Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    Waldkind      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 11. März 2017
Bei Webstories eingestellt: 11. März 2017
Anzahl gesehen: 2122
Seiten: 2

Ich weiß, dass ich einen nicht makellosen Körper im Sinne des gängigen Schönheitsideales habe.

Mein Bauch trägt eine Blinddarmnarbe, die zur Zeit ihrer Entstehung von einem depperten Arzt versaut wurde, sowie unzählige Schwangerschaftsstreifen, weil ich halt eben zwei Mal schwanger war.

Da mein Bindegewebe nicht zu den festesten gehört, (Vielen Dank Mutter!) zieren meine Oberschenkel samt Arsch außerdem die als Orangenhaut besonders "nett" umschreiben Cellulitisdellen.

Ich habe ein makelbehaftetes linkes Bein, dass ich mir im Winter oft blutig kratze. Außerdem habe ich just heute Fußnägel, an denen der Lack abplatzt. Meine Schultern neigen sich etwas nach vorne, was meine Brüste, die aufgrund der Gewichtsabnahme (auf die ich eigentlich stolz bin) etwas weicher wurden, nicht richtig zur Geltung bringt. Manchmal, wenn ich unvorteilhaft liege, sehe ich, trotz ständigen Ölens, kleine Fältchen auf ihrer, also meiner, Haut.

Außerdem wachsen sie offenbar nicht auf einer Höhe.

Da ich mich weigere, mein Gesicht nach Junggirlsmanier komplett zuzukleistern obendrein mit Highlightern zu belichten oder mit dunkelbraunen Püderchen markantere Schatten zu setzen, sieht meine Gesicht nicht komplett clean aus und makellos. Ich habe auch keine Augenbrauen ohne Lücken und seit ich seit ein paar Jahren achtundzwanzig bin, muss ich mich permanent zwischen der Zornesfalte meiner Mutter (Vielen Dank Mutter!) oder den Horizontalfalten meines Vaters (Vielen Dank Vater!) entscheiden. Meine Augen samt Augenbrauen sind nicht symmetrisch, was für den Rest meines Körpers wohl auch gilt. Mitten in my Face prangt außerdem die große Maiernase (Vielen Dank Opa!). Langsam werden Mimikfältchen und das ein oder andere graue Haar sichtbar. Ich hatte vor meiner ersten Schwangerschaft ein Bauchnabelpiercing, noch früher außerdem einen Nasenstecker und insgesamt vierzehn Löcher für Ohrringe. Überall da, wo das ganze Metall einmal war, befinden sich kleine Narben.

Da ich auch mal wildes Kind war, mit meiner Tochter Fangen um einen Rolf Benz Glastisch spielte, mit Klingen arbeitete, einen Plastikstrohhalm anzündete oder mich Operationen unterziehen musste, (Nur Kinkerlitzchen!) findet man noch mehr! Narben an meinen ohnehin schon makelbehafteten Körper.

Ich bin offenbar ein hässliches Wrack,

aber, ich habe (Mir sei Dank!) zum Glück noch mein Ego.

Und Schminke.
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Und Antifaltencreme.

Und hautstraffendes Öl.

Und eine Friseurin die Haare färben oder ausrupfen kann.

Außerdem besitze ich Menschlichkeit und Selbstbewusstsein.

Ich liebe und be(ob)achte.

Zuallererst mich selbst.

Daher kenne ich alle meine körperlichen "Makel", die nichts anderes sind, als Dinge, die meinen Körper einzigartig und zu meinem machen.

Oder die ich meinem Körper zufügte, bis ich erkannte, dass er mir gehört.

Dass er ich ist und dass er der ist, der mich trägt.

Ich habe eine schöne Gesichtsform und wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich eine schöne, (nicht mehr blut- aber dennoch) relativ junge Frau. Ich habe einen schönen Hals und lange blonde Haare, die ich ganz gut stylen kann. Schöne, leicht definierte Arme werden von geraden Schultern an meinem wohlgeformten Oberkörper gehalten. Meine Haut hat einen schönen Farbton. Nicht braun, aber auch nicht zu blass. Auf meinem Rücken trage ich ein Tattoo, dass es garantiert nur ein einziges Mal auf der Welt gibt und der Rücken als solches ist perfekt. Mein Hintern hat wieder eine schöne Form bekommen und wenn ich es mir recht überlege, war er auch zu dickeren Zeiten nie unschön.

Ich habe eine wirklich schmale Taille und etwas weiter unten eine immer gepflegte Scham. Ich liebe es, nackt zu sein, weil ich meinen Körper pur so gerne mag. Ich passe aber auch in zahllose süße Kleidchen und Outfits. Meine Beine sind lang und die dazugehörigen Füße sind entgegen meiner Körpergröße zierlich, was ich genial finde! Vor allem sind sie perfekt gerade und die Zehen sind schön gleichmäßig , immer der Außenseitige etwas kleiner als der Innenseitige.

Ich bin ein wirklich schöner Mensch. Noch dazu liebe ich es, meine Fingernägel zu lackieren. Sie sind schön, gleichmäßig und groß.

(Aber Pssssst!.....

ich kaschiere damit bloß meine riesigen Pranken.)

Ich weiß, in was für einem Körper ich meine Jahre verbringe.

Ich kann und mag ihn lieben.

Er ist mir wertvoll und Heim meiner Seele, meines Ich.

Er trägt keinen Makel.

Er ist so wie er ist.

Er ist ich.

In allem steckt Wahrh(afigk)eit.
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