Mortal Sin September 2008- The Martinelli Effect   132

Romane/Serien · Spannendes

Von:    JoHo24      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 8. April 2018
Bei Webstories eingestellt: 8. April 2018
Anzahl gesehen: 2106
Seiten: 11

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Das Betragen ist ein Spiegel, in welchem jeder sein Bild zeigt.

- Johann Wolfgang von Goethe





Der Kaffee war kalt und schmeckte abgestanden. Er hatte so viel zu tun, dass er sogar vergaß zu trinken. Angewidert schob er die Tasse zur Seite und seufzte angestrengt.

Gregory „Greg“ Martinelli strich aus Gewohnheit durch sein dünnes, kaum vorhandenes Haar, als habe es noch die Fülle wie zu seinen Jugendzeiten. Dann fuhr er mit seiner Arbeit fort. Konzentriert und eifrig sortierte er seine Unterlagen, wie jeden Tag in den vergangenen sieben Jahren. Sein letzter Urlaub war also schon eine Ewigkeit her, doch dies war der Preis seines Berufes. Greg war selbstständig und besaß das 38°, den heißesten und mit Abstand erfolgreichsten Club der ganzen Stadt.

Bei diesem Gedanken schwellte sich unwillkürlich seine Brust vor Stolz auf sein Lebenswerk, für das er unglaublich viel geopfert hatte. Nicht nur seine Freizeit, sondern auch zwischenmenschliche Beziehungen und ein sicheres Einkommen. Aber all diese Entbehrungen hatten sich gelohnt und für ihn ausgezahlt, besonders finanziell. Greg lebte im Luxus. Er konnte ein Penthouse im Reichenviertel der Stadt und einen kanariengelben Lamborghini sein Eigen nennen. Dazu sonnte er sich in der Bewunderung und dem Neid seiner Mitmenschen, insbesondere seiner Konkurrenten. Diese waren hinter ihm her, seit er die Besucherzahlen und Umsätze mehr als verdoppelt hatte. Angefangen hatte es mit Streuen von Gerüchten, um seinen Ruf zu zerstören. Weiter ging es damit, dass sie ihm regelmäßig das Gesundheitsamt und andere Kontrolleure auf den Hals hetzten, damit sie irgendetwas bei ihm fanden. Nichts hatte Erfolg gehabt. Dennoch hatte er aus Rache zurückgeschlagen und in seinem Namen einen Mann beauftragt, um seine Feinde mit Muskelkraft einzuschüchtern. Monatelang war es ein ewiges Katz und Maus-Spiel gewesen.

Greg hatten ihre Angriffe keine Angst gemacht, sondern ihm gezeigt, dass sie ihn fürchteten. Und zwar so sehr, dass sie zu unfairen Mitteln greifen mussten. Ja, wie oft hatte er über seine Feinde gelacht und gespottet! Was hatte er…

Der Clubbesitzer hörte das unbarmherzige, hohe Pfeifen des eiskalten Windes, das seinen Gedankengang zerriss. Verärgert schob er die buschigen Augenbrauen zusammen. Trotz fehlender Fenster wusste er ganz genau, wie das Wetter draußen aussah.
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Es war Ende September und der Herbst hatte Einzug in Saint Berkaine gehalten. Es flogen die ersten verfärbten Blätter umher und die grauen, dichten Wolken spuckten heftige Regenschauer aus, doch in seinem Büro, das in einem der Hinterzimmer des Clubs lag, war es durch die Höchstleistung der Heizung so warm wie im Sommer. Aus diesem Grund hatte er die oberen drei Knöpfe seines marineblauen Hemdes offen gelassen, sodass ein Stück seiner stark behaarten Brust zum Vorschein kam. Was ihm an Haaren auf dem Kopf fehlte, trug er zur Genüge auf seinem Körper. Greg hielt diesen Umstand für eine Laune der Natur, mit der er mittlerweile seit über zwanzig Jahren lebte.

Flüchtig sah er nach der Uhrzeit. Er hatte noch zehn Minuten, ehe ihn ein Geschäftsgespräch erwartete, in dem es, passenderweise, um seine Konkurrenten gehen würde. Jeder Sabotageversuch war gescheitert und so hatte es einer von ihnen (er hatte bereits eine Ahnung, wer der Schuldige war) auf ihn persönlich abgesehen. Vor zwei Wochen war er vor dem Club, auf offener Straße, von einem maskierten Kerl attackiert worden. Schläge waren auf ihn eingeprasselt und hatten ihm eine gebrochene Rippe und ein blaues Auge beschert. Damit hatten sie eine Grenze überschritten. Gregory Martinelli würde nicht auf den nächsten Angriff warten, sondern er war bereit in die Offensive zu gehen. Er wollte keine Schwäche oder Angst zeigen, denn dies würden sie gnadenlos ausnutzen. Er wollte ein deutliches Zeichen setzen und schwere Geschütze auffahren. Das hieß für ihn, illegale Wege zu bestreiten, was allerdings nichts Neues für ihn war. Auch er hatte in der Vergangenheit, wie bereits erwähnt, seinen Konkurrenten gewaltsame Grüße geschickt, aber bis zum heutigen Tag war kein Mord dabei gewesen.

Das wird sich in wenigen Minuten ändern, dachte er und knetete aufgeregt seine Hände. Greg war nervös. Obwohl er nicht der moralischste oder ehrlichste Mensch war, brachte der Gedanke, dass durch seinen Auftrag ein Mensch sterben würde, seine Eingeweide zum Rumoren. Sein Gewissen meldete sich lautstark, aber er konnte unmöglich darauf hören. Er musste hart bleiben, wenn er seine Konkurrenz ausschalten wollte.

Ein steifes Knopfnicken folgte und sollte ihn in seinem Entschluss bekräftigen. Es war die richtige Entscheidung und er würde Erfolg haben, schließlich hatte er sich mit seinem Anliegen, wie immer, an die Besten gewandt.
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Und die Besten waren höchstpersönlich von ihm ausgewählt worden: William Cunningham.

Augenblicklich sah er ihn vor sich, als säße er ihm gegenüber. Er war ein Mann von Format gewesen; blitzgescheit, loyal und stolz. Greg hatte sich stets auf ihn und sein Wort verlassen können. Er hatte ihm blind vertraut und gewusst, dass nichts schief gehen konnte, wenn William die Zügel in der Hand hielt. Seine Mitarbeiter respektierten ihn, gehorchten und führten gewissenhaft und professionell seine Aufträge aus.

Seinen tadellosen Ruf, der unter den dunklen, kriminellen und machthungrigen Persönlichkeiten Saint Berkaines entstanden war, hatte er sich über die Jahre hart erarbeitet, mit Disziplin und eiserner Hand, aber auch immer mit einem Hauch Empathie. Diese Mischung hatte ihn so außergewöhnlich gemacht und ihm einen ansehnlichen Kundenstamm eingebracht. Gregory dachte mit Schwermut an diesen einzigartigen Mann zurück. Es war kaum zu glauben, dass er schon eineinhalb Jahre tot war.

Als er damals von seinem plötzlichen Tod erfuhr, hatte er es zuerst nicht glauben können. Was? William Cunningham sollte tot sein? Unmöglich. Er hatte das Ganze für einen schlechten und geschmacklosen Witz gehalten. Doch als er ein paar Tage darauf die Einladung zu der Beerdigung erhalten hatte, war seinem Verstand nichts anderes übrig geblieben, als der blanken Realität ins Auge zu blicken und seinen Tod zu akzeptieren.

Seitdem hatte sich einiges verändert, vor allem, was seine geschäftlichen Verbindungen zu seinem Nachfolger anbetraf. Gregory Martinellis rundliches Gesicht nahm einen bitteren Ausdruck an.

Der neue Boss war ein Mann namens Jericho, den der Clubbesitzer bis dato als einen von Williams Mitarbeitern gekannt hatte. Was er zu dieser Zeit jedoch von ihm gesehen hatte, gefiel ihm absolut nicht. Jericho hatte seither etwas Listiges an sich gehabt, das sein Misstrauen von Anfang an geschürt hatte. Wie eine hinterhältige Schlange war er ständig um William herumgekrochen, hatte sich eingeschleimt und war dabei nur auf seinen Vorteil bedacht gewesen. Und ausgerechnet mit diesem widerwärtigen Subjekt war er gezwungen von nun an seine Geschäfte zu machen.

„Mr. Martinelli?“ Der rotblonde Schopf seiner Kellnerin Katelyn lugte vorwitzig ins Büro.

„Was gibt´s?“, fragte er hastig, während er die Umsatzzahlen des vergangen Monats zur Hand nahm.
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„Hier ist ein Mr. Roddick, der Sie sprechen möchte. Er sagt, er habe einen Termin.“ Seine trüben, blauen Augen wanderten automatisiert zu der Platinarmbanduhr an seinem linken Handgelenk. Es war halb fünf. Er war pünktlich auf die Minute, aber etwas anderes hatte er von ihm nicht erwartet.

„Schick ihn rein, Kate“, befahl er mit einem kaum vernehmbaren Schmunzeln auf den trockenen Lippen. Kaum war sie verschwunden, betrat James Roddick sein Büro. An den Füßen trug er braune Stiefel, die seine Schritte schwer und plump machten. Seinen Körper bekleidete ein adretter, schwarzer Mantel, dessen Kragen hochgestellt war. Unzählige Wassertropfen hafteten auf dem teuren Stoff und sahen aus wie transparente Perlen. Gregory Martinelli wuchtete seinen 1,90m großen Körper aus dem bequemen Bürostuhl und streckte seinem Besucher die rechte Hand entgegen. Der junge Mann ergriff sie und drückte so fest zu, als wolle er sie zerquetschen.

„Es freut mich dich zu sehen, James“, begrüßte er ihn höflich und ließ sich seine Schmerzen nicht anmerken, doch der hochgezogene rechte Mundwinkel seines Gegenübers verdeutlichte ihm, dass er sich irrte. Er hatte ihn durchschaut. Gregory überging diesen peinlichen Moment mit einem übertrieben freundlichen Lächeln und bedeutete ihm sich zu setzen. Galant entledigte er sich seines Mantels, den er über den Stuhl hängte, ehe er Platz nahm.

„Wie geht es Brolin?“, erkundigte sich der Clubbesitzer nach dem Mann, den er sonst immer engagierte, um zu bedrohen und Furcht einzuflößen. Brolin Delaney war zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber er hatte stets seinen Zweck erfüllt.

„Ihm geht´s gut. Er hat viel zu tun, wie wir alle.“ Sein erschöpfter Tonfall zeugte von anhaltender Anstrengung und Stress. Als er jedoch selbst bemerkte, wie schwach er geklungen hatte, straffte er seine Schultern und setzte ein verwegenes Grinsen auf.

„Daran sieht man, wie verkommen die Menschen sind“, äußerte er mit einem teuflischen Funkeln in den stahlgrauen Augen. „Uns kann es nur recht sein, schließlich verdienen wir ne Menge Kohle damit.“

Greg betrachtete verstohlen den Dunkelhaarigen, wie er mit erhobenem Kinn und einem übermütigen Glanz auf dem markanten Gesicht vor ihm saß. Er war der Jüngste in Jerichos Killertrupp, aber deswegen stand er den anderen in Punkto Gefährlichkeit in nichts nach.
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Ihn umgab eine düstere, angsteinflössende Aura, die ihm bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen fast umgehauen hatte. James Roddick war William Cunninghams Sprössling und hatte unter ihm eine Ausbildung genossen, die ihn klar von seinen Kollegen unterschied. Manchmal sah er in der Art, wie er sprach oder sich bewegte, Williams Erziehung und Einfluss hervorblitzen. Dann war er ihm so ähnlich, dass es schon unheimlich war.

„Also…warum bin ich hier, Gregory?“ Lässig lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Hat dir Jericho nichts gesagt?“

„Nichts Genaues“, gab er zu. „Er meinte bloß, dass du angerufen und wegen eines Auftrags nach mir gefragt hast. Dann hat er mir Uhrzeit und Tag weitergegeben, an dem er mit dir einen Termin ausgemacht hat.“ Sein Tonfall war kühl, strukturiert und mechanisch. Ein Schauder durchfuhr Gregs Glieder und lähmte ihn kurzweilig.

„Was kann ich für dich tun?“ James´ Frage brachte ihn zurück zu ihrem Gespräch und dem Grund, warum er den jungen Mann hatte kommen lassen. Greg räusperte sich und sortierte seine Gedanken, bevor er sein Anliegen vorbrachte.

„Wie du weißt, läuft mein Club sehr gut.“ Er und seine Kollegen waren oft genug hier, um zu sehen, wie die Partymeute ihm die Bude einrannte. „Zu gut für gewisse Leute, die mich aus dem Geschäft drängen wollen“, knurrte er jähzornig und vergaß mit einem Mal seine Gewissensbisse, die ihn wegen seines bevorstehenden Mordauftrages gequält hatten. Gregory Martinelli war bereit aufs Ganze zu gehen, um die hinterhältigen Ratten auszurotten.

„In der vergangenen Zeit haben diese Wichser mir immer mal wieder Probleme gemacht, aber es war nichts, was ich nicht hätte lösen können“, meinte er überheblich. Dann beugte er seinen Oberkörper nach vorne und zwinkerte ihm zu. Vor einem Auftragskiller wollte er seinen Mann stehen und Stärke und Furchtlosigkeit demonstrieren.

„Und wozu bin ich dann hier?“, warf James gelangweilt ein, als habe er Besseres zu tun, als seinen Beschwerden zuzuhören. In Sekundenschnelle brachte er ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Er war in diesem Raum der selbstbewusste Macher, der die Richtung vorgab und nicht Greg.

„Nun…es gab vor Kurzem einen Angriff auf mich persönlich, was ich nicht dulden kann“, kam seine Erregung wieder. „Ich weiß genau, wer mir den Schlägertyp geschickt hat und dafür wird der Hundesohn bluten.
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“ Wutentbrannt schlug er mit der Faust auf den metallenen Schreibtisch und fletschte die Zähne. Schwer atmend starrte er seinem Gegenüber unverhohlen in die Augen, wo er auf Kälte und Dunkelheit traf.

„Wen soll ich töten, Gregory?“, kam er abgebrüht direkt auf den Punkt. Das Leben eines Menschen hatte nicht viel Wert für ihn, schließlich war der Tod sein Geschäft und das Morden etwas Alltägliches.

„Gerald Grayson.“ Der Name seines ärgsten Feindes schmeckte in seinem Mund wie giftige Galle. „Ihm gehören ein Pub und eine kleine Diskothek.“

„Woher weißt du, dass er den Angriff auf dich beauftragt hat?“ James ging analytisch vor. Vielleicht wollte er prüfen, ob er den wahren Schuldigen benannte und keinen Unschuldigen in seine Schusslinie stellte.

„Das trägt eindeutig seine Handschrift. Er ist der Einzige, dem ich so eine feige Aktion zutraue.“ Der Dunkelhaarige wirkte nicht überzeugt, beließ es aber bei einem skeptischen Seitenblick.

„Hast du eine Präferenz, wie er sterben soll?“

„Wie bitte?“, fragte der Clubbesitzer perplex.

„Es gibt Auftraggeber, die eine genaue Vorstellung der Tötungsart haben und diese von uns verlangen. Sie wollen damit eine Botschaft senden, schätze ich. Nun, ich erschieße, steche ab, erwürge oder breche Genicke. Ich bin da flexibel. Solange der Preis stimmt, ist es mir scheißegal, ob ich eine Pistole, ein Messer oder meine bloßen Hände benutze“, flötete er unbefangen und amüsierte sich über den Schock, den er ihm mit seinen Worten versetzte.

„Was soll es sein? Du hast die freie Wahl.“ James redete unbeirrt weiter und gab ihm nicht die Zeit, sowohl gedanklich, als auch emotional hinterherzukommen. Gregory Martinelli konnte nur noch funktionieren.

„Ich überlasse dir die Entscheidung, James. Du bist der Profi und ich vertraue auf deinen Instinkt“, hörte er sich dahinplappern, als sei es nicht er, der da sprach, sondern ein Fremder. Der junge Killer nickte dankbar für dieses Kompliment.

„Was wird mich dieser Auftrag eigentlich kosten?“, kam Gregory dann auf eine der wichtigsten Punkte zu sprechen.

„Die Bezahlung besprichst du mit Jericho.“ Es war unübersehbar, dass ihm dieser Umstand missfiel. Alles an ihm wurde farblos, was erschreckend mitanzusehen war.
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Für den Clubbesitzer bestätigte sich der negative Eindruck, den er einst über diesen Mistkerl gewonnen hatte.

„Kaum hat Jericho die Macht, da spielt er sich groß auf“, war er wenig überrascht über den neuen Boss. „Ich wusste gleich, dass er William nicht mal ansatzweise das Wasser reichen kann.“ Bei der Erwähnung seines Adoptivvaters wurde der Dunkelhaarige hellhörig.

„William hat große Stücke auf Jericho gehalten“, war sein trockener Kommentar. Er schien zu hoffen, dass damit das Thema abgeschlossen war, doch der Clubbesitzer fuhr in seiner Hetze gegen Jericho fort.

„Der Typ taugt nichts, das wissen wir beide“, zog er ihn wie selbstverständlich auf seine Seite. „William hat nicht erkannt, was für einen manipulativen Charakter er unter seinen Mitarbeitern hat.“

„Willst du etwa behaupten, dass mein Adoptivvater blind gewesen ist?“, erhitzte er sich plötzlich und brach aus wie ein Vulkan. Hastig sprang er von seinem Platz auf, stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch, der die beiden voneinander trennte, und kam seinem Gesicht ganz nahe. Ein unheimliches, unheilvolles Glühen entstand in dem Stahlgrau, das ihn deutlich warnen wollte, nicht weiter zu gehen.

„Das wollte ich damit nicht sagen“, erklärte sich Greg eilig, da er zu weit gegangen war und nun befürchten musste, dass der junge Auftragskiller seinem Zorn gegen ihn freien Lauf ließ.

„Mir würde nie in den Sinn kommen mich schlecht über William zu äußern.“ Beruhigend legte er seine linke Hand auf seine Schulter, doch James schüttete sie eiskalt ab.

„Du hast es aber gerade getan, Gregory!“, entgegnete er aufbrausend und schoss Blitze.

„Ich habe mich falsch ausgedrückt, okay?“ Beschwichtigend hob er die Hände, als wolle er sich ergeben. „Ich wollte bloß deutlich machen, wie sehr ich Jericho verachte. Der Mistkerl hat sich jedem penetrant aufgedrängt, allen voran deinem Adoptivvater, der verständlicherweise von seinen Talenten angetan war und nur an diesen, ganz Geschäftsmann, Interesse hatte. Ich kann es ihm nicht verübeln, da ich selbst Chef vieler Mitarbeiter bin, die ich führen und denen ich vertrauen muss. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass dein neuer Boss ein niederträchtiges Arschloch ist, das nicht den Hauch einer Ahnung davon hat, wie man vernünftig Geschäfte macht.
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Er zerstört alles, was William mühsam aufgebaut hat und euch reißt er mit in den Abgrund“, hysterisierte er und schlug dabei weit über die Stränge, aber er konnte nicht anders. Er wollte dem Dunkelhaarigen unbedingt begreiflich machen, was für einen verschlagenen Menschen sie unter sich hatten.

Tief im Innern verfolgte er damit noch eine ganz andere Taktik. Sein Ziel war es, Zwietracht zu säen und Jericho in Verruf zu bringen. Gregory Martinelli wollte ihn zu Fall bringen.

„Demnach sind wir alle zu dumm, um Jericho zu durchschauen“, schlussfolgerte James grimmig. Die Muskeln seiner entblößten Unterarme spannten sich an und sprengten beinahe seine Haut. „Du willst mir weismachen, dass er mit uns spielt, als seien wir seine Marionetten, aber weißt du was, Greg? Das sind Wahnvorstellungen; Hirngespinste, die sich aus deinem Hass gegen Jericho entwickelt haben und mit denen du mich jetzt anstecken willst. Es wird aber nicht funktionieren, klar? Ich arbeite für ihn und habe eine gute Menschenkenntnis. Glaub mir, ich weiß genau, wie ich mit meinem Boss umzugehen habe.“ Damit war erstmal alles gesagt und er sich endlich wieder, wodurch er erheblich weniger bedrohlich wirkte. Der Clubbesitzer schwieg zunächst, doch dann schlug er zurück.

„Warum verteidigst du ihn, hm? Ich habe doch eben gesehen, wie es dich ankotzt, dass er über eure Bezahlung bestimmt. Ich wette er streicht den Löwenanteil ein, während ihr euch mit den Resten begnügen müsst“, murmelte er unwirsch und belegte ihn mit einem verschwörerischen Blick.

„Du hast gar nichts gesehen“, sagte er stur und unbeugsam.

„Und ob.“

„Hör auf mit dem Scheiß.“

„Hast du etwa Angst vor Jericho?“

„WAS?!“

„Warum solltest du sonst versuchen deine Abneigung gegen ihn vor mir zu verbergen?“

„Ich habe weder Angst, noch verberge ich etwas“, bellte James tollwütig und rutschte aufgebracht auf seinem Stuhl herum. Er stand kurz davor erneut aufzuspringen und dieses Mal würde er ihm an die Gurgel gehen. Greg war alarmiert. Er musste intervenieren, ehe es zu spät war.

„Okay, okay…ich schlage vor wir lassen das Thema Jericho und reden wieder über den Auftrag“, ließ er seinen Ton versöhnlich klingen, um die Situation zu entschärfen. Er wollte keinen Ärger mit einem Auftragskiller riskieren, vor allem nicht mit Williams Sohn, den er ganz besonders wertschätzte.
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„Hier…“ Der Clubbesitzer kramte emsig in einer Schublade herum, dann zog er ein Blatt Papier hervor und legte es ihm vor. James Roddick beugte sich stumm nach vorne und ließ seine Augen über das Blatt laufen. „Das sind alle wichtigen Informationen über Gerald Grayson: ein aktuelles Foto, seine private Adresse, sowie die Adressen seiner Betriebe. Dazu habe ich versucht, aufzulisten, wann er sich wo aufhält. Es sind nur grobe Vermutung, aber ich dachte, es könne dir trotzdem helfen.“ Es war seine Art der Wiedergutmachung für die provokanten Äußerungen, zu denen er sich hatte hinreißen lassen und durch die er den Groll des jungen Killers auf sich gezogen hatte.

An seinen starren, ausdruckslosen Zügen war nicht erkennbar, ob sein Gegenüber besänftigt war oder unverändert unkontrollierbarer Zorn in ihm wütete. Gregory beschloss abzuwarten, um kein Risiko einzugehen.

Minuten zogen dahin, in denen seine Ungeduld und Verunsicherung wuchsen und James ihn regungslos betrachtete, als sei er ein aufgespießtes Insekt unter einem Mikroskop. In ihm stieg das arge Gefühl, dass er es verbockt hatte. Was, wenn er den Auftrag jetzt ablehnte? Zu wem würde er dann gehen? Erschrocken riss er die Augen und sein Herz pochte unbändig in der Brust. Verdammt, es gab sonst niemanden, den er beauftragen konnte.

„James, ich…“, begann er, wurde aber schnell unterbrochen.

„Ich werde Gerald Grayson schon finden“, kam es von ihm munter, doch ein gekränktes Lächeln umspielte seine Lippen. Wie idiotisch war es, einem Auftragskiller Hilfestellungen an die Hand zu geben! Was habe ich mir nur dabei gedacht?, fluchte Greg innerlich und schämte sich, dass er sein Können in dieser Form in Frage gestellt hatte. Etwas ängstlich hob er seinen Blick und begegnete einem Killer, dessen Gesicht von unterdrückter Entrüstung merkwürdig verzerrt war. James Roddick ähnelte einem Monster aus einem schrecklichen Albtraum. Gregory schüttelte sich unwillkürlich und suchte unauffällig bereits nach einem Fluchtweg, als sich sein Gesicht mit einem Mal erhellte und der James zum Vorschein kam, den er respektierte und den James verdrängte, den er fürchtete.

„In den nächsten Stunden wirst du deinen hartnäckigen Konkurrenten los, Greg. Keine Sorge, ich mache meine Sache sehr gut“, lachte er vergnügt. Der Clubbesitzer staunte mit offenem Mund über seine veränderte Stimmung.
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„Stimmt was nicht?“

„Nein, nein, es ist alles in Ordnung“, beteuerte der Clubbesitzer und war froh, dass der Killer nicht Hand an ihn gelegt hatte. „Ich bin nur überrascht, wie…wie schnell es geht.“

„Du kannst es dir noch mal überlegen, wenn du dir nicht sicher bist.“ Dies war der entscheidende Moment. Jetzt hieß es raus oder rein; Leben oder Tod.

„Ich will diesem Scheißkerl eine Lektion erteilen“, antwortete er steif und gab ihm damit den Startschuss zum Töten.

„Gut, dann werde ich mich an die Arbeit machen.“ James legte seine Hände bereits auf die Armlehnen und war im Begriff sich hochzudrücken, als er plötzlich inne hielt. „Aber eins möchte ich vorher noch wissen.“

„Ich bin ganz Ohr.“ Bedächtig faltete er seine Hände und war gespannt, welche Frage dem Killer auf der Seele brannte.

„Warum wolltest du mich für den Auftrag?“ Greg war interessiert daran zu wissen, ob er dies jeden seiner Auftraggeber fragte oder ob er eine Ausnahme war, weil sie persönlich bekannt waren. Er hielt sich jedoch zurück, da er nicht riskieren wollte erneut zu weit zu gehen.

„Nun, du bist von den Killern derjenige, dem ich am meisten vertraue. Du entspringst der Erziehung des edelsten, klügsten und aufrichtigsten Mannes, den ich je gekannt habe. Ich konnte mir nicht vorstellen einen anderen für diesen Job auszuwählen.“ Die Augen seines Gegenübers glänzten bei seinen ehrenvollen Worten, die ihm viel bedeuteten, denn er hatte seinen Adoptivvater vergöttert.

„Für mich wird er immer euer Boss bleiben; der Mann, dem ich meinen Respekt zolle. Niemand wird ihn jemals ersetzen können, besonders kein aufgeblasener, verlogener…“

„Halt den Mund, Greg“, grätschte er rüde in seinen Satz hinein. Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig und auch James Roddick veränderte sich schlagartig. Der helle Glanz in seinen Augen erstarb, seine Miene wurde hart wie Marmor.

„Sag kein Wort mehr.“ Die raue Stimme glich einem tiefen, aggressiven Knurren eines Tieres, das zum Angriff bereit war. Beim Clubbesitzer schrillten die Alarmglocken so laut, dass er nichts mehr hören konnte. Panik überkam ihn, als der Killer sich erhob und zu seiner vollen Größe aufrichtete. Was hat er vor?

Bewegungslos saß er auf dem Bürostuhl und wagte es nicht zu atmen.
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Wenn er ihn attackierte, würde er kläglich versagen. Greg hatte keine Chance gegen diesen jungen, athletischen Körper und seiner geballten Erfahrung im Kampf.

„Der Auftrag wird erledigt“, presste er angestrengt hervor, als müsse er sich im Zaum halten.

Hingegen seiner Vermutung wurde er nicht handgreiflich, sondern verharrte in seiner Position. Einzig sein tödlicher Blick offenbarte sein Verlangen nach Blut und Schmerz.

„Die Bezahlung klärst du mit Jericho“, betonte er auffällig den Namen seines Bosses, ehe er in seinen Mantel schlüpfte und ihm den Rücken zuwandte.

Dann rauschte der Dunkelhaarige strammen Schrittes und mit flatterndem Mantel hinaus. Erleichterung durchflutete ihn und ließ ihn aufatmen, doch er ahnte nicht, was er angerichtet hatte.

Gregory Martinelli hatte mit diesem Gespräch den ersten Schritt zu seinem Untergang getan. Mit seinen aufbrausenden Hasstiraden und seiner kalten Verachtung gegen Jericho hatte er den ersten Dominostein umgestoßen, welcher die anderen Steine mit sich reißen und sein Leben ins Chaos stürzen würde. Er hatte sein Todesurteil unterschrieben.
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