpfen sind Drew-Lynn und Donna-Jean. Lynn ist zehn, Jean wird nächste Woche zwölf. Die kleine mit dem blauen Rock ist Molly, die jüngste Tochter unserer Nord-Nachbarn, den Ethans."

"Hallo.", murmelte Bridget aus einem Pflichtgefühl heraus in das Zimmer hinein.

Während sie die breite, knarrende Holztreppe hinaufstiegen, erzählte Richard weiter.

"Caroline ist sechzehn, genauso alt wie du. Ich bin jetzt achtzehn und Max, unser ältester Bruder, ist zwanzig, aber er ist nicht zu Hause. Eigentlich ist er nie zu Hause."

Er öffnete eine Tür am Ende des Ganges.

"Das ist dein Zimmer, Bridget."



Es war nicht wirklich groß, aber es reichte für eine Person aus.

An der einen Wand grenzte ein Badezimmer mit Dusche an, an der anderen Seite, durch einen Vorhang abgetrennt, ein Kleiderschrank.
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"Du kannst jetzt deine Sachen auspacken und dich etwas einleben, wir rufen dich zum Essen." Nachdem die beiden den Raum verlassen hatten, warf Bridget sich auf das Bett.

Es war weich, viel weicher, als ihr Futon, aber bequem.

Wahrscheinlich ein Federbett, denn das Kopfkissen roch ein wenig nach Huhn.

Sie stand wieder auf und öffnete ihren Koffer.



Nach einer Weile klopfte es zaghaft an die Tür und ein Mädchen steckte den Kopf hinein.

"Hi, du musst Bridget sein. Ich bin Drew-Lynn. Mom sagt, ich soll dich zum Essen rufen."

Bridget lächelte.

"Hi, Drew. Ich bin sofort unten."

Das Mädchen lächelte zurück und war wieder verschwunden.

In der Tür stieß sie mit Richard zusammen.

Nach zahlreichen Entschuldigungen richteten sich beide wieder auf und er stellte ihr die restlichen zwei Koffer ins Zimmer.

Auf der Treppe schnupperte Bridget in die Luft.

"Das riecht aber gut, was gibt es zum Abendessen?"

Richard überlegte kurz.

"Das ist eine Nudelpfanne, denke ich. Unsere West-Nachbarn kommen zum Essen, unddann ist da ja noch deine Mom, Susan wollte etwas besonderes machen."

"Susan?", fragte sie.

Er zuckte mit den Schultern.

"Ja. Sie kann es nicht ausstehen, Mom genannt zu werden. Wir nennen sie alle Susan."

Sie waren am Fuß der Treppe angelangt und Richard trat vor die Haustür.

"Ich rufe eben die anderen."

Er formte mit seine Händen einen Trichter und rief in die Dunkelheit hinaus.

"Carry, Anna, Cyn, Jean, Lynn, James!"

Während Bridget sich noch fragte, wer mit James gemeint war, stand Mr. Mallory, Susans Mann vor ihr.

"Bridget, ich freue mich, dich wiederzusehen! Die Kinder waren alle ganz aufgeregt, als sie erfahren haben, dass du uns besuchen wirst."

"Hallo, Mr. Mallory.", sagte Bridget.

"Kind, nenn mich um Himmelswillen James! Du bist doch keine Fremde, du gehörst fast zur Familie!", empörte er sich.

"Wie ich sehe, hast du schon unseren Vater kenengelernt.", ließ Caroline sich von der Veranda vernehmen.

"Das sind unsere West-Nachbarn, die Blaines!"

Bridget drehte sich um und erblickte den bestaussehendsten Jungen der Welt.
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Caroline übernahm das Vorstellen.

Sie deutete auf ein Mädchen mit halblangen schwarzen Haaren.

"Shannon, sie ist 16, meine beste Freundin. Das ist Sarah, sie ist dreizehn."

"Meine beste Freundin.", warf Drew-Lynn ein.

"Und William, er ist siebzehn."

"Hallo.", flüsterte Bridget und versuchte William nicht zu offensichtlich anzustarren.

"Hallo, Bridget! Carry hat mir schon so viel von dir erzählt!"

Shannon, die einen Kopf kleiner war als Bridget, stellte sich auf die Zehenspitzen und umarmte sie. "Hi, Bridget.", grinste Sarah und widmete sich wieder Drew-Lynns Erzählungen.

"Hey.", sagte eine tiefe Stimme, die Bridget, die sonst die absolute Coolness in Person war, die Knie weich werden ließ.

William beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Wange.

Und irgendwie schaffte sie es tatsächlich, nicht rot zu werden.

Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, aber sie fand sie und sagte:

"Hallo, William."

"Ach", verkündete Susan.

"Da sind auch schon Jus und Oliver. Bridget, das sind Justine und Oliver Blaine."

Bridget reichte beiden die Hand und wurde zwischen Drew-Lynn und Donna-Jean und gegenüber von William am Esstisch platziert.



"Und weil ich diesen Auftrag in New Jersey bekommen habe, müsste Bridget ganz allein zu Hause in San Francisco bleiben, aber zum Glück haben wir ja euch!", strahlte Rosemary zum wiederholten Mal an diesem Abend.

Bridget stocherte in ihren Nudeln herum und sehnte sich nach ihrem Handy, ihrem Computer und ihren Freundinnen Elizabeth und Minka.

Sie wusste, der Aufenthalt auf der Farm würde schrecklich werden.

Daran änderte auch dieser Adonis von Nachbar nichts.

"Isst du nicht mehr, Schatz?", erkundigte Susan sich mit einem Blick auf Bridgets dreiviertenvollen Teller.

"Nein. Es war wirklich lecker, aber ich bin ziemlich müde, Tante Susan."

Sie wunderte sich, dass sie selbst Tante Susan sagte.

Sie fand sich immer zu alt für diesen Anhang.

"Findest du allein zurecht, Kleines?", wollte ihre Mutter wissen.

"Ja, Mom.", presste sie hervor und ließ sich von ihr widerstandslos auf die Wange küssen.
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"Gute Nacht.", sagte sie leise in den Raum und ging die Treppe hinauf.

Sie würde hier keine sechs Wochen bleiben.



"Bridget?"

Bridget drehte sich schläfrig auf die andere Seite.

Unsinn, dachte sie und fühlte sich, als hätte sie nur zwei Stunden geschlafen.

Wieso sollte sie mitten in der Nacht aufstehen?

Warum sollte ihre Mom so etwas tun?

"Bridget! Aufstehen!", ertönte die Stimme erneut, die ganz sicher nicht die ihrer Mutter war.

Mit einem Ruck setzte sie sich auf.

Sie war in Iowa auf der Farm der Mallorys.

Vor ihrer Tür stand Caroline.

"Bridget, wir gehen jetzt an die Arbeit. Du kannst ja nachkommen!"

Arbeit?

"Ich dachte, ich habe Urlaub.", murmelte sie und stieg aus dem Bett in die Kälte, um ihre Hose zu suchen.

Ihre Designer-Buffalos schienen nicht angebracht , wenn es um Arbeit ging.

Also schlüpfte sie in ein Paar Turnschuhe, eine Jeans und ein ärmelloses Top, steckte sich eine Sonnenbrille in die Haare und lief die Treppe hinunter.



"Endlich, Bridget. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.", rief Richard im Vorbeigehen.

"Guten Morgen, Bridget!", rief Donna-Jean mit einem Stapel Eimer im Arm.

"Hallo, Schlafmütze!", lachte Cynthia, auf eine Mistgabel gestützt.

Die Morgensonne strahlte vom Himmel und blendete Bridget, so dass sie ihre Brille aufsetzte.

"Hi! So trifft man sich wieder.", ertönte eine Stimme, die sie noch schwach in Erinnerung hatte, aus dem Stall.

Shannon führte, gefolgt von Caroline, eine Kuh an der Leine hinter sich her.

Anna und Drew-Lynn rannten hinter einem Huhn her über das Gelände.

"Hey, Bridget, du kannst mir helfen, den Stall zu fegen.", rief ein Mädchen, von dem Bridget sich vage erinnerte, dass sie ihr als Sarah vorgestellt wurde.

"Okay.", murmelte sie und sah an sich herunter.

Die Jeans hatte sie sich gerade neu gekauft und echte Farydale's Jeans waren in San Francisco nicht gerade billig.

Unwillig machte sie sich auf den Weg in den großen Stall, wo Sarah geduldig lächelnd wartete.

"Hier ist ein Besen. Ich denke, du kannst hinten anfangen, denn vorne müssen wir noch die Pferde rausholen und das macht dann auch wieder Dreck.
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"

Sie drückte Bridget einen klebrigen Besen in die Hand und öffnete eine kleine Tür in der Nähe des Ausgangs.

"Hier steht eine Schubkarre, da kannst du das Zeug dann raufladen."

Bridget stand wie festgewachsen im Stall und starrte dem Mädchen hinterher.

Wurde gerade von ihr verlangt, den Stall zu putzen?

Es sah so aus, denn Richard steckte seinen Kopf durch das große Tor und grinste.

"Beeil dich, es gibt noch mehr zu tun."

Sie ließ beinahe den Besen fallen, wollte sich aber nichts anmerken lassen.

"Aha...ich bin schon dabei."

Zögernd begann sie mit dem Fegen.

Als nach ungefähr zwanzig Minuten Caroline einen Blick auf sie warf, wurde Bridget bereits von Rückenschmerzen geplagt.

"Geht's noch?", erkundigte Caroline sich.

Bridget nickte.

"Ich bin es nicht gewohnt, so schwer arbeiten zu müssen. In San Francisco haben wir so wenig Ställe."

Caroline lächelte nachsichtig.

"Wenn du möchtest, kannst du erstmal eine Pause machen. In der Küche stehen Getränke."

Sie nahm ihr den Besen aus der Hand und deutete in Richtung Ausgang.

"Danke.", murmelte Bridget leise und beeilte sich, aus dem dunklen miefigen Stall zu kommen.

In der Küche, die, wie sie jetzt bemerkte, ziemlich groß war, standen Gläser und Wasserflaschen auf dem Tisch.

"Gibt es hier nichts richtiges?", sagte Bridget zu sich selbst.

"Wasser..."

Sie füllte ein Glas und ging wieder vor die Tür.

Sie wünschte sich wieder zurück in die Großstadt, wo sie ihre Freundinnen treffen konnte und die besten Shops direkt vor der Tür hatte.

Hier musste man bestimmt kilometerweit bis zum nächsten Supermarkt fahren.

"So eine Scheiße.", murmelte sie in sich hinein.

"Scheiße, scheiße, scheiße."

Ein Geräusch hinter ihr ließ sie plötzlich zusammenschrecken.

William lehnte an der Hauswand und blinzelte in die Sonne.

"Soll ich dir den Hof zeigen?"



"Das ist Jewel. Sie lebt schon ewig bei den Mallorys.", erzählte William, als sie an einer weißen Katze vorbeikamen, die mit halbgeschlossenen Augen ein Sonnenbad nahm.

"Du kennst dich hier gut aus?", fragte Bridget.
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"Besser als in meinem eigenen Zimmer.", lächelte er.

"Ich bin praktisch hier aufgewachsen. Zu Hause mit meinen Schwestern konnte ich nie viel anfangen. Also war ich immer hier. Richard und ich sind seit meiner Geburt befreundet."

Sie wich einer leerstehenden Hundehütte aus.

"Hier wohnt Barker.", erklärte er.

"Sie haben ihn seit zwei Jahren. Max hat ihn irgendwann mal mitgebracht und sie sind ihn nicht wieder losgeworden."

"Was ist eigentlich mit Max? Er wohnt nicht mehr hier, oder?"

William schüttelte den Kopf.

"Nein. Er ist vor langer Zeit immer wieder weggelaufen und schließlich nicht mehr nach Hause gekommen. Es ist traurig, aber ich kann ihn verstehen."

Bridget wandte ihren Kopf.

"Du willst auch weg?"

Er lachte leise und trocken.

"Niemals. Es ist wundervoll hier. Es kann auf der Welt keinen schöneren Ort als Battle Creek geben."

"Warst du schon mal in San Francisco? Es ist auch dort schön."

Er verzog das Gesicht.

"Du wohnst dort, Bridget. Für dich ist San Francisco schön. Ich finde es einfach nur laut."

"Man kann fantastisch shoppen gehen."

Bridget legte den Kopf schief.

"Was gibt es denn hier schon?"

William blieb stehen und sah sie lange an.

"Komm heute abend wenn es dunkel wird zum Tor, da werde ich dir zeigen, was hier schön ist. Aber lass dich nicht von Susan erwischen."

Er grinste breit.

"Was ist das da vorne?", wollte Bridget wissen und deutete auf eine kleine Hütte am Waldrand. "Ach, die hat Max vor ein paar Jahren gebaut, als es ihm verweigert wurde, sein Zimmer schwarz zu streichen."

Er lachte.

Sie starrte ihn an.

"Ich erinnere mich daran. An dem Tag war ich hier, mit meiner Mom...und mit meinem Dad."

Sie senkte den Blick.

William nahm auf einem umgestürzten Baumstamm Platz und sie setzte sich neben ihn.

"Deine Eltern sind getrennt?"

Eigentlich war es keine Frage, eher eine Feststellung.

"Ja. Sie sind geschieden, seit ich zehn bin. Er lebt in Philadelphia und ich sehe ihn nicht so oft."

Sie trank einen Schluck Wasser aus dem Glas, das sie noch immer in der Hand hielt.

"Kannst du ihn nicht anrufen?", fragte William leise.
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Sie schüttelte den Kopf.

"Ich hab es ein paar Mal versucht, aber er ist nie da. Entweder sitzt er gerade im Flugzeug nach Australien, oder in einer wichtigen Konferenz, oder im Knast..."

Er sah sie entsetzt an.

Bridget kicherte.

"Das war ein Scherz, William. Er ist ein ganz hohes Tier in der Immobilienbranche und ständig unterwegs. Seine Geschäfte sind ihm wichtiger als seine Tochter."

"Bridget..."

Er machte ein Pause.

"Bridget, gibt es keine Abkürzung für diesen Namen?"

Sie sah ihn an.

"Keine Ahnung, ich hab noch nie darüber nachgedacht. In der Schule nennen sie mich nur Bridget. Oder Allie, eine idiotische Ableitung von Allaster, meinem Nachnamen. Frag mich nicht, wer sich das ausgedacht hat. Und meine Eltern waren auch nicht so gütig, mir einen zweiten Vornamen zu geben. Dafür hat mein Wellensittich drei."

Sie grinste.

"Er heißt Nelson Jupiter MacLeod."

William lächelte.

"Ich hatte mal Goldfische, aber Jewel hat sie..."

"William!!", brüllte ein Stimme aus der großen Scheune.

"Will, du wolltest mir mit den Strohballen helfen!"

Er sah Bridget an.

"Ich muss gehen, Bridget. Wir sehen uns dann heute abend am Tor."

"Okay. Aber du hast keine Chancen bei mir.", gab sie zurück.

William hob die Hände.

"Ich hatte nie vor, einen Versuch zu starten."

Sie wandte sich um und ging zurück zum Haus, vorbei an Max' kleiner Hütte, vorbei an Barkers Hundehäuschen und vorbei an der schlafenden Katze mit dem Namen Jewel, die Williams Goldfische kaltblütig ermordet hatte.

Bridget lächelte über ihre Gedanken und fragte sich, was William heute abend am Tor mit ihr vorhatte.

Vorsichtshalber würde sie ihr Pfefferspray einpacken.

Langsam stieg sie die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer und besah sich die Bilder, die an den Wänden hingen.

Caroline mit 2, stand in der Ecke des ersten, Richard und William in Des Moines am Rand des zweiten.

Drew-Lynn und Donna-Jean mit Sarah am Strand.

Anna und Cynthia als identische Babys.

Ein aktuelleres Bild, Caroline und Shannon.

Barker.

Jewel.

William als kleiner Junge mit seinen Goldfischen.
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Susan und James Arm in Arm auf der Veranda.

Das Foto war etwas verwackelt, vermutlich hatte eins der Kinder es geschossen, aber gerade diese Tatsache machte das Bild so wunderschön.

Bridget schluckte und sah an die andere Wand.

Max sichtlich stolz vor seiner Hütte.

Cynthia und Richard mit kleinen Kaninchen auf dem Schoß.

William mit seinen Schwestern in der Scheune.

Justine und Oliver Blaine neben einer Sandburg am Strand.

Eine Geburtsanzeige.

Wir freuen uns, dass du da bist, Molly.

Deine Eltern, Deborah & Leroy Ethan und dein Bruder Morris.

Eine Urkunde, zweiter Platz beim Handball-Turnier, Anna Mallory.

Ein großes, golden gerahmtes Foto, Drew-Lynns Taufe.

Strahlende Gesichter, freundliche Augen, eine große Familie.



Bridget setzte sich auf die Treppe.

Familie.

Wie sehr sie sich das immer gewünscht hatte, seit ihr Vater weggegangen war.

Und hier bekam sie das so selbstverständlich.

Alle hatten sich wochenlang auf ihre Ankunft gefreut, und sie, Bridget Allaster, das verwöhnte, arrogante Großstadtmädchen aus San Francisco, war unhöflich zu ihnen gewesen, hatte sich über Arbeit beschwert, die die Kinder hier jeden Tag machen mussten, war beleidigt über die Tatsache, dass das nächste Geschäft etwas weiter entfernt lag, und sie wurde trotzdem wie ein Familienmitglied bei ihnen aufgenommen.

Plötzlich fühlte sie sich schlecht.

Sie würde sich entschuldigen müssen.

Gleich bei der nächsten Gelegenheit.

Caroline kam die Treppe herunter.

"Bridget? Was machst du denn hier? Geht's dir nicht gut?"

Bridget lächelte.

"Doch, ich bin in Ordnung. Es ist wundervoll hier auf der Farm."

Caroline strahlte.

"Das freut mich wirklich."

In der Küche klapperte Susan mit dem Geschirr und bereitete das Mittagessen vor.

Bridget sprang auf.

"Kann ich vielleicht helfen?"



Am späten Nachmittag lag Bridget auf ihrem Bett und starrte in die Luft.

Sie hatte vor dem Essen mindestens tausend Zentner Kartoffeln geschält, dann den Tisch für neun Personen gedeckt, nach dem Essen hatte sie das Geschirr abgetrocknet, das Donna-Jean abgewaschen hatte und schließlich Richard beim Strohballenstapeln zur Seite gestanden.
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Nur der Gedanke an das Treffen mit William hielt sie davon ab, wie tot ins Bett zu fallen und bis zum Ende der Ferien durchzuschlafen.

Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken.

Caroline stand in der Tür.

"Stör ich, Bridget?", fragte sie leise.

Bridget setzte sich auf und machte auf dem Bett Platz.

"Nein, überhaupt nicht."

Caroline setzte sich neben sie und schielte nervös an die Decke.

"Kann ich dich etwas fragen?"

Bridget nickte.

"Klar."

"Okay. Also, in meiner Klasse gibt es einen Jungen, er heißt Kevin. Und, naja, man könnte sagen, wir sind zusammen. Er ist wirklich unglaublich nett und witzig und er sieht gut aus und die anderen Mädchen werden schon langsam eifersüchtig. Er ist total lieb, wenn wir uns treffen und höflich und...ein richtiger Gentleman eben."

Bridget nickte.

"Nun", fuhr Caroline fort, "als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, vor den Ferien, hat er mir gesagt, dass er mit mir schlafen möchte. Mit Shannon kann ich über so etwas nicht reden, die hält immer noch an ihrer 'Jungs-sind-blöd'-Philosophie fest. Ich dachte, du hast vielleicht eine Rat für mich." Sie sah Bridget hilflos und fragend an.

"Willst du es denn?", fragte Bridget.

"Was?"

"Na, willst du auch mit ihm schlafen?"

Caroline biss sich auf die Lippe.

"Ich weiß nicht."

Bridget richtete sich auf.

"Tu es erst, wenn du es wirklich willst."

"Meinst du?", hakte Caroline nach.

"Aber wenn..."

"Kein aber.", unterbrach Bridget sie.

"Wenn du es nicht willst, dann kann er dich nicht dazu zwingen. Falls er das trotzdem versuchen sollte, ist er es nicht wert, von dir geliebt zu werden."

Caroline lächelte.

"Danke, Bridget. Du hast mir echt geholfen. Die meisten Mädchen hier sind nicht besonders aufgeschlossen und deshalb wusste ich nicht, an wen ich mich wenden sollte, aber als Susan erzählt hat, dass du für die Ferien zu uns kommst, hab ich gleich gewusst, dass du mir helfen wirst. Du kommst schließlich aus San Francisco!"

Bridget legte ihr eine Hand auf die Schulter.
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"Du kannst mich in den nächsten Ferien dort besuchen, wenn du willst."

"Das würde ich wirklich gerne tun.", sagte Caroline.

Sie stand auf, lief aus dem Zimmer und stieß in der Tür mit Richard zusammen.

"Hi, Bridget!", rief er über die Schulter seiner Schwester.

"Willst du mit uns Basketball spielen?"

Bridget grinste.

"Gern. Ich komme sofort runter."

Während sie in eine weiße Sporthose schlüpfte, drehte sich Caroline noch einmal um.

"Danke für deinen Rat."



"Hi, Bridget.", rief William vom Hof her, als sie noch auf der Treppe war und warf ihr den Ball zu. Sie fing ihn ohne Probleme, schließlich war sie nicht umsonst eine der besten in Sport.

Richard nickte anerkennend.

"Die Mädchen hier im Ort haben keine Ahnung von Sport. Die wissen gerade eben, wie ein Ball aussieht. Du bist das erste weibliche Wesen, dass mit mir Basketball spielen will."

Bridget ging aus der Tür.

"Was für einen Rat hast du Carry eigentlich gegeben?"

Bridget lächelte.

"Alles halb so wild. Ihr Freund will mit ihr schlafen, aber sie will es noch nicht wirklich. Und nun wollte sie von mir wissen, was sie machen soll."

Richard starrte sie an.

"Ach. Ich hätte nicht gedacht, dass Carry einen Freund hat."

"Tja", sagte Bridget.

"So kann man sich täuschen."

Und sie warf den Ball quer über den Hof in den Korb hinein.



Bridget saß am Fenster und wartete darauf, dass es endlich dämmerte.

Nacheinander betraten Anna, Cynthia, Donna-Jean, Drew-Lynn, Caroline und Richard ihr Zimmer, um ihr eine gute Nacht zu wünschen.

Schließlich öffnete Susan die Tür, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand wieder.

"James ist schon ins Bett gegangen, auch von ihm gute Nacht."

"Danke.", murmelte Bridget und Susan schloss die Tür.

Nachdem alle Schritte verhallt waren, schob Bridget das Fenster auf und kletterte die Leiter hinunter, die ständig dort zu stehen schien.

Vorsichtig schlich sie durch die Dunkelheit und versuchte sich an den Weg zum Tor zu erinnern. Letztendlich stand sie am Eingang in der Dunkelheit, sah sich die Sterne an und fragte sich nach einer halben Ewigkeit, ob William die Einladung ernst gemeint hatte.
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Hatte er.

Nach einer Viertelstunde, Bridget hatte sich inzwischen auf den Boden gesetzt, erschien er wie aus dem Nichts vor ihr.

"Hi, Bridget."

Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus.

"Ich bin's nur."

Er hockte sich auf den Boden, bis er ungefähr auf ihrer Höhe war.

"Alles in Ordnung. Ich konnte nicht weg, weil Sarah sich übergeben hat und alle fürchterlich aufgeregt waren. Hat ein bisschen gedauert, bis meine Familie im Bett war."

"Macht nichts."

Bridget stand auf.

"Ich habe mir noch nie wirklich bewusst die Sterne angesehen. In San Francisco ist es zu laut und zu bunt und zu verschmutzt für Sterne. Selbst der Vollmond verschwindet manchmal im Sog des Nachtverkehrs."

Sie fröstelte.

"Ist dir kalt?", erkundigte William sich.

"Etwas."

Er legte ihr seinen Arm um die Schultern und ging mit ihr die Auffahrt entlang.

"Ich war noch niemals in einer größeren Stadt. Ich war immer nur hier."

Bridget grinste im Dunkeln.

"Du warst in Des Moines."

Sie konnte fast fühlen, wie er sie Stirn runzelte.

"Keine Angst, ich bin nicht allwissend, ich hab nur das Foto bei der Treppe gesehen."

"Das kam mir heute nachmittag aber fast so vor.", entgegnete er leise.

"Ich meine die Sache mit Carry und ihrem Freund. Die meisten Mädchen reden nicht so offen über alles, wie du. Die Leute hier haben eine ziemlich konservative Einstellung. Ich finde das nicht in Ordnung."

Bridget nickte.

"Das ist ein wunderschöner Ort hier. Wahrscheinlich der schönste, den ich bisher gesehen habe. Es ist irgendwie...ich weiß nicht. Die Farm und die Arbeit hier hat mich dazu gebracht, über mein Leben nachzudenken."

Sie sah sich um und stellte aufgrund der Tatsache, dass sie nichts sah fest, dass sie sich in einem Wald befand.

"Wo sind wir, William?", fragte sie.

"Im Wald.", sagte er und brachte sie damit nicht viel weiter.

Sie fühlte, wie sein Arm beschützend um ihre Schultern lag und das beruhigte sie.

"Wir sind da.", sagte er plötzlich. Bridget zwinkerte etwas, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, die sie umgab.
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Sie standen am Waldrand, an dem in einer engen Kurve ein kleiner Bach vorbeifloss, der ein abgemähtes Feld säumte.

Sie stand mit einem Jungen, den sie noch keine vierundzwanzig Stunden kannte in einer Waldecke, wo besagter Junge ihr irgendetwas ganz besonderes zeigen wollte.

Hatte ich erwähnt, dass es mitten in der Nacht und stockfinster ist, fügte Bridget an ihre Überlegungen.

"Warte, ich werde ein Feuer machen.", murmelte William und wühlte in der näheren Umgebung nach Holz.



Es knistert wie altersschwache Alufolie, dachte Bridget, aber gemütlich ist es trotzdem irgendwie. Sie saßen nebeneinander gedrängt vor dem Feuer, das relativ klein ausgefallen war, weil Will nicht genug Holz gefunden hatte und sahen in die Flammen.

"Bridget?", flüsterte William.

"Ja.", wisperte Bridget ebenso leise.

"Ich liebe dich.", flüsterte er noch leiser.

Bridget fiel rückwärts in einen Busch, der hinter ihr stand.

William fing an zu lachen.

Und er lachte immer lauter und hörte gar nicht wieder auf, aber schließlich half er Bridget aus dem Gewächs heraus und sie standen kichernd voreinander.

"Ich meine es ernst.", sagte er.

"Ich hab mich in dich verliebt."

Er beugte sich vor und küsste Bridget auf den Mund.

Alles, was sie denken konnte, war, wie scheußlich ihr erster richtiger Kuss war.

Der Typ hieß Gregory Edwards und ging in die Parallelklasse.

Es war beim Flaschendrehen auf Elizabeth Merdons Geburtstagsparty vor drei Jahren passiert.

Dann dachte sie, wie wunderschön dieser Kuss war.

Und dann dachte sie gar nicht mehr.



"Tut mir Leid.", murmelte William verlegen und betrachtete den Boden, soweit er zu erkennen war. Bridget ließ seine Hand fallen.

"Können wir zurückgehen?", fragte sie leise.

Er nickte und sie liefen schweigend den Weg durch den Wald, bis sie die Lichter der Farm sahen. "Bis Morgen.", flüsterte sie und ging auf die Leiter zu, die noch immer an ihrem Fenster lehnte und kletterte wieder in ihr Zimmer.



Als sie im Bett lag, fühlte sie sich, als hätte sie die letzte halbe Stunde geträumt.

Die Melodie von 'Whole Again' durchbrach die Stille.

Bridget hastete zu ihrem Handy, damit das Klingeln nicht die ganze Familie aufweckte.
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"Hallo?", flüsterte sie.

"Brid!", vernahm sie die Stimme ihrer besten Freundin Elizabeth am anderen Ende und sicherlich Millionen von Kilometern entfernt.

Mit einem Mal sehnte sie sich nach der sauber geputzten, weiß getünchten Wohnung in San Francisco.

Sie ließ sich rückwärts auf ihre weiche Matratze fallen und lächelte.

"Hi, Liz. Wie geht's dir?"

"Ach, das übliche. Nicht so wichtig. Was ist mit dir? Ist es sehr schlimm auf der Farm?"

Bridget zögerte einen Augenblick.

"Ich weiß nicht. Alle sind supernett zu mir, aber ich muss Heuballen stapeln, Kartoffeln schälen, Fußböden putzen und das ganze Zeug. Manchmal fühle ich mich wie in einer richtigen Familie, aber gerade bin ich ziemlich fehl am Platz."

Sie konnte sich das Gesicht ihrer Freundin bildlich vorstellen.

"Gibt's keine Jungs?", wollte Elizabeth wissen.

"Doch. Und ich habe gerade einen geküsst."

Liz schnappte nach Luft.

"Und das sagst du jetzt erst?? War es wenigstens nett? Du hörst dich nicht begeistert an."

"Ich weiß nicht, wie ich es fand. Ich hätte es nicht tun sollen, Liz, ich fühle mich soooo schrecklich! Und ich vermisse dich und Minka."

Das Mädchen holte Luft.

"Hört sich ja schlimm an. Minka ist übrigens gerade hier. Willst du sie sprechen?"

Bridget würgte ein paar Tränen hinunter und bejahte.

"Bridget! Es ist total langweilig ohne dich. Wer ist der Typ, den du geküsst hast?", hörte sie eine andere vertraute Stimme.

"Es ist der Sohn der Nachbarn. Er heißt William und sieht ziemlich gut aus. Ich glaube, ich hätte es nicht tun sollen."

"Mach dir keine Sorgen, Brid. Du tust immer nur das, was du willst, warum sollte es jetzt anders sein?"

Minka redete beruhigend auf sie ein.

Bridget musste lächeln.

Ihre beiden besten Freundinnen waren das, was sie am meisten vermisste.

Elizabeth Merdon war seit der zweiten Klasse ihre Sitznachbarin.

Sie war eine Quasselstrippe und immer gut drauf.

Minka Karlsberg hatte deutsche Eltern - daher ihr Name - und hatte sich ihr und Liz irgendwann angeschlossen.

Sie war ruhiger als die beiden und nicht besonders sportlich.
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"Ich geb mir ja Mühe. Aber ich habe das seltsame Gefühl, dass ich mich hier irgendwie verändert habe. Ich meine, ich habe keine richtige Familie zu Hause und ich bin ein richtig verwöhntes, arrogantes Großstadtkind."

"Wer hat dir das denn eingeredet?", erkundigte Minka sich.

"Meine Oma, ist aber nicht wichtig. Hier ist dieser große Zusammenhalt, diese Familie, diese wundervolle Freundschaft unter allen Nachbarn. Wenn ich nur daran denke, wie meine Mom sich letzten Sommer mit Mr. O'Hanry gestritten hat... Ich bin so eine Art Idealbild für die Leute hier. Ich komme aus San Francisco, ich bin ein Mädchen und kann trotzdem Basketball spielen und bin noch nicht einmal schlecht darin, ich bin viel aufgeklärter als die meisten achtzehnjährigen hier. Alle haben sich anscheinend wochenlang auf mich gefreut und ich war so undankbar."

Bridget schluchzte kurz auf.

"Hey, Brid, wir können nicht einschlafen, wenn wir wissen, dass du traurig bist. Liz wird schon ganz depressiv in ihrem Schlafsack und ich bin sowieso schlecht drauf, wegen Ben Harris. Der will immer noch nichts von mir. Stell dir vor, Bobbie hat nach dir gefragt. Wir haben ihm erzählt, du bist ausgewandert."

Bridget prustete los.

Sie konnte sich Bobbie in seinem Zimmer vorstellen, mit einem Foto von ihr in der Hand, wie er ihr nachtrauerte.

"Ihr seid die besten. Ihr müsst mich immer auf dem Laufenden halten, sonst verblöde ich noch, nach sechs Wochen Farmleben."

Minka versprach es und Liz brüllte dazwischen, dass sie sie in ihr Abendgebet einbauen werde.

Sie verabschiedeten sich und Bridget schlief ein, noch ehe sie das Licht ausmachen konnte.



Sie träumte von William im Wald, wie er versuchte, ein Feuer zu machen.

Plötzlich sprang Bobbie ihn an und warf ihn in den Fluss, der eigentlich ein Bach war und Liz und Minka diagnostizierten seinen Tod.

Bobbie warf ein Bild von Bridget ins Feuer und Drew-Lynn und Donna-Jean stapelten Strohballen in der Wohnung in San Francisco.

Mitten in der Nacht schreckte Bridget aus ihren Alpträumen hoch und konnte nicht wieder einschlafen.

Also wartete sie, bis die Sonne aufging und lief dann hinunter um den Stall zu fegen, in der Hoffnung, William zu treffen.



Sie hatte Glück.
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Gerade, als die die erste Hälfte des riesigen Stalls fertig hatte, ging die Tür auf.

Zuerst hielt sie die schattenähnlich Gestalt für Richard, dann erkannte sie ihn.

"William, ich muss mit dir reden."

Sie ließ den Besen fallen und ging auf ihn zu.

"Der Kuss, nicht wahr? Ich hätte es nicht einfach tun sollen. Ich bin wirklich ein Trottel, ich..."

Sie unterbrach ihn mit einer Handbewegung.

"Shhh. Es war in Ordnung. Du hättest dich nicht entschuldigen sollen."

Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und presste ihre Lippen auf seine.

Er löste sich schließlich von ihr, weil er offenbar keine Luft mehr bekam.

Er starrte sie verwirrt an.

"Bridget, ich weiß jetzt gerade nicht was ich sagen soll."

Bridget kicherte los und plötzlich stand Richard in der Scheune.

"Was ist denn hier los? Hab ich was verpasst?"

"Nein.", sagten Bridget und Will im Chor und Richard runzelte die Stirn.

"Was immer ihr vorhabt, ich werde es herausfinden, verlasst euch drauf."

Bridget grinste und fragte sich, was Richard wohl dachte.

Sie wollte mit Will reden, aber Richard begann den Stallboden äußerst gründlich zu fegen und ließ die beiden dabei nicht aus den Augen.

Schließlich gab sie genervt auf, beugte sich zu ihm, küsste ihn kurz auf den Mund und flüsterte:

"Wir sehen uns dann später."



"Bridget?", vernahm sie gedämpft Carolines Stimme vor der Tür.

"Kann ich reinkommen?"

"Klar.", sagte Bridget und legte ihr Handy weg.

Caroline setzte sich neben sie auf das Bett, von dem Bridget Nackenverspannungen bekam und schielte nervös im Raum herum.

"Richard hat mir erzählt, dass du William geküsst hast.", sagte sie schließlich nach einem sechsminütigen Schweigen.

"Und?", hakte Bridget nach.

Sie war sich nicht ganz sicher, worauf Caroline hinauswollte.

"Er hat mich doch auch geküsst.", fügte Bridget hinzu.

"Gestern Nacht im Wald."

Caroline fiel das Gesicht hinunter.

"Gütiger Himmel!", rief sie entsetzt.

"Du warst nachts im Wald?"

Bridget nickte.

"Wovor hätte ich Angst haben sollen?"

Caroline schüttelte den Kopf.
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"Ich werde niemandem ein Sterbenswörtchen erzählen, wenn du mir versprichst, nicht mehr in den Wald zu gehen."

"Okay.", erwiderte Bridget.

Plötzlich klingelte ihr Handy.

"Hallo?"

"Brid, wir wollten uns nach diesem Jungen erkundigen. Ist alles wieder in Ordnung mit dir?", sagte Minka am anderen Ende.

"Ich bin das glücklichste Mädchen auf der Welt."

"Du besitzt so ein neumodisches Telefon, Bridget?", flüsterte Caroline ehrfürchtig und beäugte ihr Handy.

Bridget nickte hastig und lauschte Minkas Ausführungen über eine Prügelei, die sich am letzten Abend auf der Party von Diane Christopher ereignet hatte.

Diane war ziemlich beliebt in ihrer Klasse und veranstaltete alle zwei Wochen irgendeine riesengroße Feier, auf der immer etwas passierte, weshalb Bridget ganz froh war, diesmal nicht anwesend gewesen zu sein.

"Klingt spannend.", gähnte sie sarkastisch.

"Derek hat natürlich gewonnen, er durfte schließlich mit Nell tanzen."

Bridget seufzte.

Nell Barny war Dianes beste Freundin und zum Leidwesen sämtlicher Jungen bereits vergeben.

Das hinderte Nell jedoch nicht daran, sich ständig mit anderen zu verabreden.

"Alannah hat sich von Chris getrennt. Indy verliebt sich gerade in Martin und Geraldine ist mal wieder in einer tiefen Depression wegen Lane."

Bridget seufzte erneut.

Alannah Parker und Chris van Neer waren seit dem letzten Schuljahr das Traumpaar der Klasse. India Orello war jede Woche hinter einem anderen Jungen her.

Sie fragte sich, was die anderen Leute von Geraldine Lancaster denken würden, wenn sie wüssten, dass sie in ein Mädchen verliebt ist.

"Sonst noch was Neues?", erkundigte Bridget sich.

"Nein. Außer vielleicht, dass Matt Rosen nach dir gefragt hat. Wir haben ihm gesagt, dass du verreist bist.", erzählte Minka.

"Und was machst du heute?"

Sie überlegte. Ich glaube, ich hab heute gar nichts vor. Ich schreibe dir eine Karte. Und Liz auch. Und vielleicht sogar Diane. Ich vermisse euch schrecklich, das kannst du allen ausrichten, die du triffst."

Minka summte vor sich hin.

"Das wird ziemlich bald sein. Ich habe in fünf Stunden und sechseinhalb Minuten eine Verabredung mit Benjamin Louis.
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"

Bridget grinste.

"Cool. Ich freu mich für dich. Ich werde mal fragen, wie man in die nächste größere Stadt kommt. Viel Spaß noch."

Sie verabschiedeten sich und Bridget lief die Treppe hinunter.



James Mallory stand am Herd und nahm irgendwelche Knöpfe auseinander.

"Hallo, Bridget!", rief er, als er sie entdeckte.

"Hast du etwas auf dem Herzen?"

Sie nickte.

"Wie komme ich zur nächsten Einkaufsmöglichkeit?"

Er sah in Richtung Decke.

"Also, in Battle Creek gibt es einen kleinen Supermarkt, etwa drei Kilometer von hier."

Bridget unterbrach ihn.

"Ich würde gerne ein paar Postkarten schreiben."

"Ich könnte dich nach Des Moines begleiten.", ertönte eine Stimme hinter ihnen.

William stand in der Tür, die Hände in den Hosentaschen.

"Ich wollte sowieso gerade in die Stadt."



Bridget hielt ihren superkurzen blasslila Rock fest und kletterte in den Pick-up.

"Nett von deinem Dad, dass wir seinen Wagen nehmen dürfen.", sagte sie, um die unangenehme Stille zwischen ihnen zu beenden.

"Finde ich auch.", sagte William und schielte auf ihre langen Beine.

"Geht ihr eigentlich nie aus?", fragte sie schließlich.

"Wie?"

William sah sie verwirrt an.

Bridget machte eine hilflose Handbewegung.

"Ich meine, geht ihr nie in irgendwelche Clubs oder auf Parties?"

Will schüttelte den Kopf.

"Nein. Wir feiern manchmal mit allen Nachbarn zusammen Weihnachten oder Thanksgiving. Dann sind wir mindestens achtzehn Leute und meistens feiern wir bei den Mallorys. Sie haben das größte Haus, wegen der vielen Kinder."

Er lachte und Bridget lächelte vorsichtig.

Die Sonne schielte hinter einer der einzelnen Wolken hervor, die sich heute am Himmel befanden und sie nahm die violette Sonnenbrille aus ihren Haaren und setzte sie auf.

"Nein."

William hielt ihre Hand fest und nahm ihr die Brille wieder ab, während er gleichzeitig den Pick-up über das Kopfsteinpflaster lenkte.

Bridget starrte auf die Straße, falls der Pfad es wert war, so genannt zu werden, und starb tausend Tode.

"Setz die Brille nicht auf. Ich mag deine Augen.
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"

Bridget löste ihre verkrampften Finger vom Türgriff und Will richtete seine Blick wieder auf die Straße.



"Das ist also Des Moines.", stellte Bridget richtigerweise fest und sah sich um.

"Du wolltest Postkarten kaufen. In dem kleinen Laden gibt es welche."

Er deutete mit dem Kopf auf ein winziges Geschäft an einer Ecke.

Bridget überquerte die Straße und ging durch die Tür, nachdem sie mit Will ausgemacht hatte, wann und wo sie sich wiedertreffen würden.

Sie kaufte zwanzig Postkarten auf Vorrat und bummelte dann durch die Ladenzeilen.

Als sie um Viertel nach sechs an der Bahnhofsuhr eintraf, wo Will seit fünfzehn Minuten wartete, hatte sie auch noch drei T-Shirts, zwei Hosen, eine orange Sonnenbrille, ein Top, ein Paar High-Heels und das halbe Make-up Sortiment des einzigen Drugstores in der Gegend im Gepäck. Williams Gesicht fiel bei ihrem Anblick in Richtung Süden.

"Was zum Henker hast du denn alles gekauft? Hast du überhaupt so viel Geld?", entfuhr es ihm.

Dann erinnerte er sich an die Tatsache, dass sie aus San Francisco kam.

Und er hörte Carolines aufgeregte Stimme, wie sie ihm erzählte, dass Bridget ein Mobiltelefon besaß.

Und Richard, wie er ihn warnte, etwas mit ihr anzufangen.

"Sie ist eine Lady. Lass es lieber.", echote es in seinem Ohr und er fühlte sich grauenvoll. Donna-Jean und Drew-Lynn berichteten, dass sie beim Aufräumen von Bridgets Zimmer ausschließlich die teuersten Markenklamotten gefunden hatten.

Ich bin nur ein Junge, der auf einer Farm in Battle Creek, Iowa lebt.

Sie wird gleich ihr Großstadtlächeln aufsetzen, genauso wie ihre Sonnenbrille vorhin, und mir sagen, dass sie sich kaufen könne, was sie wolle und ich solle sie nach Hause fahren, schoss es Will durch den Kopf.

Doch es kam nichts dergleichen.

Bridget grinste entschuldigend und verdrehte die Augen.

"Nein. Ich hab schon seit Wochen Schulden."

Sie zog wieder ihren Rock ein Stück hoch und sprang in den Wagen.

"Fahren wir jetzt zum Strand?"

William lächelte nervös.

"Wir sind in Iowa, Bridget."

"Ooops.", sagte Bridget.

"Will, was würdest du tun, wenn dein Dad plötzlich einen Job in einer dieser fürchterlich lauten Großstädte bekommen würde, die du so hasst?"

Er zuckte mit den Schultern.
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"Ich würde nicht mitgehen."

"Das kannst du einfach tun?", erkundigte sie sich.

Er nickte.

"Hier interessiert es niemanden wirklich, was du tust."

Sie nickte.

Es war egal, ob Will mit siebzehn bei seinen Eltern wohnte?

Und Caroline kannte nicht mal ein Handy aus der Nähe.



Der Wagen schwankte über die holperige Auffahrt der Mallory-Farm.

Bridget sah über den menschenleeren Hof, auf dem es normalerweise recht lebhaft zuging und fragte sich, wo alle geblieben waren.

Will hob die Augenbrauen.

"Was ist denn hier los? Kein Empfangskommitee?"

Bridget lachte und sie stiegen aus dem Pick-up.

Aus der Küche der Mallorys klangen gedämpfte Stimmen.

Will riss die Tür auf.

"Wo seid ihr denn alle?"

Dann verstummte er.

Bridget spähte an ihm vorbei in den Raum und ein Junge, der aussah, als würde er Richard ähneln, wenn er seine Sonnenbrille, seinen Hut und sein Halstuch abnahm, drehte sich zu ihnen um.

"Du musst Bridget sein. Ich bin Max."

Er reichte ihr seine riesige Hand und setzte sich wieder auf den Stuhl, der von sechzehn Augenpaaren angestarrt wurde.

Shannon lief zu ihrem Bruder und zog ihn hinter sich her vor die Tür.



"Susan sagt, er stand plötzlich in der Küche. Sie hat natürlich den Schock ihres Lebens bekommen und erstmal Mom und Dad angerufen. Dann sind wir rübergegangen und Jus war schon da, die sich ein paar Eier ausleihen wollte. Sie haben ihn alle betrachtet wie einen Pfingstochsen."

William lächelte und Bridget stand mehr oder weniger hilflos daneben.

"Wo ist er denn gewesen?", erkundigte sie sich.

Shannon zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Bisher hat er nur gesagt, dass er uns alle vermisst hat, dass es ihm gutgeht, dass er Hunger hat und dass er sich darauf freut, Bridget kennenzulernen."

Will runzelte die Stirn.

"Woher weiß er denn, dass sie hier ist? Max war doch mindestens einen Monat weg."

Plötzlich warf eine großgewachsene Gestalt einen Schatten.

Max war vor die Tür getreten.

Bridget sortierte ein paar verirrte Haarsträhnen an ihren Platz zurück und sah an ihm hoch.
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"Ich erinnere mich an dich, Bridget. Und ich erinnere mich an deinen Dad."

Sie sah ihn verwirrt an.

"Aha.", sagte sie.



Alle behandelten Max wie einen Aussätzigen.

Anders als Bridget, die ja nicht einmal zur Familie gehörte, traten sie ihm skeptisch gegenüber und wagten sich nicht an ihn heran.

Alle außer Bridget.

"Hi, Max.", rief sie fröhlich, während sie einen Eimer über den Hof trug.

"Wo kann ich die Essensabfälle lassen?"

Er lächelte und führte sie zu einem riesigen Komposthaufen hinter der Scheune.

"Danke.", sagte sie und kippte den Inhalt des Eimers mit angewidertem Gesicht auf den übelriechenden Berg.

Am Abend, beim Abwasch nach dem Essen, erkundigte sie sich bei Caroline nach Max.

"Warum ist er das schwarze Schaf der Familie?", fragte sie.

Caroline trocknete eine Schüssel ab.

"Er hat sich nie angepasst, immer das gemacht, was er wollte. Er hatte schon mit elf entschieden, dass er es auf der Farm schrecklich findet und ist mit dreizehn das erste Mal abgehauen. Er hielt sich für etwas besonderes."

Bridget legte einen Topf zur Seite.

"Aber das ist er doch! Und das ist der Grund, weshalb ihm alle aus dem Weg gehen? Ich halte das nicht für richtig."

Sie sah Caroline an, die einen Teller anstarrte.

"Ich auch nicht. Aber Susan sagt, er wäre ein schlechtes Beispiel für uns. James hatte uns schon für die nächsten zwanzig Jahre Farmarbeit eingeplant und Max wollte es nicht. Er ist nach Chicago gegangen und spielt in einer Band."

Bridgets Augen leuchteten auf.

"In einer Band? Irgendetwas bekanntes?"

Caroline schüttelte den Kopf.

"Susan sagt, wir sollen ihn nicht fragen. Je weniger wir uns für ihn interessieren, desto schnelle wird er merken, dass er nicht erwünscht ist, meint sie."

Bridget drehte den Wasserhahn zu.

"Ich werde ihn jetzt fragen."

Dann lief sie aus der Küche und die Treppe hoch, wo sich die Zimmer der Kinder befanden.



Durch die geschlossene Tür hörte sie Gitarrenmusik.

Vorsichtig klopfte Bridget an.

Da sie keine Antwort bekam, betrat sie unaufgefordert den Raum.
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Max saß auf dem Bett, das beinahe ein Drittel des Zimmers einnahm und spielte Gitarre.

Nicht einmal schlecht, wie sie feststellte.

"Bridget!"

Erschrocken fuhr er zusammen, als er sie bemerkte.

"Hi.", sagte Bridget.

"Ich habe geklopft, aber..."

Sie deutete auf die Gitarre.

Max legte sie zur Seite.

"Tut mir Leid, wenn es dich stört."

Sie schüttelte den Kopf.

"Es stört mich nicht. Ich mag Musik. Mein Dad hat früher auch Gitarre gespielt."

"Jetzt nicht mehr?"

"Mein Dad ist weg. Ich hab ihn mit zehn das letzte Mal gesehen."

Max sah sie betroffen an.

"Das wusste ich nicht. Mom hätte es mir sagen sollen."

Bridget starrte die Wand an.

"Sie weiß es nicht. Meine Mutter wollte es euch nicht erzählen."

"Was wollte deine Mutter nicht erzählen, Bridget?"

Susan stand plötzlich in der Tür.

"Nichts.", murmelte Bridget leise.

"Will sucht dich überall, Mädchen. Ich habe ihm gesagt, er soll in deinem Zimmer warten."

Bridget sprang auf.

"Ich... Wir reden später, Max."

Susan sah ihr hinterher, wie sie mit Lichtgeschwindigkeit den Flur hinunterlief.



"Will?"

Sie stieß die Tür auf.

"Ist etwas passiert?"

Will stand vom Bett auf.

"Nein. Ich wollte dich nur sehen. Wo bist du gewesen?"

Sie lächelte.

"Bei Max. Er kann super Gitarre spielen."

William runzelte die Stirn.

"Das wusste ich gar nicht."

Er lächelte Bridget an.

"Es ist jetzt halb neun. Wir könnten noch in den Wald gehen, wenn du nichts anderes vorhast."

Er grinste.

"In Ordnung."

Sie griff nach seiner Hand und lief die Treppe hinunter.



Tannenzweige streiften ihre Wange, als sie Will hinter sich her durch den angenehm schattigen Wald zog.

Bridget hörte einen Vogel und dachte, dass sie für ihr ganzes Leben an diesem Ort bleiben wollte. Battle Creek, Iowa, für immer.

"Hast du Hunger?"

Bridget sah auf.

Will hielt ihr eine Dose Erdnüsse unter die Nase.

"Danke.
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"

Sie sah nach oben und fühlte sich glücklich, hier in einem kleinen Kaff in Iowa.

Bridget Allaster, das Großstadtkind.

Bridget Allaster, die alle als Freundin haben wollen.

Bridget Allaster, die Queen bei den Jungs.

Bridget Allaster, die beste.

Sie liebte die Farm und sie liebte die Mallorys und vor allem mochte sie William.

Ihr Handy piepste.

Williams schreckte zusammen.

"Was war das?", fragte er entsetzt.

Bridget grinste, zog ihr Telefon aus der Tasche und meldete sich.

"Hallo?"

"Hi, Brid. Hast du Zeit zum Reden?"

Bridget sah in Wills Richtung.

Der stand neben ihr und blinzelte gegen die Sonne, die ihre Strahlen durch die Bäume direkt auf sein Gesicht fallen ließ.

"Nein. Ich habe gerade etwas Wichtiges zu erledigen, Liz."

Sie drückte den Knopf und küsste Will auf den Mund.

"Wir müssen gleich zurück, Bridget.", flüsterte er atemlos, als sie sich wieder voneinander lösten.



Am nächsten Morgen kam William fröhlich in die Küche der Mallorys gestürmt.

"Morgen, Will. Bridget ist oben.", sagte Susan, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.

Mittlerweile hatten alle gemerkt, dass zwischen ihm und Bridget etwas lief.

"Danke.", sagte Will und lief die Treppe hinauf.



"Bridget?", rief er und öffnete die Tür einen Spalt.

Bridget saß auf ihrem Bett und telefonierte.

"Ich vermisse dich wahnsinnig.", sagte sie gerade und hörte ihrem Gesprächspartner wieder schweigend zu.

"Oh, Josh, das ist doch nicht nötig."

Will sah, wie sich ein liebevolles Lächeln auf ihrem Gesicht bildete.

"Danke. Ich liebe dich auch. Ich ruf dich wieder an...und grüß Lane von mir."

Sie seufzte und legte ihr Handy zur Seite.

Will verschwand genauso leise, wie er gekommen war.



Bridget hopste die Treppe hinunter zu Mrs. Mallory in die Küche.

"Hast du William gesehen, Susan?", wollte sie wissen.

Susan sah von ihrem Abwasch auf.

"Er ist vor ein paar Sekunden die Treppe heruntergekommen. Ich dachte, er hatte dich nicht gefunden."

Bridget runzelte die Stirn und trat aus der Tür hinaus in der mittlerweile schattigen Hof.
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Von Will war nichts zu sehen.

Sie seufzte und beschloss, Susan in der Küche zu helfen.

Irgendwie musste sie die Zeit ja totschlagen.



"Wie war dein Tag, Bridget?", erkundigte Richard sich während des Abendessens.

"Nett.", antwortete Bridget und schob sich eine Gabel voll Pilzen in den Mund.

Drew-Lynn meldete sich zu Wort.

"Ich war heute..."

Sie wurde unterbrochen, weil in diesem Moment die Tür aufgerissen wurde.



Shannon Blaine stand mitten in der Küche, die Haare durcheinander, außer Atem.

"Bridget!", schluchzte sie.

"Bridget, du musst...du musst...William, er ist..."

Sie schluchzte lauter.

Bridget sprang auf.

"Was ist mit Will? Ist etwas passiert? Ist er verletzt?"

Shannon holte tief Luft und hustete.

"Es ist wichtig...du musst kommen!"

Susan öffnete den Mund, aber die beiden Mädchen waren schon weg.

"Bridget!", rief Donna-Jean und ließ ihren Teller fallen.

"Setz dich wieder hin und iss, Jean.", murmelte James und stand auf, um den Mädchen zu folgen.



Shannon rannte den ganzen Weg und Bridget, die sehr sportlich war, kam nur mit Mühe hinterher.

"Was ist passiert?", schrie sie, aber Shannon hörte sie nicht.

Der Wind heulte zwischen den Bäumen hindurch, denen Bridget alle paar Meter ausweichen musste, denn Shannon hatte die Abkürzung durch den Wald genommen.

Endlich stoppte sie.

"Bridget...er hat..."

Sie schluchzte wieder.

Zum ersten Mal an dem Abend sah Bridget ihr ins Gesicht.

Es sah aus, als ob sie Todesangst hatte.

"Er hat Dads Waffe genommen und sich in Max' alter Hütte eingeschlossen. Er lässt niemanden mit sich sprechen und droht, sich zu erschießen. Du musst versuchen, an ihn heranzukommen."

Sie blickte sie flehend an.

"Okay.", flüsterte Bridget.

Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf.



Shannon führte sie zu der Hütte, die Will ihr an ihrem zweiten Tag auf der Farm gezeigt hatte.

"Will?", rief sie.

"Will, Bridget ist hier."

Bridget sah das andere Mädchen etwas hilflos an.

"Will.
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", sagte sie schließlich.

"Lass mich rein."

Shannon schüttelte den Kopf.

"Nein, das ist viel zu gefährlich. Er könnte dich erschießen."

Bridget schloss die Augen.

"Ich habe keine Angst vor ihm.", antwortete sie.

Der Riegel wurde zurückgeschoben.

Bridget stieß die Tür auf und ging einen Schritt in die Dunkelheit hinein.

Sie konnte nichts erkennen, sie wusste nur, dass William irgendwo hier drin war und dass er eine Waffe hatte.

"Will?", flüsterte sie.

Sie schloss die Tür mit einem Knarren wieder und setzte sich schließlich auf den Boden, da es in dieser Finsternis absolut unmöglich war, eine Sitzgelegenheit, falls vorhanden, zu finden.

"Warum hast du mich benutzt?"

Bridget erstarrte.

Der Klang seiner Stimme machte ihr Angst.

"Ich habe dich nicht benutzt, William.", sagte sie ruhig.

Sie hörte ihn heftig atmen.

"Und mit wem hast du telefoniert? Du hast mit deinem Freund telefoniert. Leider bin ich währenddessen ins Zimmer gekommen, Bridget. Hast du etwa gedacht, du könntest mit mir deinen Spaß haben? Klar, ich bin nur der unwissende Junge, der auf einer Farm in Iowa lebt und keine Ahnung vom richtigen Leben hat!"

Er hatte mittlerweile angefangen zu schreien.

Bridget überlegte angestrengt.

Mit wem, zum Teufel, hatte sie telefoniert?

Josh.

"Will.", sagte sie, überrascht, dass sie weinte.

"Josh ist nicht mein Freund. Ich kenne ihn schon, seit ich sprechen kann!"

"Du hast am Telefon gesagt, dass du ihn liebst.", rief er aus der anderen Ecke der Hütte.

"Das hat doch nichts zu sagen! Man sagt es eben so... Ich muss doch nicht zwingend mit ihm zusammen sein, nur weil ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe. Ich liebe ihn auf eine freundschaftliche Art und Weise. Außerdem ist er schwul.", fügte sie hinzu.

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

"Er ist was?", kam es schließlich ziemlich schwach zurück.

Er gab sich nicht extra Mühe, entsetzt zu klingen.

Seine Stimme klang müde.

"Will.", sagte Bridget.

"William, komm mit mir wieder hinaus. Gib mir die Waffe und komm."

Langsam hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt und sie nahm die Umrisse ihres Freundes in der gegenüberliegenden Ecke wahr.
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"Ich gehe jetzt, Will.", flüsterte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

"Es ist mir zu dunkel hier drin."

Damit stand sie auf und verließ die Hütte, die Max gebaut hatte.

Max, der sich an Bridgets Vater erinnern konnte.

Sie lief an Familie Mallory vorbei.

Die Mallorys, die sie aufgenommen hatten, wie eine eigene Tochter.

Sie lief schweigend an Sharon vorbei.

Sharon, die sie so bewundert hatte, als das verwöhnte Mädchen aus San Francisco.



"Liz!", schluchzte Bridget ins Telefon.

"Lizzie, du musst mich hier rausholen."

Elizabeth verstand sofort.

"Brid, mein Bruder ist gestern aus Fresno gekommen. Wir holen dich ab. Du kannst für den Rest der Ferien bei uns bleiben.", sagte sie ruhig.

Bridget ließ sich erleichtert auf ihr Bett fallen.

"Oh Gott, Liz, ich danke dir, ich liebe dich."

"Keine Ursache, Kleines. Morgen sind wir da."

Beide beendeten das Gespräch und Bridget sank in sich zusammen.



"Bridget?"

Sie schreckte auf.

Wie konnte sie eingeschlafen sein?

Wie lange hatte sie überhaupt geschlafen?

Tatsache war, das ein unbekanntes Gesicht über ihr schwebte und sie freundlich aber auch besorgt anlächelte.

"Hi, ich bin Eric, der Bruder von Liz. Hast du noch Gepäck, abgesehen von den beiden Koffern da?"

Bridget vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.

Ihre Augen waren angeschwollen, weil sie den ganzen Abend geheult hatte und ihre Nase war verstopft.

Vermutlich hatte sie sich am Vorabend erkältet, als sie nur mit Jeans und Top bekleidet in Max' Hütte saß und auf Will eingeredet hatte.

Eric setzte sich auf die Bettkante.

"Hey. Das kommt alles wieder in Ordnung. Liz hat schon deine Mutter angerufen, sie weiß Bescheid. Ich bringe schon mal deine Sachen runter. Du kannst nachkommen, wenn du soweit bist."

Damit war er auch schon wieder verschwunden, aber Bridget fühlte sich um einiges besser.



"Bridget!"

"Liz."

Erleichtert fiel sie ihrer Freundin um den Hals.

"Du weißt, dass du mir das Leben gerettet hast, oder?", krächzte Bridget etwas gedämpft in Elizabeths Schulter.
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"Hey.", sagte Liz.

"Du legst dich jetzt schön hin, ich koche dir einen Tee, und dann erzählst du mir, was passiert ist."

Bridget nickte und schlich die Treppe hinauf.

Als Liz zehn Minuten später ihr Zimmer betrat, war sie bereits eingeschlafen.



"Es ist das Beste, wenn sie sich erst einmal ausruht.", flüsterte Liz Minka zu und stellte den dampfenden Becher auf den Nachttisch.

"Erzählen wir ihr morgen, dass Matt Rosen auf sie steht?"







Die Türklingel schrillte durch die Wohnung.

Bridget sprang auf und lief die Treppe hinunter.

"Bin gleich wieder da."

Matt lächelte ihr hinterher.



Bridget riss die Tür auf und hätte sie am liebsten sofort wieder ins Schloss geworfen.

William.

William Mallory aus Battle Creek, Iowa, dem sie im letzten Sommer ewige Liebe geschworen hatte. Nun stand er wieder vor ihr, lächelnd, mit einem Blumenstrauß in der Hand.

"Hi, Bridget. Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich besuchen komme. Es hat mich zwar Überwindung gekostet, nach San Francisco zu fahren, aber ich hab's getan."

Er beugte sich zu ihr und wollte sie auf die Wange küssen, aber Bridget hielt ihn zurück.

"Wir können jetzt nicht reden.", flüsterte sie.

"Wo kann ich dich erreichen?"

Er nannte ihr die Adresse eines Hotels in der Nähe.

"Ich... Wir unterhalten uns später, William.", murmelte sie, schloss die Tür und lehnte sich von innen dagegen.

Matt kam die Treppe herunter.

"Wer war das, Sweetheart?"

Bridget schüttelte den Kopf und suchte schnell nach einer passenden Antwort.

Sie wollte ihm unter keinen Umständen die Wahrheit sagen.

"Niemand. Nur so ein Typ, der sich in der Tür geirrt hat."

Er umarmte sie und küsste ihre Stirn.

"Brid, ich muss jetzt los. Dieses Englischreferat, das Mr. McJarland uns aufgegeben hat, wartet darauf, fertiggestellt zu werden."

"Okay."

Bridget grinste.

"Wir sehen uns dann morgen."

Er verließ die Wohnung und sie wartete noch, bis er die Treppe hinuntergelaufen war, dann zog sie sich an und nahm den nächsten Bus zum Nova-Hotel.
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"Hi, schön dich zu sehen.", rief William, nachdem er sie hereingebeten hatte.

Er versuchte wieder, sie zu küssen, aber sie entzog sich seinem Griff.

"Will, du kannst nicht nach beinahe einem Jahr hier aufkreuzen und alles durcheinanderbringen! Ich führe mittlerweile ein vollkommen anderes Leben. Wir sind nicht mehr im Jahr 2001, wir sind auch nicht mehr in Battle Creek. Inzwischen haben wir 2002, wir befinden uns in San Francisco, was hast du erwartet?"

Er setzte sich auf das Hotelbett, das unter einer Blümchendecke versteckt war und seufzte.

"Es hat sich doch sonst nichts zwischen uns geändert."

Bridget lief vor ihm auf und ab.

"Oh doch, es hat sich alles geändert."

"Das habe ich schon geahnt.", sagte Will verbittert.

"Dein Freund war doch bei dir, oder?"

Sie fühlte Wut in sich aufsteigen.

Nach einem dreiviertel Jahr hegte er noch Besitzansprüche.

"Ja, und ich habe auch nicht vor, ein Geheimnis daraus zu machen. Hast du gedacht, ich bleibe dir bis an mein Lebensende treu, ohne die Gewissheit zu haben, ob ich dich überhaupt jemals wiedersehe?"

Er griff nach ihrer Hand.

"Ich habe dich nie vergessen können. Ich vermisse dich, Bridget. Komm zurück nach Iowa!"

Sie starrte ihn entsetzt an.

"Wie bitte? Ich soll für immer auf dieser Farm dahinvegetieren? Für dich mag es der schönste Ort der Welt sein, aber mein Leben ist hier in der Stadt, wo ich keine zwanzig Kilometer bis zum nächsten Lebensmittelgeschäft laufen muss."

William sah sie verletzt an.

"Du hast mir gesagt, es war die beste Zeit deines Lebens."

Bridget ließ sich auf einen Stuhl plumpsen.

"War es auch. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, William. Es tut mir Leid, wenn ich nicht in deine perfekte Umgebung passe."

Sie stand wieder auf und ordnete ihre Haare, die sie mittlerweile wieder bis zum Kinn trug.

"Aber wir könnten für immer zusammen sein, Bridget!", flehte Will.

"Lass die Vergangenheit endlich ruhen!", fauchte sie.

"Es ist vorbei, Will. Ich habe ein Leben, mit dem ich glücklich bin und du hast ein Leben, mit dem du glücklich bist.", erklärte sie etwas ruhiger.

"Ich bin nicht glücklich ohne dich.", trotzte Will.

Bridget hatte das Bedürfnis, die Flucht zu ergreifen.
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"Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du dich in einem Eifersuchtsanfall erschießen wolltest."

William erhob sich und begann im Zimmer herumzulaufen.

"Tja, wer hätte gedacht, dass das kleine aufgemotzte San Francisco-Mädchen mit solch einer Situation überfordert ist, in Tränen ausbricht und sich von ihrem Macker abholen lässt, was?"

Er schrie sie mittlerweile an.

Bridget wich zurück.

"Eric ist der Bruder meiner besten Freundin.", sagte sie und wunderte sich, dass sie ihm auch noch Rechenschaft ablegte.

"Ach, erzähl mir doch nichts!", brüllte Will und beugte sich über Bridget, die sich auf einen Stuhl neben der Tür gesetzt hatte, weil sie nicht mehr weiter vor ihr zurückweichen konnte.

"Du hast doch die ganze Zeit nur mit mir gespielt!!"

"Und jetzt bist du von Iowa nach San Francisco gefahren, nur um mir das zu sagen?", rief Bridget.

"Wirst du jetzt unverschämt?"

William grinste hämisch und sie hatte die Situation mit einem Gedanken erfasst.

Er war viel größer und stärker als sie und egal, was sie nun als nächstes sagte, er würde sie schlagen.

Sie schloss die Augen, angeekelt von seiner Alkoholfahne, die er ihr ins Gesicht blies.

Er ist betrunken.

Er wird mich schlagen.

Er wird mich vielleicht sogar vergewaltigen.

Ich habe ihn mal geliebt.

Tausend Gedanken rasten durch ihren Kopf.

Ich liebe ihn aber nicht mehr.

Ich liebe Matt.

Oh mein Gott, Matt.



"Matt.", wisperte Bridget.

"Was?", dröhnte Wills Stimme über ihr.

Das nächste, was sie fühlte, war ein stechender Schmerz in ihrem Kopf, bevor ihr schwarz vor Augen wurde.



"Brid?"

Sie blinzelte.

"Bridget, kannst du mich hören?"

Sie zwang sich, ihre Augen vollständig zu öffnen und sah sich um.

Sie lag auf dem Boden des Hotelzimmers in Matts Armen.

Matts Arme, dachte Bridget, das ist schon mal ein guter Anfang.

In einer Ecke des Raums lag ein Körper.

"William?"

Matt lächelte und streichelte ihre Wange.

"Falls das das Schwein da drüben ist, der ist erstmal außer Gefecht gesetzt.
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"

Bridget setzte sich ein wenig auf.

"Was tust du hier?"

"Ich wollte mir etwas zu Trinken holen, als du vorhin die Tür geöffnet hast. Dabei habe ich gesehen, wie du dem Kerl draußen gesagt hast, du könntest jetzt nicht mit ihm reden und er nannte die Adresse des Hotels. Ich bin dir gefolgt, weil ich Angst um dich hatte und als ich schließlich gehört habe, wie er geschrieen hat, wollte ich schon die Tür einschlagen, aber ich hatte Angst, dass er dir was antut."

Bridget schloss die Augen und lehnte sich an seine Brust.

"Und was ist dann passiert?"

"Plötzlich war alles ruhig und das kam mir komisch vor. Ich bin rein und da lagst du bewusstlos auf dem Boden. Er stand am Fenster und hat hinausgesehen. Da konnte ich ihn überwältigen."

Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht.

"Erzählst du mir, wer er ist?"

Sie lächelte in die Ferne.

"Bis heute morgen dachte ich, ich wüsste es. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher."



Und sie erzählte Matt die ganze Geschichte.

Von dem Aufenthalt ihrer Mutter in New Jersey, über ihr nächtliches Treffen im Wald, bis hin zu dem verhängnisvollen Abend, an dem Will sich in Max' Hütte eingeschlossen hatte.

Und sie hoffte, dass sie neu anfangen konnte.

Weit weg von Battle Creek, Iowa.
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Punktestand der Geschichte:   7
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Kommentare zur Story:

  Wow, eine ziemlich gute Geschichte.
Am Anfang waren die ganzen Namen sehr verwirrend, aber als besondere Verdeutlichung des ländlichen Lebens mit vielen Kindern und Nachbarskindern sehr gut gemacht.
Der Hauptteil war zwar sehr schnulzig, aber dennoch überzeugend. Die Verwirrung und das einreden von Gefühlen wurden überzeugend vermittelt. Überraschend ist die abrupte Änderung der Handlung, es wirk ein wenig abgehackt, aber man kann damit leben.
Nach dem Bruch gelangt man zum zu actiongeladenen Ende, das noch durch einen passenden Schlusssatz gerettet wird.
Die Handlung ist nicht mein Genre, trotzdem war es nicht stressig zu lesen. Der Stil ist im großen und ganzen zu vertreten, aber die ein-bis-zwei-Wort-Sätze an jedem Absatzanfang sind auf die Dauer nervig.

Sehr gut.  
Redfrettchen  -  30.10.04 11:04

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Eine schöne Geschichte! Hat mich in den Bann geschlagen. Weiter so!  
isis  -  28.08.02 11:55

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

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Interessante Kommentare

Kommentar von "darkangel" zu "Vor dem Fenster"

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