Andacht Nr. 72 Frühling - war da was?   116

Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    martin suevia      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 21. Juni 2018
Bei Webstories eingestellt: 21. Juni 2018
Anzahl gesehen: 1813
Seiten: 3

Andacht Nr. 72



Frühling - war da was ?



Ihr Lieben



Gerade schlägt die Kirchenturmuhr 21 Uhr, die Sonne verschwindet hinter dem Hausdach gegenüber. Mindestens die Hälfte des westlichen Himmels leuchtet orange.

In der Birke vor unserem Wohnblock zwitschert, quietscht und pfeift es entspannt.

Ich sitze mit einem Glas gekühltem Ruländer und Keksen auf dem Balkon und „feiere“ in die kürzeste Nacht des Jahres hinein. Vielleicht verbringe ich sogar die paar Stunden bis zum Sonnenaufgang auf dem Balkon – warm genug ist es allemal und die kürzeste Nacht des Jahres gibt’ s (logischerweise auch) nur einmal. Irgendwie umfasst mich Wehmut. Der Frühling liegt unumkehrbar hinter uns. Haben wir ihn wirklich mit-erlebt, durch-lebt, gesehen, gerochen, geschmeckt?

Standen wir an einem Fliederbaum, tauchten unsere Nasen in die Blüten und zogen den intensiven Duft durch die Nase? Was empfanden wir bei dem Anblick des frischen Grün auf den Wiesen? Haben wir´s gemerkt und uns gefreut als die deprimierenden, traurigen Baumgerippe nach einer gefühlten Ewigkeit endlich mit zartem, hellgrünem, jungem Blattwerk überzogen wurden?

Erinnert ihr euch auch, als wir die ersten flaumigen Weidenkätzchen berührten und freudig dachten: Lang kann´ s nicht mehr dauern!? Dann kam die Orgie in gelb mit den blühenden Forsythienstäuchern und den Narzissen, die ersten Krokusse kämpften sich durch den kalten Boden und dann erst all die Tulpen in den Gärten … Erinnert ihr euch als ihr durch Wiesen gelaufen seid und zwischen blühenden Apfel – und Kirschblüten dachtet: Unbeschreiblich, hoffentlich hört das nie auf!? Gibt es da wo ihr wohnt auch Gebiete die vom Bärlauch buchstäblich überwuchert waren? Wie viel Maibowle habt ihr genossen? Habt ihr euch auch gefreut an den ersten einheimischen Erdbeeren? Wart ihr in der Küche auch mal mutig und habt ein neues Spargelgericht ausprobiert? Habt ihr euren Ohren was gutes getan und Vivaldis „Frühling“ oder George Winstons – „Winter Into Spring“ gehört?

Sind die Leseratten und Fans der Lyrik unter euch auch einem Frühlingsgedicht begegnet? Hier ist übrigens mein Lieblingsgedicht. Es stammt von Nikolaus Lenau

und heißt schlicht:



Frühling



Die warme Luft, der Sonnenstrahl



Erquickt mein Herz, erfüllt das Tal



Oh Gott, wie deine Schritte tönen!



In tiefer Lust die Wälder stöhnen;



Die hochgeschwellten Bäche fallen



Durch Blumen hin mit trunkenem Lallen;



Sein bräutlich Lied der Vogel singt,



Die Knosp in Wonne still zerspringt,



Und drüber goldner Wolken Flug;



Die Liebe ist in vollem Zug.
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An jeder Stelle möcht ich liegen,



Mit jedem Vogel möcht ich fliegen,



Ich möchte fort und möchte bleiben,



Es fesselt mich und will mich treiben



Oh Lenz, du holder Widerspruch:



Ersehnte Ruh und Friedensbruch,



So heimatlich und ruhebringend,



So fremd in alle Ferne dringend,



Das Frühlingsleuchten, treu und klar,



Erscheint dem Herzen wunderbar,



Ein stehen gebliebener Freudenblitz,



In Gottes Herz ein offener Ritz



Und wieder im Vorübersprung



Ein Himmel auf der Wanderung;



Ein irrer Geist der weilend flieht



Und bang das Herz von hinnen zieht.
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Ich wandle irr, dem Himmel nach,



Der rauschend auf mich niederbrach;



Oh Frühling! trunken bin ich dein!



Oh Frühling! ewig bist du mein!



Habt ihr all das wahrgenommen was uns in den vergangenen drei Monaten zuteil wurde? Das Glück von Gott in diese Ecke der Welt gesetzt worden zu sein wo ´s unterschiedliche Jahreszeiten zu bestaunen, erfühlen, er-leben gibt?

Also ich wollte nicht auf einer Insel mit 12 Monaten Sonnenschein und Badewetter leben ...



Oder hieltet ihr´s beim Spaziergang durch die blühenden Wiesen wie die alte Mrs. Sophie, die am Jahresende bei „Dinner for one“ bemerkt:



Gleiche Prozedur wie jedes Jahr ….



Allmählich wird ´s zu dunkel um weiter zu schreiben. Vom Osten verdrängt die Nacht unaufhaltbar das mittlerweile blasse Orange und die Zeit läuft …

und ich wünsche euch Gottes Schutz und Segen für die kommende Woche.
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Punktestand der Geschichte:   116
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Kommentare zur Story:

  Da ist ja noch jemand der seinen Balkon schätzt. Klasse geschrieben. Man genießt richtig mit dir mit und dein Gedicht von Nikolaus Lenau passt fantastisch dazu. Sehr gerne gelesen.  
   Evi Apfel  -  22.06.18 19:27

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Der Zug"

Hallo, ein schöner text, du stellst deine gedanken gut dar, trifft genau meinen geschmack. lg Holger

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Kommentar von "rosmarin" zu "Sich fühl'n wie Seifenblasen"

Hahaha, darauf muss man erstmal kommen. Köstlich. Habt alle ein schönes Osterfest. Gruß von

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Geniesst die schöne Zeit, wenn der Frühling wirklich loslegt. Futtert nicht zu viele Ostereier. Weniger ist manchmal mehr( Geschmacklich) Eure Redaktion

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