Romane/Serien · Schauriges

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Erstveröffentlichung: 4. April 2002
Bei Webstories eingestellt: 4. April 2002
Anzahl gesehen: 5277
Seiten: 10

Ich habe nicht auf meine Breite geachtet, dachte Ellebracht. Nur deswegen ist es so gekommen.

Der hemdsärmelige Mann hob die rechte Hand vom Lenkrad ab und wischte sich hastig über die Brust. Als er die Hand zurücklegte, spürte er, daß sie noch immer schweißig war. So schweißig wie sein Gesicht und sein Körper. Schweißig vor Angst.

Nur wegen der Breite ist alles gekommen, dachte der Mann wieder. Er dachte hastig. Er dachte es so, wie man es stammelt. Die Breite des Wagens, diese neue unbekannte Breite. Ich hätte das bedenken sollen.

Jäh drückte der Fuß Ellebrachts auf die Bremse. Der Wagen kreischte und stand. Eine Handbreit vor dem Rotlicht, das vor dem Eisenbahnübergang warnte.

Fehlte gerade noch! dachte Ellebracht. Fehlte gerade noch, daß ich nun wegen einer so geringen Sache wie Überfahren eines Stoppschildes von der Polizei bemerkt werde. Das wäre entsetzlich. Nach der Sache von vorhin...

Mit hohlem Heulen raste ein D-Zug vorbei. Ein paar zerissene Lichtreflexe, ein Stuckern, ein verwehter Pfiff. Die Ampel klickte auf grün um. Ellebracht ließ seinen Wagen nach vorn schießen. Als er aufgeregt den Schalthebel in den dritten Gang hineinstieß hatte er die Kupplung zu nachlässig betätigt. Im Getriebe knirschte es häßlich.

Bei dem Geräusch bekam Ellebracht einen üblen Geschmack auf der Zunge. Hört sich an wie vorhin, dachte er. Hört sich an wie vorhin, als ich die Breite des Wagens nicht richtig eingeschätzt hatte. Dadurch ist es passiert. Aber das wäre jedem so gegangen. Bis gestern hatte ich den Volkswagen gefahren. Immer nur den Volkswagen, sechs Jahre lang. Und heute morgen zum ersten Mal diesen breiten Straßenkreuzer. Mit dem VW wäre ich an dem Radfahrer glatt vorbeigekommen. Aber so... Fahr langsamer, kommandierte Ellebracht sich selbst. Schließlich passiert ein neues Unglück in den nächsten Minuten. Jetzt, wo du bald bei Karin bist und den Kindern.



Verdammte Rotlichter! Dachte Ellebracht weiter und brachte den Wagen zum Stehen. Ich will nach Hause. Ich kann erst ruhig durchatmen, wenn der Wagen in der Garage steht und ich bei der Familie bin.

Und wann ist der Mann mit dem Fahrrad bei seiner Familie? Der Mann, der mit ausgebreiteten Armen wie ein Kreuz am Straßenrand gelegen hat? Der Mann, der nur ein wenig den Kopf herumdrehte - du hast es im Rückspiegel deutlich gesehen, als du den bereits abgestoppten Wagen wieder anfahren ließest, weil dir die Wahnsinnige Angst vor den Folgen dieses Unfalls im Nacken saß? Du, wann ist dieser Mann bei seiner Familie? Jetzt wird bloß nicht sentimental! Dachte Ellebracht.
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Jetzt wird bloß nicht dramatisch! Bis doch ein nüchterner Geschäftsmann! Ellebracht saß stur nach vorn und erschrack.



Da war ein Kreuz. Ein Kreuz an seinem Wagen. So ein Kreum, wie es der Mann vorhin gewesen war. Ellebracht versuchte zu grinsen. Kriege dich bloß wieder ein, dachte er. Du siehst doch, was es ist. Das war mal das Firmenzeichen auf der Kühlerhaube. Es ist bloß von dem Zusammenprall mit dem Fahrrad angeknickt worden und hat sich zu einem Kreuz verbogen.

Ellebracht konnte nicht anders. Er mußte immerfort auf dieses Kreuz starren. Ich steige aus, dachte er. Ich steige aus und biege das Ding wieder zurecht. Schon tastete seine Hand zum Türgriff, als er zusammenzuckte. Am Kreuz schillerte es, verstärkt durch das Licht der Signallampe.

"Ich muß nach Hause!" stöhnte Ellebracht und schwitzte noch mehr. "Wann kommt denn endlich Grün?"

Die feuchten Finger zuckten zum Hemdkragen, versuchten, den Knopf hinter der Krawatte zu lösen, aber der Perlmuttknopf entglitt einige Male dem Zugriff. Grün!

Der Schwitzende riß einfach den Hemdkragen auf und fuhr an.

Das Kreuz macht mich verrückt, dachte er. Ich kann das nicht mehr sehen! Und wie der Mann dalag. Ob man ihn Jetzt schon gefunden hat? Ob er schon so kalt und starr ist, wie das Kreuz vor mir?



Ellebracht hielt es nicht mehr aus. Er legte den Gang ein - die Ampel war noch nicht auf Grün, aber das war ihm egal. Er ließ den Wagen mit quietschenden Reifen ein 180°-Kehre machen und preschte davon. Zurück über die selben Straßen, den selben Bahnübergang raus aus der Stadt. Mit jeden Meter, den er der Unfallstelle näher kam verspürte er Erleichtertung. Bestimmt ist er noch am Leben. Er ist bestimmt nicht schwer verletzt. Schließlich nach endlosen Minuten erreichte er die Unfallstelle. Der Radfahrer lag noch immer so da, wie er ihn im Rückspiegel gesehen hat.
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Langsam ließ er den Wagen heranrollen. Er zögerte auszusteigen. Was ist, wenn er tot ist? Er bewegt sich nicht. Ach nein. Er ist bestimmt noch am Leben.

Als er näher kam, sah er, daß sein Körper seltsam verdreht war. Ein dünner Rinnsal Blut rann aus seiner Nase. Er atmete nicht. Seine Kleidung war zerrissen und die Haut darunter aufgeschürft und blutig. Seine Augen starrten leer ins Nichts. Er war tot.

Ellebracht ging ein paar Schritte zurück, lehnte sich an den Wagen und atmete tief durch. Oh, Gott, was tue ich jetzt? Er sah sich um. Die Straße war totenstill. Die Äste der Bäume wiegten sich sanft im Wind. Trockenes Laub wehte über den Asphalt. Seit einer halben Stunde war er hier kein anderes Auto mehr begegnet. Niemand hier, der es gesehen haben könnte. Niemand, der die Polizei rufen könnte. Aber was ist, wenn man ihn findet? Man würde mit Sicherheit Lackproben am Fahrrad entnehmen. Und er würde wegen des Schadens am Wagen in die Werkstatt müssen. Dann würden sie ihm auf die Spur kommen.

Er sah zur Leiche hinab; schätze Größe und Gewicht. Ja, überlegte er sich das müßte gehen. Dann setzte er sich wieder in sein Auto. Seltsamerweise zitterten seine Finger nicht mehr, als er den Schlüssel im Zündschloß umdrehte und auch die Kupplung ließ er diesmal nicht springen. Eine angenehme Ruhe war über ihn gekommen. Es schien auf einmal alles so einfach.

Er steuerte den Wagen mit dem Heck voran so nahe an die Unfallstelle, wie es ging. Dann stieg er aus, öffnete den Kofferraum und nahm die Abdeckplane für den Winter, die er sich gestern extra für den neuen Wagen gekauft hatte, heraus. Er kniete sich hin und begann die Leiche mit der Plane einzuwickeln. Er hatte einige Mühe, das tote Gewicht zu bewegen. Mist, dachte er sich, ich hab das Gewicht falsch eingeschätzt, das sind gut und gerne 75, 80 Kilo. Er riss und zerrte an der Leiche, achtete aber stets darauf seinen teuren Anzug nicht einzusauen. Immer wieder mußte er eine Pause einlegen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Als er schließlich fertig war, suchte er nach den Spanngurten für den Dachgepäckträger und verschnürte das Paket fest. Er packte das Bündel an den Spanngurten und wuchtete es mit einem Ruck auf die Schulter und ließ sie, mit vor Überlastung schmerzendem Rücken, rückwärts in den Kofferraum fallen.
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Sein Rücken pochte immer noch dumpf, als er die Beine des Toten anwinkelte, ihn bog und stauchte, bis er den Deckel zubekam. Dann hob er das Fahrrad auf, sah sich um, ob irgend ein Teil weggefallen war und verstaute es im Wagen, indem er den Beifahrersitz umklappte.

Er warf einen letzten Blick auf die Unfallstelle. Bis auf das wenige Blut, das inzwischen bereits eingetrocknet war, deutete nichts mehr auf einen Unfall hin. Und beim nächsten Regen würde es sowieso weggewaschen werden.

Wieder im Wagen nahm er sein Handy und rief seine Frau an.

"Hallo Schatz. Warte nicht mit dem Essen auf mich. Es wird heute später. Ich muß wieder Überstunden machen. - Wie lange? Das weiß ich noch nicht. - Ja, ich weiß, daß ich nicht so viele Überstunden machen soll, aber es geht heute nicht anders, glaub mir. - Ich muß jetzt auflegen, Schatz. Ich hab dich lieb." Seine Frau hatte ja recht. Er machte einfach zu viele Überstunden. Das ging schon ein dreiviertel Jahr so. Heute hatte er sich zum ersten mal seit drei Wochen darauf gefreut, pünktlich daheim zu sein - und dann das. Aber in Zukunft würde er das ändern; mehr Zeit mit Karin und den Kindern verbringen.

Während er darüber nachdachte, wähte er eine weitere Nummer aus seinem Adreßbuch.

Es klingelte dreimal, viermal. Schließlich nahm jemand ab.

"Walter, ich bin?s. Hast du Zeit? - Ich hab ein Problem. Kann ich bei dir vorbeikommen?"



Es begann bereits dunkel zu werden, als er den Wagen die gepflasterte Einfahrt von Walters Grundstück hinaufsteuerte. Kaum war er zum Stillstand gekommen und hatte die Scheinwerfer ausgeschaltet, öffnete sich auch schon die Haustür und Ellebracht konnte die Silouette Walters im Türrahmen erkennen. In seiner rechter Hand konnte er eine große Taschenlampe erkennen, mit der Walter sich den Weg leuchtete Er stieg die wenigen Stufen, die zur Haustür führten hinunter und trat schweigend an Ellebracht heran.

"Hallo, schön dich zu sehen."

"Du hast ein Problem?"

"Sieh?s dir am besten selber an."

Gemeinsam gingen sie zum Kofferraum. Ellebracht ließ den Schlüssel ins Schloß gleiten und der Kofferraumdeckel schwang elegant auf.
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Walter leuchtete hinein und warf einen kritischen Blick auf die Plane. Während Ellebracht ein Stück aufwickelte. Er zuckte etwas zusammen als ihn schließlich der Radfahrer mit seinen toten Augen anstarrte. Walter sagte nichts.

"Ein Radfahrer" brach Ellebracht schließlich das Schweigen.

"Und das Fahrrad?"

"Liegt im Auto."

"Gut."

Walter redete nie viel. Er war ein Mann der Tat. Er liebte die Ruhe und Abgeschiedenheit in der Natur. Er liebte es, sich um seine Tiere zu kümmern und seinen Hof zu bewirtschaften. Er lebte alleine hier mitten auf dem Land; die nächste Ortschaft ein paar Kilometer weit entfernt. Menschen mochte Walter nicht besonders.

Ellebracht beneidete ihn nicht selten. Er war hier der Freiheit näher, als Ellebracht jemals gelangen würde. Die Freiheit, sein eigener Herr zu sein. Sich von dem zu ernähren, was man mit seinen eigenen Händen gepflanzt hat. Ellebracht wünschte sich oft, er könnte mit Walter tauschen, doch den Mut, ebenfalls ein solches Leben zu führen, alles hinter sich zu lassen, konnte Ellebracht nicht aufbringen.

Gemeinsam brachten sie das Bündel durch den Nebeneingang ins Haus. Walter hatte sich dort vor ein paar Jahren einen kleinen Schlachterraum eingerichtet. Ellebracht hatte ihm damals dabei geholfen. Neue Trennwände zu ziehen, Leitungen verlegen, die Wände und den Fußboden zu fliesen - diese Bodenständige Arbeit hatte ihm viel Spaß gemacht. Es war ihm eine mehr als willkommene Abwechslung zum Büroalltag gewesen. Sie legten das schwere Bündel auf eine Arbeitsplatte. Ellebracht mußte erstmal durchatmen. Er war körperliche Arbeit nicht gewohnt und fühlte sich heute hart rangenommen. Walter schien die Anstrengung nichts auszumachen. Er schnürte das Bündel auf und sagte zu Ellebracht:

"Hinter der Tür da sind ein paar Eimer. Die brauchen wir."

Ellebracht holte die Eimer und sah zu, wie Walter den Fahradfahrer nun ganz auswickelte. Als er fertig war, nahm er die Plane, faltete sie zusammen und legte sie in eine große Spüle, die an der Wand angebracht war.

Walter ging zu einem Schrank, holte Messer, ein Beil und weiße Arbeitskleidung heraus.
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"Das ziehst du lieber an." Sagte er und hielt Ellebracht Gummistiefel, Arbeitshose und -Hemd, sowie eine Plastikschürze hin.

Als sie sich umgezogen hatten, führte Walter mit einem schlanken Messer einen langen Schnitt quer über die Kehle des Radfahrers, während er sie gleichzeitig über die Tischkante über einem Abfluß hielt. Dunkles, dickes Blut quoll aus der klaffenden Kehle und platschte laut und zähflüssig auf den Fußboden Normalerweise ließ er das Schlachtvieh im Hof ausbluten, wo man nicht so eine große Sauerei anrichtete, doch das konnten sie heute nicht riskieren.

Bald versiegte der Blutstrom und Walter konnte sich daran machen, den Bauch zu öffnen und die bereitgestellten Eimer mit den immer noch warmen, unangenehm süßlichen Gedärmen des Radfahrers zu füllen. Dabei glitten ihn die weichen, schlüpfrigen Innereien immer wieder durch die Finger. Anfangs verspürte Ellebracht noch Ekel, doch der legte sich und er nahm sich ein Beispiel an der nüchternen Routine von Walter, der inzwischen begann mit einem Beil den Brustkorb zu öffnen. Es waren kurze präziese Hiebe, gerade ausreichend um das Brustbein zu zertümmern. Als er Ellebracht die Leber und schließlich das Herz reichte, sagte er

"Tu das mal beiseite - das ist für die Katzen." Er liebte Katzen über alles. Er bewunderte ihre Überlegenheit und ihre Anmut. Er hatte inzwischen über zehn auf seinem Hof und Ellebracht würde es nicht wundern, wenn es irgendwann dreißig, oder vierzig sein würden.

Als sie schließlich auch noch die Lunge aus dem Torso entfernt hatten, begann Walter die Leiche zu zerteilen. Ellebracht bemerkte, daß dem Radfahrer einige Rippen böß gebrochen waren. Auch seine Wirbelsäule war in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie wirkte irgendwie gestaucht.

Walter packte das Beil jetzt weiter hinten am Griff und schlug kraftvoll auf die Schultergelenke des Radfahrers ein, um die Arme sauber vom Körper entfernen zu können. Bei den Beinen trennte er zuerst mit einigen Schlägen die Beine am Knie ab und schlug anschließend die Oberschenkel aus dem massiven Hüftgelenk. Es ging nicht gerade einfach von statten und Walter musste immer wieder mit aller Kraft auf das Gelenk einschlagen.
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Er benutzte jetzt nicht mehr das Metzgerbeil, sondern seine Axt zum Holzhacken, weil der Griff länger war, so daß er mit ihr besser ausholen konnte und weil der Axtkopf schwerer und somit effektiver war. Knochen knirschten und brachen mit einem dumpfen knacken, bis schließlich auch die Beine vollständig abgetrennt waren. Danach schlug er dem Radfahrer den Kopf ab und machte er sich dann daran, den Torso der Wirbelsäule entlang entzwei zu teilen. Ellebracht machte der Geruch zwar nicht mehr viel aus - er hatte sich bereits daran gewöhnt, aber das dumpfe Geräusch mit dem das Beil die Knochen spaltete, ging ihm durch und durch. Walter bemerkte Ellebrachts Miene

"Ich denke dabei an die, die ich liebe" kommentierte er in der Pause zwischen zwei Schlägen Er lächelte dabei. Ein Lächeln das - wenn überhaupt - nur schwer zu deuten war. Beim Hüftknochen hatte Walter die meißte Mühe.

"Den müssen wir mit den Oberschenkeln und dem Schädel in Säure auflösen." Sagte er, als er ihn endlich in zwei handliche Teile gespalten hatte.

Nachdem sie anschließend das Fleisch von den Oberschenkeln geschabt hatten, legten sie diese in den Eimer mit dem Hüftknochen. Walter war gerade dabei, den Schädel zu vierteln - Zähne brachen heraus und flogen davon, als die Axt Kiefer und Mundhöhle zerschmetterte - während Ellebracht mit den Säurekanistern hereinkam. Walter betrachtete die inzwischen von den Axthieben stark zerfurchte Arbeitsplatte. Er wird sich wohl eine neue kaufen müssen.

Sie schütteten die Säure in ein leeres Ölfäßchen mit etwa dreißg Litern Fassungsvermögen. Und legten mit Schutzhandschuhen die Knochen vorsichtig hinein.

"Wie lange wird die Säure brauchen?" erkundigte sich Ellebracht.

"Nicht lange; ist eine hochkonzentrierte Säure. Vielleicht ein, eineinhalb Wochen."

Nachdem das zerlegen beendet war, reinigten sie sich oberflächlich von dem Blut und packten die Einzelteile des Radfahrers in Plasiksäcke ein. Als das beendet war, holte Walter einen Dampfstrahler und reinigte den Schlachtraum.

"Wenn wir hier fertig sind, gehe ich nochmal mit Desinfektionsmittel drüber, dann sind wir den Geruch loß.
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"

"Was ist mit uns?"

"Der Schlachtgeruch hängt nur an der Kleidung. Wenn wir uns danach gründlich abduschen wird man nichts riechen."

Es war inzwischen spät geworden - kurz nach halb zehn - als Walter die große, mit Starkstrom betriebene Häckselmaschine, die normalerweise für Futtermais und ähnliches gebraucht wurde, anschaltete. Die Scheune war nur spärlich beleuchtet, so daß sie mit Taschenlampen nachhelfen mußten. Sie achteten sorgfältig darauf, daß das Tor der Scheune fest verschlossen war, als sie die Plastiksäcke hineingeschafft hatten. Der Ausgang der Häckselmaschine war im oberen Stockwerk der Scheune. Walter legte dort eine Abdeckplane aus, die er großzügig mit Stroh bedeckte, um möglicherweise auftretende Flüssigkeiten zu binden. Als er herunterkam öffnete Ellebracht gerade den ersten Plastiksack und zog einen Arm heraus. Eine Sportarmbanduhr war noch um das Handgelenk gewickelt.

Walter sah sie sich kurz an. Die Uhr war unversehrt geblieben.

"Die kannst du behalten, wenn du willst."

Ellebracht dachte an seinen Sohn, während er den Arm des Radfahrers in die laut röhrende Häckselmaschine schob. Er würde ihm damit bestimmt eine Freude machen.

Während Ellebracht Stück für Stück des Radfahrers in der Häckselmaschine verschwinden ließ, ging Walter immer wieder hoch und füllte die gebrauchten Plastiksäcke von neuem. Bei einigen der dickeren Knochen hatte sie schon etwas zu kämpfen, aber letztendlich wurden sie alle zerkleinert.

"Gut, daß ich die große Plane genommen habe. Wäre sonst eine ziemliche Sauerei da oben." Walter brachte gerade wieder einen neuen Sack hinunter. Die Plane oben war über und über mit einem groben dunkelroten Brei aus Knochenstückchen und Fleischfetzen besprenkelt. Morgen früh würde er die Häckselmaschine auseinandernehmen und reinigen müssen.

Als der letzte Sack gefüllt und zugeknotet, war wuschen sie sie von außen mit dem Gartenschlauch ab, um lästiger Geruchsbildung vorzubeugen. Die blutige Plane reinigten sie, ebenso wie die Abdeckplane für den Wagen mit dem Dampfstrahler.

Endlich konnten sie die blut- und schweißfleckige Arbeitskleidung ausziehen.
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Walter lieh Ellebracht ein paar von seinen alten Sachen, mit denen sie dann den Schlachtraum reinigten, bis er geradezu klinisch sauber war.

"Was willst du eigentlich mit den ganzen Säcken machen?" Fragte Ellebracht.

"Einfrieren und an die Schweine verfüttern. Die fressen alles. Jetzt kümmern wir uns aber um?s Fahrrad."

Vorsichtig zogen sie das verbogene Fahrrad aus dem Wagen und feilten die Seriennummer davon.

"Hat dein Wagen eine Anhängerkupplung?"

"Ja, ich hab mir letzen Sommer einen Wohnwagen gekauft. Wieso fragst du?"

"Weil wir jetzt die Ledersitze von deinem Wagen saubermachen und dann das Fahrrad auf den Anhänger aufladen und es im Hagbard-Weiher versenken."

Während Ellebracht nun wieder frisch geduscht in seinem Anzug steckte und zum Hagbard-Weiher fuhr, sorgte Walter inzwischen bei sich für Ordnung. Er reinigte die eingesauten Klamotten, verstaute die Plastiksäcke in seiner Tiefkühltruhe und fütterte die Katzen mit kleingehackten Herz- und Leberstückchen.

Ellebracht schleppte das Fahrrad etwa einen halben Kilometer auf einem Wanderpfad durch den Wald. Er hatte keine Taschenlampe dabei, sonst wäre er Kilometerweit zu sehen gewesen. Als er das Ufer des Weihers erreichte, blieb er still stehen und lauschte. Keine Menschenseele war zu hören; kein nächtlicher Spaziergänger, kein Jäger - ausgezeichnet. Er wartete, bis von der nahen Straße ein Auto zu hören war, packte es dann an Sattel und Lenker und warf es in dem Moment, an dem das Geräusch des Autos am lautesten war, in hohem Bogen ins tiefe Wasser, wo es augenblicklich versank. Das platschen hörte sich schrecklich laut an in seinen Ohren, doch es folgte keinerlei Reaktion. Man hatte ihn nicht bemerkt. Zufrieden wandte er sich vom Ufer ab und kehrte zum Wanderweg zurück. Wer würde es hier schon suchen; und nach einem halben Jahr ist es sowieso nicht viel mehr als ein Haufen Rost.

Zurück bei Walter entfernten sie noch sorgfältig die Spuren der Fahrradlackierung am Wagen.

"Eindeutig ein Wildunfall." Kommentierte Walter zufrieden ihre Arbeit.

Ellebracht ging zum Wagen hin und inspizierte noch einmal den den Schaden. Der rechte Scheinwerfer hatte einen Sprung, der Kühler und die Stoßstange hatten etwas abbekommen, der Kotflügel war verbeult und die Kühlerfigur war in Form eines Kreuzes verbogen und hing nur noch lose an seinem Fuß.
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Er unschloß sie mit der Hand, bog sie ein bischen nach vorne und brach sie schließlich ab. Er betrachtete sie noch einmal in seiner Hand und ließ sie dann zu Boden fallen.

Er sah auf die Uhr. Viertel eins. Endlich konnte er nach Hause gehen.

"Ich geh? jetzt Heim. Karin macht sich sicher schon Sorgen."

"Kommst du mal wieder vorbei?"

"Wie wär?s mit nächstem Wochenende?"

"Geht klar."

Daheim schlief Karin schon. Er war endlich wieder daheim. Hier, neben ihr zu liegen, machte ihn zum glücklichsten Menschen der Welt.

Am nächsten Morgen erfuhr er, daß sie schon zeitig ins Bett gegangen war - sie war erkältet und fühlte sich nicht gut. Über die Überstunden von Vortag verlor sie kein Wort, aber Ellebracht versprach ihr, daß er in Zukunft mehr Zeit für sie haben würde.

Das letzte mal, daß er etwas von dem Radfahrer sah, war am nächsten Wochenende, als Walter das Fäßchen voller Säure in den Abfluß schüttete. Ein paar Zähne fielen ebenfalls mit heraus und sie wären bestimmt im Siel hängengeblieben, hätte Walter nicht vorher das Gitter entfernt. Anschließend verbrachten sie noch einen angenehmen Abend mit einem gutem Glas Wein.

Über das was an diesem Tag passiert war, sprachen die beiden nie wieder.






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Kommentare zur Story:

  find i voll dooffff  
lia  -  16.12.07 18:51

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  Das ist die Geschichte "Generalvertreter Ellebracht begeht Fahrerflucht"
von Josef Reding nur das Ende wurde verändert.  
Dina  -  04.11.07 15:25

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  Ich habe keine Ahnung, wer Josef Reding ist. Aber mir sind einige Rechtschreibfehler aufgefallen, die einem Profi sicher nicht unterlaufen wären, und so gehe ich einmal davon aus, dass die Geschichte kein Plagiat ist. Eine gewisse Ähnlichkeit ist normal, schließlich gibt es jedes Thema in -zig Variationen, etwas wirklich Neues gibt es kaum noch. In diesem Sinne.
Und nun zur Story: Sehr gut, wie du es geschafft hast, den Protagonisten der Story von einem schwitzenden, zitternden Bündel Angst bis zum eiskalten Killer mutieren zu lassen. Schön beschrieben das Tier, das in uns allen steckt, wenn uns die Umstände nur weit genug treiben. Die Schlachtszenen sind mit sehr viel Detailgenauigkeit beschrieben ohne vulgär zu wirken, insofern also kein "Splatter" im landläufigen Sinne. Recherchen im heimischen Schlachthof gemacht?
Das Ende lädt zum Weiterspekulieren ein: War's das jetzt? Oder fängt der Horror im Sinne von "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" erst an? Da wäre sogar noch eine Fortsetzung drin.
Gesamteindruck: Perfekt geschilderter Einblick in die Abgründe der menschlichen Seele.
5 Punkte  
Gwenhwyfar  -  06.06.02 08:42

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  Die haste aber gar nich selber geschrieben, die hatten wir inner schule für nen Aufsatz bekommen. Die is von Josef Reding, oder hat der von dir abgeschrieben ????  
Visitor  -  16.04.02 23:25

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  Obwohl mir überhaubt nicht gefällt das der Typ nicht zur Polizei gegangen ist muss ich dir doch ein Lob aussprechen.
Denn jeden Moment erwartet man die Grosse Wende,aber nein,stur geht der Unfallfahrer seinen Weg die Leiche verschwinden zu lassen.
Und dann das coole lockere Ende.
Fünf Punkte für dich !  
Wolzenburg  -  12.04.02 22:00

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