Kurzgeschichten · Nachdenkliches

Von:    Daniel Freedom      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 4. August 2016
Bei Webstories eingestellt: 4. August 2016
Anzahl gesehen: 2905
Seiten: 4

Fünfzehn Jahre später saß Tim wieder unter der alten Buche. Es hatte sich hier nichts geändert. Die Luft war immer noch klar, die Felder und Wiesen so blühend und unverändert, wie vor Jahrzehnten. Vor drei Jahren war er das letzte Mal hier gewesen, in ihrem alten Versteck. Der eingeschnitzte Text war immer noch zu lesen. Nicht mehr so deutlich wie damals aber in der rissigen Rinde waren die Buchstaben klar zu erkennen. Sie hatten eine wundervolle Kindheit hier verbracht und irgendwie hatte die Zeit hier komplett still gestanden. Damals als sie zehn waren, er und Judy. Der gleiche Platz, dieselben Gerüche. Sie weckten Erinnerungen…



Sie hatte Krebs. Nach drei Tagen im Krankenhaus kam dieses Wort aus allen Mündern. Krebs. Sein Vater versuchte es ihm zu erklären aber er wollte einfach nichts davon hören. Es war seine Judy und nichts und niemand sollte sie ihm wegnehmen auch nicht dieser Krebs. Er weinte nachts und morgens in der Schule war er noch abwesender als sonst. Er hatte keine Zeit für Mathe und Geschichte. Er schlug nur die Zeit tot, um mittags ins Krankenhaus zu Judy zu können.

Es war eine schlimme Zeit. Sie waren eingesperrt in diesem Zimmer und konnten nicht raus aber sie machten das Beste draus. Judy malte ihre Bilder, die trotz der Erkrankung und den Schmerzen immer positiv blieben. Er schrieb seine Geschichten, die leider nicht immer nur von der glücklichen kindlichen Welt erzählten. Er blieb so lange bis die Krankenschwerstern ihn rausschmissen und ging meist zu Fuß nach Hause. Sein Vater hatte ihm zwar angeboten ihn abzuholen aber er liebte diese Stunde für sich allein. Die frische Luft tat nach dem Tag im Krankenhaus gut und er konnte seine Gedanken sortieren.

Nach vier Wochen ging es ihr endlich besser. Die ganze Quälerei im Krankenhaus hatte doch was gebracht, aber es dauerte noch mal vier Wochen bis die zwei endlich mal wieder unter ihrem Baum saßen.

Es war ein schöner Oktobertag und zum Glück nicht ganz so heiß wie das letzte mal.

„Hab ich mich eigentlich mal bei dir bedankt dafür, dass du die ganze Zeit für mich da bist?“ Tim drehte sich zu ihr. „Warum solltest du so etwas tun? Wir sind Freunde und die machen so was füreinander.“ Sie lächelte. „Du bist ein ganz schöner Romantiker.“ „Ich bin ein verdammt guter Läufer und ich denke wir schauen mal wer zuerst am See ist!“



Die Jahre gingen ins Land.
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Die Sonne versank immer noch am Horizont und immer noch erzeugte sie die Schatten, die uns lautlos und stumm das ganze Leben lang begleiten.



Tim stand auf. Für einen Tag waren das genug Erinnerungen. Er musste zu seinem Vater auf den Hof.

Die Begrüßung war herzlich wie immer. Er liebte seinen Paps über alles. Er hatte ihn immer unterstützt, auch vor drei Jahren als er seine Auszeit nehmen wollte. Er hatte sich nicht darüber beklagt, dass er nun keinen Nachfolger für seinen Hof hatte, hatte kein Wort darüber verloren, dass er Tims Hilfe dringend benötigt hätte. Er hatte einfach nur gesagt: „Mein Freund, geh deinen Weg und mach was aus deinem Leben. Leb deinen Traum und sei glücklich!“ Jetzt stand er in ihrer alten Küche und hatte Tränen in den Augen bei diesen Gedanken.

„Na los setz dich Junge und erzähl. Ich hol uns ein Bier.“

Es war eine lange Nacht. Sie redeten und redeten und tranken Bier. Am nächsten Morgen in der Küche sahen die beiden ganz schön zerstört aus. „Warum zum Teufel hast du mir so oft ein neues Glas hingestellt?“ „Weil du es immer wieder leer gemacht hast.“ Sie lachten und schlugen zusammen die Eier in die Pfanne. „Sie kommt immer noch regelmäßig bei mir vorbei.“ Tim sah seinen Vater an und nickte. „Ich werde sie heute Abend besuchen. Immer noch die Schule?“ Zur Antwort bekam er ein Kopfnicken.



„Du bist immer noch verdammt hübsch aber ich glaube du hast ein paar Kilo mehr drauf, als vor drei Jahren.“ Judy drehte sich zu ihm um. Das Glitzern in ihren Augen war immer noch da. Sie lächelte und drückte ihn an sich. „Das war nicht sehr nett von dir!“ „Du bist immer noch das schönste Mädchen weit und breit und das weißt du!“ Sie lächelte und sagte: „Lass uns ein wenig spazieren gehen Tim.“

„Du siehst ganz schön fertig aus. Geht es dir gut?“ „Ja es ist alles bestens, die Begrüßung mit meinem Paps fiel ein wenig heftig aus. Es gab zu viel Bier.“

Sie gingen der Sonne entgegen und ihre Schatten folgten ihnen wie immer. Er erzählte ihr von den letzten drei Jahren. Von der Zeitung bei der er als Journalist arbeitete und was er alles so erlebt hatte.
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Es war nicht so toll wie er es sich vorgestellt hatte.

„Ich war wohl ein wenig naiv. Der Job laugt einen aus. Ich brauch wohl ne Auszeit von meiner Auszeit.“, sagte er und sah verlegen auf den Boden. „Du bist nicht naiv aber du warst schon immer ein Romantiker und wolltest die Welt retten sowie du mich gerettet hast. Daran ist nichts Schlechtes. Du musst nur deinen Weg finden und für dich entscheiden was du machen willst.“

Sie nahm seine Hand und sie schlenderten durch die Straßen der Stadt.



Sein Vater war noch wach als er zurückkam. „Wie war es?“ „Schön. Als wäre ich nie weg gewesen.“

Warum ist aus euch eigentlich nie ein Pärchen geworden, ihr wart immer so was wie Bonny und Clyde. Ihr hattet nur Unfug im Kopf und wart den ganzen Tag zusammen.“ Tim lächelte. „Ich weiß es auch nicht. Vielleicht wollten wir nie unsere Freundschaft aufs Spiel setzen oder hatten einfach zu viel Angst es würde alles kaputt machen.“ „Ein Bier?“ „Nein, heute nicht aber ich muss mit dir reden.“



Tim wartete vor der Schule. Als sie ihn entdeckte blieb sie stehen und sah lange zu ihm hin bevor sie auf ihn zuging. „Was ist passiert Tim?“ „Lass uns zur Buche gehen.“

Sie gingen ihren Weg wie immer. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn im Leben eine Sache für immer bleibt. So viel verändert sich. So viele Menschen kommen und gehen. Man trifft so viele Entscheidungen und nicht immer die richtigen, aber dieser Weg zu ihrem Baum hatte sich schon immer richtig angefühlt. „Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht was du jetzt machen willst Tim?“ Sie saßen wie immer mit dem Rücken zur Buche und schauten Richtung Hof.

„Ich hab gestern mit Paps gesprochen. Ich werde bleiben.“ „Das ist schön. Er hat sich mit Sicherheit gefreut und er kann jede Hilfe gebrauchen.“ Tim sah zu den tanzenden Schatten der Blätter auf dem Boden. Das Spiel aus Licht und Schatten. „Ich werde ihm leider keine große Hilfe sein. Ich hab Krebs.“ Judy sah ihn lange an. Er sah wie sich das Wasser in ihren Augen sammelte und als Träne ihren Weg nach unten suchte. Sie nahm ihn in den Arm. „Ich werde für dich da sein!“ „Ich weiß!“

Sie drehten sich noch einmal zu ihrer alten Buche um. „ Wir lassen uns von den Schatten nicht vertreiben.
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Die Dunkelheit gehört zum Leben wie die Nacht zum hellen Tag“ hatten zwei dreizehnjährige vor über zehn Jahren fein säuberlich in die Rinde geritzt.

Sie gingen Händchen haltend zurück, wie sie es immer getan hatten und trieben ihre Schatten vor sich her.
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Interessante Kommentare

Kommentar von "Kleine Meerjungfrau" zu "Bah, Ekelattacke"

Muahhhh, bah, widerlich, ekelhaft... Wie kommt man denn auf soetwas?? Da hast du dich aber geekelt an dem Tag, oder? Und du steckst die anderen damit an. Auch wenn der Inhalt fies ist, ein gelungener ...

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