Kurzgeschichten · Amüsantes/Satirisches

Von:    Rosalina Brand      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 2. Dezember 2015
Bei Webstories eingestellt: 2. Dezember 2015
Anzahl gesehen: 2290
Seiten: 2

Wo gab es das noch, eine so langjährige Freundschaft wie die ihre? Sie fragten es sich immer wieder - eine Männerfreundschaft über mehr als sechzig Jahre, in unserer kurzlebigen Zeit.

„So viele gemeinsamen Erinnerungen wie wir sie haben, ist doch verrückt, oder?“

„Aber schön,“ antwortete dann meist der Andere.

Sie kannten sich seit der gemeinsamen Schulzeit, jetzt waren sie längst pensioniert. Und immer noch saßen sie zusammen in Straßenkaffees, genau so wie sie es in jungen Jahren getan hatten und sahen, genau wie damals, den Frauen nach. Ohne etwas zu sagen meist, es war alles schon so oft gesagt was gesagt werden konnte. Jeder kannte die Vorlieben des Anderen, da genügte meist ein kurzer, bestätigender Blickwechsel.

Dass diese Vorlieben nicht genau dieselben waren, hatte vermutlich zur Langlebigkeit ihrer Freundschaft beigetragen. Sie waren nie direkte Konkurrenten gewesen, weder in ihrer beruflichen Tätigkeit noch was die Frauen betraf. Zwar wollten sie, wie die meisten Buben ihrer Klasse, einmal Kapitän sein, wollten mit dem Wind der Weltmeere zu neuen Ufern aufbrechen, wollten das Alles oder Nichts. Wer wenn nicht sie? Das Leben hatte dann aber Anderes vor mit ihnen, weniger Spektakuläres. Es war nicht der einzige Trugschluss gewesen, den das Leben für die Beiden bereitgehalten hatte. Manche Wolkentürme hatten sie wachsen sehen, aber kein Unwetter hatte ihnen wirklich etwas anhaben können.

Was sich als Konstante in ihrem Leben erweisen sollte, war das Interesse an schönen Frauen. Dies hatte in jungen Jahren eine zentrale Rolle in ihren freundschaftlichen Gesprächen gespielt, hatte sich als Gesprächsstoff noch vor Autos und Fußball geschoben. Und schon damals war es nicht so ganz klar gewesen, was bei den beiden Schürzenjägern der genauen Wirklichkeit entsprach und was eher als Jägerlatein einzustufen war. Es wäre aber ein Trugschluss zu denken, dass dies der Glaubwürdigkeit geschadet hätte. Im Gegenteil, das Zusammenspiel von interessierter Nachfrage und damit angeregter Ausschmückung der Tatsachen hatte den Gesprächen erst den erotischen Reiz gegeben. Ach, war diese Jugend aufregend und schön gewesen!

Es war nicht mehr viel übrig geblieben davon, aber immerhin – und das war nicht wenig - der Reiz, der für die beiden Freunde von schönen Frauen aus ging. Von ihrem Duft, von schlanken Beinen oder von molligen Waden, von kurzen schwarzen oder langen blonden Haaren, von drallen Hintern oder schmalen Händen.
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Mit wem ließ sich besser darüber reden, ließen sich Tatsachen und Fantasien besser in Worte fassen, als mit dem Freund aus frühen Jahren.

Obwohl sich heimlich jeder von ihnen jünger aussehend als der Andere beurteilte und damit die eigenen Chancen bei den Frauen höher einschätzte, brauchte es nun erheblich mehr erzählerisches Geschick und einen bedeutenderen Anteil an Fiktion, um aus der interessanten Ferienbekanntschaft, aus der Begegnung mit der netten Angestellten am Bankschalter oder der neuen Praxishilfe beim Hausarzt, eine erotische Geschichte mit vielversprechenden Zwischentönen zu machen.



In diesem Moment gingen zwei Frauen, ebenfalls in ein freundschaftliches Gespräch vertieft, am Tisch der beiden vorbei, die eine mit sympathischen Rundungen, die andere rank und schlank.

„Jetzt oder nie,“ dachten die Beiden. Wenn eine von ihnen zurückschaut, dann wagen wir es.“

Aber es schaute keine von ihnen zurück.

Im herzhaften Lachen der beiden lag mehr Erleichterung als Enttäuschung.

„Dann sollte ich wohl nach Hause, Judit mag nicht, wenn ich zu spät zum Essen komme,“ sagte der Eine, mit Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk.

„Schon halb zwölf,“ bestätigte der Andere, „bei uns gibt es heute Risotto mit Steinpilzen.“

„Sag einen schönen Gruss daheim - und sie soll auf dich aufpassen.“

Sie würden schon bald wieder zusammen sitzen, wieder den Frauen nachsehen, wieder mit dem Gefühl, das ihre Jugend verkörperte und sich wieder neue Geschichten davon erzählen. Geschichten von denen sie beide nicht genau wussten, wo die Wahrheit aufhörte und die Fantasie begann.
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Interessante Kommentare

Kommentar von "Sebastian Krebs" zu "Ein Wort zum Valentinstag"

Durchaus nette Geschichte, die einen wohl wahren Kern behandelt. Fünf Punkte und ein Trullala!

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