Kurzgeschichten · Fantastisches

Von:    Thomas Schwarz      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 6. September 2018
Bei Webstories eingestellt: 6. September 2018
Anzahl gesehen: 2089
Seiten: 4

Begegnungen





„Erinnerst du dich an Tanja, damals aus der Schule?

„Nein, ich war damals noch nicht auf eurer Schule.“

„Ach ja, hatte ich ganz vergessen.

„Aber wart mal, dem Namen nach kenne ich sie schon, du hattest sie öfters erwähnt. War das nicht die Irre, die so komisch drauf war?

Ja, genau die.“

„Was ist mit ihr?“

„Du glaubst das nicht. Mann, wenn ich dir das erzähle hälst du mich auch noch für so´n Spinner. Was soll´s, ich erzähl dir die Geschichte am besten von Anfang an. Magst du zuhören?“ Klar doch, da vorne steht ´ne Bank; kommt wie gerufen. Lass uns hin sitzen.

Also erzähl!“



Tanja war zehn, als sie mit ihren Eltern in das leere Haus am Ortsausgang einzog. Keiner von uns hatte je einen eigenen Balkon vor ´m Zimmer, Tanja schon. Diesen Luxus wusste sie durchaus zu schätzen. Immer war sie auf dem Balkon, sobald es das Wetter zuließ, machte Hausaufgaben, schrieb in ihr Tagebuch, las was auch immer aber am liebsten schaute sie hoch in den Himmel oder auf die Landschaft hinaus. Vom Haus teilte ein schmaler Weg die Felder zur linken und zur rechten Seite, führte um die Wiese vom Bauer Holzweil , ging dann etwa zwei Kilometer schnurgerade zum Waldrand rüber und verschwand abrupt. Es gab nicht viel Ablenkungen in der Gegend, sieht man von Charly ab, dem ersten Hund vom Bauer Holzweil. Das war vielleicht eine Nummer, ein Golden Retriever, ein halbes Jahr alt als er auf den Hof kam und sollte Wachhund werden und gewacht hat er ja und hat sich auch auf alles und jeden gestürzt aber bloß um zu spielen.Der alte Holzweil erkannte den Fehlgriff, brachte es aber nicht über ´s Herz das Vieh ins Tierheim zu bringen.. Er ließ ihn Tag und Nacht frei rumlaufen, wohl in der Hoffnung dass er nicht mehr zurück käme. Bald kannte die ganze Stadt Charly, alle hatten ihren Spaß mit ihm während Baschan, der Rottweiler, den Job als Hofhund erledigte. Au weh, war der aggressiv! Dem durfte nichts und niemand zu nahe kommen. Deswegen wollte der gute Charly auch nicht mehr zurück zum Hof und lag irgendwann bei Tanja und ihren Elten vor der Haustür. Schließlich einigte man sich mit dem Bauer und Charly wohnte nun bei Familie Mechtild.

Was hat das Mädel diesen Hund geliebt! Nirgendwohin ging sie ohne ihn.
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Zweimal bekam sie Ärger mit dem Schulleiter weil ihn ins Klassenzimmer schmuggelte. Wir haben natürlich alle gelacht; es war eine einzige Gaudi. "Dort hocken die Zwillinge!“, riefen wir und so falsch war das nicht. Tanjas Haare hatten wirklich die gleiche Farbe wie Charlys Fell, zumindest bis er alt wurde. Wirklich, die beiden waren unzertrennlich. Dann starb Charly und wir hatten echt Angst um Tanja und weißt du was, wir waren von den Socken wie leicht sie ´s scheinbar nahm. „Oma und Opa sagten mir, wenn man stirbt, geht man in den Himmel und dort ist er jetzt

und braucht die bescheuerte Leine nicht mehr, die konnte er eh nicht leiden“, war ihr Kommentar wenn einer von uns vorsichtig anfragte wie es ihr mit der Situation ginge.

Oft waren wir bei ihr zu Hause und hingen zusammen in ihrem Zimmer ab. Wir fanden ´s komisch dass sie mitten in der Unterhaltung immer spontan auf den Balkon sprang, zum Himmel hoch starrte und anfing nach Charly zu rufen. Dann lachte sie, drehte sich um, zeigte hoch, winkte und rief: „Schaut mal, da ist er. Sieht er nicht toll aus?“ O.k, das ist ihre Art damit fertig zu werden, dachten wir und lachten mit. Zum Lachen war uns aber weiß Gott nicht zumute. Auch weil Tanjas Mutter uns beiseite nahm und erzählte, dass sie ihre Tochter nachts auf dem Balkon nach Charly rufen hörte. Na ja, wir sagten: sie wird schon wieder normal werden. Die Zeit verging, alle wurden älter, kamen aus der Schule, gingen in die Lehre, machten Ausbildung und verloren ein wenig den Kontakt zueinander. Aber wir hörten natürlich immer wieder mal vom einen oder anderen. So groß ist das Kaff hier ja nicht dass man sich ganz aus den Augen verlieren könnte.



Tanja lernte Johann kennen. Ich glaub die zwei begegneten sich in einer kirchlichen Gemeinde wenn ich mich nicht irre. War die große Liebe sag ich dir, die ganz große, auch wenn die zwei total unterschiedlich waren und unserer Meinung nach überhaupt nicht zusammen passten, aber was soll´s. Jedenfalls, sie heirateten und luden uns zur Hochzeit ein. Zwischenzeitlich waren ihre Großeltern gestorben und ihr Vater schwer krank. Der starb übrigens anderthalb Wochen nach der Feier. Oh Mann, das tat uns echt leid für Tanja. Aber immer wenn wir den Versuch unternahmen und anfingen, "lass uns mal drüber reden", winkte sie ab und meinte:"ist doch alles bestens, sind alle da, wir sehen uns regelmäßig", dann gaben wir auf.
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Das führte mit der Zeit dazu, dass wir sie echt für durchgeknallt und abgespaced hielten und wir alle dachten schließlich so über sie. War nicht schön von uns aber was willst du denn machen bei so jemandem, verdammt nochmal?

Jedenfalls, ich ging dann nach Hamburg, das weißt du ja und als ich nach acht Jahren zurück kam, hieß es, Tanjas Mann sei gestorben. Sie lebte mittlerweile wieder in ihrem Elternhaus; ihre Mutter starb wohl zwei Jahre vor Johann. Wir freuten uns einander wieder zu sehen, hockten auf ihrem Balkon und glaub ´s oder glaub´s nicht, da hat sich nix verändert. Ich hab geradezu ´n Flashback bekommen als ich das alte Kinderzimmer sah. Jedenfalls, als wir da draußen saßen – sie war bisher total normal drauf- deutete sie plötzlich auf die Wolken am Himmel und meinte heute sei ein guter Tag; alle wären zu sehen. Sie winkte und erklärte, Charly würde gerade um ihre Großeltern herum springen, ihre Eltern von der anderen Seite her lachend dabeistehen und Johann ihr zuzwinkern.

Obwohl ich ´s echt schräg fand, war ich doch neugierig und bat sie, mir mal zu erklären was genau sie dort sähe und vor allem wie. Sie meinte, dass die unsterblichen Körper die gleiche Form hätten und die Wolken diese sichtbar machten, allerdings nur immer für eine kurze Zeit. Die bekäme sie eingegeben und das wäre als ob man hier bei uns an der Tür klingele oder telefoniere.

Versteh mich recht, ich fand ´s dann einfach zu viel und bin gegangen. Nee, ich hab mich nicht getraut ihr zu sagen, dass ich sie für übergeschnappt hielte und wirklich fand dass sie Hilfe bräuchte. Seitdem vermied ich den Kontakt zu ihr.

Vor´m halben Jahr etwa traf ich Sandra, ihre Freundin zufällig im Bus. Die erzählte, Tanja wäre gestorben. Sie hätte jegliche Behandlung abgelehnt als sie die Diagnose erhielt und wollte nur Schmerzmittel haben für den Fall dass es schlimm werde und sie´s nicht mehr aushielte.“



„Ja, das hattest du bei unserem letzten Treffen erwähnt dass deine Bekannte gestorben war. Und?

„Was und?“

„Du wolltest mir was erzählen und meintest, ich würde dich für ´n Spinner halten.
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Also die Sache mit dieser Tanja hattest du aber schon´n paar mal erwähnt seit wir uns wieder sehen. Was hat das jetzt mit dir zu tun und dem was du mir sagen willst?



„Ich hab sie gestern gesehen, zusammen mit Charly und Johann ...dort in den Wolken!“
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