Mortal Sin 2001- Shadows In The Moonlight   211

Romane/Serien · Spannendes

Von:    JoHo24      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. November 2019
Bei Webstories eingestellt: 6. November 2019
Anzahl gesehen: 2238
Seiten: 10

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit: Die Verfügbarkeit ist eine Angabe die nur im Prologteil der Reihe zur Verfügung steht.

Diese Story wurde zwar als Teil einer Reihe definiert, eine entsprechende Prologangabe fehlt allerdings noch.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Es gibt keine Flucht vor Erinnerungen auf dieser Welt. Die Geister unserer dummen Taten verfolgen uns. Mit oder ohne Reue.

- Gilbert Parker





Die Musik plärrte aus dem Radio, während er auf dem Fahrersitz saß und ungeduldig mit dem rechten Bein wippte.

Navarro Emanuel Garcìa Henstridge wartete in seinem roten Chevrolet auf den Anruf Patton Masseys. Er hoffte zumindest, dass er sich meldete, denn das würde für ihn bedeuten heute in Aktion zu treten und zu töten. Der Kolumbianer war nämlich heute eigentlich nur als Backup eingeplant; als Hintermann, der im Schatten wartete und einsprang, falls es nötig wurde.

Normalerweise war dies nicht ihre übliche Vorgehensweise, doch der Ex-Soldat wurde heute von Emilia McDermott begleitet, einem absoluten Neuling in ihrer Branche von dem er nicht wusste, was er von ihm halten sollte. Frauen in ihrem Beruf lehnte er zwar grundsätzlich nicht ab, aber in Begeisterungsstürme verfiel er deswegen auch nicht. Und die Nachricht, dass heute Abend erst ihr zweiter Einsatz war, hatte ihn zusätzlich unter Stress gesetzt. Nicht nur ihn, denn Patton sah ebenfalls das hohe Risikopotenzial, das die Unerfahrenheit ihrer neuen Kollegin mit sich brachte.

Deshalb hatten sie versucht William Cunningham von dieser Mitarbeiterkonstellation abzubringen, leider ohne Erfolg. Er war hart geblieben und hatte nicht mit sich diskutieren lassen, was Navarro wenig überraschte. Ihr Boss war rigoros und ließ sich in keine seine Entscheidungen reinreden.

Also saß er seit einer geschlagenen Stunde in seinem Wagen, der unweit von einem schicken Einfamilienhaus im noblen Viertel der Stadt parkte. Im Vorgarten standen eine handvoll Leute in edler Garderobe mit Champagnergläsern, die sich unterhielten und amüsierten. Auch Patton Massey und Emilia McDermott waren Gäste auf dieser Luxusparty, um ihre heutige Zielperson aufzuspüren. Die beiden hatten sich outfittechnisch angepasst und in Schale geworfen. Der Ex-Soldat trug einen pechschwarzen Anzug und sie ein zartrosanes Kleid, dessen

ärmelloses Oberteil filigran mit Spitze gearbeitet war und auf verführerische Weise ihre Brüste verdeckte. Ihr Outfit hätte ihm durchaus gefallen können, wenn sie durch den weitläufigen, immensen Rock aus Tüll und Federn nicht wie ein Wattebausch ausgesehen hätte.
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Bei diesem Gedanken grinste er spöttisch und zündete sich eine Zigarette an, die er sich langsam und genüsslich zu Gute führte. Der Rauch verteilte sich im Innenraum und belegte seine Sitze mit dem charakteristischen Nikotingeruch und füllte seine Lungen mit seinem köstlichen Aroma.

Nun, manchmal hatte es doch was für sich nicht an einem Auftrag aktiv beteiligt zu sein, auch wenn er das Adrenalin und die Endorphine vermisste, die durch seine Adern rauschten und das Hochgefühl und die Macht, die ihresgleichen suchten. Er schloss die Augen und schwelgte sehnsüchtig in Erinnerungen vergangener Morde, die er begangen hatte. Bevor jedoch die Gefahr bestand, dass Navarro gedanklich völlig abdriftete, lenkte er seine Aufmerksamkeit und seinen Blick wieder auf das Haus. Mittlerweile war keiner der Gäste mehr draußen zu sehen, da langsam aber sicher die Dunkelheit und Kälte in Saint Berkaine Einzug hielten und sie ins Warme getrieben hatten. Das gesamte Haus war beleuchtet, sodass er die Schemen und Umrisse der Gäste erkennen konnte.

Es waren viele Leute anwesend. Der Langhaarige hoffte, dass dadurch keine Probleme für seine Kollegen entstanden und sie ihren Auftrag erfolgreich ausführen würden. Er zweifelte nicht an ihrer Integrität, besondern nicht an Patton Masseys, aber er hatte heute nun mal eine Begleiterin und daher war er nicht vollkommen davon überzeugt, dass alles glatt lief. Mit einem beklommenen Gefühl in der Magengegend ließ er seine Augen minutenlang ununterbrochen über das Grundstück schweifen. Es war keine Auffälligkeit zu sehen, bis wie aus dem Nichts plötzlich Patton auftauchte, der Emilia erbarmungslos und eisern hinter sich herzerrte, als sei sie ein ungehorsames Kind. Schon von Weitem sah Navarro das frische Blut, das Emilias Kleid befleckte und das wutverzerrte, angespannte Gesicht seines männlichen Kollegen. Irgendetwas war gehörig schief gegangen. Es lief nicht nach Plan. Alarmiert stieg er aus dem Chevrolet und lief den anderen Killern entgegen.

„Was ist passiert?“, verlor er keine Zeit zu erfahren, was vorgefallen war.

Patton gab ihm jedoch keine Antwort, sondern stieß Emilia zu Boden, die unter Tränen und einem spitzen Aufschrei auf dem Asphalt aufkam.

„Sag mir, was…“

„Schaff sie sofort hier weg, Henstridge“, fiel er ihm ins Wort.

„Was?! Das kommt gar nicht in Frage.
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Ich bin doch nicht…“

„Das ist ein Befehl!“, brüllte er Speichel spuckend in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. „Ich habe keine Zeit eine verfickte Diskussion mit dir zu führen. Ich muss zurück und unseren Job erledigen!“ Während er sich also um die Ermordung der Zielperson kümmerte, wofür sie schließlich gekommen waren, blieb ihm nichts anderes übrig als übellaunig und missmutig zu nicken, bevor er Emilia mit Leichtigkeit in seine Arme hob und sich eiligen Schrittes von der Szenerie entfernte. Auf dem Weg zu seinem Wagen vergrub sie allen Ernstes laut schluchzend ihr Gesicht in seiner Lederjacke und weinte hemmungslos.

Er war überfordert mit der ungewohnten Situation, schließlich trug er nicht alle Tage eine Kollegin durch die Gegend, die einen Nervenzusammenbruch erlitt. Außerdem war er wütend, weil Patton sich aufspielte wie sein Boss und ihn dazu verdammt hatte sich um die Blondine zu kümmern.

Gehetzt und Zorn schnaubend bugsierte er seine neue Kollegin unsanft auf den Beifahrersitz, die noch immer unaufhörlich Tränen vergoss. Der Langhaarige nahm keine Rücksicht auf ihren nervtötenden Ausbruch, immerhin trug sie Schuld an dem ganzen Bullshit. Wegen ihr hatte Patton ihn weggeschickt. Wegen ihr kam er heute nicht in den Genuss des Tötens. Aus diesen Gründen warf er ihr einen bösen Blick zu, während er den Motor startete und Gas gab.



Das dämmrige Licht, das von der Stehlampe in seinem Wohnzimmer stammte, fiel auf Emilia und ließ ihre Haut schmutzig grau erscheinen. Die Geräusche, die aus ihrer Kehle kamen, bildeten eine eigenwillige Komposition aus Winseln und Wimmern, was Navarros Gehör irritierte. Skeptisch beäugte er das schmale, kleine Persönchen, das einen erbärmlichen Anblick bot. Ihr Heulkrampf hatte sie sichtlich ermattet, denn sie lag völlig erschöpft und kraftlos auf seiner Couch, begraben unter einer Unmenge an Stoff.

Er erinnerte sich daran, wie oft in seinem Leben er Frauen so hilflos und schwach gesehen hatte, wie jetzt Emilia. Der entscheidende Unterschied zwischen ihr und den anderen Frauen war allerdings die Tatsache, dass die Blondine eine Auftragskillerin war.

Sie hatte keinen Gefühlsausbruch zu haben; sie hatte stark, gnadenlos und grausam zu sein und kein normaler Mensch, der sich von seinen Emotionen überwältigen ließ. Navarro hatte kein Verständnis für seinen Boss, der solch eine labile Frau als Killerin rekrutierte.
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Was zur Hölle hatte er sich dabei nur gedacht? Was sah er in ihr?

Er ließ seine braunen Augen über Emilia wandern, als könne er dadurch ihre versteckten Talente identifizieren. Doch natürlich fand er nichts, was sie zu einer qualifizierten Kollegin befähigte.

Plötzlich bemerkte er, dass sie hektisch nach Luft zu schnappen begann und dabei völlig apathisch wirkte.

„Hey!“ Navarro rüttelte grob an ihrer rechten Schulter, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Anscheinend zeigte dies Wirkung, denn Emilias Atmung normalisierte sich und sie kehrte zu ihrem vorherigen leisen Schluchzen zurück. Dennoch traute er dem Frieden nicht und entschied sich lieber sicherzugehen, bevor sie hier noch krepierte.

„Ist alles in Ordnung, McDermott? Brauchst du was?“

Er hockte sich vor sie auf den Boden und blickte fragend in ihre blauen Augen, die unglaublich leer waren, als sei sie ein Geist, der gekommen war um ihn heimzusuchen. Bei dieser Vorstellung durchfuhr ein Schaudern seine Glieder.

„Meine Seele“, kam es krächzend aus ihrem Mund. Ihre Antwort machte ihn im ersten Moment sprachlos.

„Ich will nur meine Seele zurück.“

„Tja, die hast du an William verkauft und für immer verloren, Schätzchen.“ Navarro sprach gnadenlos die knallharte Realität aus, um sie jeglicher Hoffnung oder Illusion zu berauben, dass sie jemals wieder die sein würde, die sie einst war.

„Macht dich das nicht fertig? Sehnst du dich nicht nach deiner Seele?“ Über ihre Fragen musste er herzhaft lachen.

„Ich weiß ja nicht, wo dich William aufgegabelt hat oder warum er dich für eine geeignete Kandidatin für unser Metier hält, aber ich bereue meine Taten nicht. Und was meine Seele angeht: Ich habe niemals eine besessen, darum kann sie mir nicht fehlen“, gluckste Navarro heiter und strich sich das lange schwarze Haar hinter die Ohren.

„Niemand kommt ohne Seele auf diese Welt, Henstridge“, wisperte Emilia ehrfürchtig. „Niemand, nicht einmal ein Auftragskiller, wie du einer bist.“ Dieser Gedanke zauberte ihr ein unheimliches Grinsen auf die Lippen, was er argwöhnisch betrachtete. Die Braut war nicht ganz dicht, aber nicht auf sexy oder versaute Art, die einen Mann anturnte, nein. Die Blondine war merkwürdig, was Navarro nicht geheuer war.

„Irgendwann erhalten wir die angemessene Strafe für all die Toten, die unseren Weg säumen.
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“ In diesem Augenblick sah sie ihn das erste Mal direkt und gezielt an. Ihre Miene zeigte eine Mischung aus Scham, Ernsthaftigkeit und Angst. Es war ein obskurer Anblick.

„Wenn du versuchst mir ein schlechtes Gewissen zu machen oder sonst so einen Scheiß, dann wirst du kein Glück haben, McDermott. Ich bin genau der Mann, der ich sein will. Und ich bin genau dort, wo ich hingehöre“, erklärte er ihr mit Stolz geschwellter Brust. „Du stehst ganz am Anfang deiner Laufbahn als Killerin. Du wirst noch erkennen, was für ein Privileg es ist für William zu arbeiten und das zu tun, was wir tun.“ Der Langhaarige merkte, wie ein Feuer in ihm entfacht wurde, das unbändig in seinen braunen Augen loderte.

„Ich bin nicht wie ihr“, korrigierte sie ihn mit vollster Überzeugung, was ihn herausforderte und er richtig stellen musste.

„Jetzt hör mir mal zu, Schätzchen. Du musst etwas Dunkles und abgrundtief Böses in dir tragen. Etwas, das William in dir gesehen hat, ansonsten hätte er dich nicht ausgewählt, um ein Teil dieser erlesenen Truppe zu werden.“ Seine Ausführungen lösten bei ihr einen Schock aus, den er nicht hatte kommen sehen. Zuckungen überfielen ihren zarten Körper und ließen sie heftig auf seiner Couch beben.

„Scheiße!“, fluchte Navarro und schoss in die Höhe. Wie angewurzelt stand er da und glotzte auf die blonde junge Frau, die sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Es war irrwitzig, aber auch erschreckend ihr dabei zuzusehen, wie stark sie unter ihrem selbst gewählten Schicksal litt. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, warum sie überhaupt hier war. Und er machte sich Sorgen, denn diese Frau konnte sie alle mit ihrem Selbsthass und ihren Zweifeln in Gefahr bringen. Der Killer hatte endgültig genug von ihr. Er hatte genug von diesem Abend, der ihn bloß Zeit und Nerven gekostet hatte.

Rabiat packte er sie an ihren dünnen Oberarmen und hob sie von der Couch, was Emilia sich nicht gefallen ließ. Unaufhörlich wand sie sich in seinem Griff und jammerte ihm die Ohren voll, worauf er mit Wut reagierte.

„Jetzt reiß dich gefälligst zusammen, McDermott!“ Er zog sie fest an sich und beugte seinen Kopf zu ihr herunter, sodass sich ihre Nasenspitzen berührten. Erstaunlicherweise beruhigte sie dies schlagartig und sie entspannte sich in seinen Armen, als wäre jegliche Last von ihren Schultern gefallen.
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„Du hast genug rumgeheult und dich selbst bemitleidet“, zischte er. „Fuck, du bist eine Auftragskillerin, mach dir das endlich klar! Dein Leben ist anders, als die gewöhnlicher Menschen. Es ist besonders und einzigartig und du hast die Ehre es zu führen!“ Navarro wollte sie wachrütteln und zur Vernunft bringen. Sie sollte ihr neues Leben endlich annehmen und kapieren, dass es kein Zurück mehr gab.

„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, äußerte sie wehmütig.

„Du musst! Du hast keine andere Wahl, also finde dich damit ab!“, sagte Navarro energisch und erhöhte den Druck auf ihre Arme. Vor Schmerz verzog die Blondine ihr Gesicht, was ihn wenig rührte.

„Du tust mir weh.“ Flehend sah sie ihn an, aber er ließ sich nicht erweichen. Emilia wurde erneut unruhig und versuchte seinem Griff zu entfliehen.

„Ich müsste dich nicht dermaßen anpacken, wenn du nicht so schwach und erbärmlich wärst“, erklärte er ihr hitzig und bohrte seine Finger in ihre Haut. Traurig erwiderte sie seinen intensiven Blick, mit dem er sie durchbohrte.

„Ja, ich bin schwach, aber dafür schäme ich mich nicht. Es macht mich menschlich, Henstridge.“ Ihre Stimme war bloß ein warmer Hauch, der sein Gesicht streifte und seine Nackenhaare dazu brachte sich aufzustellen.

„Als Killer bist du kein Mensch, Schätzchen. Es ist kein Platz für irgendwelche Gefühle oder einen anderen überflüssigen und sentimentalen Scheiß“, wurde sein Tonfall trotz seiner derben Worte eigenartigerweise milder.

„Wirklich?“, fragte sie flüsternd nach, als wolle sie sich vergewissern, dass er tatsächlich die Wahrheit sprach. Navarro nickte wortlos, bevor sie ihn zu seiner großen Verwunderung küsste und er nicht wusste, wie ihm geschah. Emilias weiche Lippen fühlten sich verdammt gut an und brachten sein Herz zum Rasen. Es war lange her, dass eine Frau ihm so nahe gekommen und Zärtlichkeiten mit ihm ausgetauscht hatte. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm dies gefehlt hatte. Der Langhaarige sog ihren dezenten Duft ein, der sie umgab und ihn an eine blühende Wiese im Frühling erinnerte. Er wurde regelrecht benebelt von ihrem Geruch und Geschmack, die alles Bisherige weit in den Schatten stellten. Automatisch intensivierte er den Kuss, was sie überraschte und ihren Kopf zurückziehen ließ. Navarro biss sich auf die Zunge und ärgerte sich maßlos über sich selbst.
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Er war zu forsch und schnell vorgegangen und hatte die Blondine verschreckt. Zumindest hatte er das geglaubt, doch dann tat sie etwas, womit er nicht gerechnet hatte: Sie löste sich aus seinem Griff und zog sich aus. Im Schein des dämmrigen Lichts streifte sie ihr Kleid ab, welches unter leisem Rascheln auf den Boden glitt und schlüpfte aus ihren High Heels. Nur noch mit einem hauchdünnen, farblich zum Kleid passenden Höschen bekleidet stand sie da und schaute in atemloser Spannung zu ihm hoch.

Navarro war genauso bewegungslos und überfordert wie eben, als die Zuckungen bei ihr eingesetzt hatten. Ihr Verhalten gab ihm Rätsel auf und er wusste nicht, was er tun sollte, geschweige denn, was sie von ihm erwartete. Argwöhnisch und etwas unsicher betrachtete er Emilia und deren halbnackten Körper. Er verspürte Lust und Erregung, schließlich war sie eine junge attraktive Frau, die ganz offensichtlich mit ihm ficken wollte, aber irgendetwas war merkwürdig. Er konnte nur noch nicht mit dem Finger darauf deuten. Dennoch hielt ihn dieses Gefühl davon ab einen Schritt weiterzugehen, als wolle es ihn vor einem riesigen Fehler bewahren.

Die Blondine trat indes seelenruhig an ihn heran und legte ihre Hände auf seine Brust. Navarro musste tief durchatmen und sich am Riemen reißen, damit er nicht doch noch wie ein wildes Tier über sie herfiel. Sie hob sich auf die Zehenspitzen und streckte sich, um an sein linkes Ohr zu reichen.

„Das gefällt dir, oder?“, wollte sie hochprovokant von ihm wissen. Es war eindeutig, dass sie ihn reizen; dass sie ihm etwas beweisen wollte. Dies ließ seine Begierde augenblicklich in Wut umschlagen.

„Alles, was du während des Kusses gespürt hast und was du spürst, wenn ich nackt vor dir stehe, sind Gefühle, die dich beeinflussen und etwas mit dir machen, Henstridge. Das ist der sentimentale Scheiß, von dem du gesprochen hast und für den es angeblich keinen Platz gibt“, flüsterte sie ihm eifrig zu. „Du bist und bleibst ein Mensch, auch wenn du das nicht wahrhaben willst und dir etwas anderes einredest. Es ist der leichtere Weg von sich selbst zu behaupten, dass man eine seelenlose Killermaschine sei. Es ist ein Fluchtweg für Feiglinge, die sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen wollen.“

Nach ihrer Ansprache brannten bei ihm die Sicherungen durch. Er hatte bereits geahnt, dass etwas nicht stimmte und ihre Aktion möglicherweise eine Art Trick oder Falle war, aber dass sie es tatsächlich wagte so respektlos mit ihm zu reden und die Grenzen gedankenlos zu überschreiten, hätte er ihr nicht zugetraut.
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Kurzerhand packte der Langhaarige sie an der Kehle und beförderte sie mit einem gekonnten Wurf zurück auf die Couch, wo sie unter einem lauten Rums aufkam. Bevor sie wieder zu Atem kam, setzte er sich mit seinem gesamten Gewicht auf sie, legte seine Hände um ihren schmalen Hals und drückte zu. Ihre blauen Augen wurden vor Panik riesengroß, als sie sich der lebensgefährlichen Situation bewusst wurde. Unkontrolliert und verzweifelt strampelte sie mit den Beinen, während sie versuchte ihn mit aller Macht wegzudrücken. Navarro schaute ihrem Überlebenskampf ungerührt zu, bis ein kümmerliches Krächzen über ihre Lippen kam und ihr Gesicht einen Lilaton annahm. Dies war für ihn das Stoppsignal, das ihn seine Hände wegziehen und sich von ihr entfernen ließ.

Emilia schnappte hektisch nach Luft, was bei ihr zu einem heftigen und lang anhaltenden Hustenanfall führte. Minuten vergingen, in denen er sich eine weitere Zigarette gönnte und zeitgleich an ihren Qualen ergötzte. Immer kläglicher wurden ihre Laute und der Anblick, den sie bot. Sie war in ihr Ausgangsstadium der Erbärmlichkeit und Schwäche zurückgefallen. Sie hatte sich zurückentwickelt.

Als sie sich halbwegs wieder beruhigt und ihren Körper unter Kontrolle hatte, schlenderte er zu ihr herüber und setzte sich auf den Rand der Couch. Ängstlich wich sie von ihm und presste sich in die Kissen. Ihr Hals wurde von Hämatomen geziert, die ein eigenwilliges Muster bildeten. In seinen Augen war seine Schöpfung ein wunderschönes Kunstwerk, das seinesgleichen suchte.

Mit einem breiten und stolzen Lächeln beugte er sich vor und strich ihr eine Strähne ihres hellblonden Haares hinter das rechte Ohr. Ein leichtes Zittern überkam sie, ob durch Furcht oder der Kälte hervorgerufen, konnte er nicht sagen.

„Ich gebe dir einen wertvollen Rat für die Zukunft: Hüte dich davor einen von uns zu beleidigen, sonst wird dies das Letzte sein, was du tust“, sagte er überfreundlich, ehe seine Miene zu purem Eis wurde. „Also nenn mich noch einmal einen Feigling und ich mache dich kalt, Schätzchen.“ Emilia musste nach seiner Drohung hart schlucken und wurde kreidebleich. Nach seinem Angriff wusste sie, dass er keine Späße mit ihr trieb und sie von nun an vorsichtiger sein musste.
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„Und jetzt solltest du dich ausruhen, McDermott. Es war ein langer und anstrengender Abend für dich.“ Navarro nahm die dunkelgraue Decke am anderen Ende der Couch und breitete diese fürsorglich über seiner Kollegin aus, die sich nicht traute Widerstand zu leisten. Dabei konnte er in ihren Augen deutlich das Misstrauen und den unterschwelligen Zorn erkennen, der aufgrund seines Verhaltens in ihr brodelte. Amüsiert erhob er sich, schaltete die Stehlampe aus und verließ das Wohnzimmer. In diesem Moment klingelte sein Handy. Er ging in die Küche, bevor er den Anruf, der von Patton Massey stammte, entgegennahm.

„Bist du zu Hause, Henstridge?“

„Ja und ich habe McDermott mitgenommen“, schnauzte er den Ex-Soldaten an. Er war froh, dass er seine gesamte Wut nun an ihm auslassen konnte. „Kannst du mir erklären, was bei dem Auftrag schief gelaufen ist, huh? Sag mir, warum ich einen auf Babysitter machen musste, anstatt als Killer tätig zu sein.“

Am anderen Ende der Leitung war es zuerst totenstill, doch dann hörte er tiefe Atemzüge, als müsse sich Patton zügeln und zusammenreißen, damit er nicht ausrastete.

„Dieses Weibsbild hat beinahe alles verbockt. Sie sollte den Kerl töten, als wir mit ihm alleine waren, aber als sie die Waffe gezogen hat, haben ihre Hände so heftig gezittert, als hätte sie irgendeine Art von Anfall. Ich habe ihr befohlen zu schießen, was sie dann endlich getan hat, aber das jämmerliche Miststück hat ihm bloß einen lächerlichen Streifschuss verpasst. Und der zweite Schuss war auch nicht besser: Der ging nämlich direkt durch seinen Oberarm.“ Als sein Kollege die Ereignisse des Abends noch einmal Revue passieren ließ, wurde ein weiteres Mal deutlich, dass Emilia völlig ungeeignet für ihr Metier war.

„Danach ist sie auf dem Boden zusammengebrochen und hat einfach losgeheult. Ich wollte übernehmen, aber der Kerl ist verletzt aus dem Fenster geflohen. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine eigene Waffe zu ziehen und in die Dunkelheit zu schießen, um ihn aufzuhalten. Zu meinem Glück habe ich ihn getroffen und konnte hören, wie er im Garten zusammengesackt ist. Bevor ich es zu Ende bringen konnte, musste ich erstmal dafür sorgen, dass niemand wegen dieses Geheules auf uns aufmerksam wird. Darum habe ich mir das Miststück geschnappt und es aus dem offenen Fenster bugsiert.
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Den Rest kennst du ja.“

Navarro hatte ihm geduldig zugehört. Er konnte nachvollziehen, warum er Emilia weggeschafft hatte, ehe er den Auftrag zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hatte. Trotzdem war es für ihn kein Grund, weshalb er die unliebsame Aufgabe des Aufpassers hatte erledigen müssen.

„Warum sollte ich mich um sich kümmern?“, fragte er entnervt, aber bei Weitem nicht mehr so zornig, wie zu Beginn des Anrufes.

„Ich habe dich gemeinsam mit ihr weggeschickt, weil wir sie keinesfalls in diesem Zustand alleine in der Nähe des Hauses lassen konnten. Die hätte einen lautstarken Aufstand gemacht und uns in die Scheiße geritten“, erklärte er seinen Beweggrund, der bei ihm trotz seines vernünftigen Argumentes auf wenig Gegenliebe stieß.

„Weißt du eigentlich, was du mir damit aufgehalst hast, huh? Die Braut liegt jetzt bei mir auf der Couch, nachdem sie hier einen auf Moralapostel gemacht und mich in meiner eigenen Wohnung beleidigt hat. Ich stehe kurz davor sie zu töten, Massey.“

„Das kann ich gut verstehen, denn ich hatte genau denselben Drang. William hat eine Nichtskönnerin angeschleppt, die uns heute Abend fast den Kopf gekostet hätte“, regte er sich ungehalten auf, wozu er absolut berechtigt war. „Was will er mit ihr?“

„Dieselbe Frage stelle ich mir auch, aber eine vernünftige Antwort werden wir von unserem Boss sicherlich nicht kriegen“, hing der Langhaarige zerknirscht an.

„Auf jeden Fall werde ich William Bericht erstatten, Henstridge. Danach können wir nur hoffen, dass er das Miststück aus dem Weg schafft, egal wie.“

Bei der Vorstellung, wie Emilia auf brutalste Weise für ihr Versagen bestraft wurde, glänzten seine dunklen Augen und das Lächeln von eben kehrte zurück. Wie mechanisch trugen seine Beine ihn ins Wohnzimmer, wo er ihre Gestalt durch das schwache Mondlicht bloß erahnen konnte.

„Sie wird bluten und Qualen erleiden, Massey. Im Notfall sorge ich höchstpersönlich dafür“, wisperte er dämonisch. Dann legte er ohne ein weiteres Wort auf und schlich lautlos, wie ein Schatten, zu ihr herüber und schaute auf sie herab, bereit, sie jederzeit für ihren Ungehorsam und ihre Unfähigkeit gnadenlos zu richten.
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