Kurzgeschichten · Trauriges

Von:    René Oberholzer      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. Mai 2022
Bei Webstories eingestellt: 21. Mai 2022
Anzahl gesehen: 2219
Seiten: < 1

"Geh nach oben", sagte Vater, wenn er mit Mutter sprechen musste. "Mach die Türe zu", sagte er dann, wenn ich kurz vor meinem Schlafzimmer stand. "Ja", rief ich. Dann kam Mutter aus der Küche, ging ins Wohnzimmer, setzte sich. Meine Schwester arbeitete im Kino an der Kasse, sie kam meistens spät nach Hause. Manchmal wurde es nach dem Essen im Wohnzimmer laut, sehr laut. Mutter hörte ich durch die Wände hindurch. Vater sagte selten etwas, blieb meistens ruhig. Vater arbeitete seit Jahren nicht mehr, war IV-Bezüger, ein Arbeitsunfall. Zu Hause sass er viel herum, vor dem Fernseher, las Zeitschriften, wusste über alles Bescheid. Mutter ging einkaufen, arbeiten, machte den Haushalt. Vater meckerte oft herum, zwar ruhig, aber so, dass es meine Mutter auf die Palme trieb. Und immer ging es um dasselbe, das Geld, das Essen, das Einkaufen, die Liebe, die Ideenlosigkeit des Vaters. Mutter musste für das meiste besorgt sein. Vater ging manchmal spazieren, soweit das nach dem Unfall noch ging. Mutter ging zuletzt ins Bett, während Vater schon schlief und schnarchte. Getrennte Schlafzimmer kamen nicht in Frage, Vater und Mutter waren sich ausgeliefert. Ich wunderte mich oft, wie sie es nebeneinander aushielten, nach einem missratenen Essen, einem missratenen Abend oder einem missratenen Tag. "Geh nach oben", prägte sich tief in mir ein, und ich hatte mir oft gewünscht, Vater und ich hätten die Schlafplätze getauscht.
Punktestand der Geschichte:   291
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

  Eine kleine Geschichte die mehr sagt als manch ein lange Story. Ergreifend wie das Kind unter den Streitigkeiten der Eltern leidet und nichts dagegen tun kann. Ganz besonders haben mir dabei die letzten Sätze gefallen. Welch ein Trost für die Mutter, denn sie wird die Zuneigung ihres Kindes und die damit verbundene Anerkennung ihres Fleißes gespürt haben.  
   Evi Apfel  -  22.05.22 19:42

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Der Zug"

Hallo, ein schöner text, du stellst deine gedanken gut dar, trifft genau meinen geschmack. lg Holger

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Francis Dille" zu "Die Belfast Mission - Kapitel 47"

Deine Frage wird bald beantwortet. Aber jetzt sind vorab zwei andere Kapitel in der Warteschlange von Webstories, die eine etwas ältere Frage erklären wird. LGF

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Redaktion", erstellte den neuen Thread: ???

Liebe Webstorier, nun ist der Winter 2025 in Deutschland auch zu Ende gegangen. Alles war sehr aufregend. Vor allem die Politik. Das Wetter selber brachte uns diesmal keine besonderen Überraschungen ...

Zum Beitrag