Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    Rüdiger Honk Jones      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 8. November 2017
Bei Webstories eingestellt: 8. November 2017
Anzahl gesehen: 2041
Seiten: 4

Früher war alles besser!

Ist das wirklich so? Nun, in mancherlei hinsicht mag es wohl stimmen. Zumindest war es ruhiger, früher. Aber auch schwerer in vieler Hinsicht. Allein auf dem Arbeitssektor hat sich viel zum Besseren entwickelt und das will ich gar nicht madig machen. Nicht vergessen darf man dabei aber den Zeitfaktor. Für manche Dinge in der Arbeitswelt war in früheren Jahren einfach noch mehr Zeit zur Verfügung. Wenn ich mir allein den Pflegesektor anschaue und was da alles in kürzester Zeit geleistet werden soll, frage ich mich schon, wo das noch hinführen soll…

Wir sind auch zu unbescheiden geworden was das Leben anbetrifft. Wir sind einfach zu satt von allem. Trotzdem muß es von allem immer noch mehr sein. Ich selbst nehme mich da gar nicht aus. Ich bin ein Kind meiner Epoche und Bescheidenheit ist was für die anderen. Ich will alles was ich haben kann und davon reichlich. Da – denke ich – unterscheide ich mich von den Jungen heute gar nicht wirklich.

Trotzdem gibt es natürlich noch einen Unterschied. Ich weiß noch wie es ist, wenn man nicht alles bekommt was man unbedingt haben will. Und nicht nur deshalb, weil man es sich nicht leisten konnte. Nein, vor allem deshalb, weil die Erwachsenen es besser wußten. Sie wußten wie man uns Kinder dazu bringt, die Dinge mehr wert zu schätzen, als es in diesen Tagen jetzt der Fall sein mag.

Sind wir doch mal ehrlich, viel von dem Scheiß, der uns angepriesen wird als absolutes „must have“ – scheiß anglizissmen, ich weiß, aber must unbedingt haben hört sich ja auch irgendwie blöd an – brauchen wir nicht wirklich. Man suggeriert uns es ginge ohne den super neuen antibakteriellen Wischmop, der es uns erst erlaubt vom Boden zu essen, gar nicht mehr. Ich frage mich, wie konnte die Menschheit nur Jahrzehntausende ohne diesen Mist überleben?

Gut. Hygiene muß sein, keine Frage. Aber muß alles total steril und blütenrein sein?

Woher kommt es denn, das unsere Kinder immer mehr Alergien bekommen? Na? Genau! Sie kommen einfach nicht mehr richtig mit Dreck in kontakt. Und so kann das Imunsystem keine ordentliche Abwehr aufbauen.

Ich gebe zu, dieser Wischmop mag übertrieben sein. Aber schau doch mal in die Glotze, was die Werbung uns alles andrehen will. Wirklich brauchen tut man von dem ganzen Zeug doch nun wirklich fast nichts.

Wie war das damals eigentlich, als Oma Emmchen noch selbst gekocht hat? Die feinsten Leckerein konnte sie zaubern, ohne dabei auf die heutige Küchenchemie zurück zu greifen.
Seite 1 von 4       
Sowas gab es schlicht nicht. Nicht nur weil es zu teuer war. Nein, ich denke es lag vor allem daran, weil die Alten damals noch richtig kochen gelernt haben. Entweder in entsprechenden Schulen oder von ihren Müttern oder Tanten. Sowas gibt es heute doch beinahe nicht mehr. Ich selbst rühme mich nicht einer der Besten am Herde zu sein. Aber ich kann lecker Futter zusammen kloppen, wenn es sein muß. Und das ohne Soßenpulver und all den Mist, den es da gibt.

Einzig wenn ich es eilig habe – ha erwischt! Das Grundproblem der heutigen Zeit, WIR HABEN ES EILIG! – da nutze ich zum Suppe zusammen rühren doch einmal die fertige Pulverbrühe. Es ginge auch anders. Alles geht anders wenn man den will. Nur eben nicht wenn man es schnell und sofort haben will.

Und da ist es wieder unser Grundproblem. Wir haben es zu eilig weil wir meinen etwas zu verpassen. Beschleunigen und immer weiter beschleunigen. Das ist das Motto unserer Tage. Und auch der Nächte. Alles muß immer schneller gehen und effizienter sein. Es reicht nicht einen Stein in der Minute zu finden und ins Wasser zu werfen. Es müssen zehn oder besser zwanzig sein!

Das immer schneller und weiter macht im Grunde vor keinem Sektor des Lebens halt. Weder beim Sex, noch beim essen oder sonst einer unserer Tätigkeiten. Es wundert mich, daß es nicht Menschen gibt, die zum Angeln gehen.

Angeln. Die ultimative Entschleunigung. Nicht viel mehr tun als zu warten. Muß man natürlich auch erst einmal können.

Früher ging man spazieren. Heute rennt man um möglichst noch viele andere Dinge erledigt zu bekommen. Und vor allen Dingen: Man ist immer und überall erreichbar. Rund um die Uhr. Zugegeben, es ist ganz praktisch ein Telefon dabei zu haben, wenn man unterwegs ist und etwas passiert. Das ist für mich ein absoluter Fortschritt. Aber MUSS man den immer erreichbar sein für jeden Arsch? Ich finde nein, muß man nicht!

Früher, als das Mobiltelefon noch ein gelber Kasten war, den man nur nutzen konnte, wenn man genügend Kleingeld dabei hatte, da ging es doch auch. Man war vielleicht nicht so flexibel wie man es heute ist, aber Verabredungen die man am Telefon getroffen hatte, hatten noch eine gewisse Verbindlichkeit. Heute jedoch kann man jederzeit – auch kurzfristig – einfach absagen. Alles wird irgendwie so larifari, unfassbar, wabbelig.
Seite 2 von 4       
Man legt sich heute ungern fest. Alles im schwimmen halten. Immer und jeder Zeit mit dem Strom davontreiben können. Keine festen Verpflichtungen eingehen, nach Möglichkeit.

Früher ist alles wesentlich entspannter gewesen als heute. Und man konnte noch viel Spaß haben, ohne viel Geld dafür ausgeben zu müssen. Wir leben in einer Welt, in der alles was nichts kostet, grundsätzlich nichts Wert ist. Natur? Ach kostet nichts, taugt net weg mit… Und so ist es leider mit vielem.

Auch mit den Menschen um uns herum. Alles was anders ist, kann eigentlich nur dazu da sein, mir zu schaden. Jeder der nicht der Norm entspricht ist grundsätzlich suspekt. Aber ich muß zugeben, ich bin in diesem Denken nicht anders. Mir wurde es so anerzogen. Du bist du und die anderen sind Idioten, überspitzt ausgedrückt.

Ich kann mich erinnern, als ich Kind war, hatte ich türkische, italienische und einige andere Freunde, von denen ich die Nationalität nicht mehr weiß. Wir waren wie Pech und Schwefel. Und nun, viele Jahre später ist es so wie bei den meisten Menschen in unserem Land. Alles was von außen kommt, ist grundsätzlich zunächst einmal suspekt.

Eigentlch schade, dass es uns so wenig gelingt, diese kindliche Toleranz ins Erwachsenenleben zu überführen. Und das zu ändern und die Feindseeligkeit abzulegen ist sehr schwer. Vor allem wenn sie dir immer wieder um die Ohren gehauen wird von den anderen Mitmenschen. Es ist schwer stehen zu bleiben und zu versuchen aufrecht zu sein, wenn du ständig einen Sack Zement auf den Rücken bekommst. Vielleicht bin ich aber auch noch nicht bereit dazu, trotz allem Gegenwind, stehen zu bleiben und ein Zeichen zu setzen. Es war früher auch in diesem Fall viel leichter. Es gab meistens nur schwarz und weiß. Vielleicht einmal eine schwache Grauschattierung. Aber nur ganz selten. Entweder du warst dafür oder dagegen. Was anderes gab es nicht.

Ich finde es schade, nur wenige haben noch das Kind in sich und lassen es ab und an laufen. Viele Menschen hetzen doch nur noch durch ihr Leben, stetig bemüht, so viel aus einer Minute Leben heraus zu quetschen, wie nur überhaupt möglich. Ein Verlust. Aber keiner an Zeit, sondern ein Verlust an Qualität.

Jemand sagte zu mir eines Tages als es mir schlecht ging, ich müßte wieder lernen mich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen. Jene, die einfach nur um des Daseins willen sind.
Seite 3 von 4       
Dinge, die ebenfalls nichts kosten und doch so unendlich kostbar sind. Unwiederbringlich, wie ein zu Ende gelebtes Leben.

Dinge, die einem das Universum einfach so am Rand hingestellt hat, um uns zu erfreuen. Die Brombeerhecke im Wald fragt dich nicht, warum bist du da. Die nimmt von dir einfach keine Notiz. Aber dennoch gibt sie dir köstliche Früchte. Einfach weil sie da ist. Das sind zum Beispiel die Kleinigkeiten, von denen ich hier spreche.

Wir hetzen durch unser Leben und eines Tages fragen wir uns dann, was habe ich eigentlich gemacht und erlebt? Sicher kann man sagen, man habe dies und das erlebt und gemacht. Aber was bleibt wirklich?

Ein Kuckuck rief unlängst im Wald als ich spazieren ging und den Bäumen lauschte, die leise im Wind knarrten, so als wollten sie mir etwas erzählen. Oder als ich neulich den Hof fegte – es war noch Sommer – da kreiste ein Turmfalke über mir und klagte sein Lied. Er war so nahe, dass ich glaubte ihn fast berühren zu können.

Das sind ebenfalls solche kleinen Dinge, die ich meine, denen man sich öffnen muß. Aber viele können oder wollen das nicht mehr. Sie könnten dadurch ja einen wichtigen Moment Leben versäumen.

Ich aber trage diese kleien Dinge in mir und werde mich immer daran erinnern. Und eines Tages werde ich auf mein Leben zurück blicken und sagen können, der Falke hat mir ins Herz geschaut.

Würde ich, wie so viele andere Menschen es tun, mit Scheuklappen durchs Leben stapfen – sei es nun wissetlich, unfreiwillig oder einfach aus Ignoranz – ich würde diese Dinge von denen ich sprach weder bemerken, noch zu schätzen wissen.

Früher war nicht alles besser. Aber vieles war mir bewußter als es zum Teil heute der Fall ist. Rückblickend jedenfalls.

Vielleicht war nicht alles besser. Aber einiges war schöner…

Früher.
Seite 4 von 4       
Punktestand der Geschichte:   90
Dir hat die Geschichte gefallen? Unterstütze diese Story auf Webstories:      Wozu?
  Weitere Optionen stehen dir hier als angemeldeter Benutzer zur Verfügung.
Ich möchte diese Geschichte auf anderen Netzwerken bekannt machen (Social Bookmark's):
      Was ist das alles?

Kommentare zur Story:

Leider wurde diese Story noch nicht kommentiert.

  Sei der Erste der einen Kommentar abgibt!  

Stories finden

   Hörbücher  

   Stichworte suchen:

Freunde Online

Leider noch in Arbeit.

Hier siehst du demnächst, wenn Freunde von dir Online sind.

Interessante Kommentare

Kommentar von "Homo Faber" zu "Der Zug"

Hallo, ein schöner text, du stellst deine gedanken gut dar, trifft genau meinen geschmack. lg Holger

Zur Story  

Aktuell gelesen

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. Über ein Konzept zur sicheren und möglichst Bandbreite schonenden Speicherung von aktuell gelesenen Geschichten und Bewertungen, etc. machen die Entwickler sich zur Zeit noch Gedanken.

Tag Cloud

  In Arbeit

Funktion zur Zeit noch inaktiv. In der Tag Cloud wollen wir verschiedene Suchbegriffe, Kategorien und ähnliches vereinen, die euch dann direkt auf eine Geschichte Rubrik, etc. von Webstories weiterleiten.

Dein Webstories

Noch nicht registriert?

Jetzt Registrieren  

Webstories zu Gast

Du kannst unsere Profile bei Google+ und Facebook bewerten:

Letzte Kommentare

Kommentar von "Michael Brushwood" zu "Kalt und heiß"

Vielen Dank, liebe Rosmarin! Auch ich wünsche dir aus ganzem Herzen, frohe und besinnliche Ostertage!

Zur Story  

Letzte Forenbeiträge

Beitrag von "Redaktion" im Thread "Frühlingsrubrik"

Geniesst die schöne Zeit, wenn der Frühling wirklich loslegt. Futtert nicht zu viele Ostereier. Weniger ist manchmal mehr( Geschmacklich) Eure Redaktion

Zum Beitrag